almis personal blog

Nachtrag Mank

Ich war selbst mal, nämlich 2005, auf dem “Landsitz” von William R. Hearst in San Simeon, Kalifornien. Dem sogenannten Hearst Castle. Man kann (oder konnte zumindest) dort für ca. 25 Dollar Führungen mitmachen.

Die Palmen von Hearst Castle, August 2005

Alle Amerikaner dort so: Oh my god, it is beautiful.

Alle Europäer dort so: What the fuck!?

Außenpool

Ich mein, es ist faszinierend. So wie auch Las Vegas in seiner völlig absurden Skurillität faszinierend ist. Mister Hearst hat einfach alles genommen, was ihn an Architektur begeistert hat und hat es sich (ein)bauen lassen, bis er kein Geld mehr gehabt hat.

Innenpool

Als Marion, die Geliebte von Hearst, Mank im Film fragt, was er von Hearst Castle hält, zitiert George Bernhard Shaw: “What God would have built, if he had the money…”

Stimmung in Hearst Castle

Mank

Als ich über Pauline Kaels Biografie recherchiert habe, hab ich auch gelesen, dass sie ein Buch über Citizen Kane namens Raising Kane und Orson Welles geschrieben hat, in dem sie Orson Welles quasi vorwirft, dass dieser sich alle Lorbeeren für den bahnbrechenden Film selbst umgehängt hat, er war ja Hauptdarsteller und Regisseur, und auf den tatsächlichen Drehbuchautor Herman Mankiewicz (genannt Mank) “vergessen” hat.

David Fincher wiederum hat einen – durch Corona beinahe komplett untergegangen – Film über eben diesen Drehbuchautor gemacht, der Film heißt Mank und hatte 2020 kaum einen Kino Release. Er erzählt die Geschichte der Zeit als Mank Citizien Kane schrieb – von Orson Welles beauftragt, alleine mit einer Physiotherapeutin (er hatte ein gebrochenes Bein) und einer Sekretärin in einem verlassenen Haus in der Mojave Wüste. Dazu erfährt man in Rückblenden einiges über sein Leben. Mank war schwerer Alkoholiker und sollte in Klausur quasi überwacht werden, damit er sich auf das Schreiben konzentrierte. Plan war, die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines reichen Mannes aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen. Mank gehörte damals dem Freundeskreis von MGM Boss Louis Mayer und dessen engem Vertrauen, dem Millionär und Zeitungsverleger William R. Hearst, an. Aus Wut darüber, dass alle ihre (politischen) Ideale nach und nach verrieten, entschied Mank sich, Hearst als Vorbild für den Protagonisten in Citizen Kane zu nehmen…

Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal über einen Fincher Film sagen würde, aber Mank ist zwar ein guter Film, mir aber fast ein bisschen zu akademisch. Man hat das Gefühl, es bräuchte eigentlich nach jeder Szene eine Reihe von Fußnoten. Wenn man wenig über das Hollywood der 1930-er und 1940-er weiß und Citizen Kane nicht kennt (oder, wie ich, schon vor Ewigkeiten gesehen hat), ist es teilweise schwer, alles an den elaborierten Dialogen zu verstehen. Hier gilt aber wieder “form follows function” – etwas, das Mank im Film an einer Stelle auch sagt. Denn: Citizen Kane wäre damals dann fast nicht gedreht worden, weil das Drehbuch so komplex und sperrig war. Der Film war auch ein Flop an den Kassen, bis er dann Kultstatus erlangte und bis heute als einer der besten Filme überhaupt gilt.

Gary Oldman als Mank ist wie immer super, wenn er einen höchst facettenreichen und intelligenten, gleichzeitig aber dysfunktionalen bis kaputten Typ spielen muss. Amanda Seyfried, die ich bisher nur aus eher leichten Komödien kannte, ist hier erstaunlich tiefgründig als Geliebte von Hearst und sieht auch so aus, als käme sie direkt aus dieser Zeit. Ja und spannend ist natürlich, dass hier – ähnlich wie heuer bei Priscilla von Sofia Coppola – die für die Öffentlichkeit weitaus bekanntere Person (Orson Welles) kaum vorkommt. Der Film stellt sich total auf die Seite von Mank.

