almis personal blog

Julia Roberts, eins

Dieser Tage wird Julia Roberts 50 und das ist mir ein willkommener Anlass, ein bisschen über ein paar ihrer Filme zu reflektieren.

Da wäre zunächst einmal Pretty Woman. Vielleicht ist man verleitet, Pretty Woman zu gering zu schätzen, weil es eine leichte Komödie ist, aber eigentlich sind leichte Komödien ein ziemlich kompliziertes Genre, vor allem, wenn sie einen gewissen Anspruch haben wollen. Pretty Woman ist witzig und selbstironisch und hat eine – trotz ihres Berufsstandes – sehr feministische Hauptfigur, die genau weiß was sie will und was sie nicht will.

Ich wollte damals als Teenager unbedingt so tolle lange Locken wie Julia Roberts haben, die übrigens nicht die erste Wahl für die Rolle der Vivian war und auch nicht die zweite oder dritte. Als sie dann schließlich doch fix gecastet war, wollte Richard Gere eigentlich nicht wirklich, aber Roberts schrieb ihm ein post it mit den Worten “Please say yes” und dann hat er doch zugesagt. Gere wirkt ja im Film dann eher passiv und zurückhaltend, ich habe in der Trivia gelesen, dass er anfangs seine Rolle viel aktiver angelegt hat, ihm aber dann vom Regisseur Bescheid gesagt wurde, dass nur einer der beiden im Film so lebendig rüberkommen sollen und das sei nicht er.

Es gibt soviele kultige Szenen, dass es schwierig ist, eine bestimme herauszugreifen. Natürlich mag ich sehr gerne die Szene, in der Vivian mit Edward shoppen geht – Dialog Edward mit dem Shopmanager: “Ich möchte ein hier ein Vermögen ausgeben.” Der Shopmanager: “Ein kleines, ein mittleres oder ein richtiges Vermögen?” Edward: “Ein richtiges Vermögen.” Und dann probiert Vivian lauter tolle Kleider an und das in den ausgehenden achtziger Jahren, die ja nicht gerade für dezente Mode berühmt waren, hach ja. Ich nehme an, Männer finden diese Passage auch so toll.

Schön ist auch die Szene, als die beiden in die Oper wollen, Vivian trägt dieses rote Kleid und Edward meint, da fehlt noch was. Dann zeigt er ihr eine Perlenkette in einer kleinen Schachtel und als Vivian die Kette berührt, schnappt er die Schachtel zu und sie erschrickt und lacht. Das interessante an der Szene ist, dass das Zuschnappen lassen der Schachtel von Richard Gere improvisiert war und somit die Reaktion von Roberts komplett natürlich. Das hat dem Regisseur so gut gefallen, dass er die Szene so belassen hat.

Ich mag auch die Anfangsszene, in der Edward Vivian im Auto vom Hollywood Boulevard “aufliest” und gröbere Probleme beim Schalten mit der “Haarnadelschaltung” hat. Zitat Vivian: “Schönen Gruß vom Getriebe, der Gang ist drinnen.” Einen Satz, den ich auch schon manchmal in passenden Situationen gern verwendet habe, v.a. mir selbst gegenüber harhar. Und natürlich die Endszene (Spoilerspace, aber ich glaube, hier liest keiner mit, der den Film noch nie gesehen hat), als der nicht schwindelfreie Edward seine Prinzessin aus dem “Turm” rettet, und mit Müh und Not die Feuerleiter des staubigen Hauses in einer unspektakulären Gegend von Los Angeles hinaufklettert.

Was man vielleicht schon vergessen hat, wenn man den Film nicht ein dutzend Mal gesehen hat wie ich: der Roxette Song It must have been love wird an sehr prominenter Stelle im Film gefeatured. Damals war die schwedische Band ja am absoluten Höhepunkt ihrer Karriere. Und: Julia Roberts wurde für ihre Darstellung für den Oscar nominiert (gewonnen hat dann allerdings Kathy Bates für Misery).

