almis personal blog

Über Charaktere

Man kann Charaktere in Erzählungen und Romanen sehr konventionell beschreiben, über äußere Merkmale wie Körpergröße oder Haarfarbe oder auch über Charaktereigenschaften wie Großzügigkeit oder Arroganz. Aber das ist halt auch wenig originell und lässt die Person, die man beschreiben will, jetzt nicht unbedingt sehr plastisch erscheinen, wenn man nur so Gemeinplätze widergibt. Besser ist es, hier möglichst detailliert zu werden, weil man da so viel mehr transportieren kann.

Letztens hat mir zum Beispiel jemand erzählt, dass bei einem Treffen die Stimmung sofort in den Keller ging, als eine gewisse Person auftauchte und da dachte ich mir, das wäre doch auch eine schöne Beschreibung. Jemand hat das Talent, und es ist eines, die ganze Luft aus einer Feier herauszulassen, die ganze Energie zu ziehen. Die Begabung, einen Satz zu sagen, mit dem sich jeder im Raum sofort unwohl fühlt.

Schön kann man es auch über Essgewohnheiten machen. Einen Menschen zu beschreiben, der, wenn er sein Schnitzel serviert bekommt, nicht gleich anfängt zu essen, wie wohl die meisten. Sondern, der das Schnitzel zuerst mal klein schneidet und ausgiebig salzt und dabei lustige Sachen erzählt. Ich kannte so jemanden. Oder mein Opa, der immer zuerst die ganze Suppe gegessen und sich die Suppeneinlage, Nudeln, Frittaten oder Backerbsen, aufgehoben hat. Sogar angeboten hat, mir diese Einlagen zu schenken. Das habe ich immer abgelehnt, weil ich dachte, da isst er nur die bloße Suppe und dann hat am Ende nichts davon. Es gibt auch Menschen, die in Lokalen den Tisch immer auf ihren Vornamen reservieren, als hätten sie gar keinen Nachnamen.

Jeder Mensch hat so viele kleine Eigenheiten, die ihn irgendwie liebenswert oder besonders machen. Ein Mensch, der auf seiner Musik Playliste, jeden Song etwa 15 Sekunden spielt und dann zum nächsten skippt. Ein Mensch, der unliebsame Leute in seiner Umgebung mit verschiedenen Schimpfwörtern (“Der Trottel”, “Der Arsch”) bezeichnet. So viel zum Thema liebeswert harhar. Ein Mensch, der dauernd einen Spruch zur jeweiligen Situation hat wie “Dreimal umgezogen ist einmal abgebrannt” oder “Durch Arbeit ist noch niemand reich geworden.” Und schließlich ein Mensch, der gerne zur U-Bahn gelaufen ist, die Stiegen oder die Rolltreppe hinunter, egal ob die Ubahn schon da war oder nicht. Schön.

Das war nur ein kleines Brainstorming meinerseits. Folgt mir für weitere Profi-Schreib-Tipps harhar.

Die Dauer der Liebe

Ich habe das Feedback bekommen, dass meine Buchbetrachtungen recht beliebt sind. Danke. Ich muss aber zugeben, ich tue mir viel leichter damit, über Filme zu schreiben als über Bücher. Ich bin noch dabei zu ergründen, warum das so ist. Weil nach fünf Jahren Basisstudium “Deutsche Phliologie” und einem f**cking Jahrzehnt anschließendem Doktorratsstudium, sollte ich es ja doch (besser) können.

Jedenfalls mache ich es transparent und sage gleich, ich tue mir schwer, etwas über Sabine Grubers Roman Die Dauer der Liebe zu schreiben, aber etwas daran hat mich trotzdem enorm inspiriert. Es geht darum, dass Bruno der Lebenspartner der Protagonistin Renata, einer Südtirolerin, die in Wien lebt, überraschend stirbt und sie nun damit und mit anderen Dingen, wie etwa die Brutalität von Brunos (Nordtiroler) Familie fertig werden muss. Es geht um Geldgier, Respektlosigkeit, ja Hartherzigkeit. Ich finde den Roman formal um einiges überzeugender als inhaltlich. Es war mir über weite Strecken zu schwer und erdrückend, aber gleichzeitig auch zu distanziert, was irgendwie ein Widerspruch zu sein scheint, für mich in diesem Fall aber nicht ist.

