almis personal blog

Eine sexuelle Biografie

Auf fm4 hab ich zufällig eine Rezension zu Doris Anselm Roman Die Hautfreundin. Eine sexuelle Biografie gelesen. Und hab mir gedacht, das Buch muss ich haben.

Ich habe schon sehr lange kein Buch mehr gelesen. Weil mir die Ruhe dazu gefehlt hat. Weil meine eigenen Gedanken zu laut waren, mich abgelenkt haben, von dem, was mir ein Autor erzählen will. Frau Anselm hat es geschafft, meine Aufmerksamkeit nicht nur zu erregen, sondern auch zu halten. Ich habe Die Hautfreundin innerhalb von zwei Tagen ausgelesen.

Eine sexuelle Biografie – nun ja, das liest sich erstmal etwas verrucht. Was ist das, ein Porno zwischen zwei Buchdeckel? Nein, ganz und gar nicht. Obwohl es natürlich schon darum geht, dass die namenlose Protagonistin ihre erotische Biografie vor der*m geneigten Leser*in ausbreitet. Die Protagonistin lebt in keiner Beziehung, sondern hat wechselnde Partner, mit denen sie Sex hat. Aber es ist nicht nur anonymer, beiläufiger Sex, das wäre ja auch sehr langweilig zu lesen.

Es sind tatsächlich Begegnungen, die wenn auch nicht auf Liebe beruhen, dann zumindest auf einer gewissen – sexuellen – Verbindung, auf starker körperlicher Anziehung, auf der Lust, miteinander eine kleine Geschichte zu schreiben. Es ist sinnlich und teilweise auch explizit, manchmal aber auch voller schwer aufzulösender Umschreibungen, dass man gar nicht so genau weiß, was da nun im Detail passiert ist. Und das macht das Buch natürlich auch spannend und lässt viel Spielraum für eigene Fantasien.

Doris Anselm spricht eine betörende Sprache. Und sie findet Formulierungen, die weder harmlos-blumig sind, noch derb-explizit. Sie beobachtet ganz genau, wenn sie schreibt: “Kommen. Ich will kommen und ich will ihn kommen sehen. Ich will wissen, ob es verschiedene Orte sind, an die wir gelangen.” Oder: “Ich wand mich hilflos unter seiner Berührung, presste das Gesicht ins Kissen und stöhnte immer wieder, ein Stöhnen das mir völlig fremd war (…) unsagbar peinlich und so geil wie kein Geräusch, an das ich mich erinnere.”

Oder, etwas aus dem praktischen Leben, was wir, sind wir uns ehrlich in der einen oder anderen Form alle kennen, den Kopf verlieren und dabei doch noch irgendwie an mögliche Konsequenzen denken; und überlegen, wie weit man jetzt tatsächlich gehen will, wenn man sich zwingt, noch schnell einen klaren Gedanken zu fassen. Im Buch ist das Sex auf einem Parkplatz, auf den die Protagonistin nicht vorbereitet war (ergo keine Verhütungsmittel zur Hand sind): “Gut, vielleicht hätte man bei uns damit rechnen können. Rechnen müssen. Also rechne ich jetzt, ich verrechne alles Mögliche miteinaner, Zyklusphase, Risiko, Pauls mutmaßliche sexuelle Vorgeschichte und die Minuten, die uns bleiben, bevor das zu spät kommen auffällig wird.”

Anselm gibt ihrer Protagonistin eine selbstbestimmte, feministische Stimme, sie lässt sie ein erfülltes, üppiges Leben führen, ein Leben, dass Frauen vor einiger Zeit in der Art und Weise noch nicht hätten führen können, ohne zumindest schief angeschaut zu werden. Ihre Protagonistin darf nicht nur glücklich sein, sie darf geil sein und sie darf alles darüber erzählen, was sie möchte, wie sie es möchte – und wir LeserInnen sollen sehen und spüren, das es vollkommen in Ordnung so ist. Und, dass wir das selbst auch dürfen. Auch wenn es uns vielleicht nicht gelingt, so schöne Worte dafür zu finden.

The sky is the limit

Schuljahresende ist immer eine besondere Zeit. Aufregend, erleichternd, aber auch irgendwie melancholisch zwischendurch.

