almis personal blog

Wald

Voriges Wochenende habe ich Wald gesehen – den österreichischen Film von Elisabeth Scharang, nach einem Roman von Doris Knecht. Ich hab ziemlich viel von Knecht gelesen, dieses Buch aber (noch) nicht, weil mich der Stoff nicht so angesprochen hat und mit dem Film gings mir irgendwie ähnlich (harhar), dennoch hat dann die Neugier gesiegt.

In Wald geht es um Marian (Brigitte Hobmeier), eine Frau so Mitte 40, die nach einem traumatischen Erlebnis in das Dorf ihrer Kindheit und Jugend zurückkehrt, das sich im Waldviertel befindet. In dem baufälligen Haus ohne Strom will sie die nächsten Monate verbringen – auch ohne ihren Lebensgefährten. Im Dorf löst ihr Erscheinen alle möglichen (relativ negativen) Emotionen aus und sie trifft ihre frühere beste Freundin Gerti (Gerti Drassl) ebenso wie Franz (Johannes Krisch), der damals nach Südamerika auswandern wollte…

Am Anfang fand ich Wald ganz furchtbar, ich bin ehrlich. Die Handlung kommt irgendwie nicht in die Gänge, es passiert praktisch nichts – was ich sehr oft im Kino durchaus reizvoll finde, ich sag nur, ich habe das Jim Jarmusch Gesamtwerk gesehen – aber hier funktioniert das für mich gar nicht. Marian und das beschwerliche Beziehen eines verlassenen Hauses ist irgendwie extrem tröge (und ich verwende dieses Wort normalerweise nicht), dazu stellen sich mir – die ich wirklich keine große Praktikerin des Alltäglichen bin – einige logische Fragen wie: Es regnet und das Dach ist so undicht, dass es auf die schlafende Marian tropft. Müsste das Haus nicht in einem viel schlimmeren Zustand sein, wenn es hier offenbar schon seit geraumer Zeit hereinregnet und müsste das Bett/die Matraze nicht schon völlig verschimmelt sein?

Dazu kommt der Topos der vertrottelten Dorfgemeinschaft, den ich in der österreichischen Literatur und im Film wirklich hasse, weil er so abgegriffen und auch stereotyp (falsch) ist. Die Männer, die da ins örtliche Gasthaus kommen, sind eine Persiflage ihrer selbst, sie können natürlich nur laut und ordinär und ungehobelt und ungebildet sein, ich mein, was wäre das sonst für ein österreichischer Film? Ich mag das nicht. Gleichzeitig ist es schwierig, Theaterschauspielern wie den Hauptakteuren abzukaufen, dass sie urtümliche Niederösterreicher sind, die niemals aus dem Kaff herausgekommen sind.

Aber nun Plottwist: Ab der Mitte hat mir der Film dann zunehmend gefallen, ich weiß auch nicht genau wieso. Das Verhältnis von Marian, Gerti und Franz wird besser herausgearbeitet, es gibt interessante Dialoge, plötzlich auch sowas wie eine Handlung und irgendwie konnte ich mich dann auch zunehmend, zumindest partiell, mit den ProtagonistInnen identifizieren. Weil ich bei der Filmapp Letterboxd immer eine Sternewertung eintrage, sagen wir mal, es ist von einem Stern dann doch auf solide drei Sterne hinaufgegangen. Besonders die Musik hat mir gefallen, die die karge Landschaft, die sperrigen Charaktere, die oft Aussichtslosigkeit der Lage perfekt untermalt hat.

Und das Ende war…spannend!

Am Heldenplatz

Auf ORF 3 sieht man in letzter Zeit ganz gute Dokumentationen (unbezahlte Werbung).