Es bedarf einer übermenschlichen Anstrengung, nicht dauernd zu denken: Die (Nord)Tiroler sind ein eigener Menschenschlag (harhar) und die Südtiroler aber eh auch, es wird wirklich so eine Art Binarität hergestellt. Ich kenne Nordtirol kaum, fast nur vom Durchfahren, ich kenne Südtirol ziemlich gut und ich finde, Gruber trifft den Vibe schon ziemlich, den Vibe, dem ich irgendwie immer noch unschlüssig gegenüberstehe. Vielleicht ist auch einiges einfach “lost in translation” – und damit meine ich nicht Italienisch.

Letztendlich habe ich mich in der Art, wie Renata trauert, einfach nicht ganz wiedergefunden. Es war mir etwas zu wenig “Aufarbeitung” und Weiterentwicklung. Ich habe das Gefühl, wenn ich einen so tiefen, existentiellen Schicksalschlag erfahre, noch dazu völlig überraschend, dann werde ich auch ein bisschen ein anderer Mensch, und dafür brauche ich Zeit. Renatas Umgebung meint, das ginge alles viel zu langsam bei ihr, dabei sind erst ein paar Monate vergangen. Wieso hat sie nicht schon wieder eine neue Beziehung, fragen sie. Ich habe vor einiger Zeit mit einer Freundin gesprochen, die fragte mich etwas und ich sagte darauf “Drei Jahre” und sie, das ist ja nichts. Und ja. Insofern sind ein paar Monate wirklich gar nichts. Und schon ist Renata (wenn auch halbherzig) wieder auf Tinder. Mir gibt der Roman aber gleichzeitig auch ein bisschen das Gefühl, dass mich das überhaupt nichts angeht, harhar.

Was mich inspiriert hat, ist tatsächlich das Ende, der Verweis auf den Roman Der Horizont von Patrick Modiano, weil der hat über “Jahreszeiten in den Jahreszeiten” geschrieben. Solche Beobachtungen interessieren mich immer sehr. Es heißt: “Die Romanfigur liebe den Frühling im Winter. (…) den Nachsommer im Herbst (….)” Ok, auch irgendwie komisch, dass das beste jetzt der Verweis auf ein anderes Buch ist. Aber es ist auch nicht nichts. Harhar.

Aidan Shaw

Der Facebook Algorithmus ist meinem Wesen (erschreckend) gut auf der Spur und hat mir vor einigen Tagen einen Artikel hereingespült, der wie für mich gemacht erscheint. Er ist aus der VOGUE und nennt sich Now as Ever, Aidan Shaw Is the Absolute Worst.

Wer nicht weiß, wer Aidan Shaw ist, kann sich glücklich schätzen. Zur Erklärung für diese Personen: Er ist einer der wesentlichen Partner von Carrie Bradshaw in Sex and the City gewesen und ich habe ihn vom ersten Augenblick bis zum letzten gehasst! Ok, Hass ist ein starkes Wort…naja, es ist eine fiktionale Person, ok, ich hab ihn gehasst, und zwar durchgehend. Harhar.

Nun werden einige sagen: Aber Big? Ja, man kann auch mit Mr. Big, der großen Liebe von Carrie, so seine Probleme haben und er ist wahrlich kein fehlerloser Mensch (wer ist das schon). Aber mal davon abgesehen, dass er mich persönlich als Mann viel mehr anspricht als Pseudo-Surfderdude Aidan, gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden. Big hat sich nie verstellt. Er hat immer gesagt was er will und was er nicht will, was er geben kann und was nicht. Das mag nicht jedem gefallen, aber Carrie wusste, worauf sie sich einlässt. Aidan dagegen hat sich als der ideale Boyfriend stilisiert, immer übertrieben verständnisvoll, easy going und “nett” bis zum Eingeschleime bei ihren Freundinnen – sogar Miranda ist drauf reingefallen. Das war die Oberfläche.

