almis personal blog

Fleabag revisited

Am Wochenende habe ich mir nochmal die Serie Fleabag – von und mit Phoebe Waller-Bridge- angeschaut. Das schafft man gut, weil es nur 12 Folgen sind. Ich finde es interessant, eine Serie nach einer gewissen Zeit nochmal zu sehen. Interessant war besonders, dass mir beim ersten Mal Sehen die erste Staffel besser gefallen hat, diesmal allerdings eindeutig die zweite.

SPOILER möglich.

Mein Fleabag Poster im Haus

In Staffel 1 hat Fleabag (Phoebe Waller-Bridge) viele kurzlebige und bedeutungslose Affären. Schon in der allerersten Szene schafft Waller-Bridge es, ihre Hauptfigur ungemein vielschichtig zu zeigen, sodass der Zuseher keine Sekunde lang glaubt, dass es sich hier um eine Frau handelt, die völlig skrupel- und emotionslos ist, obwohl ihre scheinbar oberflächliche Lebensweise das vielleicht vermuten lassen würde. Später erfahren wir, dass sie sich schwere Vorwürfe wegen eines Fehlverhaltens ihrerseits macht, das schlimme Folgen hatte. Fleabag wartet also hier auf einen Mann, der sie mitten in der Nacht angerufen hat, ob er vorbeikommen kann und erklärt dem Publikum – eines der Markenzeichen der Serie ist, dass Fleabag mit dem Publikum interagiert – dass sie nun extra geduscht und sich die Beine rasiert hätte, Wein getrunken und jetzt gleich so tun wird, als hätte sie vergessen, dass er vorbeikommt. Sie tut auf supercool, ist aber nervös und gibt das vor dem Publikum auch zu. Das ist total sympathisch. Am Ende der Staffel kann sie endlich mit jemandem reden, der ihr sagt: “Menschen machen Fehler”, was irgendwie eine Selbstverständlichkeit ist, aber manchmal muss man das von jemand anderem hören, um es auch glauben zu können.

Meine allerliebste Folge ist Folge 1 von Staffel zwei, als sich Fleabags Familie zum Abendessen trifft, praktisch die ganze Folge spielt in dem Restaurant. Ihr Vater, dessen Lebensgefährtin, ihre Schwester Claire mit Mann und der Priester, der Fleabags Vater und seine Freundin bald trauen wird. Die toxische Dynamik innerhalb der Familie wird sehr notdürftig durch das gediegene Ambiente unterdrückt bzw neutralisiert. Dazu kommt eine “needy waitdress”, die viel zu viel präsent ist und dauernd helfen will, dabei aber nur zusätzlich Unruhe in die Runde bringt. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie Menschen miteinander reden und dabei ausschließlich Banalitäten austauschen, die aber quasi seitenlange Fußnoten als Subtext haben. Fleabags zukünftige narzisstische Stiefmutter ist over the top freundlich, aber nur um ihren fast schon pathologischen Widerwillen gegen ihre Stieftöchter in spe zu verschleiern; der Vater ist liebenswert-hilflos der Situation ausgeliefert, er bemüht sich zwar, aber er steht zwischen seiner neuen Frau und den Töchtern, mit Tendenz zur neuen Frau. Fleabags Schwester ist ein lieber Mensch, aber in ihrem Perfektionismus gefangen, außerdem will sie es immer allen recht machen; ihr Schwager ist rüpelhaft und laut und der Priester, den Fleabag an diesem Abend kennenlernt, ist so entwaffend menschlich und liebenswert, dass sich Fleabag natürlich in ihn verliebt. Am Ende lösen sich die aufgestauten Emotionen in einer Schlägerei, an der Fleabag natürlich ursächlich beteiligt ist, weil sie es ablehnt, die Fassade weiterhin aufrecht zu erhalten. Als sie mit ihrer Schwester in einem typischen Londoner Cab ins Krankenhaus fährt, sagt die Schwester: “The priest is quite hot” und Fleabag: “So hot!”