Voriges Woche hab ich zu Romy Schneiders Geburtstag von 20 Uhr bis Mitternacht einige sehr gut gemachte Reportagen über sie gesehen, aber über Romy Schneider könnte man vermutlich eine Woche lang Dokumentationen sehen, und trotzdem wäre da noch ganz viel, was rätselhaft bleibt. Sie war eine wirklich sehr interessante und vielschichtige Persönlichkeit, mit einem herausfordernden Lebensweg.

Gestern sah ich Schicksalstage Österreichs – Der Heldenplatz Skandal. Darüber weiß ich zugegebenermaßen schon viel, das ist im Germanistikstudium natürlich auch immer wieder Thema gewesen. Trotzdem ist es alleine schon sehenswert, wenn man nochmal von Claus Peyman hört, wie er den 4. November 1988 erlebt hat, als Heldenplatz am Burgtheater seine Premiere hatte. Ein Stück, das Bernhard quasi im Auftrag von Franz Vranitzky für das Gedenkjahr geschrieben hat und in dem die Sozialisten, so wie eigentlich alle Österreicher, nicht gut wegkommen. Vor allem die Aussage im Stück, dass Österreich aus 6,5 Millionen Debilen bestehe, hat einen wütenden Mob erzeugt, der lautstark vor dem Theater demonstrierte.

Ich finde es ja immer interessant, wie solche Skandale gänzlich ohne Kenntnis des Stoffes – das Stück wurde erst direkt mit der Premiere öffentlich, davor waren nur einzelne Textpassagen bekannt – funktionieren und an irgendwelchen aus dem Zusammenhang gerissenen Zeilen aufgezogen werden. Das Wort “Rollenprosa” hat anscheinend auch wenig Eindruck bei den Demonstranten hinterlassen, denn natürlich sind die beanstandenden Sätze zunächst mal Sätze einer Kunstfigur, nicht des Autors und als solches muss man sich bewusst sein, dass man gegen fiktionale Aussagen von fiktionalen Charakteren demonstriert.

Wenn man die Doku so anschaut, kommt man aber zu dem Schluss, dass es Claus Peymann eine diebische Freude bereitet hat, dass Wien so über Heldenplatz gewütet hat. Lachend erzählt er, wie ihn auf dem Weg zum Theater eine Frau mit ihrem Regenschirm verprügelt habe. H.C. Strache war damals auch im Theater, und hat von einer Loge aus versucht, Stimmung gegen das Stück zu machen, was Peymann so kommentierte: “Er war der Oberradaubruder – ist ja nichts dagegen zu sagen.” Was wiederum Erwin Steinhauer in der Doku zu folgendem Kommentar inspirierte: “Mit nur Jubel wär er gar nicht glücklich gewesen. Ich glaube, (…) ihm hat das Störorchester, die Pfiffe (…) das hat ihm viel mehr getaugt als jede Zustimmung.” Ein sicher zutreffender Befund.

Heldenplatz war dann mit 120 Aufführungen eines der erfolgreichsten Stücke in der gesamten Geschichte das Burgtheaters. Bernhard starb nur drei Monate nach der Premiere.

Little Women

Am Mittwoch habe ich dann noch zum Abschluss Little Women gesehen, den zweiten Film, bei dem Gerwig Regie geführt hat. Little Women ist ein amerikanischer Klassiker, eine Coming of Age Geschichte, vielleicht so bekannt wie Heidi im deutschsprachigen Raum.

Bei Friends motiviert Rachel einmal Joey, der normalerweise Bücher meidet, Little Women zu lesen und er will mehr darüber wissen und fragt sie: “These little women, how little are they? I mean, are they like scary little?” Nun, es handelt sich dabei um vier Schwestern, die von ihrem Vater so genannt werden, obwohl sie mittlerweile schon praktisch alle die Pubertät hinter sich haben.