Wie es im VOGUE Artikel absolut zutreffend beschrieben wird: “This is the hill I will die on: Aidan is toxic, Aidan has always been toxic. From the moment he first sidled onto our screens in Season 3 of Sex and the City, with his lank hair, tighy-whities and truly questonable shirts, he gaslit, shamed, and manipulated Carrie, and he’s still doing it on AJLT. “

Aidan hat Carrie zu einer Verlobung gedrängt, damit er sich besser, sicherer fühlt. Er hat hat so getan als wäre Carrie Idi Amin, nur weil sie geraucht und ihm das nicht gepasst hat. Und er hat ihr den Betrug mit Big ewig vorgeworfen. Es ist ok, sowas nicht verzeihen zu können. Es ist nicht ok, so zu tun, als würde man verzeihen, den anderen aber Tag um Tag wieder dafür zu bestrafen.

Im SATC Spinoff And Just Like That ist Aidan jetzt auch dabei und macht offenbar munter so weiter, ich kenne die aktuelle Staffel nicht, werde auch nicht spoilern, was ich darüber gelesen habe, falls es wer schaut. Die VOGUE Autorin jedenfalls so: “But whilst many of the original characters have changed beyong recognition (…) Aidan, sadly, has not.” Harhar.

Facebook: Willst du mir solche Artikel lesen? Ich: Jaaa.

Black Bag

Vorige Woche habe ich mir den neuen Film von Steven Soderbergh im de France angesehen. Er heißt Black Bag und der deutsche Titel ist Gott sei Dank nicht “Schwarze Tasche”, sondern Doppeltes Spiel.

In diesem Film geht es um das Agentenpaar George (Michael Fassbender) und Kathryn (Cate Blanchett), die für die gleiche Organisation, aber in unterschiedlichen Einheiten arbeiten, grundsätzlich geht es aber um Cyberkriminalität. Eines Tages wird Kathryn verdächtigt, eine Verräterin zu sein und George auf sie angesetzt. Wird er seine Ehe oder die Interessen seines Landes priorisieren…?

Kleine Spoiler möglich

Jetzt werden sich natürlich viele fragen: Ein Agentenfilm, wirklich? Ich würde sagen, das ist ein Genre, das ich schon ganz gerne mag, obwohl ich der Handlung oft nicht komplett folgen kann. Oder sagen wir so: Wäre ich eine Agentin, ich glaube, ich würde bei dem Versuch zu überlegen, was ich jetzt machen oder sagen muss, dreimal erschossen werden. Harhar.

Hier haben mich tatsächlich zwei Dinge gereizt: 1) Die sehr stimmungsvollen Bilder und 2) Der Regisseur. Soderbergh ist ja jemand, den man nicht so leicht (zusammen)fassen kann, wenn man sein umfangreiches Euvre beschreiben will. Ich habe gestern den neuen Wes Anderson Film in der Pressevorführung gesehen und da schreit wirklich jede einzelne Szene von Anfang bis zum Ende Anderson. Das ist bei Soderbergh überhaupt nicht der Fall. Er hat mit dem low key Indie Film Sex, Lügen und Video die goldene Palme gewonnen (das ist auch mein Lieblingsfilm von ihm), er hat die slicke Oceans Reihe gedreht, den formal experimentellen Drogenthriller Traffic, die Actionkomödie Out of Sight etcetera. Und diese Filme haben irgendwie recht wenig miteinander gemeinsam, weder thematisch, noch vom Look – obwohl Soderbergh seine Filme oft selbst filmt und schneidet.

Was Black Bag betrifft, bin ich etwas zwiegespalten. Der Titel ist interessant. Wenn George oder Kathryn beispielsweise zu irgendeinem Einsatz verreisen müssen und der jeweils andere fragt näher nach, sagt die betroffene Person: “Black Bag” und das Thema ist vom Tisch. Ziemlich praktisch, harhar. Das hat mir gut gefallen, wie auch andere Aspekte. Beispielsweise gibt es eine Szene bei einem gemeinsamen Abendessen, wo George versucht, ein paar befreundete Agenten sowie die Unternehmenspsychologin mithilfe eines Wahrheitsserums zu befragen, mit dem Ziel, seine eigene Frau zu entlasten. Und diese Szene eskaliert sehr schön, weil die Gäste plötzlich sehr private Dinge von sich verraten (quasi Sex, Lügen ohne Video harhar) und auch die Konventionen beiseite lassen. Das ist ein hübsches Kammerspiel innerhalb des Filmes, da hätte ich gerne länger zugesehen. Die Schauspieler sind alle gut besetzt, auch Pierce Brosnan als skrupelloser, spleeniger Oberboss, obwohl Pia Reiser im fm4 Filmpodcast meinte, sie fände, er wäre in der Spar Gourmet Werbung besser aufgehoben, harhar böse.

