almis personal blog

Frühstück Ponykarussell

Nach dem Sommer ist L. endlich wieder aus Niederösterreich zurück und wir waren natürlich gleich Frühstücken. Und zwar im Ponykarussell im Prater. Natürlich unbezahlte Werbung.

Ponykarussell am 6. September 2024

Das ist übrigens ein aktuelles Foto von gestern, dass L. nur bearbeitet hat (danke!). Lustigerweise wurden tatsächlich wirklich gerade stilecht Ponys vorbeigeführt, als wir ankamen.

Das Ponykarussell wurde früher als das genutzt, was der Name schon aussagt, allerdings im Jahr 2016 aus Tierschutzgründen geschlossen. Jetzt ist es ein Cafehaus/Restaurant mit tollem Ambiente, in dem noch die alte Orgel erhalten geblieben ist.

Ponykarussell innen

Es gibt sehr guten Kaffee und alle möglichen Frühstücksvariationen, die lustige Namen wie Vienna Calling, Schokomaus oder Freches Früchtchen haben. Ich habe mich für (Überraschung) Egg Benedict entschieden, da war diesmal sogar Brokkoli dabei:

Lachs mit Salat und roten Rüben Sauce auf Schwazbrot und Egg Benedict

Es war wirklich auch dort ausgesprochen gut und so nett. Danach sind L. und ich noch die Prater Hauptallee runter und wieder rauf gegangen und haben den Schulstart besprochen und uns auch sonst wieder auf den neuesten Stand gebracht.

Endlich wieder Frühstückstreffen on a regular basis!

Die Lehren von Venedig

Im Moment laufen die Filmfestspiele in Venedig, auf Uncut kann man schon einige Reviews lesen. Dieses Jahr ist es sehr spannend, weil – zumindest für mich – sehr viel interessantes am Programm steht.

Beispielsweise der neue Film von Pedro Almodovar, The Room next door mit Tilda Swinton und Julianne Moore, sein erster Film auf Englisch gedreht; und auch ein neues Werk von Luca Guadagnino – Queer, wo Daniel Craig einen Homosexuellen spielen darf und die Kamera, wie man liest, nicht sooft “wegschwenkt” wie bei Call me by your name. Außerdem der dritte Teil der Pablo Larrain leidende Frauen-Serie, diesmal Maria mit Angelina Jolie als Callas. Auch Joker 2 – Folie a deux mit Joaquin Phoenix und Lady Gaga hat in Venedig Premiere. Einen Film, den ich mir allerdings eher nicht anschauen werde, weil ich beim ersten Teil nur etwa 20 Minuten geschafft habe, weil er mir wirklich viel zu bitter war.

Vielversprechend finde ich The Brutalist mit Adrien Brody; die Lebensgeschichte eines ungarischen Architekten, der in die USA auswandert und dessen (real existierendes) Vorbild nebenbei mal eine Michelangelo Statue zerstört hat – ich weiß nicht, ob sich der Filmtitel darauf bezieht, ob das überhaupt vorkommt, oder auf die architektonische Richtung, eventuell auch beides. Und jetzt schreibe ich etwas, was bald alle schreiben werden: Das ist vielleicht der Film, der Brody seine zweite Oscarnominierung einbringt und seinem extrem eigenartigen Karriereverlauf eine unverhoffte Wendung geben könnte.

Denn, wir erinnern uns, mit The Pianist, einem soliden Roman Polanski Film, in dem Brody aber so unheimlich gut war, dass er damals mit 29 Jahren der jüngste Oscarpreisträger in der Kategorie männliche Hauptrolle wurde – neben ihm waren Jack Nicholson, Michael Caine, Daniel Day Lewis und Nicolas Cage nominiert, I mean! Ich war echt begeistert von ihm in dieser Rolle eines jüdischen Musikers – und sein Vorname hat mir auch sehr gut gefallen. Nach diesem großen Erfolg wurde es komisch, bzw. Brody suchte sich Projekte aus, die zumindest im nachhinein betrachtet zu viele red flags enthielten; er drehte mit Peter Jackson King Kong, der eher wenig erfolgreiche Film nach Jacksons Hauptwerken Herr der Ringe; und er drehte The Village mit M. Night Shyamalan, dem auch eher weniger erfolgreichen Film nach dem Kultfilm The Sixth Sense. Dann wirkte Brody quasi komplett out of character in weiteren eher obskuren Horror- und Sci Fi B-Movies mit, bevor er dann in den letzten Jahren auf gute, aber kleine Rollen in Wes Andersons Euvre abonniert war.

