almis personal blog

ESC: Österreich

Gestern wurde der österreichische Beitrag für den diesjährigen Songcontest präsentiert. Ich muss zugeben, ich hatte im Vorfeld leichte Bedenken oder sogar Vorurteile – zwei ziemlich junge Casting Show Teilnehmerinnen Teya und Salena schreiben selbst einen Song. Es ist ja schon für “alte Hasen” schwierig, beim ESC zu reüssieren…

Dann wurde am Montag der Titel des Liedes präsentiert: “Who the hell is Edgar?” und da habe ich dann schon etwas Hoffnung geschöpft, weil es kein generischer Titel ist und etwas weird, was ich immer gut finde. Und gestern kam dann eben der Song heraus – und was soll ich sagen? Ich mag das!

Es klingt nicht wie schon hundertmal gehört und es ist – obwohl witzig – kein typischer Spaßbeitrag – mit dem man beim ESC schon lange keinen Blumentopf mehr gewinnen kann. Also außergewöhnliche Songs sind schon immer gefragt, aber die musikalische Qualität muss auch passen. Dazu die Anspielung auf Edgar Allen Poe, wo jetzt jeder grübeln kann, was sie genau damit sagen wollen, auch immer gute Idee, man denke an Konstrakta (Serbien 2022).

Der Song kommt in der ESC Bubble ziemlich gut an, hat eine positive Besprechung von William Lee Adams (wiwibloggs) bekommen und ist bei den Wettquoten heute bereits in den Top 10, aktuell Platz 9. Also Zuversicht ist jetzt auf alle Fälle angebracht.

Sehr nett auch folgender Tweet:

Schweden?

Jetzt haben wir in der ESC Vorentscheid-Saison die interessante Situation bei den Wettquoten, dass Schweden auf Platz eins liegt, obwohl sie noch gar keinen Act haben.

Also na ja, anders, sie haben ja das Melodifestivalen, eine riesiges Vorentscheids-Spektakel, ähnlich wie San Remo, und das Finale ist erst am 11. März. Aber: Loreen ist in dieses Finale eingezogen. Ja genau, die Loreen, die 2012 den Songcontest mit Euphoria gewann. Aber es war nicht nur ein Sieg, Euphoria gilt als der populärste Siegertitel, wenn man mal von Waterloo absieht – und hat viele Menschen dem ESC (wieder) nähergebracht. Im Merci Cherie Songcontest Podcast müssen die Gäste immer ihren Lieblingsbeitrag aller Zeiten nennen und da kommt wirklich jedes 2. Mal Euphoria – Marco und Alkis sind schon bisschen gernervt davon, harhar.

Andererseits hieß es im ESC Songcheck einmal richtigerweise, als Alexander Rybak (Sieger 2009) 2018 erneut antrat, wieso tut man sich das an, als Sieger noch einmal zum ESC zu fahren, man kann ja quasi nur verlieren. Songcheck Kommentator Freshtorge meinte: “Außer du bist Johnny Logan, dann kannst du es machen.” Was richtig ist, Johnny Logan zweiter Siegersong – Hold me now – war sogar noch besser als der erste (Whats another year).

Wie dem auch sei, Loreen will es nochmal wissen mit einem Song names Tattoo und das kommt offensichtlich sehr gut an, auch wenn wir noch nicht wissen, ob sie das Melodifestivalen tatsächlich gewinnt. Sie hat international aber eine enorme Fanbase hinter sich, singen und performen kann sie sowieso. Mal sehen was passiert.

P.S. Finnland hatte seinen Vorentscheid UMK schon und Käärijä mit Cha Cha Cha ist derzeit auf dem dritten Platz bei den Wettquoten. Auf dem 2. Platz ist die Ukraine, aber einen nochmaligen Solidaritätssieg wirds hoffentlich heuer nicht geben.

Die EBU und die Politik

Also nun zum Sieger des kroatischen ESC Vorentscheides Dora – es handelt sich um die Band Let3 mit dem Song Mama ŠČ.

