almis personal blog

Schatten überm ESC

Ich könnte jetzt viel über das gestrige Semifinale schreiben, weil es wirklich unterhaltsam und voller starker Auftritte war, aber heute schon überlagert soviel anderes den Bewerb, dass ich zwischen doch auch Traurigkeit und Galgenhumor schwanke.

Auf ORF.on war heute eine Analyse über den diesjährigen ESC zu lesen und ein Absatz hat mich besonders angesprochen:

Aus dem Artikel: Israel-Eskalation überfordert Songcontest

Da fühl ich mich zumindest heute schon sehr angesprochen und mittlerweile gibts ja auch noch “Nebenskandale”. Andererseits flüchte ich mich dann wieder in den Humor, wo auf Twitter folgendes zu lesen war:

Damit spielt Brent darauf an, dass Lettland gestern ins Finale gekommen ist, obwohl es seit Wochen bei den Wettquoten ganz am Schluss, wirklich teilweise auf dem letzten Platz kam. Und das wäre in einem normalen Jahr wirklich ausführlichst besprochen worden, aber heute ist es tatsächlich nur mehr eine Fußnote.


Ich hoffe aber trotzdem immer noch, dass wir morgen doch so etwas wie United by Music-Gefühl bekommen und das nicht nur eine schale Phrase bleibt.

ESC – Semi 2

So, das erste Halbfinale ist geschlagen und war sehr kurzweilig. Petra Mede, die zum dritten Mal den ESC moderiert, meinte gleich zu Beginn: “We are back in Sweden. Well don’t blame me, even I voted for Finland” Harhar. Ja voriges Jahr war es ein Zweikampf, heuer ist das Rennen viel offener.

Heute wird die andere Hälfte der Big Five auftreten. Italien hat ja immer qualitativ sehr hochwertige Songs, obwohl La Noia jetzt nicht mein Lieblingslied von San Remo war. Spanien schickt heuer einmal, statt dem sonst oft üblichen aggressive Fröhlichkeit ausstrahlenden Plastikpop, die leicht überwuzelt-desolate Band Nebulossa, was immerhin eine Abwechslung ist. Und Frankreich, da muss ich leider sagen, dass ich mit Slimanes Mon Amour wirklich gar nichts anfangen kann. Ja, er kann natürlich super singen, aber musikalisch ist das ein Liebeslied, dem jegliche Ambivalenz und jede Ecke und Kante fehlt, und es bleibt nur das Gestelzte und Süssliche über und das ist einfach überhaupt nicht meines; oder wie Johannes Floer in den Reactions sagte: “Ich glaub dem das nicht. Ich fühl mich da als Hörer verarscht.”

Ganz anders Marina Zatti aus Griechenland, die mit Zari einen Song schickt, der extrem sonderbar ist. Ein seltsam-cooles Video, musikalisch unheimlich sperrig und nicht leicht zugänglich, textlich aber ein Liebeslied, dass (zumindest mir) unter die Haut geht, mit Zeilen wie (Übersetzung): “I pretend to forget your name and everything changes around me abruptly (…) I pretend to forget your scent and everything is changing around me (…) I die alone if you are not here and let whatever happens happen.” Das nimmt mich voll mit, im Gegensatz zum vorher angesprochenen Gesäusel.

Estland ist ähnlich sperrig wie Griechenland und ich mag es schon sehr, auch wenn ich jeden verstehen kann, der mit (nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi gar nichts anfangen kann und ich glaube, das werden auch viele sein harhar. Die beiden beteiligten Bands Bands 5miinust und Puuluup werden den Auftritt vermutlich als Konfrontation miteinander inszenieren und dann werden sie tanzen und es wird sehr absurd werden, oder wie Broder in den Reactions sagte: “Es ist so falsch, es ist alles falsch daran, dass alles genau richtig ist.”

Naja und dann kommen natürlich die eindrucksvollen Beiträge aus der Schweiz The Code, aus Israel Hurricane (hoffentlich ohne Eklat), aus den Niederlanden, Europapa. Und natürlich Belgien, der es hoffentlich ins Finale schafft, genauso wie Österreich, aber heute wirds, so denke ich, schon eine ziemlich Zitterpartie werden, weil da wird wirklich einiges geboten.

Happy second Semi!