Was er 20 Jahre nicht gemacht hat, war das, was ihn ursprünglich berühmt gemacht hat und was mich begeistert hat: Eine große, ernsthafte, dramatische Rolle so komplett auszufüllen, dass es alle wegbläst. Zumindest erhoffe ich mir das jetzt auch. Und falls es so sein wird, dann denkt an meine Worte! harhar.

Frühstück Sperling

Es gab auch wieder einmal ein neues Frühstückslokal zu erkunden, diesmal mit P. und zwar das Sperling im Augarten – wie immer unbezahlte Werbung.

Als ich hingefahren und dann eine Weile durch den schönen Park gegangen bin, dachte ich mir, ich bin eigentlich in einem Wien ohne Augarten aufgewachsen. Ich komme ja aus Favoriten und war manchmal in Grinzing, am Kahlenberg und in dieser Gegend, aber praktisch nie in Transdanubien oder auf der Mazzesinsel, wie sie mein Papa nannte, und auch nie im Augarten, der wurde nicht mal erwähnt. Das Wien, in dem ich aufgewachsen bin, war ein ganz anderes, man führte auch ein anderes Leben; ich finde den Gedanken immer faszinierend, wie viele verschiedene Leben man in einem führt.

Augarten am 3. September 2024

Jedenfalls kann man eben mit diversen Öffis zum Augarten fahren oder auch gleich mit dem Auto zum Lokal direkt, die haben einen eigenen Parkplatz, was P. gemacht hat.

Nachdem es so ein toller Spätsommertag war, sind wir im netten, aber auch unprätentiösen Gastgarten gesessen und es war richtig angenehm, von der Temperatur und auch so. Ich habe mich – wie eh sehr oft – für Eggs Benedict entschieden und auch die waren ideal, die Sauce Hollandaise war nämlich total leicht, dazu hervorragender Rohschinken, Pesto und Babyspinat. Wirklich sehr gut.

Eggs Benedict im Sperling

Wir haben darüber geredet, wie schnell das doch gegangen ist, mit den Söhnen, eben noch gemeinsam im Kindergarten und jetzt maturiert ihr Sohn dieses Jahr schon und will ausziehen. P. war damals meine Rettung aus einer gewissen Einsamkeit nach der Geburt des Kindes, ohne Anschluss an gleichaltrige Kinder, weil ja der Geburtsvorbereitungskurs ausfiel und das Babyschwimmen und Krabbelgruppe und einfach alles #ausGründen. P. packte uns immer alle in ihr Auto, navigierte den PKW mitsamt Kindergeschrei ganz cool durch den ärgsten Verkehr und dann landeten wir irgendwo. Zum Beispiel in Sparbach, wo wir einmal müde am Spielplatz saßen und ich zu ihr sage: Das ist jetzt die Rushhour des Lebens und irgendwann ist sie vorbei.

Na ja, bevor das zu philosophisch wird, hier das Sperling innen, auch total hübsch:

Nebenbei war das auch mein immerhin vorletzter Schulanfang, aber ich werde trotzdem auch darüberhinaus immer an den Schulanfang denken. #ausanderenGründen.

Pulp und Suede

Im Zuge der ganzen Oasis-Sache hab ich jetzt gelesen, dass Dougie Payne, der Bassist von Travis gesagt hat: “As far as I’m concerned, the Britpop wars were won by Suede and Pulp. They were the most interesting and adventurous people in the movement.”