Die Geschichte wird von Jo March, einer der Schwestern erzählt, die Schriftstellerin werden will und ihre Texte an Zeitungen und Verlage verkauft, sie arbeitet eben an ihrem ersten Roman, über sich und ihre drei Schwestern. Alle vier sind sehr künstlerisch begabt, eine schauspielert, eine malt, eine spielt Klavier und Jo eben schreibt. Aber zu dieser Zeit, wir befinden uns im 19. Jahrhundert, geht es im Prinzip nur darum gut zu heiraten, um versorgt zu sein, weil ja Frauen kaum arbeiten durften, und wenn dann sicher nichts brotloses.

Jo (Saorise Ronan) hasst das und sie rebelliert dagegen. Sie lehnt den Heiratsantrag von Laurie (Timothee Chalamet) ab, und klagt ihrer Mutter ihr Leid und liefert damit, wie ich finde, ein wesentlich eindringlicheres femistisisches Statement als das in Barbie der Fall ist, aber vielleicht bin ich persönlich auch mehr der 19.Jahrhundert-Feminismus Typ, sie sagt:

Women, they have minds and they have souls, as well as just hearts. And they have got ambition and they have got talent, as well as just beauty. I am so sick of people saying that love is just all a woman is fit for. I`m so sick of it!

Jo March in Little Women

Der FIlm ist generell so jung und frisch, obwohl er eben in der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs spielt. Aber Greta Gerwig gelingt das Kunststück, den Film total heutig erscheinen zu lassen, ohne ihn seiner Zeit zu entreißen und mit Gewalt modernisieren, einfach um der Modernisierungs-Willen. Und die SchauspielerInnen sind großartig vor allem Ronan und Florence Pugh spielen so gut.

Hier noch der Trailer:

Die Stelle bei der ich diesmal am meisten gelacht habe (und erstaunlich wenige andere im Publikum) als Amy zu Laurie sagt: “Well, I believe we have some power over who we love, it isn’t something that just happens to a person.” Und Laurie daraufhin: “I think the poets might disagree.”

Btw. der große Saal im Votiv war bis auf den letzten Platz besetzt.

O-Töne Marwan/Lauer

Heuer war ich erstmals beim Literaturfest O-Töne im Museumsquartier.

Das gibt es doch schon einige Zeit, aber ich hab es noch nie dahin geschafft. Jedenfalls ist das Konzept, dass jeden Abend zwei AutorInnen lesen, einer bekannt, einer noch recht neu oder Debütant. Ich war am 20. Juli dort, wo Greta Lauer (Debüt) und Ana Marwan (Bachmannpreisträgerin 2022) lasen. Die Lesungen beginnen um 20 Uhr, wenn man einen halbwegs guten Platz will, sollte man so gegen 19.15 da sein, wobei anscheinend gilt: Je bekannter/beliebter die Autoren, desto früher. Das Ambiente ist toll, vor allem an einem schönen lauen Abend, da kann man wirklich sehr entspannt draußen sitzen und lauschen.

O-Töne am 20. Juli 2023 im Muqa

Mit Greta Lauer, die aus ihrem Roman Gedeih und Verderb las, konnte ich nur leider gar nichts anfangen. Das ist einfach nicht meine Prosa, wenn kunstvoll Sätze geklöppelt werden, die irgendwie gar nichts erzählen und nur generische Begriffe verwenden, die als literarisch gelten sollen. Wenn das Thema dann noch österreichische Blut-und Bodenliteratur ist, was mir wirklich zuwider ist (harhar, I can’t help it), und laute degenerierte Dorfbewohner vorkommen, mit ihren “Augäpfelein” und Kehlköpfchen oder ich weiß nicht was, und sich dann irgendwelche Rinnsale bilden, sorry, da bin ich raus.

