almis personal blog

Countdown

Langsam geht es in den Oscar Countdown, und die Preise für einige Hauptkategorien sind noch ziemlich fraglich.

Argo kristallisiert sich immer mehr als Favorit für den besten Film heraus, was allerdings die Frage nach der besten Regieleistung umso spannender macht. Denn Argo-Regisseur Ben Affleck wurde in dieser Kategorie bekanntlich nicht nominiert – und sehr oft gehen ja Film/Regie-Oscars Hand in Hand. Eine spektakuläre Ausnahme dieser Regel passierte übrigens 2005/06 – in diesem Jahr war Brokeback Mountain hoch favorisiert, hatte bei den Globes und allen möglichen anderen Filmpreisen abgeräumt und auch der Regie-Oscar ging damals an Ang Lee. Aber als Film des Jahres wurde völlig überraschend (Jack Nicholson, der die Auszeichnung übergab, las den Titel damals so vor, als wäre das ein Scherz) Anti-Rassismus-Episodenfilm Crash ausgezeichnet. Für viele eine völlig verstörende Entscheidung. Für mich ja nicht. Crash war vielleicht nicht der beste Film des Jahres 2005, er war m.E. aber wesentlich besser als Brokeback Mountain, dem ich (Frevel) wirklich gar nichts abgewinnen konnte, wobei ich die Idee hinter dem Film gleichermaßen wichtig wie spannend fand. Aber der Film erreichte mich emotional gar nicht.

Auch die Frage nach der besten Haupdarstellerin 2013 ist nicht leicht zu beantworten. Ich persönlich sehe ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jennifer Lawrence (Silver Linings Playbook) und Emanuelle Riva (Amour) und würde zum jetzigen Zeitpunkt auf Lawrence tippen, die eine wirklich hervorragende Leistung brachte. Amour habe ich zugegebenermaßen leider noch nicht gesehen, denn auch Riva soll großartig sein. Beim besten Nebendarsteller 2013 hat Christoph Waltz nach Gewinn des Globes und des BAFTAs wohl nun leicht die Nase vorne, aber auch diese Kategorie ist heiß umkämpft, nicht zuletzt, weil in dieser Sparte ausschließlich ehemalige Oscar-Gewinner nominiert sind.

Eine Bank dürften dagegen Anne Hathaway und Daniel Day Lewis sein. Und hoffentlich auch Amour als bester fremdsprachiger Film. Ob sich Haneke beim Drehbuch auch gegen Quentin Tarantino (Django Unchained) durchsetzen kann? Ich würde es nicht ausschließen. Am Sonntag werden wir es erfahren.

I sell coffee

Ich mag die Sendereihe Inside the Actors Studio, in der James Lipton jeweils einen Schauspieler für eine Art Seminar vor Filmstudenten interviewt. Aber sie steht und fällt mit dem Gast. Letzte Woche war sie hervorragend, George Clooney war da. Clooney ist nicht nur witzig, warmherzig und mit guten Genen gesegnet, er hat auch einiges zu sagen.

Zum Beispiel über seine Anfänge als Filmschauspieler. Clooney war Batman, als Batman nicht cool war und die Filme nicht gut. Clooney erzählt, dass er von Regisseur Joel Schumacher vorher nur den Hinweis bekommen hat: “Remember your parents are dead, you have nothing to live for – and Action!” Da wurde Clooney klar, er muss sich nach besseren Drehbüchern umschauen. Heute ist für ihn ein gutes Material und ein gleichermaßen gutes Klima wichtig. An einem Film arbeitet er als Schauspieler 4 Monate, als Regisseur ein oder zwei Jahre: ” I am no more working on a set, where people yelling and screaming and are unhappy. I am not working on a set, where people threat others badly” Auch wenn er selbst Regie führt, will er nicht, dass die Schauspieler Angst vor ihm haben: “Nothing good comes out from creating a space you don’t feel welcome in.”