No future diesseits und jenseits das Teichs

Nachdem ich letztens was von guilty pleasure Songs geschrieben habe, hab ich irgendwo im Netz in eine Auflistung von ebensolchen gefunden. Unter anderem war da You get what you give von den New Radicals.

Das ist für mich kein guilty plearsure Song, im Gegenteil. Es ist so, dass ich You get what you give von den New Radicals wirklich überhaupt nicht leiden kann, um es mal nett zu formulieren. Ich hab mir den Song dann aber trotzdem nochmal angehört um mein Missfallen quasi zu verifizieren und ja, ich finde den Song – um Tartarotti zu zitieren – immer noch fürchterlichst. Er hat diese no future auf US-amerikanisch Attitüde, die Kids wissen ihren Frust über alles nicht anders zu kanalisieren als teure Autos, genauer Mercedes Benz’, zu demolieren und alle zu beschimpfen, obwohl sie eigentlich Liebe brauchen. Am Ende zählt der Sänger quasi in Rollenprosa auf, wer ihn aller nervt und “Fake” ist, nämlich: “Hanson, Courtney Love und Marylin Manson” (reim dich, oder ich fress dich!).

Das hat mich dann aber an einen anderen Song erinnert, der quasi no-future auf britisch ist, nämlich The Dark of the Matinee von Franz Ferdinand.

Und diesen Song mag ich gerne, weil er in seiner Gesellschaftskritik viel spitzfindinger ist als die öde New Radicals Nummer. Auch in good old UK sind die Jugendlichen etwas orientierungslos, die schulische Ausbildung wird kritisch betrachtet und der Protagonist macht seinem Unmut Luft, in dem er seinem love interest erzählt, was ihn alles nervt:

“Accidentally, I
Charm you and tell you
Of the boys I hate
All the girls I hate
All the words I hate
All the clothes I hate
How I’ll never be anything I hate”

Soweit so schlecht, aber dann die Reaktion des love interests:

“You smile, mention something that you like
Oh how you’d have a happy life
If you did the things you like”

So einfach kanns manchmal sein. Und dann wird der Protagonist des Songs aufgrund der geänderten positiven Lebenseinstellung irgendein Künstler, der selber nicht so genau weiß, welche Kunst er ausübt, damit aber enormen Erfolg hat, und auf BBC2 dem legendären Moderator Terry Wogan ein Interview zu seinem nebulösem Tun geben darf.

Das find ich ziemlich originell.

#metoo, zwei

Gestern hat sich die Schauspielerin Nina Proll bemüßigt gefühlt, etwas zu #metoo zu sagen. Dann brach ein ziemlicher Shitstorm los. Ich würde gerne sagen, dass hier überreagiert wurde und sie das nicht verdient hat, aber das fällt mir schon eher schwer.

Abgesehen davon, dass sie so ein sensibles Thema, das ja offenbar doch sehr viele Frauen betrifft mit dem Holzhammer bearbeitet, finden sich im Text auch ziemlich widersprüchliche Aussagen. Beispielsweise sagt sie einleitend, ihr selber ist das in 20 Jahren Filmkarriere noch nie passiert, dass es Grenzüberschreitungen gab, etwas später dann, dass sie sich für ältere Männer nie interessiert hat und es ihr deshalb egal war, wenn diese ihr “Avancen” gemacht haben.

Dann schreibt sie, jede Frau kann ja selbst bestimmen, in welche Abhängigkeiten von einem Mann sie sich begibt. Das ist wirklich blanker Hohn, denn nicht jede Frau, die sexuell belästigt oder missbraucht wird, ist in der Position, “einfach” nein sagen zu können, wie sie salopp vorschlägt. Etwa weil sie minderjährig ist, weil Missbrauch in der Familie passiert, weil sie eingeschüchert, bedroht, gewaltsam zu etwas gezwungen wird, etc. Wäre es so einfach mit: “Ein nein ist ein nein, daran hält sich jeder” zu erledigen, gäbe es ja diese ganze Problematik überhaupt nicht.