Dafür mochte ich die Textausschnitte von Ana Marwans Roman Verpuppt sehr und auch ihre Art, sie ist ja eine wirklich witzige Person, oder wie der Mann, der neben mir saß sagte: “Die hot an Schmäh.” Marwan ist ja Slowenin und schreibt ihre Texte zumeist auch auf Slowenisch, kann aber auch recht gut Deutsch und liest dann logischweise auch deutsch, weil sonst würden wir ja nichts verstehen, ringt aber oft mit Worten, allerdings auf sehr hohem und elaboriertem Niveau. Sie erzählte, dass sie sich sehr für Tiere interessiert und tatsächlich kommen Tiermetaphern in ihren Texten sehr häufig vor, man denke an den Bachmannpreis-Text Wechselkröte und eben auch den Titel des aktuellen Romans. Mit der Übersetzung ihres Romans gehe es ihr wie mit einem Kanarienvogel der gestorben ist und dann kaufen die Eltern einen neuen, der genau gleich aussieht, nur sie weiß, dass es eben nicht derselbe ist.

Ana Marwan und Moderatorin Katja Gasser nach der Lesung

Dann erläuterte sie, dass sie in einer Doku gesehen habe, dass Spinnen, wenn sie jung sind, sehr kunstvolle Netze weben und die Netze werden dann im Laufe eines Spinnenlebens immer schleißiger. Erklärt wurde das damit, dass die Spinnen irgendwann draufkommen, dass sie die fünf Fliegen am Tag sowieso fangen. Ob mit tollem Netz oder ohne. Und Marwan dann: “Und deshalb werden die immer schiacher”. Es war wirklich sehr amüsant.

Schulschluss und koksende Mütter

Und wieder ein Schulschluss – es ist immer ein ganz besonderer, bittersüßer Tag im Jahr, an dem ich immer irgendwie Rückschau halte. Letztes Jahr war ich so komplett traurig und niedergeschlagen, heute war ich schön melancholisch, diese Art der Melancholie, wo man nichts will als einfach seine Ruhe mit gutem Essen und Trinken und Literatur und Film und Notizbüchern.

Ich hatte heute keine Arbeitsdeadlines, ich halte mir solche Tage gern frei, für alles was so kommt, was das Kind vor hat. In der Früh hab ich einen langen Spaziergang gemacht und eingekauft (u.a. ein neues Notizbuch), als ich heimkam war das Kind schon zuhause. Er hat wieder mal einen guten Erfolg, ich weiß nicht wie er das schafft. Nach dem gemeinsamen Mittagessen auf dem Balkon hab ich den Bachmannpreis laufen lassen, und die Texte, auf die man quasi so nebenbei aufmerksam wird, wo man sich dann hinsetzt und genau zuhört, die haben eine besondere Qualität. Zwar sagt das per se noch nichts über besondere Literarizität aus, es sagt aber, dass der Text etwas mit einem macht.

Ich spreche von dem Text “Zeitmaschine” von Jacinta Nandi. Die Protaogonstin, Mutter eines kleinen Sohnes und in einer schrecklichen Ehe, sagt so Dinge wie: “So lang kein Sperma im Spiel ist, ist sie nicht fremdgegangen, das weiß sie” oder “Es kann keine Gewaltbeziehung sein, denn ich respektiere ihn gar nicht.” Es geht um eine toxische Ehe und das Mutterbild der Deutschen und es hat sehr, sehr viel bösen Witz. Die Stelle, die mich am Sofa echt lachen ließ, war Folgende: da treffen sich mehrere Mütter zum Playdate und als die Kinder schlafen, bestellen sie sich Koks. Als die Protagonistin fragt, ob es nicht verwerflich sei, zu koksen, wenn die Kinder in der Nähe sind, sagen die anderen: “Das hier ist Me-Time. Das ist Self-Care” und “Ich bin so eine gute Mutter, wenn ich auf Koks bin. Ich bin wie Heidi Klum, aber Heidi Klum in Amerika.” Das muss einem erst mal einfallen. Dann geht es noch um anzügliche Chatnachrichten an Karl Lauterbach und Johnny Depp und Amber Heard, was den Text natürlich verdächtig nahe an die Kategorie Popliteratur schiebt, aber das muss ja nicht Schlechtes sein und ich habe mich – wie gesagt – sehr amüsiert dabei.

