almis personal blog

Plagiat

Vor ein, zwei Wochen geisterte die Meldung herum, das diesjährige ESC Siegerlied sei ein Plagiat von — und als ich das las, dachte ich, jetzt kommt sicher eine unbekannte Band, deren Song tatsächlich voll ähnlich wie Toy von Netta klingt. Aber — festhalten bitte, es geht um die White Stripes und Seven Nation Army.

Ähm, na ja ok, mal probehören, also das:

…klingt ähnlich wie das

Warum sind wir da um Himmels Willen nicht früher draufgekommen? Harhar.

Pro-Tipp: wenn man erst eine musikwissenschaftliche Expertise braucht, um in einem Song ein Plagiat zu vermuten, ist es vielleicht nicht so ganz offensichtlich. Ich hab eh nie mehr was davon gehört, aber sollte das als Plagiat durchgehen, kann man gleich bei anderen ESC Siegerliedern weitermachen, zb. Heroes von Mans Zelmerlöw versus David Guetta (Lovers on the Sun), das habe sogar ich als Laie ziemliche Assoziationen gehabt und zwar bevor ich etwas in den Medien drüber gelesen habe.

All Aboard, fünf

Es ist schon erstaunlich, wie schnell es bisweilen geht, dass die Realität die Satire überholt.

2014 hat Österreich den Song Contest mit Conchita Wurst gewonnen und was haben wir uns alle gebrüstet weltoffen und tolerant zu sein. Ein paar Tage später wurden die Festwochen Plakate aufgehängt, auf denen nackte Menschen mit beiden Geschlechtsmerkmalen zu sehen waren, und schon waren wir wieder ganz die alten. Ich hab damals eh was dazu gebloggt.

2018 gewinnt die Israelin Netta den ESC mit einem Lied, in dem sie mit Männern hart ins Gericht geht, die sie aufgrund ihrer Figur und Andersartigkeit verachten. Und man denkt sich: ja eh, aber ist das wirklich noch so ein großes Thema, ich mein, wir schreiben 2018? Und ein paar Tage später die eindrucksvolle Antwort von Thomas Chorherr, 85-jähriger Ex Chefredakteur und Ex-Herausgeber der Presse. Ebendort setzt er einen Kommentar ab, der in seiner Gesamtheit etwas wirr und konstruiert erscheint – was hat der Wiener Stephansdom mit Nettas Sieg beim Song Contest zu tun, aber soll sein – im Detail aber vor allem eines ist: extrem bösartig und gemein. Wer sich den ganzen Text antun will, hier bitte.

Chorherr mag Netta und ihr Lied nicht, das ist selbstverständlich sein gutes Recht. Was aber nicht mehr geht im Jahr 2018, ist folgende Wortwahl, getarnt als “Meinung”:

“Sie war hässlich. Sie war dick. Sie war jenseits aller Ideen zuwider. Sie war abgrundtief schiach.”

Nein, nein, nein, einfach nur nein. Abgesehen davon, dass es extrem subjektiv ist was man schön findet, ist es kränkend und beleidigend und absolut letztklassig, eine Person so zu bewerten und zu beschreiben. Inhaltliche Kritik jederzeit. Aber das nein. Und nein, Netta hat es nicht verdient (wie manche meinen), weil sie selbst ja auch Männer basht. Netta hat einen Song geschrieben, sie hat sich künstlerisch ausgedrückt, nicht mit Samthandschuhen, nicht subtil, nein. Aber sie hat niemand persönlich beleidigt oder angegriffen; hier teilt sie übrigens ihr Schicksal ein bisschen mit Thomas Bernhard, dem man seine Rollenprosa auch bitter übel genommen hat und diese als Argument gesehen hat, ihn persönlich anzugreifen.

Dass Chorherr, quasi in einem Aufwaschen, sich auch darüber wundert, dass Österreich einen “Farbigen” zum ESC schickt, ist da sozusagen nur noch konsequent, in der Kategorie: jenseits von Gut und Böse.

Edition F. hat sich übrigens zur Causa auch so ihre Gedanken gemacht, und das hier sollte man wirklich lesen.