Clooney erzählt, dass sein politisches Engagement nicht von Anfang an in seiner Heimat geschätzt wurde. Anfangs, als er sich kritisch zum Irakkrieg geäußert hat, wurde er als Verräter bezeichnet. Etwas, das Clooney bis heute verärgert, weil er seine Erziehung in Amerika so verstanden hat: “It’s our duty to question our government.” Er möchte auch später, wenn er im Seniorenheim ist, nicht sagen, er hat 15 Filme gedreht, die am Eröffnungswochenende die Nummer eins im Kino waren, sondern er möchte Filme drehen, die mehr als das können, die bleiben.

Den Studenten gibt Clooney bei der Fragestunde etwas später den Tipp, sich bei Castings nicht zu sehr zu stressen. Er hätte das immer gemacht, aber tatsächlich müsse man sich vor Augen halten: “From the minute, you walk in, you don’t have the job to the minute you walk out, you don’t have the job either. Nothing is different. The only thing, that could be different is, you get the job. Period. Ok, the worst thing that could probably happen is, I don’t get a job that I don’t already have.”

Sehr interessant ist auch folgendes, als er erklärt, wie er sich leisten kann, Filme zu drehen, sich selbst kein Gehalt zu zahlen: “I do commercials overseas. I do a coffee commercial” (anscheinend weiß das im Publikum keiner, erstauntes Kichern) “I do not have a problem with it, I sell coffee.”

Globes 2013

Gestern also wurden die Globes vergeben, mit doch recht vielen Überraschungen – heuer kann man sich wirklich nicht beschweren, dass die Sieger quasi schon vorher in Stein gemeißelt sind.

Ich hatte zum Beispiel nicht mit einer Auszeichnung von Christoph Waltz gerechnet, genausowenig war vorauszusehen, dass Argo von Ben Affleck den favorisierten Lincoln als besten Film schlagen würde. Und, dass Affleck selbst als bester Regisseur ausgezeichnet wurde, der bei den Oscarnominierungen in der Sparte Regie übergangen wurde. Das wird auch sehr spannend in Anbetracht der nahenden Oscars.

Aufsehen hat bei der Gala die sehr offene Rede von Jodie Foster erregt, die quasi ihr Coming out enthielt. Auch wenn das ein offenes Geheimnis war, finde ich es positiv, dass sie es auch einmal – gerade in diesem Rahmen – öffentlich aussprach, und sehr persönliche Worte fand, auch unter anderem über die Dauerbeobachtung der Medien, unter der Schauspieler in Hollywood stehen.

Sehr witzig war der Standup am Anfang von Tina Fey und Amy Poehler. Die beiden sind echte “Düsen”, wie man in Wien sagen würde. Poehler: “Kathryn Bigelow is nominated tonight. I have not really been following the controversy about Zero dark thirty, but when it comes to torture, i trust the lady, that spent three years married to James Cameron.” Ein Witz, über den sich Daniel Craig sichtlich hervorragend amüsierte, während die Darsteller in Bigelows Film nicht sicher waren, ob sie jetzt lachen dürfen. Sehr amüsant zu beobachten.

Aber es ging noch weiter, Fey: “The beautiful Anne Hathaway is here tonight. You gave a stunning performance in Les miserable. I have not seen someone so totally alone and abandoned like that since you were on stage with James Franco at the Oscars.” Auch hier tauchte bei Hathaway die Frage auf: darf ich darüber lachen oder nicht. So peinlich das damals war würde ich sagen: ja unbedingt! Und zum Abschluß: “Meryl Streep is not here – she has the flu and I hear, she is amazing in it.”

Thoughts on Oscar

Tja, das war heute spannend, bei den Oscar Nominierungen.