Am Abend saß ich dann bei strömendem Regen am Balkon, erschöpft von der recht anstrengenden Arbeitswoche, aber doch zufrieden. Auch wenn Mamas keinen 9-wöchigen Urlaub haben, ein bisschen fühlt es sich doch wie Ferien an. Und morgen schau ich wieder Bachmann-Preis.

Hosen

Person: Ich gehe morgen in die Josefstadt

Ich: Was schaust du dir an?

Person : Was von Bernhard.

Ich: Und was?

Person: Lass die Hosen runter oder so.

Ich: Das klingt eher wie Löwinger Bühne.

Person: Aber es war etwas mit einer Hose.

Ich: “Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen?”

Person: Jaa!

Wer braucht schon Alexa.

Briefwechsel Bachmann/Frisch

Am Mittwoch war ich bei einer Veranstaltung des Literaturmuseums. Es wurde von zwei Schauspielern aus dem Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch vorgelesen und dann haben zwei der Herausgeber darüber gesprochen.

Zunächst mal: Ich war on time dort, es gab keine Anmeldung und als Germanistin bin ich es doch eher gewöhnt, dass Veranstaltungen selten überlaufen sind. Nicht so diesmal. Der Saal war voll, es gab keine Sitzplätze mehr, es mussten Stockerl geholt werden, der Vorraum war dann auch ziemlich gut gefüllt, also schon sehr erstaunlich, dass dieses Thema ein solcher Banger ist. Die Stellen, die vorgelesen wurden, waren relativ “bezeichnend” für die Entwicklung der Beziehung, die von 1958 bis 1963 dauerte, daheim angekommen, hab ich gesehen, dass ich einige Stellen davon selber in meinem Buch markiert hatte.

Spannend wurde es aber danach, als die Herausgeber diskutierten und es lässt sich zusammenfassen, dass die österreichischen Herausgeber eher auf Bachmanns Seite stehen, die aus der Schweiz (von denen niemand anwesend war, aber sie wurden von den Österreichern öfter mal erwähnt) auf der Seite von Frisch. Man muss halt sagen, dass das Narrativ, dass der “Technokrat” Frisch Bachmann zerstört hat, eher in unseren Zeitgeist passt, wo der alte weiße Mann per se an allem schuld ist; nur, wenn man die 600 Seiten gelesen hat, muss man halt auch feststellen: So war es nicht. Der Titel “Wir haben es nicht gut gemacht” – diesen Satz schreibt Frisch am Ende der Beziehung – ist zutreffend. Beide sind gleichermaßen für diese Beziehung und ihr Ende verantwortlich, m.E. nach.

Herausgeber Hans Höller sagte beispielweise über Frisch, na ja, die Beziehung hat ja in Wahrheit gar nicht diese vollen fünf Jahre gedauert, weil Frisch ja im Herbst 1962 schon mit seiner späteren Ehefrau Marianne zusammen war; dabei blendet er wohl aus, dass Ingeborg Bachmann bereits 1959 eine Affäre mit Hans Magnus Enzensberger und später eine mit dem italienischen Germanisten Paolo Chiarini hatte, von dem sie Frisch schrieb, dass sie diesen “sehr gerne habe”. Das hat Frisch einen großen Schmerz zugefügt, auch wenn sie eine mehr oder weniger offene Beziehung hatten. Auch bekrittelt Höller, dass Frisch mit Marianne ein Haus bezogen hat, mit Bachmann “nur” eine Wohnung. Ich weiß zwar nicht genau, wieso eine gemeinsame Wohnung ein kleinerer Liebesbeweis als ein Haus sein soll, aber dazu muss man grundsätzlich sagen, dass Frisch Bachmann ja heiraten wollte, sie sich aber absolut nicht als Ehefrau sah und ihm das auch in einem der Briefe geschrieben hat. Man kann Frisch da also nicht mangelndes Commitment vorhalten, wenn dieses von Bachmann gar nicht gewünscht war.