Waller-Bridge schreibt so gute Szenen und Dialoge, sowas bewundere ich wirklich sehr, sie schafft auch so interessante (Frauen)figuren. Ja und der “hot priest” wurde dann ein Meme, weil sich herausstellte, dass ihn alle lieben und außerdem ist Andrew Scott noch in anderen Rollen großartig, derzeit in All of us Strangers und bald als Ripley in einer neuen Serie.

ESC: Songchecks ade

Ich hab einen Grant.

Heute wurde bekanntgegeben, dass es heuer keine NDR Songchecks geben wird. Das waren die Sendungen, die vornehmlich im Internet präsentiert wurden, in denen in den letzten Jahren die ESC-Songs im Detail, Song für Song besprochen wurden, mit vielen Menschen, die sich eingehend mit dem Songcontest beschäftigen und den Bewerb lieben. Es war immer sehr witzig und inspirierend, aber auch ungeheuer warmherzig und natürlich war es auch nerdig bis zum Abwinken und was für Freaks, aber die ESC-Bubble hat es geliebt und ich sage es ehrlich, ich hab mich auf die Songcheck-Woche mindestens ebenso gefreut wie auf die tatsächliche ESC-Woche. Es gab sogar Zeiten, da waren mir die Songchecks ein großer Trost. Wir brauchen nicht darüber reden ob das weird ist, ich geniere mich jedenfalls nicht dafür.

Und jetzt verzichtet der WDR einfach darauf und obwohl ich nichts zum deutschen ESC-Vorentscheid schreiben wollte, weil wenn man nichts positives zu sagen hat, kann man auch einfach mal nichts sagen, aber ganz ehrlich: Dafür war Geld da??? Und damit meine ich nicht die Künstler, sondern die Sendung an sich. Für eine absolut lieblose Show, bei der die Moderatorin Barbara Schöneberger sich einmal mehr als komplett desinteressiert am Songcontest geoutet hat, und nicht mal die Basics des Bewerbs verstanden und ihr ESC-Mindset aus den Nullerjahren sowieso nie hinterfragt hat. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Deutschland fast jedes Jahr so schlecht abschneidet, weil dem NDR, der dafür verantwortlich ist, offenbar so wenig an dem Bewerb an sich liegt, aber wenn man es nicht mit Herzblut macht, dann kann man es auch gleich lassen. Oder um Marco Schreuder zu zitieren: “Es war ganz grauenhaft, ganz schrecklich.”

Ja, Dinge ändern sich und man sollte sich im Leben eh an nichts zu sehr gewöhnen, aber trotzdem ist es enttäuschend und fies und auch traurig. Aber die Bubble wird um die Rückkehr der Songchecks kämpfen, lieber NDR, da bin ich ganz sicher, in den social medias rumpelt es schon gewaltig. Diabolisch-lächelnd gesendet.

Kunsthaus neu

Am Donnerstag war ich mit K. bei der Neueröffnung des Kunsthauses Wien. Spoiler: Wir haben beide keine gröbere Veränderungen wahrnehmen können, außer das eine oder andere Exponat, aber es war freier Eintritt und es war ein schöner Ausflug.

Hundertwasserhaus/Kunsthaus Wien 29. Februar 2024

Eines der ersten Bilder, das wir gesehen haben, trug den Namen “Zwei Kuverts auf langer Reise”, woraufhin K. meinte, das erinnert sie an ihren Weihnachtsbrief an ihre kleine Enkelin, der bis heute nicht angekommen ist, sie sollte wohl ein Foto von dem Bild an die Wiener Post schicken. Harhar. Dann haben wir über Namen von Bildern geredet. K. meint, es wäre eigentlich eine Zumutung, wenn Maler ihren Werken keine Titel geben oder vielleicht noch “Ohne Titel” schreiben, weil man mit Titel soviel mittransportieren kann und das sehe ich absolut genauso.

Die zwei Kuverts

Ich weiß noch als ich das erste Mal im Guggenheim Museum in Venedig war und ein Bild gesehen habe, das sich The sun in its jewel case nannte; der Name hat mich fast mehr beeindruckt als das Bild selbst und Hundertwasser kann das mit den Titeln auch sehr gut. Außerdem kann man von ihm Zitate auf den Wänden lesen wie: “Die gerade Linie ist gottlos” und “Unser wahres Analphabetentum ist das Unvermögen schöpferisch tätig zu sein.”