Wobei: glücklicherweise waren die besten männlichen Nebendarsteller die erste Kategorie, die verlesen wurde und Christoph Waltz der erste Name der genannt wurde. Übrigens sind in dieser Sparte fünf Schauspieler nominiert, die alle schon mindestens einen Oscar haben. Neben Waltz noch de Niro, Alan Arkin, Tommy Lee Jones und Philipp Seymour Hoffman. Moderator Seth MacFarlane meinte dazu: “One breath of fresh air”. Harhar. Ok, und somit ist es auch fix, dass die Jury immer noch nichts mit Leonardo di Caprio anfangen kann, der für seine Rolle in Django unchainend nicht berücksichtigt wurde (obwohl er Golden Globe nominiert ist). Ich hab den Film noch nicht gesehen, aber im Trailer gefällt mir di Caprio eigentlich sehr gut.

Dieses Jahr gibt es außerdem in der Kategorie beste Schauspielerin die Möglichkeit, dass Emanuelle Riva (Amour) mit 86 Jahren die älteste Frau wird, die jemals einen Oscar gewonnen hat, es kann aber auch sein, dass Quevenzhane Wallis (Beast of Southern Wild und ja, den Namen hab ich mittels copy/paste eingefügt) die jüngste Oscargewinnerin in einer Hauptrolle werden wird.

Nicht unspannend, doch auch noch andere solcher statistischen Bonmonts gibt es heuer. So hat der Film Silver Linings Playbook, über den ich erst kürzlich berichtet habe, es geschafft, als erster Film seit 31 Jahren der in allen vier Darstellerkategorien nominiert ist, also beide beste Hauptdarsteller mit Bradley Cooper und Jennifer Lawrence und in den Nebenrollen de Niro und Jacki Weaver. Der Regisseur David O. Russell hat es zustandegebracht, Kathryn Bigelow die ziemlich fix erscheinende Regie-Nominierung wegzuschnappen.

Amour wiederum ist der erste Film seit 12 Jahren, der in der Kategorie best foreign Film und best picture nominiert nominiert ist – der letzte Film, auf den das zutraf war Ang Lees Tiger and Dragon. Hat es ein Film schon mal geschafft, dann auch beide Awards zu gewinnen? Es wäre irgendwie widersinnig, wenn man den besten nicht-englischsprachigen Award nicht gewinnt und dann den Oscar für den besten Film des Jahres…

Na gut, habt Ihr auch schon einen Knoten im Hirn? Ich glaube, das war jetzt mit Trivia. Ach nein, George Clonney wurde diesmal als Produzent nominiert und wurde damit insgesamt schon in sechs verschiedenen Kategorien nominiert (bester Hauptdarsteller/Nebendarsteller, beste Regie, bester Drehbuchautor für adaptiertes und Originaldrehbuch und jetzt Produzent) Ach ja und Michael Hanekes ist für Amour unglaubliche fünf Mal nominiert. Ich hab mich über den Film noch nicht drübergetraut, weil es ein hartes Thema ist, dass ich mir nicht ganz zutraue. Aber diese Anerkennung für ihn ist toll.

Tja und der Moderator der heutigen Nominierungen Seth MacFarlane wird auch die Oscars hosten. Er scheint witzig zu sein, muss aber aufpassen, sich seine Zuseher und vor allem die anwesenden Schauspieler nicht zu sehr zu beflegen, das ist bei Chris Rock damals ganz schlecht angekommen. Aber gut, die Witze von Chris Rock waren auch nicht die allerbesten…

Silver Linings Playbook

Es gibt da diese Anektode – festgehalten von Friedrich Torberg – wonach der berühmte Wiener Psychiater Julius Wagner-Jauregg an einem Patienten scheiterte, der danach seinem Rivalen Sigmund Freud vorgestellt wurde. Freud gelang es, das Vertrauen des Patienten zu gewinnen, schon kurz nach dem Kennnenlernen waren Patient und Freud ins Gespräch vertieft. Etwas verschämt gestanden die Oberärzte an Jaureggs Klinik ihrem Direktor, dass sie Freud zugezogen hätten und der erfolgreich gewesen wäre. Als sie ihm erzählen wollten, wie Freud vorgegangen war, winkte Wagner-Jauregg ab: “Das interessiert mich nicht, was zwei Depperte miteinander reden…”