All aboard, vier

Mein Lieblingstweet zum ESC gestern:

Die Zweitplatzierte, Eleni Foureia aus Zypern, fand ich übrigens auch ganz gut. Vor allem gefällt mir, wenn so ein Sommerhitze-Lungo-Mare taugliches Lied irgendwie doch ein paar außergewöhnliche Schlenkerer macht und Begriffe wie “Hidden Agenda” in ihren Lyrics hat. Das ist dann doch irgendwie ein bisschen sophisticated und mehr als 08/15 Pop.

Viel mehr als 08/15 Pop hatte auch Italien zu bieten. Sehr Song Contest und Bühnen-untaugliches Lied eigentlich, wie schon mal erwähnt, von Etmal Meta und Fabrizio Moro, aber auch sehr eindringlicher, beklemmender Text, wobei der natürlich italienisch ist, was ja nicht soviele Europäer sprechen. Aber vielleicht fühlt man die Eindringlichkeit auch raus, wenn sie über die Rambla in Barcelona singen, über der die Sonne nicht mehr die gleiche ist, und darüber, dass es keine friedlichen Bomben gibt (“E non esiste bomba pacifista”). Ingesamt echt eigenwillig, aber natürlich total am Puls der Zeit, wenn man in der Songcontest Pause über einen weiteren Anschlag in Frankreich hört…Immerhin Rang 5 am Ende, der Song kam vor allem beim Publikum sehr gut an.

Für den Norweger Alexander Rybak hat es nicht zu einem zweiten Song Contest Sieg gereicht, sein Liedtitel How to write a song ist ja schon reichlich aufgelegt für Spott, wenns nicht so toll läuft (a la: “Ja, dann schreib halt einen guten…”). Ich weiß nicht, was einen reitet, nochmal am ESC teilzunehmen, wenn man bereits einmal siegreich war. Sehr selten hat das funktioniert, Johnny Logan hat zwar sogar dreimal gewonnen (einmal als Songwriter), aber das ist dann doch die Ausnahme. Recht erfolgreich war noch Carola nach ihrem Sieg mit Fångad av en stormvind (1991), 2006 wurde sie immerhin Fünfte. Und Rybaks Fairytale war anno 2009 halt auch wesentlich orgineller.

Für einen abschließenden Blick auf den ESC 2018 kann man Marco Schreuders Betrachtung zu rate ziehen, die ich sehr lesenswert finde.

Nächstes Jahr in Jerusalem (oder doch Tel Aviv)?

All aboard, drei

Na gut, ich bin heuer mit allen Prognosen und Erklärungsversuchen bezüglich Song Contest Ergebnis aber sowas von daneben gelegen und das war eigentlich sehr erfreulich. Denn, und ich habs wirklich nicht erwartet, Österreich wurde Dritter. Nach der Jury-Wertung lagen “wir” sogar auf Rang 1.

Ich hab es schon nach Conchitas Sieg gesagt, die Kinder heutzutage kriegen ein ganz anderes Song Contest Mindset mit, denen muss man ganz schön eindringlich klar machen, wie schlecht Österreich immer war, sonst glauben sie einem das gar nicht oder wie ich gestern zum Kind gesagt hab: “Das war das 2. beste österreichische Ergebnis, das ich in 42 Jahren miterlebt habe. Wir haben echt ur oft auch null Punkte bekommen!!!” Und dann schaut einen das Kind so verblüfft an wie bei Großmutter erzählt vom Krieg.

Wobei man sagen muss, dass dieses politisch Punkte hin und herschieben sich großteils echt aufgehört hat. Abgesehen von Griechenland und Zypern natürlich. Bester Moment des Abends, als die Jurypunkte-Verleserin von Griechenland einen Zettel in der Hand hält, auf dem steht, wer 12 Punkte von Griechenland bekommt und seit gefühlt 80 Jahren ist das natürlich immer Zypern und alle sagen vor dem Fernseher Zypern, Zypern und sie muss tatsächlich vom Zettel ablesen und es ist, Überraschung, Zypern.