Auch ein sehr interessanter Titel und Bild:

Dach der Sehnsucht

und:

Wir schlafen vor den Mauern von Pompeji – Eifersuchtsschlaflosigkeit vor den Mauern eines Kampmannglasbaum

“Eifersuchtsschlaflosigkeit” – wer kennt es nicht?! So gut. Auch spannend:

Die Bäume sind die Blumen des Guten

Außerdem kann man im Kunsthaus verfolgen, was Hundertwasser noch so alles gemacht hat, zum Beispiel das Thermenhotel in Bad Blumau und dessen Umgebung gestaltet. Außerdem gibt es Briefmarken von ihm und er hat das Cover der Bibel, des Brockhaus’ und des Stowasser’ auf seine Art und Weise neu kreiert. Der Stowasser ist ja ein Lateinisch-Deutsch Schulwörterbuch und es ist insofern noch interessanter, weil Hundertwasser eigentlich Stowasser hieß. Dann gibt es noch die Pfarrkirche Bärnbach zu sehen und natürlich eine Nachbildung von der Müllverbrennungsanlage Spittelau.

Nach dem Rundgang waren wir noch auf einen späten Mittagskaffee und ein Mittags-Schokocroissant (ich) und haben geredet. Ich bin K. dankbar, dass ich ihr wie eine hängengebliebene Schallplatte immer wieder dasselbe, das mich so sehr beschäftigt, erzählen darf und sie immer einen so bereichernden Blickwinkel darauf hat und mich auf Dinge aufmerksam macht, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.

American Fiction/Erasure

Dieses Jahr wurden zehn Filme in der Oscar-Kategorie “Bester Film” nominiert. Ich habe fast alle davon gesehen. Einer davon, American Fiction, hat mich thematisch sehr interessiert, es war aber kein Starttermin in Österreich in Sicht. Also habe ich mir gedacht, ich zäume das Pferd von hinten auf und lese zuerst das Buch. Nachdem es die deutsche Version schwer verfügbar war, habe ich mir das Original bestellt.

Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich es nicht auf Deutsch gelesen habe, weil die Sprache in diesem Buch eine sehr wichtige Rolle spielt. Diese Woche wurde der Film still und heimlich auf Amazon Prime veröffentlicht und jetzt kann ich also ein paar Dinge dazu schreiben, nämlich auch zur Beziehung zwischen Buch und Film. Erasure ist im Gegensatz zu Die geheime Geschichte, von der ich kürzlich schrieb, überhaupt kein Buch, das dazu einlädt, es zu verfilmen. Es ist eher eine Collage, bestehend aus Zitaten, Gesprächsfetzen, einem Roman im Roman etc. Deshalb Hut ab für Cord Jefferson, der das Drehbuch schrieb und auch Regie führte.

Die Hauptfigur in American Fiction ist Literaturprofessor und Schriftsteller Thelonius Ellison (Jeffrey Wright), genannt “Monk”; ein Mann in den besten Jahren quasi und er ist schwarz. Er lebt alleine an der Westküste, muss aber nach Boston, um nach seiner Mutter zu sehen, die an Alzheimer erkrankt ist. Monk hat einen eben erst als homosexuell geouteten Bruder, Cliff (schrill: Sterling K. Brown) und die Schwester Lisa, beide Ärzte. Monk schreibt sehr intellektuelle Bücher – etwa jüngst über Aischylos – die niemand lesen will. Auf einer Buchmesse in Boston kommt ihm das Buch We’s Lives In Da Ghetto (sic!) unter, das Buch einer schwarzen Autorin, das große Erfolge feiert. Sie wird als “neue schwarze Stimme Amerikas” bejubelt. Monk ist von diesem Buch angewidert, da es nur schwarze Stereotypen reproduziert, das Leben der Romanfiguren besteht ausschließlich aus Drogen, Gefängnis, unerwünschten Schwangerschaften, Armut und Gewalt. Außerdem strotzt es vor bewussten Rechtsschreibfehlern, um es “authentischer” zu machen. Monk setzt sich hin und schreibt aus Jux einen Roman in einem ähnlichen Duktus, dass er My pafology nennt (ursprünglich “My pathology”, aber er schreibt es absichtlich falsch). Sein Literaturagent lacht ihn aus, bis ihnen ein Verlag 750.000 Dollar für das Manuskript bietet…