Das entspricht auch meiner Meinung. Pulp hab ich sehr gern gehabt, weil sie so witzig und uneitel waren, weil Jarvis Cocker einfach immer von seinen Fehlern und seinem Scheitern erzählt hat und das fand ich als Teenagerin sehr tröstlich – siehe mein Sitzenbleiben. Außerdem haben sie mein eigentlich immer noch Lieblingslied geschrieben, nämlich Do you remember the first time?, veröffentlicht 1994 und irrsinnig gut gealtert. Natürlich geht Cocker auch bei diesem Thema recht selbstkritisch mit sich ins Gericht.

Und Suede haben einfach wunderschöne Musik gemacht, sehr eingängige Melodien und dazu aber recht verstörende Texte geschrieben, beispielsweise konnte man sich im Song Heroine nie sicher sein, ob eine Frau oder eine Droge besungen wird. Über ihr Herkunftsland singen sie im Song The Power sehr poetisch: “You belong to a world that’s gone, it’s the English disease” oder in We are the Pigs “Let the nuclear wind blow away my sins”. In Sleeping Pills heißt es: “Don’t take your sleeping pills, give me the time they kill.”

Beide Bands haben auch einen ähnlich Britpop-Schwanengesang erlebt. Pulp hat nach Alben wie Freaks, Different Class und This is Hardcore, dann eine Platte mit dem Titel We Love Life (2001) gemacht. Und Suede haben sich von Dog Man Star, Coming Up und Head Music zu A New Morning (2002) entwickelt. Plötzlich ging es nicht mehr um Ängste, Drogen, zerbrochene Herzen und Pornos, sondern um Wälder, Wiesen und Sonne. Das war so erschreckend unironisch normal, dass ich ganz entsetzt war. harhar. Aber irgendwie musste Britpop eben auch zu Grabe getragen werden.

Blink Twice, zwei

ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER!

Zoe Kravitz wollte ihren Film ursprünglich Pussy Island nennen, einen Titel, den sie nicht durchgebracht hat, worüber sie eigentlich froh sein sollte, denn auch dieser Titel verrät im Grunde viel. So sympathisch Slater King auch erscheint – er erzählt gleich zu Anfang Frida recht freimütig, dass er an seinen Defiziten arbeitet, dass er in Therapie ist usw. – wir sollten uns eher daran orientieren, dass wir zu Anfang erfahren haben, dass er Probleme wegen Machtmissbrauch hatte und uns nicht von seiner Entschuldigung einlullen lassen. Auch wenn nie klar wird, was genau er getan hat. Natürlich spielt Kravitz hier auf Epstein Island an und an Figuren wie Harvey Weinstein, es ist ihr aber zugute zu halten, dass sie keinen schnarchigen Konzept-#metoo-Bewegungs-Film gemacht hat. In erster Linie will sie ganz offensichtlich unterhalten, in zweiter Linie hat dieser Film aber so viele Schichten, dass er eben doch anders ist als der herkömmliche 08/15 Blockbuster.

Denn wir haben gleich zu Anfang eine wunderschöne Aschenputtel Anspielung – ein Stöckel von Frida Schuh bricht ab und ihr “Prinz” eilt zur Hilfe. Wir haben pittorske Bilder: die stylische Inselwelt, kristallklares Wasser, idyllische Kerzenmeere, wunderbare Drinks und Speisen. Wir haben ein Spiel mit Farben: das gelbe Feuerzeug von Jess, das immer wieder hin und her geworfen wird und später noch eine weitere Bedeutungsebene gewinnt, die gelben Schlangen; die blutroten Blumen auf Kings Insel, blutrote Himbeeren, die blutroten Willkommensackerl, die weiße Kleidung von allen, die später auch blutrot – na lassen wir das. Harhar. Wir haben das Thema “Macht und Geld korrumpiert” – und das nicht nur in der offensichtlichen Weise, nämlich bezogen auf Slater selbst, sondern auch hier gibt es noch einige interessante Twists und wir haben einen super-eigenartigen Cast.