Und schließlich wirft Nina Proll alles durcheinander, wenn sie sagt, dann darf ja kein Mann mehr mit einer Frau flirten, weil er ja dann sofort in ein Eck gestellt wird. Ich frage mich wirklich wie schwer es sein kann, einen Flirt und sexuelle Belästigung zu unterscheiden. Ein Flirt lebt nämlich substantiell von seiner Gegenseitigkeit, davon eben genau die Reaktionen des Gegenübers abzuwarten und wiederum darauf zu reagieren. Und nicht wie ein Bulldozer alles niederzuwalzen, weil das “Objekt der Begierde” vor allem eines ist: Mittel zum Zweck.

Polemisch zu sagen, dann schaffen wir Sex ab, dann gibts keine Probleme mehr, zieht die ganze #metoo Bewegung komplett ins Lächerliche und verhöht die Frauen, die sich (vielleicht endlich!) trauen, Zustände zu benennen und sich selbst nicht mehr schuldig zu fühlen. Sex ist etwas wunderschönes, wenn er zwischen Menschen stattfindet, die das beide wollen. Es geht hier aber gar nicht um Sex per se, sondern um Machtmissbrauch, um Grenzüberschreitungen, um Gewalt und Erniedrigung. Schade, dass Frau Proll das offenbar absolut nicht nachvollziehen kann und mehr noch, anderen ihre Erfahrungen abspricht.

1986

Ich mag das, wie Kurier-Journalist Guido Tartarotti schreibt, weil er es wunderbar, wenn auch sehr unaufgeregt, schafft, Stimmungen und wenn man so will Zeitgeist einzufangen.

Als die Grünen in Österreich jetzt vor kurzem aus dem Parlament gewählt worden sind, hat er einen Text dazu verfasst, dass für ihn jetzt tatsächlich irgendwie erst das Jahr 1986 beendet ist, das Jahr, in denen die Grünen erstmals ins Parlament einzogen. Und mit nur ein paar Sätzen spannt er den Bogen von damals nach heute und jeder, der 1986 irgendwie in einer ähnlichen Altersgruppe war, kann wohl damit was anfangen.

Ich kann mich zum Beispiel erinnern, dass ich mit meinen Eltern und Freunden mit Kindern wandern war, auf irgendeinem Wiener Hausberg und als wir oben waren, hat es plötzlich zu regnen begonnen. Wir haben uns unter Bäumen untergestellt, aber bis heute frag ich mich, ob wir Kinder nicht einfach auch in den Regen gelaufen sind und die Zunge rausgestreckt haben, um den Regen zu schmecken, wie wir es oft taten. Warum mich das beschäftigt?

Weil einige Tage (sic!) danach wurde im Fernsehen bekannt gegeben, dass es einen Störfall im Reaktor von Tschernobyl gegeben hatte, und der Regen, in dem wir damals quasi tanzten, womöglich ziemlich radioaktiv verseucht war. Ich kann mich erinnern, dass meine Eltern mich daraufhin dazu angehalten haben, nicht in der Wiese in unserem Garten zu spielen, aber ich glaube, so richtig daran gehalten hab ich mich nicht, ich habe die ganze Tragweite der Sache nicht verstanden oder für überzogen gehalten. Wie man als Kind halt denkt, man ist unbesiegbar. Immerhin dürfte diese Katastrophe aber das Aus für Atomkraft in Österreich bedeutet haben.

