almis personal blog

Happy birthday

I’ve got nothing to do today, but smile (Simon and Garfunkel)

Heute vor einem Jahr, als ich ich den kreissaal gebracht wurde, dachte ich zwei Dinge. Erstens: wo ist mein Handy? ich muss ihn anrufen. Und zweitens: welches Datum ist heute?

Ich erinnere mich an viele Details: den Geruch meiner Bettdecke. Die Uhr an der Wand. Den Himmel über Bozen, der bewölkt war. Die laue Luft, noch sommerlich warm, aber es würde regen geben, bald. Das Italienisch-deutsche Stimmengewirr überall. Die Geräusche aus den anderen Kreissälen. Die Musik. Hallelujah. Das nasse Handtuch auf meinem Gesicht. Der Galgenhumor zwischen uns. Die Menschen, die kamen und gingen. Die für mich da waren. Die Situation so ernst nahmen, wie sie war. Aber mir trotzdem ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln konnten.

Der Moment, als Adrian geboren wurde. Unfassbar. Seine Stimme, ganz ganz leise. Als ich sie hörte, wusste ich, dass ich alles für ihn tun möchte.

Wir sind heute unendlich dankbar.

von ameisen und gewinnern…

gestern: fand im orf die – meines wissens – allererste "ameisenrunde" ever zur bevorstehenden nationalratswahl statt. 

eine ameisenrunde, das ist, per definitionem, das pendant zur "elefantenrunde", der diskussion der parteivorsitzenden der im parlament vertretenen parteien. die ameisen sind demnach parteien, die erst noch ins parlament gewählt werden müssen. keine ahnung, ob der begriff ameisenrunde gang und gäbe ist, oder ob das irgendeinem spaßvogel hierzulande eingefallen ist. bisher brauchte man sowas in österreich einfach nicht, da es hier so gut wie keine kleinstparteien gibt. wie gesagt, bisher. in sachen polemische aussagen und streitkultur standen die teilnehmer den großen in nichts nach – was übrigens kein kompliment ist.

heute: es gibt drei tage im jahr, da stehe ich morgens gerne auf.

nämlich aus neugierde. dann, wenn in der nacht zuvor die golden globes, oscars und emmys vergeben werden. letzteres geschah soeben; hier die gewinner.

what the f…

grummel. 

wem ist eigentlich eingefallen, die südosttangente am wochenende zu einer großaustelle zu machen, dazu diverse abfahrten zu sperren und dann im verkehrsfunk zuerst zu sagen, es kommt zu zeitverzögerungen und – wenn man schon mitten im stau steht – zu verlautbaren, dass man die tangente doch eher bis montag früh lieber ganz meiden sollte. 

herrlich, zur housewarmingparty damit gute 2 stunden zu spät aufzutauchen. da kann man nur froh sein, dass adrian das auto auch dann mag, wenn es sich nicht großartig weiterbewegt.

badefreuden

ich dachte ja, ich hätte mich in acht jahren badezimmer mit ausschließlich dusche von der badewanne entwöhnt. 

was für ein irrtum. gestern abend ein schönes vollbad, teelichter rundherum, gedämpftes licht. hach ja, das war sehr entspannend.

es fehlte nur noch ein überteuertes hochglanz magazin, das man richtig schön mit nassen händen aufweichen kann. das nächste mal dann.

the drugs do not work, sechs

die ersten tage verliefen also gut und dann kam alles irgendwie zusammen. 

es war freitag, adrian war zehn tage alt. unser neonatologe war auf urlaub. unsere zimmernachbarn bereiteten sich auf die entlassung vor. a. wurde mit ihrem sohn nach brixen verlegt. für ihn war es der vorletzte tag vor der rückreise nach wien. und adrian ging es schlechter.

nachdem seine beatmungsintensität die letzten tage kontinuierlich verringert werden konnte, tat er sich plötzlich wieder schwerer. er wirkte angestrengt und nicht so lebhaft wie sonst. wir waren bei einem beinahe-notfall dabei, als adrians o2 sättigung plötzlich extrem abfiel und erstmals auch den herzschlag beeinflusste. ein paar schwestern kamen gelaufen und wir verließen das zimmer. standen draußen auf dem gang. konnte nicht sprechen, sahen uns nur an. was war nur los? was passierte mit ihm? wie sollten wir damit umgehen? wieso konnten wir ihm nicht helfen? heimfahren an dem tag war furchtbar. daheim fragen zu beantworten war furchtbar. schlafen war furchtbar. der ganze körper schmerzte und brannte. wir lagen einfach am bett. nicht mal fähig, das licht abzuschalten.

samstag erfuhren wir, dass sich der ductus wieder geöffnet hatte. dabei war die linke lunge kollabiert und arbeitete nicht mehr richtig. wenigstens gab es jetzt eine erklärung. doch der zustand war kritisch. adrian wurde mit einer elektrischen zahnbürste massiert, damit sollte die lunge wieder angeregt werden. sonntag lagen wir nach dem krankenhausbesuch wieder auf dem bett herum, bevor er fahren musste. draußen spielte eine blasmusikkappelle, es war ein sehr sonniger, warmer oktobertag. aber uns ging es schlecht, wirklich schlecht. ich hatte wahnsinnige schuldgefühle. irrational. aber sie begleiteten mich noch viele wochen und monate. 