Was in diesem Film für mich nicht so optimal funktioniert hat, ist tatsächlich der Agentenplot an sich, also auch abgesehen davon, dass ich mich wieder nicht ganz ausgekannt habe. Ich habe mal ein Video gesehen, da baut jemand ein tolles Feuerwerk auf, zündet es voller Aufregung, und dann erscheint aber nur ein kurzes kleines Licht und ein “pffft” und das war das Feuerwerk. So ähnlich habe ich Black Bag auch empfunden. Es wird eine ausgeklügelte, detailreiche, auch unterhaltsame Vorgeschichte erzählt, aber die Lösung ist dann irgendwie unspannend und enttäuschend, ein richtiger Antiklimax. Es mag sein, dass Soderbergh die Agentengeschichte hier tatsächlich weniger interessiert hat als die zwischenmenschliche Komponente, aber dann hätte er den Fokus, m.E. gleich ganz verschieben müssen. So ist es insgesamt eine etwas halbgare Angelegenheit.

Es geht mir gut

Fast in einer Sitzung habe ich Es geht mir gut von Jessica Anthony gelesen.

Das Buch habe ich von M. zum Geburtstag bekommen und es hat mich wirklich mitgerissen. Auch wenn die Erwartungen, die ich anhand von Cover, Klappentext und speziell dem Zitat auf dem Cover, hatte praktisch gar nicht erfüllt wurden. Harhar. Das Zitat lautet: “Dieser Roman schafft das Unmögliche: Er erzählt etwas Neues über die Ehe.”

Wobei: Vielleicht erzählt er etwas Neues über eine Ehe in den 1950er Jahren, abseits der Klischees. In dieser Zeit spielt Es geht mir gut nämlich, und zwar im sonst literarisch eher weniger beachteten Bundesstaat Delaware. Im Fokus steht Kathleen Beckett, eine Frau um die 30, verheiratet mit Virgil, Mutter von zwei Söhnen im Volksschulalter. Der Roman erzählt aber nicht nur ihre Geschichte, die eines Einzelkindes ständig streitender Eltern, einer aufstrebenden Tennisspielerin, die diesen Sport genauso wie die Liebe zu ihrem Tennislehrer, Billy, aufgegeben hat um – wie John Irving es vielleicht ausgedrückt hätte, eine “Mittelgewichtsehe” zu führen. Eine Ehe mit Virgil bei dem sie “ihre Gefühle unter Kontrolle hatte.” Sie erzählt auch die Geschichte von Virgil, der ebenfalls seinen großen Traum aufgegeben hat, nämlich den, sein Leben als Saxofonist zu verbringen: “sein ganzes Leben lang hatte er sich mit den Plänen, die andere für ihn machten, arrangiert.”

Ich denke, Menschen, die in ihrem Leben nicht tun (können), was sie lieben, kämpfen mit diesem Verlust, führen ein Leben, das sich gar nicht wir ihr eigenes anfühlt. Und das schwingt hier sehr stark mit. Kathleen und Virgil tun die DInge, die von einem verheirateten Paar zu dieser Zeit erwartet werden, die sie aber überhaupt nicht glücklich machen. Eigentlich leben sie wie Fremde nebeneinanderher, denn nachdem die Geschichte aus beiden Perspektiven erzählt wird, erfahren wir Leser, dass beide zum Beispiel Elvis hassen, vom jeweils anderen aber glauben, dass sie/er ihn verehrt. Und deshalb bringen sie für den jeweils anderen das Opfer, sich einen neuen Film mit ihm anzusehen. Diese grundsätzliche Sprach- und Kommunikationslosigkeit führt zum üblichen: Eskapismus in Affären und Suchtmittel.