Daran musste ich gestern im Kino bei Silver Linings Playbook denken. Denn in dem Film geht es – grob gesagt  auch um zwei “Depperte”. Und es ist höchst interessant und auch amüsant, was die beiden miteinander reden. Pat (gut: Bradley Cooper) wird auf eigenen Wunsch verfrüht aus der Psychiatrie entlassen, nachdem er den Liebhaber seiner Frau spitalsreif geschlagen hatte. Er zieht wieder bei seinen Eltern (Vater: de Niro) ein und therapiert sich mit Sport, eckt aber laufend in seinem Umfeld an. Bis er Tiffany (fabelhaft: Jennifer Lawrence) trifft, die nach dem Tod ihres Ehemanns ählich kaputt ist wie er. Gemeinsam (und oft genug auch gegeneinander) arbeiten sie daran, die Silver Linings am Horizont ausfindig zu machen.

Dieser Film beinhaltet alle Zutaten einer romantischen Komödie, der Regisseur mixt und schüttelt sie dann allerdings durcheinander, wie ein besonders mutiger Bartender. Manches nimmt anschließend den angestammten Platz ein, anderes wird auf den Kopf gestellt. Das ist kein Indie-Film, auch wenn die Wackelkamera häufig (teilweise etwas penetrant) eingesetzt wird. Aber es ist eine wohltuend unkonventionelle Screwball-Comedy. Ein Drama mit Augenzwinkern. Ein Film, der Platz macht für die Außenseiter der Gesellschaft und die Frage aufwirft, ob “Insider” tatsächlich existieren. Ob es besser ist, seine Ängste zu überspielen oder diese offen zur Schau zu stellen. Und der sich fragt, worauf es im Leben wirklich ankommt. Das ist ziemlich inspirierend und auch mehrfach Golden Globe nominiert.

P.S. Stevie Wonder wird sich wundern, in welchem Kontext sein Schmusesong My Cherry Amour in diesen Film Eingang gefunden hat. Überraschend! Aber ich verrat da jetzt nichts. Anschauen!

Wenn jemand arbeitet, dann ist es nicht Rom…

Roger Ebert schreibt in seinen Great Movies, Band eins, über Fellinis Achteinhalb:

“The conventional wisdom ist that Federico Fellini went wrong when he abandoned realism for personal fantasy – that, starting with La dolce vita (1960) his work ran wild thorugh jungles of Freundian, Christian, sexual and autobiographical excess. (…)  La strada (1954) was the high point of his career, according to this view (…) La dolce vita was bad enough, 8 1/2 was worse and by the time he made Juliet of the spirits (1965) he was completly off the rails. This conventionell view is completely wrong. What we think of Felliniesque comes to full flower in La dolce vita and 8 1/2

Da stimme ich Ebert zu, wenn man aber bedenkt, dass wir gestern Fellinis Roma gesehen haben, ein Film aus dem Jahre 1972, kann man sich ungefähr vorstellen, was Fellinis Kritiker dazu gesagt hätten. Das ist natürlich kein Film im herkömmlichen Sinn. Es gibt keinen nennenswerten Plot und die Schauspieler sind kaum bekannt. Das ganze ist eher eine Collage, ein Mosaik, experimentelle Poesie, wenn man so will.

Fellinis Roma ist genau das: Fellinis Rom. In Film tritt der Regisseur als er selbst auf, in der Diskussion mit Passanten. Jeder möchte den Filmemacher von der eigenen Sicht auf die Stadt überzeugen: die einen konzentrieren sich auf ihr historisches Erbe, die anderen auf den Aufbruch zu neuen Zeiten. Fellini hört eine zeitlang zu, erzählt dann aber doch das, was er möchte.