Wenn es um den Literaturbetrieb geht, ist das Buch und auch der Film sehr witzig. Monk versteht die Welt nicht mehr, dass er mit seinem satirischen Text nicht nur für voll genommen wird, sondern ein unglaubliches Honorar geboten bekommt. Er ist nun in der Zwickmühle. Kein Autor wird Autor, weil er reich werden möchte – da gibt es erfolgversprechendere Wege – sondern weil er sich mitteilen will, wie er sich nur schreibend mitteilen kann. Weil er das, was in seinem Kopf ist, irgendwie zu Papier bringen muss, vielleicht auch, weil er verstanden und erkannt werden möchte, weil er damit sein eigenes Leben aufarbeitet. Er möchte dabei sein bestes geben. Andererseits braucht Monk das Geld dringend, weil er seine Mutter in einem Pflegeheim unterbringen muss. Also legt er sich für diesen Roman ein Pseudonym zu. Die Szenen, in denen er mit weißen Autoren diskutiert, die My pafology lieben, während er es in der Luft zerreißt sind sehr amüsant. Ebenso eine Szene mit seinem Agenten, in der dieser ihm drei verschiedenen Sorten einer Whiskeymarke präsentiert und Monk fragt: “Verstehst du die Metapher?” Monk: “Nein.” Harhar. Es geht grob gesagt darum, dass auch billiger Alkohol betrunken macht.

Die privaten Momente von Monk sind melancholisch. Im Alltagsleben kann er sich nicht so gut mitteilen. Er tut sich schwer, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten. Auf seiner Familie lastet quasi “generational trauma” und ein schlecht gehütetes Geheimnis. Dass die Familie schwarz ist, spielt dabei eine gewisse, aber eher untergeordnete Rolle. Muss es eine Rolle spielen? Will Monk die tatsächliche Geschichte seiner Familie erzählen? Könnte er das, eine wirklich schwarze Stimme sein? Will er das überhaupt? Ist seine Perspektive “schwarz”? Diese und ähnliche komplexe Themen deuten sich an. Der Film geht über das Buchende hinaus, in dem er es quasi persifliert. Das ist genial gemacht.

Ich kann Buch und Film nur empfehlen, wenn man beides vergleichen möchte, dann sollte man hier unbedingt das Buch zuerst lesen.

Disclaimer: Ich weiß nicht, ob “schwarz” und “weiß” politisch korrekt ist, ich habe diese Formulierungen aber aufgrund der einfacheren Lesbarkeit gewählt.

Common people

Weil ich jetzt gefragt worden bin, was die Pulp-Anspielung im Film Saltburn war. (Spoiler!)

Also. Die britische Indiepop Band Pulp hat ja diesen Song Common People, angeblich sogar ihr Signature-Song quasi, in dem Jarvis Cocker darüber singt, dass er (bzw. der Protagonist des Songs) am St. Martin’s College eine reiche griechische Studentin “with a thirst for knowlegde” kennenlernt, die ihm sagt, sie möchte wissen, wie es sei, quasi ein gewöhnlicher Mensch zu sein. “I wanna live like common people, I wanna do whatever common people do” usw. Und er geht dann mit ihr in den Supermarkt und gibt ihr ein paar Hinweise, wie es ist arm zu sein, aber sie wird es trotzdem nie wirklich verstehen, schlussfolgert Cocker, weil sie jederzeit ihren Vater anrufen und um Geld fragen kann. Bezeichnenderweise ist der Song auf Pulps Konzeptalbum Different Class erschienen.

Naja und in Saltburn gibt es die Figur der Elspeth, die reiche Mutter des Studenten Felix, die den jungen Leuten erzählt, dass sie früher Modell war und mit diesen ganzen Britpop-Bands Blur, Oasis, Pulp herumgezogen ist und dann kam Common People raus und sie sagt: “Everybody thought it was written about me. Which was ridicolous. I barely knew Jarvis. She came from Greece, she had a thirst for knowledge. It could not have been me. I’ve never wanted to know anything.”