Höller wirft Frisch auch vor, dass er Bachmann beobachtet hatte, und dann Dinge in seinen Bücher, v.a. in Mein Name sei Gantenbein verarbeitet hatte; Bachmann wiederum hat das Verhalten von Frisch angeblich in Der Fall Franza und auch Malina einfließen lassen. Na ja, dann sind sie eh wieder quitt. Und im übrigen denke ich, dass jeder Schriftsteller, jede Schriftstellerin die Dinge, die sie erlebt, auch in ihren Werken verarbeitet, die einen mehr und offensichtlicher, die anderen weniger. Dann betonen die Herausgeber, dass Bachmann soviel Arbeit mit dem Überarbeiten des Gantenbein hatte – was sicherlich stimmt, andererseits überließ Frisch ihr das Manuskript vor der Veröffentlichung und ließ sie zu persönlichen Stellen auch durchaus streichen bzw ändern.

Beide hatten Probleme mit dem Zusammenleben an sich, sie konnte nicht arbeiten, wenn er anwesend war, auch er flüchtete immer wieder und zog sich von ihr zurück, zeitweise lebte sie in der Schweiz und er in Rom, dann sehnten sie sich nacheinander, nur um dann wieder aneinander zu verzweifeln. Ja, das ist tragisch und traurig, aber ich sehe keine einseitige “Schuld” bei Frisch. Beide hatten ihre Baustellen und Unzulänglichkeiten. Es ist eine wechselseitige Verwundung, wenn man diese Briefe liest, manchmal ist das auch für einen als Leser hart und schmerzvoll. Die Verarbeitung einer Trennung ist für viele Menschen eine enorme Herausforderung, es liegt auch an jedem selbst, wie er oder sie damit umgeht, diese Verantwortung sollte jede(r) für sich selbst übernehmen und auch den eigenen Anteil berücksichtigen.

Verpuppt

Diese Woche hab ich mir online eine Lesung von der Bachmannpreisträgerin 2022 Ana Marwan zu ihrem neuen Roman Verpuppt angesehen. Der Roman wurde aus dem Slowenischen übertragen, sie hat aber die Übersetzung nicht selbst gemacht. Nun hat der Moderator Manfred Müller sie gefragt wie das so ist, wenn sie ihren Text einen Tag auf Slowenisch, am anderen auf Deutsch liest. Ana Marwan sagte, sie habe lange darüber nachgedacht, wie sie das Gefühl beschreiben solle:

Es ist so wie wenn man klein ist und einen Kanarienvogel hat und dieser stirbt und die Eltern ersetzen ihn durch einen neuen und niemand merkt wirklich den Unterschied, aber du selbst weißt es ganz genau.

Und im Nachsatz:

Als ich das bei meiner letzten Lesung auf einer Bühne das erste Mal erzählt habe, hab ich fast geweint. Ich weiß nicht warum. Ich hatte nie einen Kanarienvogel.

Jedenfalls eine sehr schöne Metapher.

Die Wut, die bleibt

Nachdem auf twitter einige aus meiner Bubble gerade Die Wut, die bleibt lesen und es manche sehr arg fanden, war meine Neugier geweckt und ich habe ohnehin noch ein Buch zum Lesen über die Feiertage gesucht. Kurzerhand hab ich mir also Mareike Fallwinkels Die Wut, die bleibt selbst geschenkt. Es hat mich nicht so gepackt wie andere und ich fand es leider auch nicht sehr überzeugend, weder inhaltlich noch auf sprachlicher Ebene. Auch wenn es durchaus ein Buch ist, dass man fast in einem Rutsch lesen kann, weil es schon spannend ist.