Fellini porträtiert den täglichen Verkehrskollaps, der wohl schon damals an der Tagesordnung stand, in atmosphärisch dichten Momentaufnahmen. Er führt den Zuschauer in abgehalftere Varietes, wo gerade eine (neudeutsch ausgedrückt) Frehsman Night stattfindet, die ziemlich miserabel ist. Und Fellini bleibt mit der Kamera knallhart dran. Er führt uns in Nobelpuffs. Außerdem wird man Zeuge einer mehr als obskuren Modenschau, bei der ausschließlich Gewänder von Geistlichen vorgestellt werden. Der Zuseher darf beim Ubahn-Bau dabei sein und abends mit echten Römern im Künstlerviertel Trastevere essen.

Dieser Film ist komisch. Und schräg. Er ist derb, aber komischerweise nie so derb wie etwa manche österreichischen Filme. Mr. Almi und ich haben drüber gegrübelt, weshalb das so ist und eine Theorie war, dass die Frauen bei Fellini das Sagen haben. Sie haben immer die Oberhand, auch wenn sie Prostituierte sind. Dieser Film ist verwirrend und vielleicht verstörend, manchmal auch lakonisch, lang-weilig.

Sehr bemerkenswert: Roger Ebert gibt dem Film 4 Sterne, seine User 1 (in Worten: einen). Das nennt man dann vermutlich polarisierend.

La Strada

Seit La dolce vita weiß ich, dass der Ausdruck “Paparazzo” eigentlich der Name eines Fellini-Protagonisten ist. Eines Fotografen, der Prominenten auflauert und Fotos macht. Und seit ich gestern zum ersten Mal La strada gesehen haben, weiß ich nun, dass auch der Ausdruck “Zampano” eigentlich auf eine Filmfigur von Fellini zurückgeht.

Der große Zampano (eigentlich eine jämmerliche, kaputte Gestalt, dargestellt von Anthony Quinn) ist es nämlich, der die junge Gelsomina (Giulietta Masina) ihrer mittellosen Mutter abkauft, weil er eine Assistentin für seine Zirkusdarbietung braucht, er arbeitet als fahrender Künstler. Überall stellt er sie fortan auch als seine Ehefrau vor, eine Rolle, die sie gerne erfüllen möchte, sehnt sie sich doch nach Zuneignung und Geborgenheit. Doch daran hat Zampano kein Interesse, Frauen von der Straße erfüllen seine körperlichen Bedürfnisse und im Alltag demütigt er die naive und leicht zurückgebliebe Gelsomina, bis sie einen Emanzipationsversuch wagt…

In den 1950er und frühen 1960er wurde in zahlreichen Filmen die Welt bevorzugt so dargestellt, wie sie niemals war und auch niemals sein wird. Das gilt nicht für Fellinis Werke. Obwohl sie zuweilen recht surrealistisch sind, schimmert das Italien dieser Zeit durch, die menschlichen Ängste und Nöte, die Hoffnungslosigkeit. So hätte es zumindest gewesen sein können, das spürt man. Einige von Fellinis späteren Trademarks kommen in seinem ersten “fellini-esken” Film vor: das Zirkusleben, Schweben zwischen Erde und Himmel, Künstlerdasein, Überforderung mit dem Dasein.

La strada ist ein bitterer Film, mit einem hellen kleinen Punkt: seiner Hauptfigur, die allen Widrigkeiten zum Trotz versucht, ihre Lebensfreude zu bewahren und diese in den kleinen Dingen zu suchen. Es geht Fellini andererseits wohl auch nicht darum, seinen “großen Zampano” zu verurteilen, sondern vielleicht sogar zu zeigen, dass dieser – obwohl scheinbar arrogant, bestimmend und mächtig – auf seine Art und Weise viel verlorener und hilfloser ist als die dann doch sehr patente und lebenskluge Gelsomina.