So super, tatsächlich gab es damals ja wirklich Spekulationen, über wen dieser Song sein könnte und erst viel später, 2015, erhärtete sich der Verdacht, es sei vielleicht die Frau vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gemeint, die aus einer reichen Familie stammte und zur fraglichen Zeit am St. Martin’s College studierte.

So, ich hoffe, ich hab es jetzt verständlicher erklärt, aber ich bin nicht sicher.

Orient Occident

Die Frühstückslokal Entdeckungsreise geht weiter. In diesem Monat: Das Orient Occident.

Seit unsere Kinder groß genug sind, dass sie nicht mehr im Hof spielen, haben meine Nachbarin A. und ich uns kaum mehr gesehen, dann kam noch Corona und das Leben an sich und man sagt nur noch freundlich “Hallo”, wenn man sich begegnet. Letztens haben wir uns mal wieder zufällig bei der Haustür getroffen und sie hat mich zum Frühstück eingeladen und gefragt ob mir der Naschmarkt zu weit ist. War er mir nicht, ich bin immer froh, wenn ich neue Lokale kennenlerne. Dort habe ich mich (wieder mal) für Eggs Royale entschieden – porchierte Eier mit Räucherlachs, Spinat und Schnittlauch und Sauce Hollandaise auf einem Muffin. Es war herrlich und ausreichend bis zum Abend.

Eggs Royale im Orient Occident am Naschmarkt

Bei den Frühstückerinnen gibt es ja immer bei den Frühstückstests den Eintrag: Dauer bis der erste Cappucino serviert wird. Das sind meistens so drei, vier Minuten. Wenn man jemand wiedertrifft, den man so lange nicht gesehen hat, könnte man die Rubrik erfinden: Dauer bis man zum “Realtalk” kommt, wo man darüber spricht, was einen wirklich beschäftigt. Bis man sich das traut, dauert es jedenfalls deutlich länger als das mit dem Cappuccino, harhar.

Wir haben uns aber auch an früher erinnert, wo wir mit unseren insgesamt vier Kindern vom Haus zur Bücherei Weisselbad gegangen sind und nachdem die Kinder damals 6, 5, 3 und 1 Jahre alt waren, haben wir zweieinhalb Stunden gebraucht, für einen Weg, den eine erwachsene Person im Normalfall in 25 Minuten schaffen kann. Aber alle paar Minuten hat sich ein anderes Kind aus nicht näher bekannten Gründen auf den Boden geworfen, dann waren Proviant kaufen bei Billa, anschließend haben die Kinder bei den Straßenmusikern am Bahnhof Floridsdorf mitgetanzt usw. Ein anderes Mal waren wir im Jänner trotz Jänner stundenlang im Wasserpark, öfter mal bei Regen mit Gummistiefel im Hof, sowie Bioobst und Gemüse kaufen am Acker next door, was man halt so macht mit kleinen Kindern. Jetzt gehen alle Kinder oder eher Jugendliche ins gleiche Gymnasium, in die 6., 4. und 2. Klasse. Dann haben wir noch ein bisschen über andere Nachbarn gegossipt und sie hat erzählt, dass sie am Pulp Konzert in Liverpool war und ich hab ihr gesagt, dass ich der ur Pulp Fan war, mit 18 oder 19 und ich hab ihr von der Pulp-Referenz im Film Saltburn erzählt, aber ich glaub ich hab es nicht gut genug erklärt harhar. Gesprächsstoff gabs jedenfalls genug für fast drei Stunden.

Sie ist dann mit dem Rad nachhause gefahren und ich mit Öffis, wo ich an der Oper vorbeigekommen bin; an dem Tag war Opernball, von dem ich abends aber nicht eine Minute gesehen habe, weil ich lieber ins Kino gegangen bin, aber davon hab ich schon berichtet.