Was ist zum Siegerlied zu sagen, dem ich ja vor einigen Tagen den Sieg abgesprochen habe. Nun ja, die Live- Performance gestern war um einiges besser als im Halbfinale, ich finds zwar immer noch nicht sehr bühnentauglich, aber prinzipiell gefällt mir das Lied und es ist ein Reißer bei Kindern, wie ich gestern feststellen durfte (neben Tschechien übrigens). Natürlich polarisiert es sehr, aber Sängerin Netta meinte gestern, Vorjahressieger Sobral (der das Lied als “horrible” bezeichnet hat), hat ihr bei der Übergabe des Siegespokals Respekt entgegen gebracht.

Apropos Sobral, der schaut eigentlich ziemlich gut aus, nach seiner Herztransplantation und ist auch live aufgetreten. Übrigens waren das portugiesische Rahmenprogramm und die Songs sehr landestypisch – also ziemlich eigenwillig und schwer depressiv – was einen meiner Freunde in der Whatsapp Gruppe zur Aussage: “Gefälliger happy Pop, der einen gleich mitreißt” veranlasste (harhar).

Insgesamt war so ein spannender Abend, wie ich das überhaupt gar nicht erwartet hatte. I like.

All aboard, zwei

Das erste Semifinale ist vorbei und Letztjahressieger Salvador Sobral hat sich schon zu Favorit Israel zu Wort gemeldet, der Song von Netta sei nämlich “horrible”.

Ich glaube seit gestern übrigens nicht mehr, dass sie gewinnt, denn im Gegensatz zu Sobral finde ich den Song nicht schlecht, aber er kommt auf der Bühne überhaupt nicht rüber. Toy ist ein Song fürs Radio und den ESC gewinnt normalerweise nur jemand, der einen auf der Bühne komplett in seinen Bann ziehen kann.

Insofern sind die Chancen von Cesar Sampson gestiegen, der mit seiner Performance live überzeugt, und dessen Song auf der Bühne viel besser wirkt als im Radio.

Schön im ersten Semifinale war der Moment, als einige der letzjährigen ESC Teilnehmer als Tribut an Sobral Amar pelos dois interpretiert haben. Das war schon ein eindrucksvoller Song, der auch sehr vorteilhaft altert, wie ich finde.

Morgen dann Semifinale 2.

All aboard, eins

Es ist wieder mal Song Contest Woche und wie man an meiner Blog(un)tätigkeit merkt, hab ich gerade eigentlich nicht so wirklich Zeit dafür. Daher hab ich quasi erst gestern begonnen, mich mit dem ESC zu beschäftigen, der heuer – nach dem beeindruckenden Sieg von Salvador Sobral – in Lissabon stattfindet.

Heute ist das erste Semifinale und wenn man den Experten glaubt (siehe Marco Schreuders tolles Song Contest Tagebuch beim Standard), ein extrem dichtes, weil fast alle favorisierten Songs in dieses 1. Halbfinale gelost wurden. Was für unseren Starter Cesar Sampson nicht unbedingt optimal ist, weil er ist auch heute dran, harhar.

Was gibt es zu unsrem Song zu sagen. Nun ja, er heißt Nobody but you und ist solide. Ich persönlich mag ihn lieber als Running on Air von Nathan Trent voriges Jahr, aber ein bisschen erinnert er mich auch an diesen. Rocco Clein von Viva hätte ihn vielleicht als energielosen Hotelbar Soul bezeichnet, obwohl er dazu wohl etwas zu lebhaft ist. Herr Sampson singt tadellos, aber irgendwie fehlt dem Song das gewisse Etwas. Dabei hat er hier und da eine Wendung eingebaut, die mehr verspricht, aber der Refrain ist irgendwie zu vorhersehbar

Heute tritt auch die bisher große Favoritin des Bewerbs an, Netta aus Israel, mit Toy. Hier mischt sich Beth Ditto Attitüde mit #metoo und Männerbashing en gros und en detail. Dazu ein bisschen stranges Gegacker (Israel ist immer für etwas Weirdness beim ESC zu haben). Beim ersten Mal hören denkt man sich, WTF, aber bei weiteren Hördurchgängen setzt sich das Lied schon recht gut im Gehörgang fest und wird sicher ziemlich weit vorne landen. Ob es für den Sieg reicht, wird man sehen. Es wäre jedenfalls ein ziemliches Kontrastprogramm zum letztjährigen Siegertitel Amor pelos dois.