Als ich ein Kind war, ging ich immer direkt nach der Zeugnisverteilung zu meinen Großeltern – wo ich ohnehin die meiste Zeit meiner Kindheit verbrachte – und es gab immer Eiernockerl und Cola und Schokolade, und dann hab ich mich auf ihren Balkon gesetzt und gelesen. Einmal, als ich schon eine Jugendliche war, wollte mich eine Freundin am Zeugnistag zu einem Ausflug mitnehmen, ich habe aber abgelehnt, weil ich meinen Zeugnistag so begehen wollte wie immer. Ja, ich war ein fades Kind. Aber für mich war es wichtig. Und als sie mir nachher sagte, ich hätte was verpasst, weil Fiakerfahrt und pipapo, dachte ich: nein, hab ich nicht. Manchmal hab ich das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, auch wenn gar nichts großartiges passiert und wenn ein Schuljahr zuende ging, dann war der richtige Ort einfach immer bei meinen Großeltern.

Wenn man selbst ein Kind hat, wechselt die Perspektive, nicht unbedingt die Gefühle. 2014, beim Kindergartenabschied, haben die Kinder gesungen und getanzt und Absolventenhüte bekommen; wir haben der Pädagogin ein Fotobuch geschenkt und sie hat geweint, wie die meisten Mütter auch, sogar die, von denen ich es nicht gedacht hätte, nur ich nicht. Obwohl es schon sehr emotional war. Es war eine Zeit in meinem Leben, wo ich einfach nicht hätte weinen können und wollen. Und ich hab mir gedacht, wow bin ich stark, und vielleicht war ich das, vielleicht aber auch nicht.

2018, beim Volksschulabschied, war das ganz anders. Das letzte Volksschuljahr des Kindes war aus diversen Gründen eine große Herausforderung für mich, und in der Nacht vorm Zeugnis hab ich fast nicht geschlafen; ich hatte das Gefühl, ein riesiger Elefant sitzt auf meiner Brust und wartet nur darauf, endlich hinunter gestoßen zu werden. In der Schule war ich dann immer knapp vorm Tränenausbruch, weil ich auch viel Zeit mit der Klasse verbracht hatte, bei diversen Ausflügen und Veranstaltungen, aber das war nur ein Teil der Geschichte. In meinem Kopf herrschte ein derartiges Chaos, wie in einer Lade, in die man, in Erwartung eines Besuches, alles hineingeworfen hatte, was so draußen herumlag. Das anschließende Hinausgehen aus der Schule war wie der Beginn eines neuen Lebens, auch für mich. Es war ungewiss, aber auch befreiend.

Irgendwann, wenn das Kind maturiert, vielleicht in 7 Jahren, da wird alles wohl noch krasser, dann lässt man die Schule nochmal hinter sich und noch mehr, die Kindheit das Kindes, auf gewisse Weise, und selbst auch einen Lebensabschnitt, ohne zu wissen, was als nächstes auf eine zukommt. Vielleicht werde ich mich und mein Leben dann schon besser verstehen. Vielleicht aber auch nicht.

Juni-Endspurt.

Nach dem langen Pfingstwochenende ist es dem Kind und mir dann doch einigermaßen schwer gefallen, den Garten zu verlassen, um wieder der Verpflichtung Schule und Arbeit nachzukommen. Auch die Arbeit als EPU hatte nämlich eine Wochenend-Pause gemacht und das fühlte sich sehr erholsam an.

Denn man kann mit dem Kind im Pool sein und ihm zuschauen, was es einem alles zeigen will (und das ist recht viel). Man kann die Badehose, die das Kind aufs Dach (sic!) des Gartenhauses befördert hat, wie auch immer er es geschafft hat, mithilfe eines Sessels und eines Gartenrechens wieder hinunter fischen (wie ich das genau geschafft habe, weiß ich auch nicht, vor allem, ohne dabei vom Sessel zu fallen…). Man kann mit der Oma Aperol mit frischen Erdbeeren trinken und mit der Gartennachbarin plaudern. Man kann im Liegestuhl liegen und einfach mal nur in den Himmel schauen – zumindest solange, bis von irgendwo ein “Mamaaaaa” erschallt.