Staatsoper am 8. Februar 2024 mit Red Roof/Carpet

Wien Museum

In den Ferien waren wir auch noch mit der Oma im Wien Museum, das ja seit seiner Neueröffnung gratis zu besichtigen ist (exklusive Sonderausstellungen). Also zuerst waren wir am Karlsplatz asiatisch essen, denn ein Oma-Ausflug ist nur echt, wenn wir uns vorher ordentlich gestärkt haben.

Das Museum ist wirklich sehr schön neu ausgebaut worden und richtig geräumig, ein krasser Gegensatz zum Haus der Geschichte, das wir in den Herbstferien besucht haben und das extrem viel auf sehr engem Raum präsentiert. Überhaupt gestaltet sich die Abgrenzung HdG und Wien Museum m.E. relativ schwierig. Wir sind zuerst in den dritten Stock gefahren (1900 bis Gegenwart), weil uns das auch am meisten interessiert.

Da haben wir gleich mal den “Doppelgänger” von meinem Opa entdeckt.

Der Regisseur und Schauspieler Willi Forst (1903-1980)

Ja, das ist Willi Forst, ein Schauspielstar der 1930-er Jahre. Seine berühmtesten Filme habe ich mit meinen Großeltern gesehen. Forst spielte während des zweiten Weltkriegs eine relativ neutrale Rolle. Er durfte weiterdrehen, machte aber nur wenige und keine politischen Filme und lehnte die Hauptrolle in Jud Süß ab. Goebbels mochte Willi Forst nicht. Mein Opa hat öfters erzählt, dass er mit Forst verwechselt und um Autogramme gebeten wurde. Ob er welche gegeben hat weiß ich nicht, ausschließen würde ich es aber nicht, harhar.

Dann haben wir folgendes Plakat gesehen:

Das Kind so: “Das ist Propaganda”. Da kann ich jetzt nicht widersprechen. Das rote Wien ist natürlich ein großes Thema im Museum, die Errungenschaften wie Volksbildung (Büchereien, Volkshochschulen), Wohnraum (Gemeindebauten), die Frage, wie soll Wien städtebaulich gestaltet werden, die ja bis heute ein immerwährender Diskussionsprozess ist, Stichwort Eingemeindungen, Bodenversiegelung und natürlich Denkmalschutz.

Sehr gut hat mir die interaktive Ecke gefallen, in der man selbst beschreiben kann, was man an Wien liebt und was weniger, mit Fragen wie: “Wo siehst du in Wien die meisten Leute lächeln?”, “Wo fühlst du dich in Wien gar nicht wohl?” oder “Wie freundlich oder unfreundlich (grantig) fühlst du dich selber?” Auf einer Wien-Karte kann man sein Lieblingsgrätzel mittels Punkten lokalisieren, etcetera. Es ist relativ lustig, was die Leute da teilweise schreiben, beispielsweise, die Leute lächeln am meisten “bei Billa” (wahrscheinlich weil es dort was zu essen gibt). Jedenfalls ein schönes Stimmungsbild.

Blick aus dem Museum, es war 14.30, schaut aber aus wie in der Dämmerung

Der zweite Stock widmet sich der Zeit 1700-1900, das Erdgeschoss geht zurück bis in die Römerzeit, die Oma und das Kind sagten mir unabhängig voneinander “das ist nicht so meines” bzw. “das fühl ich irgendwie nicht so” Harhar. Es sind halt viele “Steine” und da musste ich an jemand besonderen denken, der als Kind gerne Ruinen besichtigt hat. Manchmal vermisst man jemand sehr und überall sind Erinnerungen, was wiederum auch schön ist.

Der Souveniershop im Museum ist noch ein bisschen verbesserungswürdig, wir haben diesmal gar nichts gefunden, nicht mal eine Ansichtskarte. Das DKT-Spiel Das klimaneutrale Talent war immerhin amüsant. Aber sonst wieder ein gelungener Ferienausflug.