Der Cast besteht nämlich auf männlicher Seite vor allem aus 1990er Jahren has-beens, die da wären Christian Slater (Robin Hood, Interview mit einem Vampir), Kyle MacLachlan (Twin Peaks) und erinnert sich noch jemand an das kleine Kind aus Sixth Sense, Haley Joel Osment? Der hat jetzt einen Vollbart. Harhar. Die weibliche Hauptdarstellerin kannte ich noch nicht, aber hier trifft man auch wieder auf Adria Arjona, die gerade eben eine eher eindimensionale Rolle in Hit Man hatte und hier viel mehr zeigen kann, was tatsächlich in ihr steckt. Und wir haben Geena Davis – lange nicht gesehen und hier irgendwie ultra-schrullig.

Leichte Schwächen sehe ich bei den Dialogen, hier hätte es noch mehr Raum für Tiefgründigkeit und Charakterzeichnung sein können, aber das ist ein Debütfilm, auch ein quasi Drehbuch-Debüt. Kravitz ist ein Auteur, von der man hoffentlich noch viel mehr sehen wird. Insgesamt macht der Film, wie gesagt, viel Spaß trotz des argen Themas und hinterlässt einen damit, darüber zu grübeln, wie genau das alles Sinn ergibt, was man in den vergangenen 100 Minuten gesehen hat, und das ist mehr als man über die meisten Sommer-Blockbuster sagen kann.

Und eigentlich habe ich jetzt gar nicht so viel verraten wie ich verraten hätte können.

Blink Twice, eins

Ich kenne das schon, wenn ich dem Kind einen Film vorschlage, den wir uns gemeinsam im Kino anschauen könnten, dann kommt nie die Frage: “Worum geht es?” Oder “Wer spielt mit?”, sondern immer: “Ab wie vielen Jahren ist der?” Je höher die Altersgrenze angesetzt, desto besser natürlich. Harhar. Insofern war Blink Twice, der Debütfilm von Zoe Kravitz, ja, Tochter von Lenny) für ihn ein Deal, denn der ist ab 16 Jahre freigegeben (im Burgenland sogar erst ab 18, warum auch immer).

Wie öfters muss ich hier eine SPOILERWARNUNG setzen. Wenn man nichts über den Film erfahren will, sollte man sich aber auch den Trailer nicht anschauen, der viel verrät – ich habe ihn erst nach dem Film angesehen. Ich kann den Film jedenfalls empfehlen, das Kind auch; es ist ein erstaunliches unterhaltsames, auch ambitioniertes Debüt, wenn man Lust auf ein Sommer Popcorn-Movie hat.

Die Tagline: “Zweimal Blinzeln, wenn ich in Gefahr bin”, verrät uns aber trotzdem, dass das keine beschwingte Komödie ist, auch wenn sie wie eine beginnt. Disclaimer: Es ist aber auch kein Horrorfilm im klassischen Sinne, das sage ich gleich dazu, weil das ein Genre ist, das ich nicht besonders gerne mag, weil ich immer den Eindruck habe, es ist verschenktes Potential. Und weil es mir auch zu grauslich ist.

Die Ausgangslage: Die Kellnerin Frida (Naomie Ackie) himmelt aus der Ferne den Tech-Milliardär Slater King (Channing Tatum) an, der gerade öffentlich sehr charmant um Verzeihung für einen nicht näher definierten “Machtmissbrauch” in seinem Unternehmen bittet. Frida schleicht sich mit ihrer Freundin Jess (Alia Shawkat) an ihrem Feierabend zu der Charityveranstaltung von King und erregt seine Aufmerksamkeit in der Art und Weise, dass er sie und Jess einlädt, mit ihm und seinem Freundeskreis auf seine (sehr einsame) Insel zu fliegen. Jess ist skeptisch und zögerlich, aber Frida ist richtig euphorisch. Sie sagt sogar zu Kings Therapeuten, er solle zweimal blinzeln, sollten sie in Gefahr sein; dieser nimmt seine Brille ab, und tut es tatsächlich, aber Frida hält das für einen Scherz. Sie fliegen mit. Der Urlaub auf der Insel besteht aus: Am Pool liegen, sich nächtelang an diversen Substanzen berauschen und der schönen Seite des Leben zu fröhnen. Oder…?