Ich habe dann mit Tartarotti auf Twitter über das Lied “Solo por ti”, das er im Text erwähnt und damals ein Hit war, diskuiert, mir hat das damals nämlich gefallen. Wobei ich es, bis zu der Erwähnung im Text, komplett vergessen hatte. Wir hatten damals eine Bekannte, die in einem Plattengeschäft gearbeitet hat und mir immer die aktuellen Hits – wie auch diesen –  auf Musikkassette überspielt hat, die ich mir dann stundenlang auf meinem Kassettenrecorder (das klingt alles extrem Vintage, merk ich gerade) angehört habe. Tartarotti fand den Song “fürchterlichst”. Das mag aber daran liegen, dass er damals 18 war und ich eben erst zehn. Ich glaube, im Endeffekt hat er schon einen Punkt, es hat etwas von guilty pleasure Hörvergnügen. Harhar.

#metoo

Weil der #metoo Hashtag grad ein ziemlich großes und wichtiges  Thema auf twitter und nicht nur dort ist, verlink ich hier etwas, was ich gestern auf twitter gepostet habe.

In dem verlinkten Artikel befinden sich interessante Überlegungen einer Bekannten, die ich teilen kann, und auch die Sichtweise, dass mir Gott sei Dank nie etwas Schlimmeres passiert ist, aber die Alltagsbelästigungen deshalb nicht nichts sind oder unwichtig oder gar schon als “normal” zu klassifizieren wären.

Obwohl es uns Frauen tatsächlich oft so vorkommen mag.

 

Polo Werbung

Die Werbung für den neuen VW Polo find ich ja sehr gelungen.

Da sieht man zuerst einen kleinen Jungen, der sich dauernd bei Aktionen mit fahrbaren Untersätzen (Laufrad, Rad, Motorrad) verletzt und von seinem Vater in die Notaufnahme gebracht wird. Als er dann seinen Führerschein gemacht hat und seinen Vater auf die erste Ausfahrt mitnehmen will, sieht man sofort und verständlicherweise die Panik im Blick des Vaters.

Gotteidank – so die Werbebotschaft – hat sich der Sohn einen Polo gekauft, der ihn auf alle möglichen Gefahrensituationen aufmerksam macht und vor Schlimmeren bewahrt. So gibt es zb auch die Funktion, dass das Auto bremst, wenn ein Mensch direkt vor einem auf der Fahrbahn steht, siehe:

Der Passantin ist das Einkaufssackerl gerissen und alle möglichen Einkaufsgüter sind dabei auf den Boden gefallen. Da beißt einen die Godfather-Symbolik natürlich in den Allerwertesten. Denn herumkullernde Orangen bedeuten in den Paten-Filmen nichts gutes, bzw. weisen auf eine erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit hin.

Well played, VW!

Nach der Wahl

Die Wahlbericherstattung des ORF gestern war irgendwie skurill.

Noch vor der ersten Hochrechung – für 17.10 Uhr angekündigt – sendete der ORF obskure Reportagen aus den Bundesländer, u.a. zum Team Stronach, ich mein: “Who cares?”, nicht mal mehr Stronach himself. Wenn das Ziel des Senders war, quasi sedativ auf die angespannten Nerven der Zuschauer zu wirken, dann ist war das allerdings durchaus gelungen, alle Achtung.

Noch bizarrer wurde es aber um 17 Uhr, wo es ja normalerweise die erste tatsächlich Hochrechnung gibt. Diesmal präsentierte Tarek Leitner, der übrigens vom Styling her gestern ein bisschen was vom nutty professor hatte, einen Bildschirm mit der Landkarte von Österreich. Dort dilettierte er mit den verfügbaren Touchscreen-Buttons herum und präsentierte Orte, die blau, rot und schwarz eingefärbt waren. Irgendwie sollte das ein Vergleich mit 2013 sein, wie damals gewählt wurde und wie jetzt, aber ich glaube außer ihm (falls überhaupt) hat sich dabei keiner so richtig ausgekannt. Oder wie ein Freund whatsappte: “Oida Tarek, ich will Säulen!” Das war ein echter Datenoverkill, ein Privatissimum für Statistikstudentinnen und eher nicht Grimme-Preis würdig, würde ich mal meinen oder vielleicht doch in der Kategorie schrägste Fernsehminuten.