Der Text ist ein bisschen dadaistisch, es geht um den Kauf eines Traktors und, dass Mama einen Psychopathen liebt – nun sagt die Band, die in semi-militaristischen Outfits auftritt- dass damit Putin gemeint ist. Das ist natürlich relativ heikel, denn wie wir alle wissen, sind politische Botschaften beim ESC nicht gestattet. Man denke nur an Weißrussland 2021, das disqualiziert wurde, weil sie einen regierungsfreundlichen Song (der gleichzeitig angeblich eine Verhöhnung der damaligen Proteste in Belarus war) eingereicht haben. Der Text ist sehr verklausuliert formuliert und dementsprechend interpretierbar. Auch ein zweiter eingereichter Song wurde als zu politisch abgelehnt, woraufhin Weißrussland dann auf eine Teilnahme verzichtet hat.

Damals sagte u.a. Corinna Milborn im Merci Cherie Podcast, das hätte man eh schon öfter machen sollen, von Seiten der EBU (European Broadcasting Union, die quasi Verantwortlichen des Songcontests), Songs ablehnen. Die Aussage fand ich ja schon ein bisschen dings, denn einerseits wollen mir Meinungsfreiheit haben und künstlerische Freiheit sowieso, andererseits aber nur, wenn die Meinung, die vertreten wird, uns auch passt. Ansonsten bitte disqualifizieren, danke.

Nun könnte man auch sagen, dass Jamals Song 1944, mit dem sie den ESC 2016 gewonnen hat, ja auch ziemlich politisch ist. Die EBU war damals anderer Meinung, dabei sagte Jamala selbst, dass es um die Deportation der Krimtartaren ging, also wieviel politischer kann es noch werden, und der Text vermittelt jetzt nicht irrsinnig viel Feelgood Vibes:

When strangers are coming…
They come to your house,
They kill you all
and say,
We’re not guilty
not guilty.

Und jetzt also Let 3, mit ihrem Song. Er wird vermutlich im Bewerb antreten dürfen, zumindest hab ich nichts anderes gehört, aber ein bisschen eine zweischneidige Sache ist das alles schon. Wie so oft gibt es keine einfachen Antworten, wenn es um eine so sensible Thematik geht, aber ich denke, die EBU sollte sich schon überlegen, welche Linie sie da tatsächlich fahren will, in Zukunft.

Ferien im Bild, fünf

Noch ein Nachtrag zu den Ferien und passend zum heutigen Opernball. Eine Woche vorher war ich nämlich auch dort, also in der Oper. Nämlich mit L. in La Traviata.

Staatsoper Wien, 9. Februar 2023

Nachdem wir jetzt schon öfters in Konzerten waren, wollten wir auch einmal eine Oper anschauen und La Traviata ist da sicher ein guter Einstieg. Wir hatten eine nette Loge und einen guten Blick auf die Bühne.

Blick aus der Loge

Die aktuelle Inszenierung ist etwas speziell: mit eingeblenden Chats, Emojis und Handys, wo Menschen Selfies machen, so kann man das Wiener Publikum immer noch erstaunlich aufregen, Claus Peymann hätte seine Freude dran gehabt. Und dann war noch ein Auto auf der Bühne, jössas, die Welt steht nicht mehr lang! Ich fand es ja witzig, dass es ein Renault war, ein französisches Auto in einer italienischen Oper. Wenigstens war die Nummerntafel italienisch.

Insgesamt gab es wirklich viel Gemotze und manche verließen die Vorstellung verfrüht, aber wir haben uns gut unterhalten und nach einem Gläschen Sekt in der zweiten Pause besonders beschwingt. Außerdem ist die Oper auch innen wirklich wunderschön.

San Remo & Ariete

Sehr berührt hat mich Mare di guai von Ariete. Aus meiner Warte ist die Sängerin fast noch ein Kind, obwohl sie eh schon 20 ist, aber ich bin ja auch schon bald 50.

Der Text ist so schön traurig und man könnte fast meinen, sie beginnt eine Geschichte zu erzählen, die Marco Mengoni mit seinem Lied, weiterspinnt, weil bei ihr heißt es: “La luna sembra un po’ arrabbiata (come mai?)” – in etwa: “Der Mond wirkt ein bisschen wütend (warum)?” und in Mengonis Song dann: “Se questo è l’ultima canzone e poi la luna esploderà” also: “Wenn das das letzte Lied ist und dann der Mond explodieren wird” – denn er war ja, richtig, wütend.