Dem Kind ist dankenswerter das Fußballspielen in der prallen Sonne mittlerweile auch zu heiß und so muss man es auch nicht, wie in diversen Sommern davor, über den Gartenzaun ins Nachbargrundstück heben, weil der Ball dorthin geflogen ist – ich würde das auch gar nicht mehr schaffen. Das Kind hat zwar nur 30 Kilo, was für sein Alter wenig ist, für meine Armmuskeln aber doch zuviel. Und dann steht man vorm Radio, weil die Oma findet einen Song so gut, weiß aber nicht wie der heißt. Und der Sohn will die Soundhound App aktivieren, aber es stellt sich raus, dass man selber die Soundhound App ist, denn der Song heißt zweifelsohne Space Oddity und ist von David Bowie – “The stars look very different today”. Soviel schaffe ich auch ohne Technik.

Und am Abend fährt man dann aus Liesing mit Bus und Ubahn rein ins urbane Leben und lässt Oma und Enkel alleine chillen. Und lebt ein bisschen nur für sich.

Trotzdem. Mein Leben. Drei

In der Erika Pluhar Doku gab es einen Ausschnitt aus dem Film Marmortische. Die Dialoge entstanden großteils aus dem Stehgreif. Es ist eine Beziehungsgeschichte, die Figuren, die Pluhar und Heller verkörpern, sind mit Freunden auf Urlaub in Portugal – und in der Krise. Pluhar sagt in der Doku zu Heller, in dem Film sei er “wirklich schön” gewesen und Heller daraufhin. “Und jetzt bin ich ein schiacher Hund oder was?” Harhar. Er ist echt witzig.

Hellers Figur in Marmorsteine sagt:

Es gibt Menschen, die haben einander ser lieb und wollen füreinander nur das Beste, die sind sehr bemüht und sorgfältig miteinander, und passen aber einfach nicht zusammen. Es geht nicht und es ist eine Glocke von Schrecklichkeit über ihnen, und es hat aber überhaupt niemand schuld. Es hat jeder das beste getan, was er tun konnte und es ist wie bei einem chemischen Versuch, wo zwei Stoffe nicht zueinander passen.

Das finde ich ganz enorm treffend beschrieben.

Später reden sie über Betrug, und Pluhar fragt ihn: “Sag hast du mich in allen Sommern beschissen oder nur das eine mal, wo ich euch so ein bissl draufgekommen bin?” Daraufhin sagt dann er:

Du hast so eine rührende Vorstellung von betrogen werden, wenn man mit jemandem schlaft, ist es betrogen werden, aber deine Gespräche mit anderen gelten nicht als Betrug. […] Was glaubst, wie oft Grenzen verraten werden, in Gesprächen oder mit einem Blick.

Später in der Doku sagt Pluhar, dass Heller und sie am meisten verbindet, dass er der Mensch war, der bei ihr war, als ihre Tochter Anna (von Udo Proksch) gestorben ist und mit ihr geweint hat und nicht geflüchtet ist. Und Heller sagt, dass die Hauptgrundlage seiner Liebe zu ihr die ist, dass er so einen Respekt hat, wie sie mit den zahlreichen Schrecklichkeiten, die ihr im Leben passiert sind, umgegangen ist.

Trotzdem. Mein Leben. Zwei.

Bei Erika Pluhar ist ja interessant, dass sie mit ziemlich Aufsehen erregenden Männern verheiratet bzw. zusammen war.

Zunächst war sie mit Udo Proksch verheiratet, mit dem sie auch eine Tochter hat – Anna, sie starb 1999 mit 37 Jahren an einem Asthmaanfall. Pluhar erzählte, dass sie für Proksch quasi die Zweit- oder Co-Frau war und er zu ihr meinte, sie wäre so eine starke Frau, da würde sie es schon aushalten, eine andere Frau “daneben” zu akzeptieren. Pluhar redete sich ein, das sie das konnte, tatsächlich litt sie aber sehr darunter. Wenn man das so hört, denkt man sich, wie geht das, so eine hübsche, kluge und begabte Frau und doch “reicht” sie einem Mann nicht. Sowas ist mir immer irgendwie ein Rätsel. Die beiden ließen sich dann – lange vor dem Fall Lucona – scheiden.