ESC – Semi 1

Ich entschuldige mich schon mal, dass es diese Woche hier hauptsächlich um den Songcontest gehen wird, oder wie das Kind sagt: “Heidi wieder komplett obsessed.” Ja, da müssen wir jetzt durch.

Heute findet also das erste Semi statt, das m.E. das schwächere der beiden ist und von den Big Five performen Deutschland und Großbritannien, dazu das Siegerland Schweden. Zu UK hab ich ja gestern schon etwas geschrieben, bei Deutschland finde ich die Lyrics des Songs Always on the run recht mutig. Wenn man bedenkt, dass Deutschland in den letzten Jahren relativ oft Letzter geworden ist, leider auch durchaus mit null Punkten und, dass ein Vorwurf lautete, die Songs wären zu unspektakulär, dass der neue Song dann mit den Zeilen “I am nothing but the average” anfängt, Respekt für die Selbstironie. Izaak hat eine tolle Stimme, ich weiß nur nicht, ob diese “Fernsehgarten brennt” Inszenierung so eine gute Idee war. Und Schweden ist halt wie Schweden meistens ist. Das musikgewordene Billyregal.

Heute werden natürlich Kroatien, Ukraine, Litauen mit starken Songs weiterkommen. Irland war mit einem sehr polarisierenden Beitrag lange im hinteren Bereich der Wettquoten, seit gestern ist es in den Top 5. Da bin ich gespannt, wie das heute Abend auf der Bühne wirkt, weil ich kann nicht sagen, ob mir das gefällt oder nicht. Dann gibt es auch einiges durchschnittliches. Beispielsweise ist fraglich, ob es Australien heuer ins Finale schafft. Ich freu mich ja immer, dass Australien dabei ist und sie haben auch wirklich schon sehr interessante Songs gebracht, einmal auch knapp dem Sieg vorbeigeschrammt, aber One Milkali/One Blood ist gar nicht meines. Das Ganze soll ein bisschen Aborigines-mäßig angehaucht sein (siehe auch Songtitel), aber das Staging puh, das ist mir ein bisschen zuviel Folklore. Und Lyrics, in denen es heißt “It’s raining love”, sorry, aber da bin ich raus. Später kommt noch ein Didgeridoo dazu und da halte ich es mit dem Kommentator Max von ESC Bite: “Für mich ist das ganze Lied mehr so ein Didgeri – don’t” Harhar. Ja, es ist leider so.

Ähnliches ist über Island zu sagen. Island hatte schon so wunderbare, auch skurille Songs, 2020 hätten sie ziemlich sicher gewonnen und mein vielleicht allerliebster ESC-Lieblingssong stammt aus Island (1997, Paul Oscar, Minn hinsti dans); wie ich durch Marco Schreuder erst gestern erfahren habe, war das der erste offen homosexuelle Act überhaupt beim ESC. Minn Hinist dans ist seiner Zeit sehr voraus gewesen, während Hera Björks Scared of Heights doch mindestens 20 Jahre zu spät kommt. Broder hat bei den Reaction Videos so einen schönen Begriff dafür verwendet, bei dem es mir richtig leidtut, dass er mir nicht eingefallen ist, weil er so genial ist, er nannte den Song nämlich “Sektfrühstücks-Pop” und genau das ist es. Oder wie es auch im Reaction-Video heißt: Es ist ein langweiliges Lied, aber es ist ein nettes langweiliges Lied. Charmant gesagt.

Na dann happy first Semi!

Die ESC-Woche

Heute beginnt die schönste Woche des Jahres für mich, die ESC-Woche. Eine Woche, in der ich beschäftigt bin mit ESC-Content und Vorfreude und Aufregung und wo man die eigenen “Struggles” mal vergessen kann. Und wie der Slogan so schön sagt: United by Music.

Ich habe jetzt tagelang in den Stories und Posts die Öresundbrücke gesehen, die alle in der Bubble, die vor Ort sind, anscheinend befahren. Es handelt sich um die Brücke zwischen Kopenhagen und Malmö. Die Städte liegen offenbar so nahe, dass manche, die sich das live vor Ort ansehen, in Kopenhagen wohnen.