Mank hatte, wie gesagt, einige Mühe, sich in die Credits hineinzureklamieren, was darin gipfelte, dass beide, er und Welles, dann gemeinsam den Drehbuchoscar gewannen, aber niemand zur Verleihung erschienen ist. Als Mankiewicz einen Tag später vor die Kameras trat und den Oscar in Empfang nahm sagte er: “I am very happy to accept this award in the manner in which this screenplay was written, which is to say, in the absence of Orson Welles.” Als der Journalist ihn daraufhin fragt, wieso Welles dann als Autor genannt wurde, entgegnete Mank: “Well, that my friend, is the magic of the movies.”

Ein Beispiel jedenfalls wieder dafür, dass die Entstehung eines Werkes einen ebenso spannenden Filmstoff abgeben kann wie das Werk selbst. Aber vorher, wenn möglich, nochmal Citizen Kane ansehen.

Tarantinos zehnter Film

Quentin Tarantino hat ja schon vor einiger Zeit kundgetan, dass er nur zehn Filme drehen wird und etwas beamtenmäßig quasi mit Mitte 60 in Pension gehen will.

Vor ungefähr einem Jahr wurde bekannt, dass sein letzter Film The Film Critic heißen würde und das war für mich sehr erfreulich, denn erstens klingt das nach einem Plot, der mich sehr interessiert und zweitens danach, als könne man nicht mehr als ein vielleicht zehnminütiges Gemetzel einbauen. Jetzt werden einige sagen, da passt ja eigentlich überhaupt kein Gemetzel, aber Tarantino findet ja immer einen Vorwand. Ich meine, dass es wenige Hollywood Auteurs gibt, die bessere Monologe oder Dialoge schreiben als Tarantino, aber auf die Gewalt in seinen Filmen könnte ich persönlich sehr gut verzichten (auch wenn ich weiß, dass sie oft integraler Bestandteil der Handlung sind).

Die Filmkritikerin, die Tarantino ursprünglich porträtieren wollte, wäre Pauline Kael (1919-2001) gewesen, die bekannteste Rezensentin in den USA wahrscheinlich überhaupt, deren Kritiken als Kunstwerke für sich gelten. Ich kenne sie schon durch die Referenzen von Roger Ebert, ein ebenfalls sehr prominenter Filmkritiker, von dem ich einige Bücher gelesen habe. Als Tochter von jüdischen polnischen Einwandern schlug sich Kael später als alleinerziehende Mutter mit allen möglichen Jobs durch, um ihrem Kind eine notwendige Herzoperation zu finanzieren. Ihr Kurzzeit-Ehemann, der nicht der Vater war, übernahm dann die Kosten für die OP und machte sie außerdem zur Managerin seines Kinos. Kael schrieb 30 Jahre für den New Yorker, arbeitete auch ein Jahr direkt im Filmbusiness als Produzentin in Hollywood – wechselte dann aber wieder zurück auf die andere Seite. Ihre Fans nannten sich “the Paulettes”, Clint Eastwood bezeichnete sie als seine Nemesis, George Lucas erfand eine Filmfigur, die nach ihr benannt wurde – “General Kael”. Kael veriss seinen Film und bezeichnete die Figur als “hommage à moi”. Kael hatte die Fähigkeit, Filme “hinauf”- manchmal auch “hinunter” zu schreiben. Später erkrankte sie an Parkinson und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Naja und jetzt macht Tarantino diesen Film doch nicht. Ich finde, jemand anderer sollte ihn doch noch drehen, es klingt so spannend. Nachdem ich das heute alles ein bisschen nachgelesen habe, habe ich mir gleich ein Buch mit Kaels gesammelten Rezensionen bestellt, namens 5000 Nights at the Movies. Ich werde dann sicher etwas darüber berichten können.

ESC 24 – die Texte

Ich hatte übrigens recht, der heurige ESC Beitrag aus Estland mit dem Titel (Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi ist lang, nämlich der längste bisher beim Songcontest eingereichte. Und es wird noch besser, denn in Übersetzung heißt das “Über diese Drogen wissen wir doch nichts”. Die EBU hat diesen Titel zugelassen, während sie so manches “Shit” aus anderen Texten entfernt hat, wie zum Beispiel aus Izaaks Song Always on the run. Und da war “Shit” das Einzige, was vielleicht noch eine Spur edgy gewesen wäre. Anscheinend war es der EBU zu mühsam, die estnische Übersetzung zu googlen, und/oder sie haben sich gedacht, das versteht eh (fast) keiner. Dass der spanische Beitrag Zorra, Schlampe, heißt, war der EBU offenbar ebenso egal.