P.S. Als Anna Pluhar später ein schwarzes Kind adoptieren wollte, veranlasste Erika Pluhar, dass offiziell sie es adoptierte, damit der Bub den Namen Pluhar bekam. Pluhar meinte, es wäre für einen Schwarzen sowieso schon schwer, der Name Proksch dazu, das müsse dann auch nicht sein.

Nach Andre Heller war Pluhar mit Peter Vogel zusammen, das war ja ein riesiger Skandal, weil Heller mit Gertraud Jesserer, der Ehefrau von Peter Vogel zusammen kam und Pluhar eben mit ihm, ein klassischer Partnertausch und ein gefundenes Fressen für die österreichische (Klatsch)Presse. Leider war diese Beziehung – für Pluhar war es die große Liebe – auch nicht von Glück gesegnet. Relativ bald stellte sich heraus, dass Vogel schwerer Alkoholiker und Tabletten-süchtig war. Und, dass Pluhar nichts für ihn tun konnte. Eine Therapeutin sagte ihr, dass sie nur helfen könnte, wenn er selbst die Sucht besiegen will. Das passierte allerdings nicht: Vogel beging 1978 Suizid.

Trotzdem. Mein Leben.

Zu Erika Pluhars 80. Geburtstag bin ich zufällig in eine Doku namens Trotzdem. Mein Leben gestolpert, die im ORF ausgestrahlt wurde. Wobei stolpern ist das falsche Wort. Ich habe im Bett am Handy Im Zentrum geschaut, bin dabei eingeschlafen und wieder aufgewacht, als eben diese Doku lief. Sie hat mich sofort interessiert und ich schau sie jetzt etappenweise auf youtube weiter an, der ORF hat eh nur eine gekürzte Version ausgestrahlt.

Am besten gefällt mir ja, wie Erika Pluhar mit ihrem Ex-Ehemann Andre Heller zusammentrifft. Pluhar ist neun Jahre älter als er und sie waren von 1970 bis 1984 verheiratet, wenn auch viel kürzer zusammen. Heller sagt, sie war damals die begehrenswerteste Frau Wiens und er wollte sie natürlich irgendwie besitzen. Pluhar sagt, es war keine sehr gelungene Ehe, weil er zu jung war und noch die Welt erobern wollte und mindestens alle Frauen, die auf dieser Welt existieren.

Außerdem sagt Heller etwas sehr interessantes und sicher zutreffendes:

Das war unser zentrales Problem und das ist das zentrale Problem fast jeder gescheiterten Beziehung oder schwierigen Beziehung, dass man dem anderen immer vorwirft, dass er nicht so ist, wie man ihn haben will. Anstatt dass man sagt, so wie du bist, für das lieb ich dich. Alles andere ist ja keine Liebe. Alles andere ist besitzen wollen und dann noch zu den Bedingungen, die man vorschreibt.”

Und als er alte Filmaufnahmen von ihr sieht sagt er, er versteht retrospektiv, wieso sie damals zusammengekommen sind und:

Komischerweise hab ich das Gefühl, wir waren gar nicht so unglücklich, wie wir beide immer behauptet haben”

Harhar. Ein schönes Gespräch und man kann sich im Grunde nur wünschen, so gut freundschaftlich mit jemandem verbunden zu bleiben, wenn die Liebe und Ehe vorbei ist.

Jahresend-Gedanken

Heuer hab ich sehr wenig Filme gesehen, nicht im Kino und schon gar nicht im Fernsehen. Ich hab auch gar kein Buch gelesen, soweit ich mich erinnere. Obwohl Filme schauen und Bücher lesen eigentlich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören. Aber wenn der Kopf so voll ist mit Gedanken, dann kann man sich schwer auf Gedanken von anderen einstellen, man kann sich nicht in fremde Welten fallenlassen, wenn man gerade selbst versucht, in seiner eigenen Welt zurechtzukommen.