Dieser Film ist zunächst mal eine eindringliche Warnung: Nicht mit Fremden mitgehen oder -fliegen! Die jüngere Filmgeschichte vermittelt uns auch immer wieder (siehe The Menu, siehe Triangle of Sadness): Wenn du mit einem Boot irgendwohin fährst und es zum Abendessen keine Speisekarte gibt, sondern der Koch dir irgendwelche Gaga Haute-Cuisine Gerichte aufzählt und vielleicht auch noch schildert, wie er diese zubereitet hat, dann nimm deine Beine in die Hand und renne! Anscheinend ist das eine Art neuer filmischer Trope für “Gefahr im Verzug”.

Auch ein schlechtes Zeichen für mich persönlich: auf der Insel werden alle weiß eingekleidet, als wären sie Mitglieder einer Sekte. Und schließlich (das kennen wir auch aus Shutter Island und Get Out): Wenn du irgendwo hinkommst, wo du noch nie warst und niemanden kennst, und das Personal schaut dich extrem komisch an, dann hat das einen triftigen Grund.

/ to be continued.

Zu Oasis

Gestern haben Oasis also offziell verkündet, dass sie sich wieder zusammentun und nächstes Jahr ein paar (riesige) Konzerte spielen werden, Wembley und so. Sofern sie sich nicht vorher wieder zerstreiten, im Gefängnis landen oder sowas in der Art.

Es gibt ja jetzt irrsinnig viele Memes und Kommentare dazu, das ist mein Lieblingstweet:

Ich hab ja selbst nicht so die innige Beziehung zu Oasis, sie haben ihre Fans ja m.E. auch immer bewusst auf Distanz gehalten, aber als sie vor 30 Jahren Definitely Maybe (super Albumtitel, spiegelt auch die leichte Abgehobenheit der Band wieder) herausbrachten, habe ich mich im Song Live Forever wiedergefunden. Mit diesem Song wollte Noel Gallagher sich eigentlich als Antipode zu Kurt Cobain stilisieren, ein bisschen eine Chuzpe, da dieser damals schon verstorben war, aber ich hatte da meine eigene Assoziation.

Ich habe nämlich 1993 meine Mathematik Nachprüfung verhaut und musste dann die 7. Klasse wiederholen. Heute ist das ja nur mehr ein Schwank aus meinem Leben, damals war es aber richtig schlimm und in Live Forever heißt es ja: “Maybe I will never be, all the things that I want to be, now it’s not a time to cry, now’s a time to find out why.” Das hab ich mir damals groß auf mein Federpenal geschrieben, nur, dass ich ja schon wusste, wieso ich nichts erreichen werde, weil ich eben so schlecht in Mathematik war, harhar. Da war natürlich auch eine ordentliche Portion Selbstmitleid dabei, schließlich hatte ich es im Herbst 1994, spät aber doch noch, ja bereits in die achte Klasse geschafft.

Und damit verbinde ich Oasis bis heute.

How to have Sex, zwei

SPOILERWARNUNG

Im zweiten Teil wird es düster. Plötzlich herrscht eine unheimliche Stille. Es ist früher Morgen, wir sehen eine menschenleere Straße voller Müll, die Spuren der letzten Nacht. Diese Szene könnte auch aus einem Horrorfilm sein, weil sie so bedrohlich wirkt, obwohl eigentlich nichts passiert. Etwas später ist Tara, die von ihren Freundinnen schon vermisst wird – von Em allerdings deutlich mehr als von Skye – auf dem Weg ins Hotel. Sie hat eine falsche Entscheidung getroffen. Bzw. trägt sie die Verantwortung für das, was geschehen ist? Wer trägt Verantwortung? Und jetzt wird der Film sehr vielschichtig interpretierbar, auch die transportierte Botschaft kann und wird jeder Zuseher anders beurteilen.