Das Verrückte bei San Remo ist, dass so ein Song auf dem 14. Platz landet (von 28.) Ich glaub, ich lehn mich nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich sage, dass die meisten ESC-Vorentscheide glücklich wären, wenn sie einen Song von so einem Kaliber überhaupt im Programm hätten und der würde dann vermutlich auch gewinnen. Aber sagt halt auch viel über das Niveau der italienischen Musikszene aus.

San Remo & Colapesce Dimartino

Beim gestrigen Finalabend in San Remo haben Colapesce & Dimartino mit ihren Song Splash beide Kritikerpreise gewonnen. Es wundert mich nicht, Splash ist wirklich ein sehr spezieller Song, der sich nicht in konventionelle Muster mit Strophe/Refrain/Strophe/Refrain/Bridge usw. einteilen lässt. Er hat für mich etwas Avandgartistisches, unbeschreibbares, und der Titel des Songs kommt nur einmal vor und zwar als letztes Wort. Sowas liebe ich. Außerdem wird es nicht Spläääsch ausgesprochen, sondern wirklich Splaaasch.

Wenn man dann tatsächlich noch etwas braucht, um von diesem Song beeindruckt zu sein, dann kann man sich die enthusiastische Vintage-Hipster Performance der beiden Künstler ansehen, das ist schon sehr super. Und der ganze Text von wegen, eigentlich wollen sie nicht am Meer sein, weil am Meer kann man nicht vergessen, lieber ist ihnen der Lärm der Stadt, das lenkt ab, aber irgendwie ist das Meer ja schon schön und deshalb springen sie am Ende doch hinein (Splaaaasch!!!)

San Remo & Madame

Diese Woche findet das alljährliche San Remo Musikfestival statt, das ist sowas wie der Songcontest in Italien. Also San Remo ist den Italienern tatsächlich wichtiger als der ESC. Aber der Sieger von San Remo fährt dann (in der Regel, es sei denn, er will nicht) als italienischer Vertreter zum Song Contest.

San Remo läuft fünf Tage hintereinander, immer von ca. 21 Uhr bis ich weiß nicht, 2 oder 3 Uhr früh, so lange bleib ich nicht auf. Es werden nicht nur die Kandidaten präsentiert, die antreten, sondern es treten alle möglichen italienischen (Alt)-Stars auf und singen und reden irrsinnig viel, wie diesmal zum Beispiel Schauspieler Roberto Benigni, der 1999 den Oscar für La vita e bella gewonnen hat. Manche werden sich noch an seinen Auftritt erinnern. Auch bei San Remo ist er unstoppbar, was diesen schönen Tweet begründet:

San Remo ist für die herausragende Qualität seiner Songs bekannt, Italien versteht was von Musik, es ist immer eine Freude. Diesmal scheint Marco Mengoni Favorit zu sein, der – die Nerds werden sich erinnern – bereits 2013 für Italien angetreten ist, mit dem Song L’essenziale. Bei dem Lied kriege ich immer Gusto auf Pizza und Rotwein. Er wurde damals 7. Dieses Jahr tritt er mit Due Vite an und stilistsich hat er sich sehr verändert, also vor allem Outfit-mäßig. 2013 war er noch so Typ Glanzanzug, heuer ist es mehr so Ganzkörper-Leder.

Der Song ist recht schön, wenn auch nicht revolutionär – richtig toll find ich Madame mit Il bene nel male. Wäre auch wieder mal ein Song über eine toxische Beziehung, wie sie voriges Jahr beim ESC sehr oft vorgekommen sind, zum Leidwesen mancher Kommentatoren harhar. Aber das ist so ein richtig aktuelles Stück Musik finde ich, der ganze Auftritt, der bittersüße Text, insgesamt so unaufdringlich gut. Mag ich sehr.

ESC: United by Music

Anbei die ESC Slogans seit 2011, als quasi eine neue Songcontest Zeitrechnung begann

2011 – Düsseldorf – Feel Your Heart Beat!

2012 – Baku – Light Your Fire!

2013 – Malmö – We Are One

2014 – Kopenhagen – #Join Us

2015 – Wien – Building Bridges

2016 – Stockholm – Come Together

2017 – Kiew – Celebrate Diversity

2018 – Lissabon – All Aboard!