Italien ist – wie eh immer – fix gesetzt, und versucht es heuer mit ernsthafter Gesellschaftskritik, der Song heißt Non mi avete fatto niente (ungefähr: Ihr habt mir nichts angetan). Und na ja, also ähm. Mir persönlich hat Occidentali’s Karma, der selbstironische Blick von Francesco Gabbani voriges Jahr auf unsere Zeit um einiges besser gefallen, aber Occidentali’s Karma wird sowieso einer meiner ewigen ESC-Favoriten bleiben; der aktuelle Song ist jetzt nicht schlecht und man muss Italien zugute halten, dass sie sich quasi jedes Jahr neu erfinden und immer was anderes, neues probieren. Ich denk aber, wie auch immer man das Lied prinzipiell findet, es ist zu schnell gesungen, für einen ESC-Sieg¹.

 


¹Das Problem hatte IMO 2014 schon Emma Marrone (mit La mia Citta) – ein super Song, aber absolut bühnenuntauglich.

Grande Finale

Der Song Contest ist gelaufen und der Sieger heißt leider nicht Italien. Francesco Gabbani belegte den sechsten Platz, was das zuerst enttäuschte Kind mit “Na so wichtig ist der Song Contest auch nicht” relativ schnell abhakte. Genau, der Song ist trotzdem super (gestern vorm Bewerb ganze fünfmal im Auto gehört) und wird sicherlich seinen Weg machen, ebenso wie sein Interpret, der von Andi Knoll als “Adriano Celantano 2.0.” bezeichnet wurde.

Der Song aus Portugal hingegen – den ich diese Woche zu polarisierend empfand – hat einen klaren Start/Ziel Sieg hingelegt. Eigentlich war Salvador Sobral von Anfang an beim Voting vorne, so deutlich, dass ich lange dachte, er würde nicht gewinnen, denn aus Gründen der Spannung wird oft zunächst jemand anderer lanciert. Aber der Vorsprung war so klar, dass man da anscheinend nicht viel Spannung reinbringen konnte.

Mir ist immer noch nicht ganz nachvollziehbar, wie es dieser Song schaffen konnte, die Massen zu begeistern und das, obwohl ich ihn selbst ja durchaus ansprechend fand. Aber eben praktisch nur ich in meiner kleinen, natürlich nicht repräsentativen Umfrage in meinem Umfeld. Und damit setzt sich mit Amor pelos dois der voriges Jahr begonnene Trend fort, dass ein Siegerlied eigentlich fürs (Kommerz)Radio fast unspielbar ist. 2016 hat Jamala mit 1944 ein Lied gewonnen, dass Vorgänge im zweiten Weltkrieg mit der persönlichen Geschichte der Sängerin verknüpfte. Sehr schwere Kost also. Amor pelos dois handelt vom Versuch, eine verlorene Liebe zurückzugewinnen, also auch kein amüsantes Thema – wenn auch eher tragisch im kleineren – und das auf sehr unkonventionelle Art und Weise vorgetragen. Zum Finale sang Sobral übrigens mit seiner Schwester, die das Lied komponiert und ihn auch in seiner Abwesenheit bei den Proben vertreten hatte, und man fragt sich, warum sie nicht gleich selber gesungen ein Duett draus gemacht haben.

Österreich wurde übrigens 16. Nach dem Juryvoting waren “wir” noch in den Top 10, beim Publikumsvoting gabs allerdings null Punkte. Ich fand den Auftritt von Trent wesentlich überzeugender als im Semifinale. Leider hat er das Publikum draußen gar nicht erreicht, die Jury aber interessanterweise schon.

Na ja, so bleibt der Song Contest doch immer irgendwie überraschend, offen und spannend. Ich freu mich auf nächstes Jahr in Lissabon.

Neuer Favorit?

Das erste Halbfinale des Song Contests ist geschlagen und es gibt einen neuen Favoriten. Den Portugiesen Salvador Sobral. Sogar der Standard-Experte Marco Schreuder schreibt ihm jetzt Siegeschancen zu.