Skurill war aber auch der runde Tisch zu den Wahlen mit Anderas Khol, Gerhard Zeiler, Norbert Steger (!!), ich mein, welches Jahr haben wir nochmal schnell? Vielleicht lag es daran, dass aktuelle Persönlichkeiten der Parteilandschaften bei diversen Privatsendern zu Gast waren? Allerdings hat der ORF zumindest diesbezüglich dazugelernt, und meidet die Namen von Konkurrenzanstalten nicht mehr so wie der Teufel das Weihwasser, man darf jetzt auch im öffentlichen Rundfunk “puls 4” sagen, ohne ausgepiepst zu werden.

Und ein slowenisches Nachbardorf im Rosental, Zell Pfarre, das immer gegen den (Kärntner) Trend wählt, auch diesmal sehr interessant zu sehen

Zur Wahl

Morgen haben wir dann den etwas mühsamen (Eupheismus) Wahlkampf überstanden. Und manche Floskeln wie “Am Ende des Tages” und “Das werden wir uns sehr genau anschauen” oder “Ich habe das mit Interesse gelesen” und “Wie ich selbst immer wieder erlebe” kann man jetzt wirklich nicht mehr hören. Man wird ihnen aber morgen Abend auch noch öfters begegnen, fürchte ich.

Die Duelle und Diskussionsrunden hab ich trotzdem gerne gesehen, vor allem zum Einschlafen, da fallen einem so schön die Augen dabei zu. Lustig war bei der letzten Elefantenrunde (minus Pilz) einerseits, dass nicht nur Kurz von jedem Thema auf die Westbalkanroute kommt, was ja schon bekannt ist, sondern Ulrike Lunacek auch von fast jedem Thema auf “fossile Brennstoffe”. War erstaunlich zu sehen, wie man von Migration hier die Kurve dorthin kratzen kann. Noch lustiger war allerdings, wie Sebastian Kurz sich darüber aufgeregt hat, dass Putzfrauen durch EU Normen dazu gezwungen sind, zu unterschreiben, dass sie ihre Putzmittel nicht trinken und dann Hannes Tschürtz getwittert hat:
 

Willkommen Österreich hab ich diese Woche nach sehr langer Zeit auch mal wieder gesehen und da war die aktuelle Ausgabe auch sehr sehenswert. Grissemann meinte etwa, eigentlich wollte die ÖVP Kern als Spitzel, Kern weiß allerdings zu wenig über die SPÖ. Zu der FPÖ-Youtube Werbelinie “Die Hubers” meinten sie, sehr lustig gemacht eigentlich, eine Art rechtsradikales Monty Python.

Wenn man noch ein paar interessante Dinge zu Politik und Wahl lesen will, sollte man den aktuellen Falter konsumieren. Da gibt es einen enorm aufschlussreichen Artikel von Florian Klenk zum Thema “Aufstieg und Fall des Christian K.”, in dem beschrieben wird, warum Kern möglicherweise vom klaren Favoriten am Jahresanfang (hätte man damals gewählt) zum Kandidat für Platz drei werden konnte. Interessant ist auch, was erklärter SPÖ-Anhänger Lukas Resetarits zur Causa sagt und v.a. zu Alfred Gusenbauer: “Er sollte sofort aus der SPÖ austreten, wenn er noch ein Restel Charakter hat”

Der Fall Weinstein

Seit einigen Tagen ist der Skandal um Harvey Weinstein, einem der Gründer von der mehr als sehr erfolgreichen Filmproduktionsfirma Miramax in allen Medien. Weinstein wird beschuldigt, zahlreiche Frauen sexuell genötigt zu haben. Die Vorwürfe reichen bis hin zu Vergewaltigung.