Geschrieben hab ich auch wenig, zumindest nichts zusammenhängendes, dafür unzählige whatsapps mit FreundInnen, über das was mich beschäftigt. Es ist interessant, welche Reaktionen ausgelöst werden, wenn man etwas vielleicht ungewöhnliches erzählt, es sagt ganz viel über den Menschen aus, am anderen Handy. Ich bin immer sehr froh, wenn jemand nicht bewertet, weil ich selber sehr dazu neige, mich oft und oft nicht gerade mit Wohlwollen zu bewerten. Und natürlich hab ich auch viel geredet, wahrscheinlich mehr als in anderen Jahren, jedenfalls waren es oft lange und intensive und ehrliche Gespräche. Ich bin jedem sehr dankbar, der mir zugehört hat.

Musik gehört hab ich dafür sehr viel, weil ich auch sehr viel gegangen bin, die obere alte Donau rauf und runter und wieder rauf, am liebsten bei kühlem Wetter und in Dunkelheit, und dabei manchmal weniger denken musste, und die Energien ins Gehen und ins Schauen gesteckt habe. Körperlich fühl ich mich ziemlich fit, durch das viele Gehen, harhar.

Vielleicht ist es komisch, mit 42 Jahren sich nochmal neu zu entdecken, vielleicht ist es aber auch gar nicht mal so ungewöhnlich. Auch wenn ich das Wort Midlife Crisis nicht in den Mund nehmen will, weil ich glaube die hatte ich schon mit Mitte 30 und das, was jetzt ist, ist was anderes, was Größeres und Bedeutenderes, vielleicht sowas wie das Häuten einer Schlange oder wenn ein Tier sein Winterfell verliert. Ich hoffe jedenfalls, dass ich nachher, wenn ich fertig bin mit Denken, nicht mehr so große Angst haben werde und vor allem nicht mehr sooft. Und, dass ich nicht mehr so sehr mit mir oder gegen mich kämpfen werde.

Und bevor (sich) jemand fragt: ja, es geht mir, trotz der vielen Gedanken, sehr gut sogar. Weil sich vieles gut anfühlt. Und sehr richtig.

Dinge, die dir keiner verrät

“Unsere” Ergotherapeutin (also eigentlich die Ex-Ergotherapeutin vom Kind) schreibt einen interessanten Blog und hat da unlängst ein besonderes spannendes Thema beleuchtet. Nämlich: was passiert alles nach der Geburt mit deinem/ dem weiblichen Körper, von dem dir vorher niemand etwas gesagt hat.

Auch wenn sie selber abrät, ihren Text zu lesen, wenn man Scheu vor der Schilderung von Körperflüssigkeiten hat (gilt auch im ein bisschen für diesen, meinen, Blogpost), finde ich den Text doch ziemlich wichtig. Zunächst einmal für Frauen, die noch kein Kind haben und wissen wollen, was im Fall des Falles auf sie zukommen, aber eigentlich für jeden, der erfahren will, was da so alles los ist, bei/nach der Geburt und zwar ungeschönt und nicht das, was uns in Soap Operas, in der Werbung oder durch Kate Middleton¹ präsentiert wird.

Ich war zum Beispiel auch sehr überrascht, als es nach der ja eher chaotischen, viel zu frühen und unvorbereiteten – das heißt: kein Vorbereitungskurs – Geburt des Kindes hieß, jetzt müsse ich noch die Plazenta gebären. Wait, whaaaat? Are you kidding me? So hab ich mich damals gefühlt. Ich hatte mir bis zu dem Zeitpunkt wirklich absolut keinen Gedanken darüber gemacht, was eigentlich mit der Plazenta ist, bzw. dachte ich, die wird halt auch gleich mitgeboren. Das war vielleicht eine blöde Überraschung, weils auch ziemlich wehtut und irgendwie hat man dann eh schon von allem genug. Aber im Gegensatz zum Text von Barbara wurde ich vorher gefragt, ob danach die Plazenta sehen will, was ich dankend abgelehnt habe. Harhar.