Obwohl man das alles irgendwie kennt, ist der Roman extrem spannend und vielschichtiger als angenommen, weil er ein paar Twists einbaut, die man so nicht erwartet hat. Ich mag sehr, wie genau die Autorin ihre Charaktere beschreibt, mit so vielen interessanten Details und Eigenheiten, dass es wirklich spannend ist, immer mehr von ihnen zu erfahren, sie immer besser kennenzulernen. Und ich mag auch die Stimmung, die dieser Roman vermittelt – an diesem unheilvollen Tag, dem 3. November 1957, als quasi in einem Paralleluniversum die Hündin Laika mit Sputnik in den sicheren Tod geschickt wurde, was im Roman immer wieder Thema ist. In Delaware ist dieser Sonntag ein ungewöhnlich warmer und so beschließt Kathleen ihn im Pool der Wohnhausanlage der Familie zu verbringen. Auch das ist nur auf den ersten Blick idyllisch und wird im Laufe der Stunden und mit dem Absinken der Temperaturen (sowohl außen als auch Pool) immer sinistrer. So als würde alles auf ein schlimmes Ende, nicht nur für den Hund, hinauslaufen.

Wie es ausgeht, verrate ich natürlich nicht. Ich bin auch nicht ganz sicher, was ich davon wirklich halten soll. Sicher ist aber, dass ich Jessica Anthonys Schreibstil sehr mag und jetzt noch mehr von ihr lesen möchte.

Altweibersommer

Ich war wieder mal im Cinecenter und habe mir dort den österreichischen Film von und mit Pia Hierzegger Altweibersommer angesehen. Ich war mit doch Abstand die Jüngste im recht gut besuchten Saal.

In Altweibersommer geht es um die drei Freundinnen Elli (Hierzegger), Astrid (Ursula Strauss) und Isabella (Diana Amft), die – wie jedes Jahr – gemeinsam auf einem Campingplatz in der Steiermark ein paar Urlaubstage verbringen. Da Elli sich aber gerade von einer Chemotherapie erholt, findet dieser Urlaub nicht im August, sondern im, richtig, Alterweibersommer statt. Weil das Wetter aber schlecht ist und sich einiges Unvorhergesehenes ereignet, fahren die drei bald weiter nach Venedig…

So, ich sag jetzt mal was grundsätzliches. Es ist leicht, über Filme zu schreiben, die einem gar nicht gefallen, die einen vielleicht sogar ein bisschen wütend machen und es ist auch leicht, über solche zu schreiben, die man richtig liebt. Schwierig wird es bei Filmen, die irgendwie “ganz ok” sind. Und das ist Altweibersommer für mich, er ist ganz ok, wie letztens Sing Sing. Aber er hätte meines Erachtens wesentlich mehr Potential gehabt.

Irgendwie entscheidet Altweibersommer sich nämlich nicht so richtig, was er wirklich sein möchte. Und er wagt auch leider gar nichts. Das Licht, der letzte Film von Tom Tykwer, war sicher nicht vollends gelungen und stimmig, aber Tykwer hat so einiges versucht, was neu und für mich spannend war. Altweibersommer dagegen ist ein bisschen uninspiriert und ich habe das Gefühl, Pia Hierzegger wollte einen Film machen, auf den sich viele “einigen” können, der aber halt null edgy ist. Josef Hader taucht am Anfang auf und ist natürlich witzig, aber danach ist der Film eher so mittelmäßig amüsant. Er setzt sich aber auch nicht so richtig mit den schweren Themen Krankheit und Midlife Crisis auseinander, die er anreißt; er bleibt immer sehr an der Oberfläche.

Es gibt einen Moment, da reden die drei Frauen über Männer. Isabella, die immer an bereits Vergebene gerät, will sich endlich jemanden suchen, der alleine ist und Elli sagt ihr dann: “Wenn einer in unserm Alter allein ist dann ist er gestört. Ich darf das sagen, ich bin selber gestört.” Dieser Satz hat im Publikum die größte Ressonanz gehabt und den Film hätte ich tatsächlich auch gerne gesehen, über die “Gestörtheit” von Frauen um die 50. In Wirklichkeit wird nicht mal die “Gestörtheit” von Elli selbst reflektiert, die sich sehr selbstbestimmt gibt und ihre Freundinnen immer in die Schranken weist, wenn diese ihr zu dominant erscheinen. Sie selbst sagt aber ihrer eigenen, erwachsenen (!) Tochter permanent – dabei aber auch total selbstgerecht – was diese tun und lassen soll.