2019 – Tel Aviv – Dare to Dream

2021 – Rotterdam – Open Up

2022 – Turin – The Sound of Beauty

uuuuund der neue:

2023 – Liverpool – United by Music

Dazu ist zu sagen: Ja. Eh lieb. Eh unspektakulär, non-offensiv und “mildly inspirational”, wie William Lee Adams von den ESC Beobachtern Wiwibloggs twittert.

Mein absoluter Hass-Slogan ist übrigens 2018, weil ich wirklich jedes einzelne Mal All ABROAD gelesen habe, all Aboard ist so ein Zungenbrecher. Und sehr gern hab ich Dare to Dream gehabt, liegt aber vielleicht auch dran, dass ich den ESC in Tel Aviv überhaupt ziemlich super fand.

About Last Christmas

Kommen wir noch einmal kurz auf Weihnachten zurück. Ich habe es heuer tatsächlich geschafft, den Wham Klassiker Last Christmas kein einziges Mal vor dem 24.12 zu hören. Das mag darin liegen, dass ich absolut überhaupt kein Radio höre im Winter – im Sommer kommt es zumindest manchmal im Garten vor.

Dann habe ich unter dem “Weihnachtsbaum” bzw. artsy Wand-Baum-Modell (ich liebe es) den Artikel “Herzschmerz und Haarspray” glesen, in dem sich die Wiener Zeitung in ihrer heiliger Abend Ausgabe eben diesem Song widmete. Der Artikel war wirklich gut und witzig, ich musste ein paar Mal lachen, etwa als der Autor Andreas Rauschal beschrieb, dass George Michael den Song in seinem ehemaligen Kinderzimmer schrieb, als er gerade zu Besuch bei seinen Eltern war. Mit Wham-Partner Andrew Ridgeley. Der hat den Song nicht mitgeschrieben, sondern sich derweil mit George Michaels Eltern unterhalten, was der Autor folgendermaßen kommentierte: “Selten wurde mit weniger Arbeit mehr Geld verdient”. Na ja, da möchte ich doch sagen, er musste dafür eben die Eltern bespaßen, was mitunter auch sehr anstrengend sein kann.

Des weiteren beschäftigt sich der Artikel dann natürlich auch noch mit dem Video, wo Michael und Ridgeley mit einer Menge Freunde in ein Ferienhaus fahren und da gibt es dann richtig viel Schnee und alles, was es heuer zu Weihnachten nicht wirklich gab. Was Rauschal zur Conclusio veranlasste: “Heuer erinnern wir uns zu Weihnachten bei gepflegten und vom einstigen Haarspray-Abusus wahrscheinlich mitermöglichten 12 Grad Celsius an diese verrückten Zeiten.” Haarspray-Abusus, I love it!

Außerdem ist mir ein alter Artikel aus der Welt wieder in die Hände gefallen, in dem beschrieben wird, dass Last Christmas kein so simpler Popsong ist, für den er immer wieder gehalten wird. Refrain ok, easy zu singen, aber probiert mal die Strophen…. eben. Sehr anschaulich und fachkunding hier beschrieben.

Karaoke!

Gestern hab ich mir im Stadtkino Aftersun angeschaut. Empfehlung! Wirklich gut und der Film mit dem offensten Ende, den ich seit langer Zeit gesehen habe. Näheres folgt noch.

Heute aber erstmal soviel – es geht ja in Aftersun um den Urlaub eines jungen Vaters Anfang 30 mit seiner 11 jährigen Tochter, Sophie. In einer Szene singt Sophie Karaoke zu Losing my religion und es ist so gut. Außer die deutsche Übersetzung – ich hab OmU geschaut. Losing my religion heißt nämlich nicht den Glauben verlieren. Sondern: Die Nerven verlieren. Von mir aus: Auszucken. Das sollte man als Ersteller von Untertiteln schon wissen, zumal es auch in jedem Artikel zu dem Song steht. Es ist ein Ausdruck aus den Südstaaten. Na wenigstens haben sie es nicht mit: “Die Religion verlieren” übersetzt harhar.

Aber wie auch immer, diese Szene war sehr berührend und ich musste gleich an eine ähnliche (Karaoke)szene aus Lost in Translation denken, in der Bill Murray More than this singt. Murray hat gesagt, das Lied sei so schwer zu singen, selbst Bryan Ferry wisse nicht so genau, wann er welchen Ton singen würde.