Die Semifinali finden am Dienstag und Donnerstag statt – Österreich ist am Donnerstag dran. Das Finale am Samstag. Was ist nach den Rehearsals der vergangenen Woche zu sagen? Es wurde ja bereits von jedem Land ein 30-sekündiger Ausschnitt von den Proben veröffentlicht, und wir Nerds haben das natürlich alles angeschaut. Das Staging und die Live-Performance ändert oft den Eindruck, den man von Songs hat – zum besseren oder leider auch umgekehrt. Und auch die Wettquoten ändern sich nun täglich. Am bemerkenswertesten ist, dass Kroatien nun wieder mit doch deutlichem Abstand vor der Schweiz auf Platz 1 liegt; ich war eigentlich bis zu den Proben sicher, dass die Schweiz heuer gewinnen wird.

Zwei Auftritte aus den Proben haben mir eine Gänsehaut gemacht und zwar erstens die Ukraine. Ich mag das Lied sowieso sehr gern, aber live ist es nochmal um einige Klassen stimmungsvoller, weil die Stimme von Jerry Heil, die in der Studioversion brav mit den Backing Vocals mitsingt, hier eindeutig dominiert und großartig ist. Und das Bühnenbild ist auch eindrucksvoll.

Zweite Gänsehaut: UK, wenn auch anders. Ich finde den Song von Olly Alexander ok, wenn auch nicht außergewöhnlich, aber das Staging erinnert so derart an das George Michael Video zu Outside, was ja, wie wir alle wissen, eine tatsächliche Begebenheit in einer öffentlichen Toilette in Los Angeles persifliert. Und was Olly Alexander wiederum hier zitiert, zumindest meines Erachtens. Sehr spannend, diese Szenerie auf eine ESC Bühne zu stellen, dazu passt irgendwie der Begriff “raw”.

ESC 24 Niederlande

Heute möchte ich etwas zum niederländischen ESC Beitrag schreiben, Joost Klein mit Europapa.

Als ich Europapa zum ersten Mal gehört habe, war ich zuerst belustigt über den Titel und dachte ok alles klar, so ein Scooter-Ding, Pop-Techno Zeugs. Performt von einem Unterhaltungskünstler mit erstaunlichem Mienenspiel in königsblauer Europauniform vor dem “Haus Europa”, einer Baustelle, nur halb fertig, etwas desolat, mit einer Windmühle am Dach. Das schon mal sehr interessant als Metapher für den Zustand Europas derzeit (oder eher der europäischen Poltik?)

Dann habe ich mir mal den Text durchgelesen. Und der Text – der Niederländisch ist, also für das Gros der Europäer nicht verständlich – hebt den Song noch einmal auf eine ganz andere Stufe. Denn dieser Text ist so dermaßen traurig, dass ich es ungeheuer faszinierend und auch kreativ finde, einen solchen Text in einer derartigen happy-Sound Melodie vorzutragen, dass viele meinen, das Ganze wäre sowieso nur ein Spaßbeitrag – und damit uns alle zu täuschen.

Denn Joost Klein singt, er reist durch ganz Europa, “auf der Flucht vor mir selbst”, er geht in Wien spazieren, er fährt nach Italien, aber “trotzdem tut es weh” und “ich hab echt alles verloren, außer Zeit” und “ich rufe um Hilfe, aber niemand hilft mir”. Puh. Klein spielt dabei wahrscheinlich auf den frühen Tod beider Elternteile an, als er noch ein Kind war. Hinter dem ganzen Showgehabe steckt eine ganz andere Botschaft.

Vielleicht sitzt deshalb im Video die Sängerin S10, die vor zwei Jahren für die Niederlande beim ESC war und einen Song über ihre Depressionen gesungen hat, am Tisch neben ihm. Und irgendwie setzt sich damit auch die Schwermütigkeit des Landes beim Songcontest fort, denn seit Jahren widmet man sich da verlorener Liebe, Trauer, Schmerz und psychischer Labilität. Diesmal halt in einem anderen Gewand.

Merci, Jury 24

Heute wurde die Merci Chérie Podcast-Folge veröffentlicht, in der alle Hörerinnen und Hörer ihre Wertung von Platz 1 bis 10 bekanntgeben konnte. Es wurde darum gebeten, dass man seine 12 Punkte Wertung mittels Sprachnachricht abgibt, was ich gemacht habe.

Man kann mich ca. bei Minute 37.50 hören, wem das zu mühsam ist oder es zu cringe findet (wie ich selber harhar), hab ich meinen Kommentar transkribiert:

Meine 12 Punkte gehen heuer an Mustii aus Belgien mit “Before the Party is over” .