Ich finde es von mir ja auch etwas nervig, dass ich den Regisseuren immer vorschlage, was sie stattdessen für einen Film hätten drehen sollen harhar, aber ich hätte tatsächlich lieber einen Film gesehen, der darüber erzählt, was alles “schiefgelaufen” ist im Leben, in Beziehungen, einen Film über Verwundungen und Traumata. Über das Verhältnis zu den eigenen Eltern und zu den Kindern, die das Nest verlassen. Etwas über persönliche und berufliche Selbstverwirklichung. Eine Art Zwischenresümee oder auch eine Vision, was man mit dem Rest des Lebens noch anfangen kann. Aber das gibt es hier nur in Spurenelementen.

Für Immer Hier, zwei

!!! ACHTUNG WEITERHIN SPOILER MÖGLICH !!!

Bei Filmen wie I’m Still Here, die eine wahre Begebenheit schildern, stellt sich ja immer die Frage: Welchen Mehrwert hat ein fiktionales Werk gegenüber einer (ja auch möglichen) rein dokumentarischen Schilderung der Ereignisse? Wenn es um eine mehr oder weniger Nacherzählung der Ereignisse geht, um eine sachliche Aufarbeitung, dann muss ich dafür, meiner Meinung nach, keinen (Spiel)film machen.

Hier schafft es I’m Still Here hervorragend, seine eigene Existenz zu rechtfertigen. Zwar erzählt er auf einer Ebene die Geschichte der skandalösen Entführung und Ermordung von Rubens Pavia; darüberhinaus und besonders eingehend schildert er allerdings, was dieses Ereignis mit seiner Familie macht, wie seine Frau und seine Kinder mit diesem Verlust umgehen. Und da trifft Eunice eine Entscheidung, die, so denke ich, nicht jede Frau in dieser Situation so getroffen hätte. Obwohl sein Tod erst 25 Jahre später offiziell wird, erfährt sie selbst schon wenige Monate danach von einem Vertrauten davon. Das bewegt sie dazu, ein erworbenes Grundstück und ihre Villa zu verkaufen, mit allen Kindern nach Sao Paolo, in die Nähe ihrer Eltern, zu ziehen und ein Jusstudium zu absolvieren.

Aber, das große Aber: Sie erzählt ihren Kindern nicht vom Tod des Vaters. Und dieses Verschweigen bietet dem Zuseher nun sehr viel Raum für Interpretation und das ist für mich das wirklich spannende an diesen Film. Heißt es nicht, man soll den Tatsachen ins Auge sehen, die Situation akzeptieren, loslassen und ein neues Leben beginnen? Warum entscheidet Eunice anders? Sie tut es vielleicht, weil die Kinder ohnehin ahnen, was passiert ist, aber doch noch eine diffuse Hoffnung haben? Weil es vielleicht manchmal das ist, was man braucht, Hoffnung auch gegen jede Vernunft? Weil man damit besser weiterleben kann, zumindest für eine gewisse Zeit? Weil man sich ohnehin nie auf einmal verabschiedet, sondern jeden Tag ein bisschen? Und ganz metaphysisch, dem Titel entsprechend: weil seine Präsenz allgegenwärtig ist?

Ich finde es sehr spannend, darüber nachzudenken und die Glaubensätze, die man selbst dazu hat, zu überprüfen. Der Film springt ja dann noch zum Jahr 1996 vor, dem Jahr, als Eunice der Totenschein überreicht wird, was natürlich in vielerlei Hinsicht eine Befreiung und Erleichterung ist, auch eine Anerkennung der Ereignisse. Die erwachsenen Kinder reden dann darüber, wann es ihnen klar wurde, dass der Vater nicht mehr zurückkommen wird und das sind interessanterweise völlig verschiedene Zeitpunkte. Manche haben es sich früh eingestanden, schon beim Umzug, manche erst Jahre später. Sie haben also ihr Tempo der Akzeptanz tatsächlich selbst gefunden. Und auch neue Aufgaben: Marcelo verabeitet die Ereignisse in einem Buch, Eunice setzt sich als Anwältin für Menschenrechte ein, alle stützen einander gegenseitig.