ESC 24 Belgien

Jedes Jahr um diese Zeit Mitte/Ende Februar, wenn ich noch nicht ganz vom ESC-Spirit gepackt bin, find ich es irgendwie mühsam, mich durch alle neu-ankommenden Songs zu hören und zu schauen, was ich mag. Ich glaube, das hat etwas mit dem einzigen physikalischen Gesetz zu tun, das mir etwas sagt, nämlich mit der Trägheit der Masse. Es gibt aber auch jedes Jahr diesen “Erweckungsmoment”, wo ich ein Lied höre, dass mir irrsinnig gefällt und dann ist das ESC-Game eröffnet. Letztes Jahr war das Vesna, vor zwei Jahren Subwoolfer aus Norwegen, vor drei Jahren Gjon’s Tears aus der Schweiz und heuer ist es, wie ich seit heute weiß – Mustii aus Belgien mit dem Song Before the Party’s Over.

Der Act Mustii, ein Sänger und Schauspieler Mitte 30, wurde schon im August als erster Künstler bekanntgegeben, warum weiß kein Mensch. Im August haben wir gerade die Post-Eurovison-Depression überwunden. Der Song selbst wurde aber eben erst heute veröffentlicht. Zuerst mal: Der Songtitel ist gut, das ist bei mir immer schon die halbe Miete, das muss mich neugierig machen und eine Geschichte versprechen, die mich interessiert. Auch die Lyrics sind spannend, obwohl es nicht allzu viel Text gibt; gleich mal eine Anspielung auf The Who “Are we sure the kids are alright or just playing it cool?” Ok, vielleicht interpretiere ich zuviel rein, aber ich glaube eigentlich nicht. “One more drink and I’ll be fine” verrät uns auf jeden Fall, da gibts wohl einen Depressionshintergrund, eventuell auch ein Alkoholproblem. Die Zeile: “I can see all the pain in the way that you move” ist ganz schön traurig.

Und dann der Song selber, das ist wohl eine Powerballade, mit einem zwei Minuten Setup, um in der dritten (und beim ESC immer letzten Minute) einfach alles zu geben, also absolut nicht wie ein Radiosong aufgebaut, was beim Songcontest meistens von Vorteil ist. Außerdem hab ich echt nichts dagegen, wenn nicht jeder Mann, er am ESC teilnimmt, lackierte Fingernägel hat. Es reicht die dreireihige Perlenkette als Erkennungszeichen allemal aus. Harhar. Natürlich, das muss man auch sagen, sollte Mustii live sehr gut singen, das ist bei dem Song ziemlich wichtig, dann könnte man einen Gänsehaut Moment schaffen – und das Staging sollte auch bombastisch sein oder ganz minimal. Der Vibe im Video ist irgendwie sehr ungewöhnlich, verletzlich-diabolisch.

And so it begins.

Roald Dahl

Vor kurzem habe ich Roald Dahl wiederentdeckt.

Ich kenne Dahl von früher, als Kind hatte ich das Buch Charlie und die Schokoladenfabrik – Dahl hat ja auch viele Kinderbücher verfasst. Ich habe das Buch jetzt wieder gesucht, aber (noch?) nicht gefunden. Ich kann mich erinnern, dass es voller Schokoladeflecken war, weil ich immer so eine Appetit auf Süßes bekommen habe, beim Lesen. Im Gymnasium hat sich unser Professor im Englischunterricht mitten in die Klasse gesetzt und uns die Geschichte Lammkeule vorgelesen, eine der, so denke ich, berühmtesten Dahl Geschichten. Wie fast immer bei Dahl ist sie detailreich und anfangs auch sehr lieblich erzählt, heimelig, eigentlich zuerst eine ganz normale Szenerie und dann kippt es in etwas ganz anderes, oft unfassbares. Gut, bei Lammkeule ist ziemlich klar, was vorfällt ist, am besten selbst lesen, es ist irrsinnig makaber, aber auch erstaunlich witzig.

Nun bin ich wieder auf Dahl aufmerksam geworden, vorrangig weil Wes Anderson vier Kurzfilme über Dahl Geschichten gedreht hat, die dann im FM4 Podcast vorgestellt wurden. Wer sich fragt, wieso ich dauernd diesen Podcast höre: seit meinem Bandscheibenvorfall versuche ich, jeden Tag ca. eineinhalb bis zwei Stunden spazieren zu gehen und dabei höre ich ihn mit Vorliebe, sonst wäre das Spazierengehen sicher langweiliger. Jedenfalls hat Pia Reiser von dem Buch Küsschen Küsschen geschwärmt – Forsetzung: Noch ein Küsschen. Warum die Bücher so heißen weiß ich nicht, es ist passend und unpassend zugleich, jedenfalls habe ich mittlerweile beide gelesen.