Das ist ein herbes Ende eines Märchens aus Hollywood. Harvey und sein Bruder Bob hatten ihre Filmfirma Ende der Siebziger gegründet und ihren klingenden Namen aus den beiden Vornamen ihrer Eltern zusammengesetzt. Ursprünglich aufs Arthouse Kino spezialisiert, katapulierte sich Miramax durch Steven Soderberghs Sex, Lies and Videotapes an die Spitze des amerikanischen Independent Kinos. Eine Übernahme durch Disney folgte, die Brüder blieben allerdings an der Spitze ihrer Produktionsfirma. Was dann filmtechnisch geschah, war beispiellos. Miramax  (und später The Weinstein Company) produzierte Kaliber wie Pulp Fiction, Der englische Patient, Shakespeare in Love, The King’s Speech oder The Artist. Oder wie Sasha Stone von Awards Daily vor kurzem getweetet hatte: zwischen 1993 bis 2004 hatte Miramax in jedem Jahr bis auf einem einen ihrer Filme als “best picture” Nominee. Dreimal siegreich. Was die Macht beschreibt, die Weinstein in diesem Business hat(te). Und auch sein filmtechnisches Gespür.

Umstritten war Weinstein schon lange, wegen seiner cholerischen Art und seinem harten, oft unerbittlichen Auftreten, allerdings gestand man ihm das quasi zu als “engagiertes Marketing” in eigener Sache zu. So schwarz/weiß wie beispielsweise Trump war er nicht einzuordnen, weil er sich politisch durchaus für hehre Dinge engagierte, ein gerechtes Gesundheitssystem, für AIDS- und MS-Therapiemöglichkeiten, für Armutsbekämpfung und auch gegen Waffenbesitz. Er galt als Großspender der demokratischen Partei.

Das alles erwähnt habend, kann es auf die Anklagen zahlreicher Frauen (u.a. Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie, um nur die bekanntesten zu nennen) natürlich niemals die Antwort geben, die Donna Karan – übrigens eine Designerin (sic!) der Presse zu dieser Causa gab, nämlich, dass die Frauen das mit ihrem Kleidungsstil quasi wahrscheinlich auch einfach herausgefordert hatten. Und zwar never ever! Wie man als Frau oder einfach als menschliches Wesen so eine “Erklärung” für sexuellen Missbrauch geben kann, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben. Und Weinsteins eigene Erklärung dafür, dass er in einer Zeit groß geworden war, in der das irgendwie “zur Kultur gehörte” also quasi gesellschaftlich legitimiert war, lässt einen noch mehr die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Und übrigens sind die Frauen auch nicht selbst schuld, weil sie sich nicht gewehrt oder Weinstein nicht angezeigt haben. Dafür gibt es viele Gründe. Ihnen daraus einen Vorwurf zu machen, ist nur der klassische Versuch einer Opfer-Täter Umkehr. Und ja, fast alle Frauen machen in ihrem Leben zumindest einmal die Erfahrung eines sexuellen Übergriffes in der einen oder anderen Form. Und das ist nicht normal oder als Kavaliersdelikt hinzunehmen, und 2017 sollten wir wirklich soweit sein, da nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen.

Wie Sasha Stone in ihrem aktuellen Essay über Weinstein richtigerweise schrieb, geht mit Weinstein nicht nur eine Fixgröße der Filmindustrie, sondern auch ein alter, überholter Spirit, eine Dominanz des (weißen) selbstgefälligen Machtmenschens. Dieses Jahr könnte ein Jahr werden, in dem Frauen mehr mitzureden haben bei den Oscars, u.a. die wunderbare Greta Gerwig, die mit Lady Bird erstmals nicht “nur” Co-Autorin ist, sondern Drehbuchautorin und Regisseurin. Und vor allem sollten Frauen und Männer sich in dieser, wie auch in jeder anderen Branche, auf Augenhöhe begegnen können:

“That’s why it’s so essential that we change the power dynamic from the inside out, to address a generation that is tired of Hollywood’s old ways, and is ready to embrace the change no one can stop from coming.”

(Sasha Stone)