Am Mittwoch war ich bei einer Veranstaltung des Literaturmuseums. Es wurde von zwei Schauspielern aus dem Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch vorgelesen und dann haben zwei der Herausgeber darüber gesprochen.
Zunächst mal: Ich war on time dort, es gab keine Anmeldung und als Germanistin bin ich es doch eher gewöhnt, dass Veranstaltungen selten überlaufen sind. Nicht so diesmal. Der Saal war voll, es gab keine Sitzplätze mehr, es mussten Stockerl geholt werden, der Vorraum war dann auch ziemlich gut gefüllt, also schon sehr erstaunlich, dass dieses Thema ein solcher Banger ist. Die Stellen, die vorgelesen wurden, waren relativ “bezeichnend” für die Entwicklung der Beziehung, die von 1958 bis 1963 dauerte, daheim angekommen, hab ich gesehen, dass ich einige Stellen davon selber in meinem Buch markiert hatte.
Spannend wurde es aber danach, als die Herausgeber diskutierten und es lässt sich zusammenfassen, dass die österreichischen Herausgeber eher auf Bachmanns Seite stehen, die aus der Schweiz (von denen niemand anwesend war, aber sie wurden von den Österreichern öfter mal erwähnt) auf der Seite von Frisch. Man muss halt sagen, dass das Narrativ, dass der “Technokrat” Frisch Bachmann zerstört hat, eher in unseren Zeitgeist passt, wo der alte weiße Mann per se an allem schuld ist; nur, wenn man die 600 Seiten gelesen hat, muss man halt auch feststellen: So war es nicht. Der Titel “Wir haben es nicht gut gemacht” – diesen Satz schreibt Frisch am Ende der Beziehung – ist zutreffend. Beide sind gleichermaßen für diese Beziehung und ihr Ende verantwortlich, m.E. nach.
Herausgeber Hans Höller sagte beispielweise über Frisch, na ja, die Beziehung hat ja in Wahrheit gar nicht diese vollen fünf Jahre gedauert, weil Frisch ja im Herbst 1962 schon mit seiner späteren Ehefrau Marianne zusammen war; dabei blendet er wohl aus, dass Ingeborg Bachmann bereits 1959 eine Affäre mit Hans Magnus Enzensberger und später eine mit dem italienischen Germanisten Paolo Chiarini hatte, von dem sie Frisch schrieb, dass sie diesen “sehr gerne habe”. Das hat Frisch einen großen Schmerz zugefügt, auch wenn sie eine mehr oder weniger offene Beziehung hatten. Auch bekrittelt Höller, dass Frisch mit Marianne ein Haus bezogen hat, mit Bachmann “nur” eine Wohnung. Ich weiß zwar nicht genau, wieso eine gemeinsame Wohnung ein kleinerer Liebesbeweis als ein Haus sein soll, aber dazu muss man grundsätzlich sagen, dass Frisch Bachmann ja heiraten wollte, sie sich aber absolut nicht als Ehefrau sah und ihm das auch in einem der Briefe geschrieben hat. Man kann Frisch da also nicht mangelndes Commitment vorhalten, wenn dieses von Bachmann gar nicht gewünscht war.
Höller wirft Frisch auch vor, dass er Bachmann beobachtet hatte, und dann Dinge in seinen Bücher, v.a. in Mein Name sei Gantenbein verarbeitet hatte; Bachmann wiederum hat das Verhalten von Frisch angeblich in Der Fall Franza und auch Malina einfließen lassen. Na ja, dann sind sie eh wieder quitt. Und im übrigen denke ich, dass jeder Schriftsteller, jede Schriftstellerin die Dinge, die sie erlebt, auch in ihren Werken verarbeitet, die einen mehr und offensichtlicher, die anderen weniger. Dann betonen die Herausgeber, dass Bachmann soviel Arbeit mit dem Überarbeiten des Gantenbein hatte – was sicherlich stimmt, andererseits überließ Frisch ihr das Manuskript vor der Veröffentlichung und ließ sie zu persönlichen Stellen auch durchaus streichen bzw ändern.
Beide hatten Probleme mit dem Zusammenleben an sich, sie konnte nicht arbeiten, wenn er anwesend war, auch er flüchtete immer wieder und zog sich von ihr zurück, zeitweise lebte sie in der Schweiz und er in Rom, dann sehnten sie sich nacheinander, nur um dann wieder aneinander zu verzweifeln. Ja, das ist tragisch und traurig, aber ich sehe keine einseitige “Schuld” bei Frisch. Beide hatten ihre Baustellen und Unzulänglichkeiten. Es ist eine wechselseitige Verwundung, wenn man diese Briefe liest, manchmal ist das auch für einen als Leser hart und schmerzvoll. Die Verarbeitung einer Trennung ist für viele Menschen eine enorme Herausforderung, es liegt auch an jedem selbst, wie er oder sie damit umgeht, diese Verantwortung sollte jede(r) für sich selbst übernehmen und auch den eigenen Anteil berücksichtigen.