Was allerdings klar wird: Die mehr oder weniger unbeschweren Ferien sind entzaubert, die Oberflächlichkeit des eigenen Lebens oder vielmehr der Gruppendruck wird nur sehr kritisch betrachtet und stark hinterfragt. Auch die Bindung zu den Freundinnen, ihrem Charakter. Was man als Zuseher schon geahnt hat: Skye meint es nicht so gut mit Tara. Etwas, was vorher in kurzen Momenten nur angedeutet wurde – dem aufmerksamen Publikum aber nicht verborgen geblieben ist – manifestiert sich nun, wenn auch ebenfalls sehr subtil. Müsste man sich als Frau entscheiden, man sollte immer Em als Freundin wählen.

Mia McKenna-Bruce ist genial in ihrer Darstellung, denn geredet wird kaum über das, was geschehen ist. Das meiste spielt sich in ihrem Gesicht ab, in ihren Augen, den Gesten, der Art, wie sie sich bewegt. Der Wandel wird auch äußerlich vollzogen, als Tara alleine mit einem der Hotelnachbarn ist, der – vorher auch ein hedonistischer Partymensch – sich als erstaunlich integer und empathisch herausstellt. Sie zieht ihr enges Kleid aus, schlüpft in ein übergroßes Shirt, sie schminkt sich ab, der Schmuck wird weggelegt; schließlich schläft sie an seine Schulter gelehnt ein: die Party ist für lange Zeit vorbei.

Was soll man nun mitnehmen aus How to have Sex? Auf letterboxd habe ich gelesen, dass für manche User klar ist: So sind die Männer, deshalb hassen wir sie, etcetera. Aber ich hoffe nicht, dass uns das die Regisseurin vermitteln will, dazu ist alles auch viel zu ambivalent geschildert. Vielleicht möchte sie uns mitgeben, dass sie den Kampf kennt, als Jugendliche dazugehören zu wollen, dass es aber in erster Linie wichtig ist, zu entscheiden, was will ich wirklich selbst, wenn niemand zuschaut, was ist mir als Mensch, als Frau wichtig. Die Selbstermächtigung, authentisch zu sein, wenn man so sagen will.

Jedenfalls hat mir an How to have Sex genau das gefallen, dass es ein Film ist, der den Sehererwartungen zuwiderläuft und keine einfachen Lösungen anbietet.

How to have Sex, eins

Kürzlich habe ich den Film How to Have Sex von Molly Manning Walker nachgeholt, der in Cannes 2023 uraufgeführt wurde und dort den Un Certain Regard Award gewonnen hat. Ich habe ihn im Kino nicht angeschaut, weil ich ehrlich gesagt nichts damit anzufangen wusste. Ich habe in letzter Zeit nämlich ein paar Coming of Age Filme, die sich vor allem mit Party-machenden Jugendlichen beschäftigen – Booksmart und Bottoms – begonnen anzusehen, aber bald wieder abgebrochen. Let’s face it: Ich bin zu alt dafür. Meine Befürchtung war, dass How to have Sex ein ähnlich gelagerter Film ist, das ist er aber in keiner Weise.

MILDE SPOILERWARNUNG

How to Have Sex wirkt zwar, als wäre er eine typische Jugendliche-haben-Sex Komödie, doch erstens ist der Film absolut keine Komödie, und zweitens geht es nicht einmal wirklich um Sex. Zumindest wenn man Sex als etwas anderes empfindet als den rein mechanischen Akt. Die Freundinnen Tara (Mia McKenna-Bruce), Em (Enva Lewis) und Skye (Lara Peake) reisen von England nach Kreta, um dort sowas wie ein (ursprünglich amerikanisches) Spring-Break zu feiern. Während Skye und die lesbische Em schon Erfahrungen gesammelt haben, will Tara dort ihr erstes Mal erleben. Alle drei freuen sich auf “den besten Sommer ihres Lebens”, wozu auch Party und viel Alkohol gehört…