Die prägnante Filmmusik stammt übrigens von Nino Rota, der nicht nur zahlreiche andere Fellini-Werke vertont hat, sondern auch die Musik zu Der Pate geschrieben hat.

What’s it all about, zwei

Die Michael Caine Bio liest sich immer noch gut, er hat einen sehr trockenen, britischen Humor. Mittlerweile ist Caine 40 und war bereits für zwei Oscars nominiert (also im Buch, tatsächlich ist er ja schon etwas älter)

In seinem Privatleben tun sich richtig Parallelen zwischen uns – Caine und mir –  auf. Er hat nämlich auch in Las Vegas geheiratet und schildert, wie sie die Formalitäten binnen 20 Minuten im Clark County Office erledigt hatten, das Prozedere war offenbar schon 1973 so. Seine Frau und er wollten nämlich keinen Hochzeitszirkus. Ironischerweise befand sich ihre Trauungskapelle dann direkt gegenüber gleichnamigem Hotel (Circus, Circus, das es noch gibt) Sie heirateten in der Little green chapel: laut Caine war das einzig Grüne daran ein Stückchen Kunstrasen, das um die Kapelle herum drapiert war.

Seine Frau war damals schon mit der kleinen Tochter schwanger, die einige Monate später zur Welt kam. Zuerst schien alles normal, Baby und Mutter waren nach der Geburt wohlauf, doch dann kam es zu Komplikationen und die Lungen des Mädchens kollabierte. Sie wurde auf eine Neugeborenen-Intensivstation gebracht, wo Caine sie sofort besuchte und wo sie einen Finger nahm und fest drückte. Und Caine hoffte, dass sie es schaffen würde.

Als er und ich heute morgen beim Frühstück darüber redeten, hat uns das beide ziemlich erwischt. Vielleicht kein Thema für sieben Uhr morgens, aber es ist schon arg, wie präsent die eigenen Erinnerungen plötzlich wieder sind, wenn man ähnliche Geschichten hört und Geschichten mit neugeborenen Babys auf der Intensivstationen haben immer gewisse Parallelen.

Jedenfalls hat Caines Tochter ihren schwierigen Start ins Leben gemeistert und wird jetzt selbst bald vierzig.

Annie Hall

Annie Hall (Der Stadtneurotiker) von Woody Allen hat 1977 bei der Oscarverleihung Star Wars im Rennen um den besten Film-Oscar geschlagen. Und das ist schon ziemlich erstaunlich. Star Wars markierte quasi den Beginn des Blockbuster-Kinos und Roger Ebert schrieb über Annie Hall: “(it) contains more intellecual wit and cultural references than any other movie ever to win the Oscar for best picture.”

Das ist richtig. Allein die Szene, in der Alvy Singer (Allen) mit Annie (Diane Keaton) an einer Kinokassa angestellt steht und sein Hintermann sich mit seiner Frau minutenlang über die Werke von Federico Fellini unterhält, ist mutig. Nach dem Sex zitiert Alvy Balzac, Marshall Mc Luhan wird nicht nur zitiert, sondern hat quasi auch einen Auftritt auf der Metaebene. Oder wie Ebert sagt: “Alvy is smarter that the ground rules of Hollywood currently allow”. Die Protagonisten reden unentwegt. Miteinander, mit sich selbst, mit der Kamera.

Annie Hall erinnert mich von der Gesprächsdichte und Geschwindigkeit auch irgendwie an The Social Network von David Fincher. Dennoch (oder deshalb) funktioniert der Film als Film für mich deutlich weniger als Hannah und ihre Schwestern. Es zeichnet sich eher durch Vortrag (und manchmal entbehrt dieser nicht einer gewissen Arroganz) als durch Handlung aus und nutzt die visuellen Möglichkeiten des Mediums kaum. Und das hat irgendwie etwas ermüdendes.