Und zwar deswegen, weil mich der Song so sehr an den Film “Walk the Line” mit Joaquin Phoenix als Johnny Cash erinnert, wo eben Johnny Cash gesagt wird, ein Song solle immer so klingen als ob man gerade blutend auf der Straße liegen würde und nur noch Zeit für ein einziges letztes Lied hat und wo man quasi alles reinpacken muss. Und genau das ist dieser Song für mich, voller Leidenschaft, Liebe, Schmerz, Dringlichkeit – natürlich auch sehr viel Pathos, was jetzt nicht immer meines ist, aber hier einfach genau passt.

Merci Cherie, Folge 6111

Ich verrate jetzt natürlich nicht, wer das Publikumsvoting insgesamt gewonnen hat, der Podcast mag ja auch noch Menschen haben, die sich das anhören, aber ich denke, es könnte sich diesmal um den tatsächlichen Sieger des heurigen Bewerbs handeln.

ESC 24 – die Texte

Ich hatte übrigens recht, der heurige ESC Beitrag aus Estland mit dem Titel (Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi ist lang, nämlich der längste bisher beim Songcontest eingereichte. Und es wird noch besser, denn in Übersetzung heißt das “Über diese Drogen wissen wir doch nichts”. Die EBU hat diesen Titel zugelassen, während sie so manches “Shit” aus anderen Texten entfernt hat, wie zum Beispiel aus Izaaks Song Always on the run. Und da war “Shit” das Einzige, was vielleicht noch eine Spur edgy gewesen wäre. Anscheinend war es der EBU zu mühsam, die estnische Übersetzung zu googlen, und/oder sie haben sich gedacht, das versteht eh (fast) keiner. Dass der spanische Beitrag Zorra, Schlampe, heißt, war der EBU offenbar ebenso egal.

Auch sonst findet man einige ganz witzige Dinge, wenn man die heurigen Songtexte genauer ansieht – vor allem einmal, dass es doch relativ viele Beiträge gibt, die zumindest teilweise in Landessprache verfasst sind, nämlich 18. Das war schon mal anders. Von manchen Songtiteln würde man spontan ja eher abraten, weil sie sehr Kalauer-geeignet sind, wie zum Beispiel der Song Hollow für Lettland. Einen Song Unforgettable zu nennen, wie das Schweden tut, ist zwar nicht per se schlecht, allerdings sollte der Song dann auch dementsprechend eindrucksvoll sein; ob das gelingt, darüber kann man geteilter Meinung sein. Mich erinnert es ein bisschen an “Intelligent Music Project”, die bulgarische Band von vor zwei Jahren, die trotz ihres selbstbewussten Namens das Finale dann nicht erreicht haben. Dizzy für UK ist ebenfalls ein bisschen schwierig und nicht unbedingt positiv konnotiert und La Noia, die Langweile, wie Italien, hätte ich jetzt auch nicht gewählt.

Beim eher kontroversiellen irischen Beitrag Doomsday Blue wurde im Reaction-Video gesagt, das sei kein Song, sondern da würden einem nur Harry Potter Zaubersprüche wie “Avada Kedavra” entgegen geschrien. Ich kenne mich zwar bei Harry Potter nicht aus, aber Google bestätigt diese Behauptung. Die Zypriotin Silia Kapsis singt: “Waking up in the morning and I’m feeling like ooh-la-la”. Ich würde mal sagen, die wenigsten fühlen sich beim Aufwachen “oh-lala”, noch dazu, wenn sie danach gleich den Lover rausschmeißen, weil der ein Liar ist, aber ok. Der Kroate Baby Lasagna wiederum zieht von daheim aus und verabschiedet sich von den Eltern. Er hat seine Kuh verkauft und sagt zu seiner Katze: “Meow cat, please meow back” und diese Zeile fügt sich nahlos in den gleichermaßen kindlich-verspielten, wie auch sentimentalen Gesamtkontext ein.

Soviel mal für heute.

ESC – Mein Ranking 24

Nachdem mir Marco Schreuder persönlich gewhatsappt hat, ob ich nicht meine ESC-Wertung für den Merci Cherie Podcast abgeben will, was ich sehr nett fand – hier kann man übrigens mitmachen – habe ich also heute tatsächlich mein diesjähriges ESC-Ranking der besten 10 eingereicht. Dazu noch eine Sprachnachricht, warum ich wem 12 Punkte gegeben habe. Ich schreibe ja lieber, aber naja, zu hören dann in zwei Wochen.