Auch sonst findet man einige ganz witzige Dinge, wenn man die heurigen Songtexte genauer ansieht – vor allem einmal, dass es doch relativ viele Beiträge gibt, die zumindest teilweise in Landessprache verfasst sind, nämlich 18. Das war schon mal anders. Von manchen Songtiteln würde man spontan ja eher abraten, weil sie sehr Kalauer-geeignet sind, wie zum Beispiel der Song Hollow für Lettland. Einen Song Unforgettable zu nennen, wie das Schweden tut, ist zwar nicht per se schlecht, allerdings sollte der Song dann auch dementsprechend eindrucksvoll sein; ob das gelingt, darüber kann man geteilter Meinung sein. Mich erinnert es ein bisschen an “Intelligent Music Project”, die bulgarische Band von vor zwei Jahren, die trotz ihres selbstbewussten Namens das Finale dann nicht erreicht haben. Dizzy für UK ist ebenfalls ein bisschen schwierig und nicht unbedingt positiv konnotiert und La Noia, die Langweile, wie Italien, hätte ich jetzt auch nicht gewählt.

Beim eher kontroversiellen irischen Beitrag Doomsday Blue wurde im Reaction-Video gesagt, das sei kein Song, sondern da würden einem nur Harry Potter Zaubersprüche wie “Avada Kedavra” entgegen geschrien. Ich kenne mich zwar bei Harry Potter nicht aus, aber Google bestätigt diese Behauptung. Die Zypriotin Silia Kapsis singt: “Waking up in the morning and I’m feeling like ooh-la-la”. Ich würde mal sagen, die wenigsten fühlen sich beim Aufwachen “oh-lala”, noch dazu, wenn sie danach gleich den Lover rausschmeißen, weil der ein Liar ist, aber ok. Der Kroate Baby Lasagna wiederum zieht von daheim aus und verabschiedet sich von den Eltern. Er hat seine Kuh verkauft und sagt zu seiner Katze: “Meow cat, please meow back” und diese Zeile fügt sich nahlos in den gleichermaßen kindlich-verspielten, wie auch sentimentalen Gesamtkontext ein.

Soviel mal für heute.

Gedanken

Heute hatte ich ein interessantes Treffen. Irgendwann mitten in der Coronazeit hab ich begonnen, für einen neuen Auftraggeber zu arbeiten. Wir haben seitdem immer nur geschrieben bzw. telefoniert und uns nie bisher getroffen. Zuerst war eben Corona und dann ergab es sich irgendwie auch nicht, weil sie auch in einem sehr hektischen Geschäftsfeld arbeiten, aber für heute wurde ich eingeladen, in ihr Büro gleich in der Nähe vom Stadtpark.

Stadtpark 17. April 2024 – wieder mal viel zu früh dran und noch schnell 5.000 Schritte gegangen harhar

Ich finde es ja extrem nervig, dass ich vor solchen Gelegenheiten nicht so gut schlafe und nervös bin und viel zu früh dran bin ich sowieso; ich mein, es ist ja kein Vorstellungsgespräch, ich mache den Job jetzt bereits drei Jahre. Die Chefin, der Chef sind beide lieb, sie sind zufrieden mit meiner Arbeit. Und ich freue mich ja, diese Menschen auch persönlich kennenzulernen. Aber ich denke dann immer, hoffentlich enttäusche ich niemanden und hoffentlich stehle ich niemanden die Zeit und ja, ich weiß, dass es lächerlich ist, aber can’t help. Ich habe zwar bessere Coping-Mechanismen als früher, das heißt, man merkt es mir nicht so an, aber es ist trotzdem so, dass ich mir viel zuviele Gedanken mache.

Meine Freundin K. hat mir vor kurzem dazu gesagt, das wäre halt ich, ich bin halt nicht “cool” und mir sind Sachen halt nicht wurscht und ich steigere mich halt in Dinge hinein, aber das wären ja auch gute Eigenschaften und ich könne das auch positiv sehen, so ein Mensch sei ich eben, der sich “einen Kopf macht”. Das hat mir geholfen, diese Verhaltensweise nicht so zu problematisieren. Aber einen Blogpost muss ich trotzdem dazu schreiben, das ist halt auch sowas wie Therapie.

Das Treffen bzw. Frühstück war dann auch wirklich total nett und es wird auch die nächsten Jahre viel interessante Arbeit geben und ich bin eine Stütze und das ist ja sehr schön zu hören.

Die Affäre der Sunny von B.

Heute etwas Retro-Kino.