dann musste er fahren. wir standen in der garage herum. die katze hatte gemerkt, dass sie ihren platz wechseln sollte und sprang von der motorhaube unseres autos auf die motorhaube des autos neben uns und rollte sich dort zusammen. je kälter es wurde, desto mehr genoss sie die warmen autos, das beobachteten wir dann ende november sehr oft. jedenfalls musste er fahren. es würde bald dämmern. ich wusste nicht, wie ich die folgende nacht schlafen sollte. mein sohn kämpfte in bozen und er fuhr bald über den brenner und dann immer weiter weg. 

am nächsten tag dann mit einem alles oder nichts-gefühl nach bozen, mir war sehr übel. unser neonatologe war wieder im dienst und als er mich sah, rief er mir zu: "die lunge ist wieder ok". fast wäre ich im um den hals gefallen. der ductus müsse aber nun per operation verschlossen werden. noch diese woche. trotzdem fühlte ich mich enorm erleichtert.

tears drown in the wake of delight

angesichts des verfrühten spätherbsteinbruches weiß ich endlich, was ich an diesem sommer vermisst habe. diese nächte, wo man vor lauter hitze nicht schlafen kann, um zwei, halb drei uhr nachts schweißgebadet wach wird. 

im herbst hört man gerne sowas wie interpol. (ich finde übrigens die bezeichnung für die stilrichtung der band post-punk revival herrlich). eines meiner absoluten traurigen lieblingslieder ist take you on a cruise. ich mag, was das schlagzeug macht, so als würde es gerade einen anderen song begleiten. ich mag den bass, der mir in den allermeisten songs nicht auffällt, hier aber schon. ich mags, wie das lied bei minute 2:09 wieder neu beginnt. den text verstehe ich zwar, die bedeutung kann man aber stellenweise nur erahnen. i make money like fred astaire. i’m a pitbull in time.

aber auch: tears drown in the wake of delight. wie wunderschön gesagt.

auf malle

willkommen österreich gabs letzten donnerstag in einer spezialausgabe – aus mallorca. 

grisse/stermann versuchten auf der "sauf- und sexinsel" gewissermaßen eine "intellektuelle revolution einzuläuten". sie lasen experimentelle lyrik von ernst jandl in der el arenal-disco oberbayern. das war hübsch anzuschauen und sehr mutig.

außerdem – wenn man sagt: "welche 3 dinge würden sie auf eine insel mitnehmen?", muss es dann bei einer halbinsel heißen: "welche eineinhalb dinge würden sie mitnehmen?"

the drugs do not work, fünf

ich kann mich an den allerersten augenblick, als ich adrian sah, gar nicht mehr richtig erinnern. es war gegen 18 uhr, drei stunden nach der geburt. ich saß im rollstuhl, als ich auf die intensivstation gebracht wurde, da mein kreislauf noch nicht so recht wollte. unser neonatologe, den ich einige stunden zuvor im kreissaal kennengelernt hatte, verließ gerade die station und sagte zu uns, adrian wäre ein liebes "poppele". ich hörte diese südtiroler bezeichnung für "baby" zum ersten mal. ich kam in dieses intensivzimmer mit 4 plätzen. es war voller ungewohnter geräusche. verschiedene medizinische gerätschaften standen herum. überwachungsmonitore piepsten. 


überwachungsmonitor, bozen 2007

neben adrian lag ein kleiner italiener. keine frühgeburt, er hatte andere probleme. seine eltern waren bei ihm. der vater grüßte mich aufmerksam, aufmunternd, interessiert. die ganzen 14 tage, die sie unsere "nachbarn" blieben grüßten wir uns, wann immer wir uns begegneten. er verstand kaum deutsch und mein italienisch war auch nicht gut genug, um mich mit ihm über unsere situation intensiv zu unterhalten. aber wenn wir uns ansahen wussten wir ohnehin, wie es dem anderen ging. als der kleine entlassen wurde, begleitete sein bruder die eltern. ich denke häufig an sie.

ich sah also adrian, und es war eine irreale situation. da war er also. plötzlich auf der welt, mit einem schlauch in der nase, einer sonde und vielen kabeln rund um ihn, einer gelben wollmütze. obwohl er nicht so schwach und hilflos aussah wie ich erwartet hatte. ich nahm seine kleine hand in meine und wusste nichts anderes zu tun. das gefühl für ihn war sehr stark, von beginn an. wir kannten uns ja auch schon einige monate. und in diesem moment tat er mir nicht leid. ich war euphorisch. ansonsten war ein blutiger anfänger. nicht nur im mama-sein, auch auf der intensivstation. an seinem brutkasten hing schon sein namensschild, es war mit einem aufkleber verziert: ein kleiner drache, der feuer speiht.

in den ersten tagen mit ihm fragten wir uns: wie berührt man so einen kleinen menschen? stören wir ihn nicht, wenn wir unsere hände durch die öffnungen des brutkastens stecken? wir lernten, dass man so kleine frühchen nicht streicheln sollte, wie normale babys. die berührung selbst ist aber sehr wichtig. am besten also, seine hände ruhig auf das köpfchen und ein bein oder seinen arm legen. sehr oft klingelte der monitor, weil adrians sauerstoffsättigung schwankte (un po ballerino sagten die schwestern – ein bisschen "tänzelnd") . dann kam eine schwester oder ein pfleger uns sah nach dem rechten, manchmal wurde die beatmungsintensität erhöht. adrians herz war hingegen stark. und auch sonst gab es in den ersten paar tagen keine komplikationen. sogar der ductus verschloss sich zunächst medikamentös.