Auf ORF hatte jetzt die neue Miniserie Kafka von David Schalko Premiere.
Ich habe davor ein Interview mit Schalko gelesen, in dem er sagte, er wolle mit dieser Arbeit gegen das Klischeebild von Kafka ankämpfen. Meine erste Reaktion darauf war: Na genau! Ich glaubte ihm kein Wort. Warum? Ich war vor Jahren gefühlt die Einzige, die die Serie Braunschlag furchtbar fand, während sonst jeder begeistert war. Und zwar deshalb, weil es für mich in dieser Serie keine Protagonisten, sondern nur Klischeefiguren gab. Und nun sollte derselbe Schalko also eine Kafka-Serie ohne Klischees inszenieren? Ich war sehr skeptisch. Und: Ich habe jetzt alle sechs Folgen gesehen und bin hin und weg von Kafka! Leider verhält es sich damit ein bisschen umgekehrt zu Braunschlag, ich bin naja, nicht die Einzige, aber sehr viel Publikumszuspruch gab es wohl nicht. Deshalb werde ich jetzt hier ausführlicher bloggen, damit David Schalkos nächste Serie nicht wieder sowas wir Braunschlag wird. Harhar.
Also Kafka ist, wie erwähnt, in sechs Folgen aufgeteilt. Die Folgen sind zwar halbwegs chronologisch angeordnet, ab dem 23. Oktober 1902, dem Tag, an dem Kafka Max Brod kennenlernt, sie sind aber auch thematisch gegliedert. Das bedeutet, es gibt eine Folge über seine Freunde, den Prager Kreis um Max Brod, die Max heißt, es gibt eine Folge Familie – die wohl deprimierendste Folge der ganzen Serie mit Nicolas Ofczarek, der den wirklich sehr schrecklichen Vater von Kafka spielt . Es gibt eine Folge Bureau, die sich vor allem Kafkas Tätigkeit in einer Versicherungsanstalt widmet. Und es gibt drei Folgen über Frauen, mit denen Kafka eine Beziehung hatte (man kennt sie wohl aus den Briefen, die Kafka an sie geschrieben hat) Felice, Milena und Dora. Dora ist die letzte Folge, in der Kafka auch stirbt.
Erzählt wird von einer allwissenden Erzählfigur, die sich aber ständig hinterfragt, was sie da eigentlich erzählt – “Nein, man muss anders anfangen”, heißt es in jeder Folge. Und das finde ich genial , denn es weist die Zuseher daraufhin, dass man jede Geschichte auch komplett anders beginnen und erzählen kann; dass man an einem anderen Ausgangspunkt starten, dass man verschiedene Aspekte unterschiedlich gewichten kann, jede Geschichte auch Dinge nicht erzählt (bewusste oder unbewusste Leerstellen) und, dass ein Erzähler, auch wenn er vorgibt alles zu wissen, selbst mit einem Hintergrund ausgestattet ist, mit einer Perspektive und Ansichten.
Die Serie ist auch filmtechnisch extrem reizvoll gemacht. Jede Folge hat einen anderen Charakter: In Bureau spricht Kafka zum Beispiel ganz anders, viel “amtlicher” und “bürokratischer”, die Szenerie ist sachlicher. In Familie experimentiert Schalko, er hüllt die Wohnung der Kafkas in dunkles Blau und lässt das Licht rot strahlen als Kafka mit seinem Vater zusammentrifft; außerdem erscheint Kafka oder ein Kafka Alter Ego auch einmal als das Ungeziefer, wie er es in der Erzählung “Die Verwandlung” beschrieben hat und was dann damit passiert ist ziemlich gruselig. In der Folge Milena sieht man ausschließlich Kafka und eben Milena im Wienerwald spazierengehen und reden, streiten, flirten, so ein richtiges Beziehungsdrama durchleben. In der letzte Folge, Dora, wird das Sanatorium, das Kafka besucht, mit dem Schloss aus der gleichnamigen Erzählung quasi zu einem einzigen Ort – wie in einem mystischen Fiebertraum. Es gibt Zwischentitel mit Zitaten aus Kafkas Werken, die vierte Wand wird ab und zu sehr pointiert durchbrochen, es gibt spannende Kameraperspektiven, der Einsatz der Musik ist fabelhaft…
Also man merkt, ich bin begeistert. Zu den einzelnen Folgen dann bald.