almis personal blog

AIR

Gestern habe ich Air gesehen, den neuen Film von Ben Affleck. Ben Affleck als Schauspieler ist ja ein bisschen “umstritten”, aber als Regisseur hat er wirklich schon sehr gelungene Filme verantwortet wie etwa Argo und The Town oder Gone Baby Gone. Und er hat, nicht zu vergessen, einen Drehbuchoscar gemeinsam mit seinem Freund Matt Damon für Good Will Hunting erhalten; Damon spielt auch immer wieder in Affleck Filmen mit und in Air hat er die Hauptrolle.

Matt Damon verkörpert Sonny Vaccaro, den Brandmanager von Nike im Jahr 1984. Nike liegt als Unternehmen weit hinter Adidas und Converse zurück und vor allem im Basketball-Bereich sind sie nicht konkurrenzfähig. Nike CEO Phil Knight (Affleck selbst) und alle anderen Verantwortlichen wollen mehrere aussichtsreiche Spieler als Werbeträger verpflichten – Vaccaro ist dagegen. Er möchte das gesamte Budget für einen einzigen verwenden: Michael Jordan, den er als mit Abstand größtes Talent sieht. Man darf nicht vergessen: Der Name Michael Jordan bedeutet 1984 nicht das was er 2023 bedeutet. Jordan war damals nicht mehr als ein Hoffnungsträger. Er hätte sich im nächsten Spiel verletzen und seine Laufbahn beenden können; oder einfach ein ewiges Talent bleiben. Niemand wusste damals, dass er zum besten Basketballspieler aller Zeiten werden würde. Air zeichnet also den Weg bis zum Vertragsabschluss nach – denn wir wissen ja alle, wie es ausgegangen ist, der Überraschungsfaktor hält sich also in Grenzen.

Aber: Affleck hat mit Air einen wirklich unterhaltsamen Crowdpleaser geschaffenen, der auch für Cineasten sehenswert ist. Und das ist bei weitem nicht so einfach wie es klingt. Denn man muss es erstmal schaffen, Spannung in einem Plot zu erzeugen, wenn ohnehin schon jeder Zuseher weiß, wie die Sache ausgeht. Das gelingt Affleck vor allem damit, Vaccaro die Macht zu geben, das ganze Unternehmen Nike, und damit vor allem Vaccaros gute (nicht nur Geschäfts)Freunde, direkt mit in den Abgrund zu reißen, wenn er sich irrt. Denn alle wissen, wenn sie Vaccaro vertrauen und es geht schief, ist jeder seinen Job los. Eine Menge Verantwortung, eine Menge Nervenkitzel.

Man muss es auch erstmal schaffen, wirklich amüsante Dialoge zu schreiben – bereits in den ersten Minuten haben die Leute in meiner Vorstellung mehrmals gelacht, auch ich – und gleichzeitig dabei niemals auf billiges Amüsement zu setzen, sondern auf kluge und sehr schnelle Wortwechsel, die den Zuseher fordern, auch wirklich zuzuhören. Und man muss es außerdem schaffen, praktisch jede Rolle so zu besetzen, dass man sich keine andere Person in eben dieser Rolle vorstellen könnte. Schön, speziell Jason Bateman und Chris Messina (der einen wirklich interessanten Typen in Six Feet Under gespielt hat) wiederzusehen.

Dazu kommt, dass Affleck alle Menschen mit einem 80ziger-Faible erfreut (mich!), weil er den Film mit Money for Nothing von den Dire Straits eröffnet, und es ihm dabei gelingt, sich noch während der Opening Credits, quasi im Vorbeigehen, an allen 80ziger Jahre Klischees abzuarbeiten – Rubik’s Cube, Knightrider, Aerobic, Dauerwelle, Slinkys, Ronald Reagen, Trivial Pursuit et al – sodass man beim Beginn der ersten Szene wirklich das Gefühl hat, man befindet sich direkt im Jahr 1984.

Air ist kein Sportfilm, auch kein Film über Michael Jordan, der übrigens nie direkt gezeigt wird und kein Wort spricht, es reden immer nur seine Eltern (die Mutter: Viola Davis), ja es ist nicht einmal ein Film über Sneakers. Am ehesten ist es ein Workplace-Movie, der Menschen porträtiert, die an eine Sache glauben und dafür Risken eingehen. Aber dabei – und das gefält mir am besten an Air – sich selbst niemals tierisch ernst nimmt. Die großen Inspirationsreden werden zwar gehalten, aber auch ironisch kommentiert, was ihren Wert nicht schmälert, dabei aber das Pathos beseitelässt, das allzu oft amerikanische Filme vergiftet.

OV (aber sicher anstrengend ob der vielen Informationen) und OmU ist empfehlenswert:

P.S Danke an Benjamin für den Hinweis, dass Affleck NICHT bei Gone Girl Regie geführt hat, wie hier zuerst angegeben – das war nämlich David Fincher. Mea culpa!