Bereits die erste Szene setzt die Segel für die Ambivalenz des Filmes. Die drei jungen Frauen wollen nachts im Meer baden, das haben sie sich wie das ultimative Auskosten der Freiheit vorgestellt, aber wie sie übereinstimmend feststellen: Das Meer ist eiskalt. Ihre Zigaretten werden nass. Überall an ihnen klebt Sand. Die drei kommen mit überzogenen Ideen und jede Menge Illusionen auf eine südliche Insel und sollten schon anhand des ersten Eindrucks erkennen und in weiterer Folge auch gewarnt sein: Idealvorstellung und Wirklichkeit liegen fast immer ganz schön weit auseinander.

Bald darauf hören wir I am the One and Only von Chesney Hawkes, die Mädels versuchen sich in Karaoke, und für einen Moment frage ich mich, ob der Film wohl in den 1990er Jahren spielen soll, denn ich erinnere mich daran, wie meine Freundin, die sehr gut singen konnte, das Lied früher auch gern gesungen hat als wir im Alter der Protagonistinnen waren. Aber schon werden die Smartphones gezückt – mit langen, hippen Ketten verziert – und wir sehen, der Film spielt doch in unserer Gegenwart. Gleichzeitig erinnert die Szene aber auch daran, dass die Art und Weise wie Jugendliche konzertiert “ausbrechen” wollen, sich über die Jahrzehnte zwar an aktuelle Technologien adaptiert, aber sonst anscheinend nicht großartig geändert hat. Zumindest empfindet es die Regisseurin wohl so.

Der Film besteht im Grunde genommen aus zwei Teilen. Der erste Teil ist für jeden, der keine 20 mehr ist, sehr anstrengend. Hektik, Lärm, Besäufnis, Übelkeit, aggressive Fröhlichkeit, zu wenig Schlaf, Geschrei, wieder Lärm etcetera. In fast dokumentarischem Stil gelingt es Manning Walker hier, die Atmosphäre eines durch und durch kommerzialisierten Feriendorfes, das von konsumorientierten jungen Menschen frequentiert wird, beklemmend anschaulich zu schildern. Alkohol, Zigaretten, Musik, Sex, Party – alles ist hier ist bedeutungslose Ware, zum reinen Gebrauch bereitstehend, ohne tieferen Sinn und im Grunde genommen auch ohne besonderes Genuss.

Der zweite Teil – nun ja, das schreibe ich morgen. Cliffhanger!

Cool?

Diese Woche waren, wie erwähnt, öfters Freunde vom Kind auf Besuch im Garten. Ich hörte dann einige Male von anderen Menschen: “Du bist eine coole Mama, wenn die Jugendlichen zu dir kommen wollen.” Naja, ich würde eher sagen, es war heiß und ich habe einen Pool. Harhar.

Mit dem Freund vom Kind W. habe ich mich um die widerspenstigte Pool Pumpe gekümmert, die immer wieder streikte. Bzw. hat dieser mit mir Kabel und Anschlüsse und Strom gecheckt, da er sich technisch wesentlich besser auskennt als ich. Er hat mir dabei einiges erklärt, es war fast nicht peinlich.

Und J., unser früheres Nachbarskind, hat auch schon so manche Sternstunde meiner Mutterschaft miterlebt. Etwa vor sieben, acht Jahren, als das Kind die Phase hatte, sich unmotiviert eine halbe Stunde lang im Bad einzusperren und sich zu weigern, wieder hinaus zu kommen. Vorzugsweise dann, wenn gerade die halbe Nachbarschaft auf Besuch war. Da standen dann drei, vier Kinder um mich herum und schauten mich ganz erwartungsvoll an: Was wird sie jetzt machen? Und ich stand auch da, erwartungsvoll, was ich wohl machen würde. Harhar.

Also von Coolness wenig Spur, aber es war lustig und am Ende sagte J. dann sogar: “Bis zum nächsten Mal!”