Über die weiteren Dinge, die so mit dem Körper nach der Geburt geschehen, verweise ich auf den Post von Barbara, die das alles viel schöner beschreibt als ich es könnte und auch sehr offen und ehrlich. Man ist ziemlich bedient, in den Tagen und Wochen nach der Geburt, sehr verletzlich, seelisch, aber auch physisch. Und das ist alles normal, auch wenn man sich gar nicht so fühlt. Danke für den tollen Text, Barbara!

 


¹ Ich verweise da kurz auch auf den Text der Schauspielerin Keira Knightley, die Middelton für den perfekten Look kurz nach der Geburt ihrer Kinder kritsierte. Ja, wir wollen vielleicht auch alle aussehen wie Kate Middelton, ein paar Stunden nachdem wir unsre Babys rausgepresst haben. Aber wir schaffen es nicht, weil uns die entsprechende Entourage fehlt. Wobei man drüber diskutieren kann, ob soviel Styling Stress nach der Geburt überhaupt irgendwie erstrebenswert ist.

Lady Bird

Gestern hab ich Lady Bird im Wiener Admiral Kino gesehen, das Regie-Debut von Greta Gerwig, das für fünf Oscars nominiert war – für den besten Film, beste Hauptdarstellerin/Nebendarstellerin, Regie und Drehbuch und leider nichts gewonnen hat. Dafür zwei Globes.

Ich mag Greta Gerwig sehr gern, wie könnte man nicht, sie lebt quasi den Traum. Sie hat diese nerdig-hippe Aura, ist eine großartige Komikerin, sie schreibt schräge Drehbücher und jetzt ist sie auch noch Regisseurin. Dabei wirkt sie so bescheiden und bodenständig, fast ein bisschen zurückhaltend, wenn man sie auf solchen Großveranstaltungen wie den Oscars oder den Golden Globes sieht. Dabei ist sie erst die fünfte Frau überhaupt, die für einen Regie-Oscar nominiert wurde.

Lady Bird ist so was wie ein semi-autobiografische Coming of Age Geschichte. Im Mittelpunkt der Handlung steht die 17-jährige Christine “Lady Bird” Mc Pherson (Saoirse Ronan), die eine katholische High School im kalifornischen Sacramento besucht. Als sie im Rahmen einer Audition für ein Musical vom Pfarrer gefragt wird, ob Lady Bird ihr “given name” ist, sagt sie: “Yes, I gave it to myself, it’s given to me, by me”, was schon recht viel über ihre Persönlichkeit aussagt. Lady Bird fühlt sich als Künstlerin, sie möchte nach dem Abschluß auf ein College an der Ostküste gehen, was aufgrund der finanziell mehr als prekären Situation ihrer Familie quasi ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint. In diesen turbulenten Zeiten macht sie auch ihre ersten Erfahrungen mit Liebe und Sex…

 

Lady Bird hätte nun ein lakonischer, etwas flapsiger Film übers Erwachsenwerden einer jungen Frau werden können, wie man solche Filme ja durchaus kennt. Ein paar Witzchen hier, etwas harmloses Drama da, quasi auf dem Reißbrett. So leicht hat es sich Greta Gerwig allerdings nicht gemacht, denn an der Oberfläche zu bleiben ist ihre Sache nicht. Lady Bird ist deshalb eine authentische, differenzierte Betrachtung eines Erwachsenwerdens in einer Familie geworden, in der jeder seinen eigenen Kampf führt, der – so hart er auch manchmal sein mag –  niemanden bitter oder ungerecht macht; höchstens etwas zynisch.

Laurie Metcalf, bekannt als Schwester von Roseanne in der gleichnamigen Sitcom, spielt hier als Mutter im Dauerkonflikt mit ihrer Tochter quasi die Rolle ihres Lebens; was überrascht ist, dass die anderen Darsteller ihr gegenüber nicht abfallen, die Ensambleleistung ist erstaunlich, wobei mein heimlicher Liebling Lady Birds Vater (Tracy Letts) ist, ein sehr ruhiger, besonnener Mensch, von ihrer Mutter dafür kritisiert, immer “der Nette” sein zu wollen, während sie, die Mutter, den “Bad cop” spielen muss. Einmal fährt er Lady Bird zur Schule und sie hören Hand in my Pocket und Lady Bird fragt “Do you know, Alanis Morissette wrote this song in only ten minutes”, und er antwortet recht trocken: “I belive it.”