Dieses darüber Reflektieren, wie steht man zur Art des Loslassens, was motiviert einen selbst dazu, nach einem großen Verlust trotzdem jeden Tag wieder aufzustehen und weiterzumachen – das war für mich das wirklich interessante an diesem Film, weil es direkt mein eigenes Leben und meine Gedanken berührt hat.

I’m Still Here wurde heuer mit dem Oscar für den besten internationalen Film, für Brasilien, ausgezeichnet.

Things Have Changed

Gestern war eine für diese Woche äußerst passende Frage bei Wer wird Millionär.

Wobei ich zugeben muss, dass ich nicht wusste, dass George Bernhard Shaw auch mal den Oscar gewonnen hat, ähm. Aber ich wusste von seinem Nobelpreis und ich wusste auch, dass Bob Dylan beides gewonnen hat. Der Tag, als Dylan den Literaturnobelpreis bekam, war einer dieser Tage, an denen mein Vater mal wieder den Untergang des Abendlandes ausrief. Mein Vater war zwar großer Musikfreund, hat mir aber schon im Kindergarten gesagt, ich solle warten, bis ich einmal lesen könne, dann würde ich eine ganz neue Welt kennenlernen. Insofern war ihm nicht klar, wieso “ein Sänger” den Literaturnobelpreis bekommt. harhar.

Ich gebe zu, ich bin kein Dylan Spezialist, ich kenne die meisten seiner berühmtesten Songs in den auch sehr berühmten Coverversionen. Aber ich liebe den Song Things Have Changed, den er im Jahr 2000 für den Film Wonder Boys geschrieben und selbst gesungen hat und für den er besagten Oscar erhielt. Dylan vertonte mit diesem Song die Gefühlswelt der Figur, die von Michael Douglas (in einer für ihn untypischen, sehr “uncoolen” Rolle) verkörpert worden ist. Ein unscheinbarer Mann in mittleren Jahren, ungekämmt, oft mit einem abgetragenen Bademantel bekleidet, in einer Art verspäteter Midlife Crisis, oder wie Dylan es ausdrückt: “A worried man with a worried mind.”

Dylan schafft es mit diesem Song, über den Ist-Zustand dieses Mannes ein echt faszinierndes Stimmungsbild zu schaffen, mit einem Text, der gleichzeitig bedrückend, aber auch ziemlich ironisch ist. Der Protagonist konstatiert: “People are crazy and times are strange” Aber auch: “I’m locked in tight, I’m out of range” Und, irgendwie resignativ: “I used to care but — things have changed.” Der Mann erwartet jeden Moment “all hell to break loose” und “if the bible is right, the world will explode”. Und eigentlich sollte er ganz woanders sein, nämlich in Hollywood. Und ganz nonchalant stellt er fest: “Lotta water under the bridge, lotta other stuff too. Don’t get up gentlemen, I’m only passing through”, was für diese Stadt gemeint sein wird, für das Leben in einer Gemeinschaft, aber auch als Hinweis darauf gedeutet werden kann, dass (s)ein Leben endlich ist.

Davor hat er allerdings noch ein paar doppeldeutige Lebensweisheiten wie: “Some things are too hot to touch” und “You can’t win with a losing hand.” Und er bekennt: “I hurt easy, I just don’t show it. You can hurt someone and not even know it” und mein Allerlieblingssatz: “All the truth in the world adds up to one big lie.” Der Satz löst soviel in mir aus, er regt so zum Nachdenken und interpretieren an, auch noch 25 Jahre später. Und was kann Lyrik mehr für Menschen tun?

San Remo 4

Na gut, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

Es hat dann eh ein anderer gewonnen, nämlich wirklich ein anderer – die Top 5 von San Remo kamen heuer ohne weibliche Beteiligung aus. Gesiegt hat aber auch die Schwermut. Nämlich Olly mit Balorda Nostalgia. Also nicht Nostalgie, diese Hure (sorry), aber immerhin eine “dumme, dumme Nostalgie”!

Also was soll ich zu Olly sagen? Der Song ist ok. Gut, das klingt jetzt irgendwie nicht so begeistert: “Oh mein Gott, der Song ist richtig ok”. Harhar. Liebe auf den ersten Blick ist das für mich nicht. Mir waren seine Auftritte auch zu overdramatic. Achille Lauro braucht nur dazustehen, und man spürt den ganzen Schmerz, der auf seiner Seele liegt. Olly ist für mich eher so das aufgescheuchte Hendel. Auch wenn er ebenfalls über eine gescheiterte Beziehung singt.