Und weil es sicher alle vor Neugier platzen (harhar), hier meine Wertung im Detail:

12 Punkte – Belgien – Mustii – Before the party is over

10 Punkte – Schweiz – Nemo – The Code

8 Punkte – Ukraine – Alyona Alyona & Jerry Heil – Teresa & Maria

7 Punkte – Litauen – Silvester Belt – Luktelk

6 Punkte – Israel – Eden Golan – Hurricane

5 Punkte – Estland – 5miinust & Puuluup – “(nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) …”

4 Punkte – Kroatien – Baby Lasagna – Rim Tim Tagi Dim

3 Punkte – Griechenland – Marina Satti – Zari

2 Punkte – Niederlande – Joost Klein – Europapa

1 Punkt – Italien – Angelina Mango – La Noia

Ich finde meine Wertung eigentlich sehr divers (harhar), Frauen, Männer, nonbinäre Personen, Nord bis Süd, Ost bis West, Landessprachen und Englisch, Balladen, Rap, Elektro, Pop/Rock, lustig, traurig, alles dabei.

Dass die ukrainischen Teilnehmerinnen gerade über Mutter Teresa und Maria singen (und rappen) ist überraschend, ich bin froh, dass dieses Jahr mal wieder über den Song an sich gesprochen wird. Aber bitte kauft keine Waffen mit der etwaigen Siegerprämie. Wie ich schon geschrieben habe, halte ich The Code für den vielleicht innovativsten Song des Bewerbs und er hat die ewige ESC-Botschaft “sei der, der du bist” – auch wenn einiges Zeitgeist-Posing dabei ist, das hat was. Na und Belgien liebe ich einfach, weil so schön und schmerzvoll gleichzeitig, und Mustii gibt einem Philipp Hochmair-Vibes deluxe.

ESC 24, Schweiz

Die Auftritte der heurigen ESC Künstler bei den Prepartys am vergangenen Wochenende haben einen Wechsel an der Spitze der Wettquoten gebracht.

Bisher war Baby Lasagna (sic!) mit Rim Tim Taga Tim der uneingeschränkte Favorit gewesen. Rim Tim Taga Tim, was man durchaus als Onomatopoesie bezeichnen könnte (harhar, das Kind muss gerade literarische Figuren lernen) war ja quasi die legitime Antwort auf Cha Cha Cha vom letzten Jahr. Die ESC Nerds wollen ihren Banger haben, allerdings gibt es für mich auch so etwas wie eine zu eingängige Melodie. Cha Cha Cha war da durchaus elaborierter. Wie dem auch sei, nun ist die Schweiz auf Platz 1 und zwar Nemo mit The Code.

Im Merci Cherie Podcast Interview hat Nemo erzählt, dass sein Name kein Künstlername wäre, sondern er tatsächlich so heiße und zwar deswegen, weil seine Eltern ihn “Niemand” nennen wollten, damit er “alles” werden konnte. Das ist so wie wenn Eltern ihr Kind ohne Religion aufziehen und meinen, das Kind kann sich ja seine Religion dann mit 18 aussuchen. Nemo hat sich seine Religion auch ausgesucht, er ist nämlich non-binär (ein Scherz, bitte kein Shitstorm). The Code ist jetzt nicht mein Lieblingssong, aber doch der vielleicht originellste Beitrag des heurigen Bewerbs.

Denn Nemo, der diese kleinen Björk-1990er Jahre-Plastiktränchen unter den Augen hat, erzählt genau diese, seine Geschichte in The Code. Er hat nämlich den Code zwischen 0 und 1 gebrochen (nonbinär) und es war ein Struggle und er hat gelitten und es war die Hölle und jetzt ist er aber zufrieden und tut was er will und fühlt sich im Einklang mit sich selbst und das ist ja durchaus ein erstrebenswerter Zustand. Musikalisch ist der Song sehr unkonventionell aufgebaut, opernhafte Passagen wechseln mit Rap, kleiner Popmelodie und eventuell sogar Drum and Bass?! (bin keine Musikerin).

Im Video fährt Nemo klimafreundlich mit der Bahn von Zürich nach Malmö – ein weiteres gut gemachtes Zug-Video nach Trenujetul von Zdob si Zdub aus 2022. Dieser Song hat tatsächlich Siegchancen und wird m.E. auf alle Fälle in die Top 3 kommen.