Wenn man solche Dialoge mag und sich für kleine, warmherzige Geschichten, die vor allem vom menschlich-sein erzählen, interessiert, dann sollte man diesen Film unbedingt in Betracht ziehen. Und man sollte Greta Gerwig wohl im Auge behalten. Das Hollywood-Kino braucht einen weiblichen Blickwinkel, das hat es sich selbst im Zuge von #metoo und Co attestiert, und Gerwigs Debütfilm ist ein vielversprechender Anfang einer vielleicht großen Karriere.

Still Leben

Auf Empfehlung habe ich letzte Woche das Buch Stillleben von Antonia Baum gelesen. Als ich es in der Buchhandlung gesucht habe, war es unter der Rubrik “Geschichte” eingeordnet. Und das verdeutlich schon ein bisschen das Problem von Stillleben, wenn man mich fragt.

Worum geht es? Um Dinge, in die es in der letzten Zeit recht oft geht, zumindest in einem eher urbanen, eher akademischen Milieu, moderne Mutterschaft und ihre Probleme. Baum arbeitet sich an den üblichen Dingen ab: Entscheidung für ein Kind ja oder nein (sie lässt es “passieren”), die Vereinbarkeitsfrage, Beziehungsprobleme, Stillen oder nicht, Krabbelgruppen-Hass und so weiter. Baum schreibt sehr wahrhaftig und in vielen ihrer oft poetischen Sätze finde ich mich wieder, beispielsweise:

Nach der Geburt war mein Körper wund. Alles wund und offen und heiß. Die Wunde zwischen meinen Beinen, die Brüste. Die Gefühle in meiner Brust, die Nerven, die Hirnhaut, die Gedanken hinter meiner Stirn, die Augen, alles war wund und offen und heiß. Ab sofort war die Möglichkeit, etwas zu wollen und es dann zu tun, vollkommen ausgeschlossen. Alleinsein ausgeschlossen, aufstehen und gehen vollkommen ausgeschlossen.

Aber was geht darüberhinaus? Was ist der Erkenntnisgewinn? Antonia Baums Text ist ein Hybrid, dessen verschiedene Einzelteile nicht so ganz zueinanderfinden wollen. Sie schreibt über die sogenannte “Migrationsproblematik” und ausländerfeindliche Nachbarn, generell ihre Wohngegend, die ihr schwer zu schaffen macht, seit sie mehr Zeit zuhause verbringt, sie schreibt über Putzfrauen und deren Lebensumstände und baut auch andere gesellschaftspolitische Schlenker ein und man fragt sich, was das alles konkret mit Mutterschaft zu tun hat. Lieber würde man tiefergehende Gedanken dazu lesen.

Dass sie keine Lösungen für das große Thema Frau mit Kind hat, überrascht nicht, das muss auch nicht sein, aber mir geht ein bisschen der Mehrwert im Text ab, der sich zuoft in Nebenschauplätzen verliert. Vielleicht geht mir auch der Humor ab, den man in Werken mit ähnlicher Thematik bei Rike Drust (Muttergefühle, Gesamtausgabe) oder Doris Knecht (ich hab mal drüber geschrieben: Wie man fidel verspießert) findet. Dort werden ganz ähnliche Baustellen begangen, aber der Benefit ist, dass sie mit einer gehörigen Portion Humor und auch Selbstironie beschritten werden. Ich möchte Frau Baum nicht aufzwingen, ein unterhaltsames Buch zu schreiben, wenn ihr nicht danach ist, aber mir fällt es leichter, auch schwierige Dinge mit Humor zu betrachten. Und die Botschaft kommt, m.E., trotzdem rüber.

Am Ende von Baums Buch ist man als Leserin dann ganz ratlos, wenn sie eigentlich keine Lösungen hat, aber ihr Buch mit einer Art Glückseligkeits-Schwamm-drüber Message abschließt. Why, oh why? Dennoch hat mir Still leben einige interessante Stunden beschert, wenn das Gesamtbild für mich – wie gesagt –  dann nicht ganz gestimmt hat.