Ich bezweifel das ein bisschen. In meinem Umfeld hab ich noch keinen Sobral-Fan gefunden. Die Menschen sind eher mehr oder weniger verstört von ihm. Ich muss sagen, ich finde den Song durchaus interessant, weil er so anders ist als das meiste, was man sonst beim ESC hört. Sobrals Vortrag vermittelt eine große Wahrhaftigkeit und die Attitüde des nicht verbiegen lassens. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Song wirklich massentauglich im großen Stil ist. Eine Top 3 Platzierung halte ich aber für wahrscheinlich.

Ein bisschen erinnert mich das ja an 1991, als Amina einen ähnlich eigenwilligen Song vorgetragen hat, den viele damals auch furchtbar fanden (ich nicht). Ich verstehe hier wie da den Text nicht, weil ich weder portugiesisch noch französich spreche, aber es ist ein Verdienst der beiden Künstler, dass sie mich auch erreichen, wenn ich keinen Schimmer davon habe, was sie da singen.

Ach ja, Amina wurde 1991 Zweite. Sie hatte die gleiche Punktezahl wie die Schwedin Carola, die vor ihrem Auftritt sicherlich einen Latte Machiatto Einlauf hatte¹ und ein absolutes Kontrastprogramm zum sperrigen französischen Auftritt bildete. Allerdings hatte Carola öfters 12 Punkte bekommen und siegte daher für Schweden.


¹(c) Fight Club.

Italia all’ Song Contest

So, Song Contest Woche again.

Will man den Buchmachern glauben, so ist Italien heuer der große Favorit. Ich hab ja eine gewisse Affinität zu Italien und Italien hat meistens gute, spannende Song Contest Beiträge. Allerdings hat das Land den Wettbewerb – ebenso wie Österreich – erst zweimal gewonnen. Was aber auch daran liegt, dass es seltener am Bewerb teilgenommen hat als “wir.” Den Sieg haben sie 1964 mit Giglioa Cinquetii und Non ho l’eta und 1990 mit Toto Cutogno mit Insieme: 1992 geschafft.

Im Jahr 1990 hat praktisch jeder Interpret nach dem Mauerfall über ein grenzenloses Europa gesungen, aber Cutogno hatte diese gewisse Wurschtigkeit, erst in Zagreb seinen Background-Chor zusammenzustellen und dort relativ free style aufzutreten. Die Bühnenshow setze sich im wesentlichen aus Schnipsen mit den Fingern und der klassischen achtziger Jahre Faust zusammen. Aber der Song war sehr eingängig, man will sich gleich eine Pizza bestellen, wenn man ihn hört und er ist auch recht vorteilhaft gealtert. Im Jahr 1991 wurde der Bewerb dann in Rom ausgetragen, noch mehr Free Style und Improvisation durch den Gewinner/Moderator Cutogno gemeinsam mit Cinquetti. Und sie haben extra einen nicht mehr blutjungen Pianisten beauftragt, diesmal für Italien anzutreten um ja nicht nochmal zu gewinnen, der im neapolitischen Dialekt abseits jeder modischen Strömungen sein Lied gesungen hat (und überraschend immerhin 7. wurde).

1997 verabschiedetete Italien sich bis 2011 aus dem Bewerb mit der Gruppe Jalisse und dem roxette-esken Song Fiumi di Parole (von Grissemann und Stermann damals übrigens mit “Buchstabensuppe” übersetzt, eher hieß es wohl “Wortflüsse” oder sinngemäß reden wie ein Wasserfall). Immerhin gab das den 4. Platz. Das war dann Italien anscheinend zu heikel und sie konzentrierten sich auf das San Remo Festival. Als sie dann 2011 wieder teilnahmen, wurden sie prompt Zweiter, mit Madness of love von Raphael Gualazzi, eine sehr jazzig angehauchte Nummer. Auch in den folgenden Jahren hatte Italien immer gute, eigenwillige Beiträge, in Wien belegte Il Volo – auch favorisiert – den dritten Platz mit Grande Amore, einem ungewöhnlich massentauglichen Song (den ich “nichtsdesttrotz” sehr mag).