Es mag aber auch sein, dass der Film soviele Zitate beinhaltet, die bereits in das kollektive Gedächtnis eingegangen und praktisch Allgemeingut geworden sind, dass man das Gefühl hat, man kennt das alles irgendwie schon – beispielsweise wenn Alvy Groucho Mark zitiert: “Ich möchte kein Mitglied in einem Club sein, der mich als Mitglied akzeptiert” oder “Masturbation ist Sex mit jemanden, den ich liebe.”

Und wer sich fragt, ob Diane Keaton ihr modisches Selbstverständnis (ein Hauch von Cross Dressing) durch diesen Film gefunden hat, dem muss ich sagen, es war umgekehrt. Annie Hall trägt das, was Diane Keation damals (und auch heute noch) privat gerne anzieht.

Hannah und ihre Schwestern

Woody Allen hat morgen Geburtstag. Was ihn selbst vielleicht nicht so freuen wird, mich allerdings schon, hat sich ATV2 doch zu diesem Anlass entschlossen, gestern drei Allen-Filme zu senden, nämlich Hannah und ihre Schwestern, Annie Hall und Zelig. Zu meiner Schande kenne ich alle drei noch nicht.

Kleine Spoiler möglich

Hannah und ihre Schwestern handelt von den komplizierten Strukturen und Wirkmechanismen innerhalb einer Familie, von Geschwisterreihenfolgen und -rollen und schließlich auch von den angeheirateten Männern. Die Frauen (Farrow, Wiest und die weniger bekannte Hershey) sind – jede auf ihre Weise – faszinierend, selbstbestimmt, suchend. Alles Künstlerinnen, die mit dem Platz im Leben hadern, sich ausprobieren, experimentieren. Und die Männer spielen keine so untergeordnete Rolle wie der Filmtitel vermuten lässt. Die Charaktere sind erstklassig mit Michael Caine, Max von Sydow und Woody Allen selbst besetzt.

Ich liebe Michael Caine (dessen Biografie ich ja gerade lese) dafür, dass er mit Minimalaufwand den Charakter seines Protagonisten so klar herausarbeiten kann. Da reichen ein paar Gesten, sein Mienenspiel und man weiß, was Sache ist -das ist bei so einer doch eher durchschnittlichen Figur sicherlich noch schwieriger als bei dem Exzentriker, den von Sydow zu spielen hat. Caine hat für die Rolle auch den Oscar als bester Nebendarsteller erhalten.

Generell ist Hannah und ihre Schwestern ein typischer Woody Allen, nämlich insofern als er sich überhaupt kein Blatt vor den Mund nimmt. Sexualität ist ein wichtiges Thema, das permanent präsent ist, aber dann auch wieder sehr beiläufig und unaufgeregt. So ist von Masturbation ebenso nebenbei die Rede wie von künstlicher Befruchtung, die 1986 noch eine relativ neue reproduktionsmedizinische Methode darstelle.

Besonders gelungen fand ich, wie sich Woody Allens Figur mit der Suche nach dem Sinn des Lebens auseinandersetzt und dabei sogar überlegt, zum Christentum überzutreten. Seine jüdische Mutter ist verzweifelt, man sieht sie nur aufschreiend in ihr Zimmer laufen, der Vater wirkt pragmatisch und ist bereit, über diese Entscheidung zu diskutieren. Woody Allen: “Hast du dich nie gefragt, welchen Sinn zum Beispiel Nazis haben? Warum gibt es Nazis?” Der Vater: “Ich weiß nicht mal wie der Dosenöffner funktinioniert, woher soll ich wissen, warum es Nazis gibt.”

Hannah und ihre Schwestern beschäftigt sich auch mit außerehelichen Affären innerhalb der Familie, doch hey, das ist Woody Allen. Man muss sich hier nicht Tragik wie etwa bei Louis Malles’ Damage erwarten, keine Angst!