Die Ausgangssituation ist folgende: Helene – Mutter dreier Kinder – steht eines Abends vom Abendessen auf, geht auf den Balkon und stürzt sich hinunter. Ihre beste Freundin Sarah kümmert sich daraufhin vorübergehend um die zwei kleinen Söhne (Max, Lucius) und um die Teenagertochter Lola (von einem anderen Mann). Die Reflexionen von Sarah und Lola und ihre Konsequenzen aus dem Vorfall erzählt dieser Roman.

Offensichtlich soll der enorme Mental Load, den Helene mit sich herumschleppt (wie sehr viele Frauen ihres Alters, mit ihrem Familienstand), die Verantwortung, die sie für ihre Kinder hat, die zerplatzten Träume und allgemein die patriachalen Stukturen Auslöser dieses Suizids gewesen sein. Auch wenn ich den Stress und die Belastung wirklich gut nachvollziehen kann und diese auch gar nicht kleinreden möchte, auch wenn ich das Thema an sich für wichtig halte, und auch wenn ich eine Lebenskrise verstehe, die aus einer gleichsam anstrengenden wie monotonen Familiensituation entstehen kann, so fehlt mir doch die Plausiblität. Würde eine Frau mit drei Kindern einen quasi Suizid aus dem Affekt begehen, noch dazu auf diese Art und Weise? In Gegenwart der Kinder, in dem Wissen um die unendliche Traumatisierung, die sie ihnen damit zufügt?

Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ohne eine gewisse Prädisposition (zu Depressionen, die aber für mich nicht wirklich thematisiert werden), ein Freitod so relativ überraschend passieren kann. Auch die Konsequenzen, die speziell Lola aus diesem Ereignis zieht, nämlich sich einer Gruppe junger Mädchen anzuschließen, die mit Gewalt gegen “das Patriachat” vorgehen wollen, oft auch auf bloßen Verdacht hin, dass ein Mann eine Frau missbraucht haben könnte, hat für mich einen schalen Beigeschmack. Gewalt mit Gewalt beantworten zu wollen – bei allem Verständns: Not my cup of coffee.

Leider überzeugt mich der Roman auch sprachlich nicht. Ich mag die Beschreibungen und Metaphern sehr oft nicht, manchmal balanciert Fallwickl meiner Ansicht nach auch recht nahe am Kitsch, verliert sich in schiefen Bildern: Ein Kleinkind hat eine “sabbernasse Fröhlichkeit”, da wird “Mimik entziffert”, da gibt es einen “schweren Herzschlag”, jemand “schläft in Splittern” und die “Endorphine explodieren im Blut”. Für mich funktioniert das nicht. Erschwerend kommen dann noch die Besuche der toten Helene bei Sarah als eine Art moderne Ephiphanie dazu; und selbst Kleinigkeiten wie die Namensgebung der Kinder: Lola (verrückt), Max (gediegen), Lucius (hipsterig) ergeben für mich kein stimmiges Bild.

Fazit: Für mich mehr Attitüde als Literatur. Sorry.

Bye Xmas

Der letzte Rest von Weihnachten. Rotenturmstraße, 26. Dezember

Ja, ich habe ein neues Handy mit einer besseren Kamera. Auch, damit ich hier am Blog bessere Fotos zeigen kann.

Die Weihnachtstage waren schön und ruhig, ich habe jetzt eine Duftöllampe, neben der ich viele Bücher lese (zb Die Wut, die bleibt, Fazit: mäh), ich war im Kino (Triangle of Sadness, nice), in der Bücherei (weitere Werke von Fallwickl und Ferrante ausborgen) und im Kriminalmuseum (Der Fall Hofrichter); ich habe versucht, mir Bardo anzusehen, über den der Falter schreibt, es wäre Iñárritus 8 1/2. Was ich dazu sage? Nein. Einfach nein! Ich habe den Film aber noch nicht ganz gesehen, weil ich nur schaffe, mir jeweils immer zehn Minuten anzuschauen, so anstrengend und bemüht surreal ist das. Und 8 1/2 ist einer meiner Lieblingsfilme, ich mein!

In den nächsten Tagen mehr.