Heuer tritt ein gewisser Franceso Gabbani mit dem Song Occidentali’s Karma an. Und weil das Kind heute Sonntag um sieben Uhr in der Früh aufstehen musste, um das Zahlenzorro Rechenprogramm weiterzumachen, hatte ich Zeit, um den italienschen Text genauer unter die Lupe zu nehmen. Wenn ein Song Contest Song mit den Worten: “Sein oder sein müssen, der Hamlet’sche Zweifel” beginnt, dann weiß man, das ist keine herkömmliche 08/15 Nummer, da hat sich jemand wirklich etwas überlegt.

Weiter geht es mit den Ehrenmitgliedern der anonymen Selfie-Süchtler und den Internetologen, die unnütze Schlachten schlagen (meint er etwa twitter?). Es geht um Buddha, “Alles fließt” als Herklit’sches Mantra wird mit dem fünfziger Jahre Kulthit “Singing in the rain” verknüpft, so kann man “fließen” halt auch interpretieren. Und dann dazu tanzen. Das Internet wird als Opium fürs Volk bezeichnet, ohne dabei eine bittere kulturpessimistische Abrechnung sein zu wollen (Gott sei Dank!) Das Ganze wird mit einigem Augenzwinkern vorgetragen.

Ich finde das schon recht großartig.

 

Song Contest, sechs

Eine Woche nach dem Songcontest werde ich die Berichterstattung hier am Blog dann langsam beenden. Manche sind darüber vielleicht nicht unglücklich.

Im Zuge der Conchita-Mania hat man ja immer wieder gehört, dass Kinder irritiert seien, wegen Frau mit Bart usw. Nun ja, meiner Erfahrung nach sind Kinder irritiert, dass sie nicht Chips zum Frühstück essen, bei fünf Grad mit kurzer Hose losziehen und nicht täglich bis Mitternacht aufbleiben dürfen, aber Conchita hat – zumindest in unserem Umfeld – keinen wieder immer gearteten Vorbehalt eröffnet. Eine Bekannte hat mal etwas entrüstet gesagt, sie wisse gar nicht, wie man sie nennen solle, eine Frau oder einen Mann, und da meinte unser Kind dann: “Ich sag Conchita Wurst zu ihr.” Soviel Unkompliziertheit kann man sich manchmal wirklich nur wünschen.

Dass sich die Songcontest Nettozahler Spanien, England, Frankreich, Deutschland und Italien vorab keinem großen Publikum präsentieren können, gilt mittlerweile als großer Nachteil. Auch heuer konnte ausschließlich Italien als Dritter reüssieren (und in den Song hab ich mich irgendwie verliebt, obwohl das eigentlich gar nicht meine Musik ist), mit einer Gruppe, die allerdings schon vorher international bekannt war. Die Beiträge der übrigen vier Länder waren entweder zu unscheinbar oder zu wenig zeitgemäß, also kam das schlechte Abschneiden nicht unbedingt von ungefähr. Trotzdem sollte man vielleicht mal andenken, auch die Beiträge der großen fünf, plus dem jeweligen Siegerland, auch in den Vorentscheidungsshows außer Konkurrenz zu präsentieren.

Für Österreich hab ich jetzt keinen großen Tipp, damit “wir” nächstes Jahr wieder mehr bzw. überhaupt Punkte bekommen. Der Song der Makemakes war ok. Aber vielleicht ist auch das das Problem. Okay reicht vermutlich nicht. Wie man bei Schriftstellern immer sagt, sie sollen ihre Protagonisten in die größte Krise seines Lebens bringen und damit umgehen lassen, alles andere wäre Zeitverschwendung, mag auch für den Musikwettbewerb gelten. Ein Lied, das eh ganz ok ist, mit – im Fall der Makemakes – einer Bühnenshow, die ihren Namen nicht verdient, wenn alle anderen Nationen klotzen statt kleckern, mag nicht das richtige Rezept sein. Und auch wenn die Makemakes gute und selbstironische Verlierer sind, wenn sie die Meinung vertreten, dass sie eh nie zum Song Contest gepasst haben, muss man sich fragen: warum sind sie “hingefahren”? Oder anders gesagt: entweder wir wählen wie bei Conchita jemand aus, der dafür brennt und sich mit Begeisterung in die Schlacht stürzt, oder wir lassen es besser gleich bleiben.

Ok, dann auf nächstes Jahr in Malmö (?). / Tipp von anderen Zuschauern, Samstag Abend in der Stadthalle.