Auf X hat dann jemand darauf geantwortet das Ausbuhen sei noch das mindeste, was dort bei Unmut passiert. Im Jahr 2010 haben Teile des Orchesters (!) aus Protest gegen eine Entscheidung sogar ihre Notenblätter weggeworfen. Das wusste ich gar nicht. Diese Italiener!

Mal schauen also, wie und ob der Song bei mir noch wachsen wird. Übrigens war das eine Fehlinformation, dass die Künstler sich vor dem Festival bezüglich ESC festlegen müssen. Olly will sich das jetzt eine Woche überlegen. Na das sind mir ja die liebsten. Harhar

San Remo war jedenfalls wieder sehenswert, auch wenn mir, ehrlich gesagt, Amadeus als Moderator und Verantwortlicher doch ein bisschen abgegangen ist.

Die Globes

Obwohl gestern ja sogar ein Feiertag war und es sich somit angeboten hätte, habe ich die Golden Globes nicht geschaut. Ich habe seit ein paar Tagen eine Fitnessuhr zum Testen und da wurde mir angezeigt, dass meine Schlafqualität schlecht und mein Stresslevel unglaublich hoch ist (sogar beim Schlafen) harhar, also habe ich beschlossen, nicht auch noch mitten in der Nacht aufzustehen.

Wenn man am Tag nach der Verleihung nach Videos sucht, findet man irrsinnig viel vom Red Carpet – could not care less, wobei die Kleider heuer erstaunlich hübsch waren – und eher wenig vom Event selbst. Bzw. hat der offizielle GG Account schon Videos gepostet, aber so, dass man den Moment der Namensnennung nicht sieht und das ist doch das wichtigste bitte. Naja.

Was kann man also nach der Verleihung sagen, jetzt hinsichtlich der Oscars? Eher wenig, würde ich meinen, denn die Globes haben sich erst kürzlich neu erfunden, mit einem größeren und anderen Voting Body und so ist die Berufung auf die Verleihhistorie mit Vorsicht zu genießen. Dennoch sehe ich das Momentum von Anora, das ich persönlich eh nie verstanden habe, schwinden. Aber ich bin jetzt auch nicht der Nabel der Welt mit meinen Befindlichkeiten harhar.

Gestern, und das war die wirkliche Sensation, hat Demi Moore auch die hoch favorisierte Hauptdarstellerin von Anora Mikey Madison geschlagen, was zu folgendem Tweet geführt hat:

Darauf würde ich noch nicht wetten, aber generell hat Demi Moore schon die schöne Erzählung, dass sie jetzt mit 62 Jahren ihren ersten großen Award gewonnen hat und das macht ja Hoffnung für alle, die noch auf einen Durchbruch warten und vielleicht nicht mehr ganz jung sind. Und sie wirkt halt auch recht down to earth – es gibt ein süßes Video, wo ihre Töchter dabei gefilmt werden, wie sie auf ihren Sieg reagieren – und dann gibt es ja noch die tragische Bruce Willis Backstory. Vor allem aber ist Moore in The Substance wirklich gut. Und ich würde den Film auch nicht unbedingt als Horror bezeichnen. Wären die letzten 20 Minuten nicht, könnte das als komplett artsy durchgehen.

Sollte sie wirklich gewinnen, dann weiß ich und ich glaube alle, die den Film schon gesehen haben, welche Szene dafür wohl maßgeblich war. Es ist eine Szene nämlich, die mit Horrorelementen gar nichts zu tun hat, sondern die tiefe Verzweiflung und Unsicherheit einer Frau zeigt, die sich selbst vor dem Spiegel hinterfragt. Wir Frauen waren vielleicht alle schon in dieser Situation, vielleicht ist das noch nicht einmal geschlechtsspezifisch.

Anyway: Emilia Perez hat auch einiges gewonnen und ich liebe, wie die Medien versuchen, eine Genrebezeichnung für diesen Film zu finden, wie Drogenthriller (ganz falsch) Musicalthriller (mäh) Transmusical (naja).