Praktisch alle Geschichten von Dahl enthalten Twists, entwickeln sich anders als man denkt. Manchmal versteht man die Wendung gleich, manchmal muss man einige Stellen des Textes schon mehrfach nachlesen, um zu begreifen, was eigentlich passiert ist, weil Dahl es uns nicht auf dem Silbertablett präsentiert. Oft, wenn man sich als Leser denkt, man hat Dahl durchschaut und man ahnt, worauf er hinauswill, macht er dann doch wieder etwas ganz anderes. Und das ist auch sein Geheimnis. Es gibt keine “Moral von der Geschichte”. Manchmal werden Grausamkeiten mit Grausamkeiten beantwortet, manchmal siegt der Humanismus oder auch die Frechheit, manchmal klingen Geschichten einfach aus und lassen einen grübelnd zurück, ab und zu gibt es fantastische Elemente, die aber nicht in eine fantastische Welt eingebunden sind. Es gibt Erstaunliches, Unglaubliches, Erschreckendes.

Und: Dahl hat die KI vorhergesagt. In seiner Geschichte Der große automatische Grammatisator erfindet der Portagonist eine Maschine, die – gefüttert mit Worten und Sätzen – selbstständig anfängt Geschichten zu schreiben. Der Erfinder der Maschine zahlt dann den tatsächlichen Schriftsteller in seinem Umfeld eine gewisse Abfindung aus, wenn sie versprechen, nie wieder etwas zu schreiben bzw zu publizieren, er möchte das Monopol besitzen. Fortan schreibt die Geschichten nur noch der “Grammatisator”; eine dystopische Horrorvision für die Nutzung künstlerischer Intelligenz eigentlich.

Autogramme

Am Donnerstag war ich bei der Dirk Stermann Lesung von Mir gehts gut, wenn nicht heute, dann morgen in der Buchhandlung Seeseiten in der Seestadt – die übrigens so heißt, weil sie direkt am See dort ist. Dankt mir später, dann braucht ihr sie nicht suchen so wie ich, die ich trotz Google Maps mit der Orientierung regelmäßig überfordert bin.

Ich habe A. dort getroffen und ich habe ihr erzählt, dass ich mir nachher ein Autogramm holen möchte, in der Hoffnung, dass mich das etwas unter Druck setzt, es wirklich zu machen, weil normalerweise trau ich mich das eh nicht. Und sie meinte: “Das schaffst du”. Nachdem nach der Lesung die meisten Leute das Buch erst kaufen mussten, bevor sie es unterschreiben lassen können und ich meines ja schon hatte (plus ein dutzend Lesezeichen drinnen) war ich ganz vorne in der Schlange. Und voila:

Mein Buch (siehe die Lesezeichen auf der Seite)

Danach sind A. und ich noch durch die Seestadt gebummelt, ich weiß irgendwie nie, ob es mir dort gefällt oder nicht, es hat ein ganz eigenes Flair und es ist sehr dunkel am Abend, also ziemlich wenig beleuchtet. Wir waren dann in der sehr netten Pizzeria Portobello (die mich für diese Erwähnung nicht bezahlt) und haben fancy Getränke getrunken – Grapfruit Basilkum Limo bzw. Honey Ginger Brew – und geplaudert. Am Heimweg ist mir dann eingefallen, dass das doch nicht mein erstes Autogramm war; zwar war es das erste, dass ich mir selber geholt habe, aber ich habe schon ein Buch mit einem Autogramm für mich und zwar dieses:

Als Kind/Jugendliche war ich ein irrsinniger Fan von Hugo Wiener, hatte alle seine Bücher, mochte seinen sanften satirischen Ton sehr gerne und finde sie heute noch so witzig und liebenswert und ja. Wir kannten irgendwen, der wen kannte, der Hugo Wiener kannte (oder so ähnlich) und so wurde mir irgendwann das Buch mit dieser Widmung gebracht. Bis heute sehr wichtig für mich.