Letztens habe ich Die Affäre der Sunny von B. erstmals gesehen, ein Film aus dem Jahr 1990, in dem Jeremy Irons eine Hauptrolle spielt und dafür den Oscar erhalten hat. Der Film beruht auf der wahren Geschichte der Sunny von Bülow (im Film Glenn Close), einer millionenschweren US-amerikanischen Erbin, ihrer (zweiten) Ehe mit Claus von Bülow (Irons) und ihrem, wenn man so will, langen Tod. Sie fiel 1980 ins Koma und starb letztlich 2008, ohne noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Im Film wird Claus beschuldigt, seine Frau mit Insulin vergiftet zu haben, weil die Ehe in einer schweren Krise war. Bei der ersten Insulinüberdosis dauerte das Koma nur einen Tag. Ein Jahr später wiederholte sich das Ereignis, mit den bekannten Folgen. Claus von Bülow wurde erstinstanzlich des Mordes für schuldig befunden und zu 30 Jahren Haft verurteilt. Mit Hilfe des Harvard Professors Alan M. Dershowitz (Ron Silver) rollt er den Fall neu auf und genau davon handelt der Film.

Dieser Film, dessen englischer Originaltitel natürlich wesentlich passender The Reversal of Fortune heißt, läuft zunächst auf ein klassisches Gerichtssaal-Drama Szenario zu. Anwalt Dershowitz versammelt seine begabtesten Studenten um sich, und zwar sprichwörtlich in seinem eigenen Haus, damit sie ihn bei der Recherche und letztlich Entlastung des Angeklagten helfen, jeder bekommt ein eigenes Themenfeld. Und das, obwohl Dershowitz selbst zunächst nicht sicher ist, ob von Bülow schuldig ist oder nicht.

Gleich zu Beginn will eine der Studentinnen, die idealistische Minnie (Felicity Huffman) aussteigen, weil sie sich als eine moralische Instanz begreift – und von Bülow für den Täter hält; folglich kann sie ihn nicht vertreten. Dershowitz hält ihr daraufhin eine äußerst amüsante, flammende Rede, die nicht von Moral handelt, Zitat: “If lawyers only defended innocent clients there would only be twelve defense attorneys and none of you would be able to find a job.” Sie handelt vom Recht auf eine Verteidigung für jeden, denn, so Dershowitz zu Minnie: “You’re sure he is guilty, a hundred percent sure?” Er spricht von Ambivalenzen und er spricht davon, dass von Bülows Stiefkinder den ersten Prozess durch ihre finanziellen Mittel in die Bahn gelenkt haben, die sie wollten. Soll Geld zukünftig über Schuld oder Unschuld entscheiden?

Die Affäre der Sunny von B. ist eine dialoglastige Persönlichkeitsstudie gleich mehrerer Personen, nicht nur Claus, sondern auch Alan und Sunny (die teilweise als nicht-allwissende Erzählerin zum Einsatz kommt und aus dem Koma spricht) Sunny ist bzw. war schwer depressiv, von diversen Drogen abhängig und ohne Sinn im Leben, da hilft das ganze Geld nichts. Claus ist ein schwer zu fassender Charakter, mit seiner manierierten Sprechweise (quasi wie sich ein Deutsch-Däne einen britischen Akzent vorstellt) und seiner stocksteifen Haltung, seinem trockenem Humor, der nicht ankommt, weil Claus zu diabolisch für Ironie wirkt, und seinem Drang danach, endlich wieder arbeiten zu dürfen (ein ewiger Streitpunkt mit Sunny, die ihm das nicht erlauben will). Und schließlich im Gegensatz dazu Alan, der arbeiten “darf”, für den sein Beruf auch alles ist, der das Haus mit Menschen und Arbeit füllt um – wie seine Ex, ebenfalls eine mithelfende Juristin nebenbei feststellt – über nichts anderes nachdenken zu müssen.

Den großen Gerichtshow Moment erleben wir hier ebensowenig wie ein abschließendes Resümee über Claus von Bülow oder der High Society an sich. Ich mag den Film, weil er so unklassisch inszeniert ist, hin und her springt und herrlich skurille Szenen hat, wie die als Claus mit dem ganzen Studentenrudel in einem chinesischen Lokal isst – wie ein kompletter Fremdkörper und doch endlich einmal so etwas wie fröhlich erscheint. Die Mahlzeiten in der Bülow’schen Villa, so sagt Claus etwas später im Film, wären immer sehr ernst und wortkarg verlaufen.

Man hätte diesen Film sehr viel konzentrierter gestalten können, mit einem Nervenkitzel-Showdown, von mir aus der amerikanischen Flagge und Justitia, die Recht gesprochen hat, die Gerechtigkeit, die triumphiert (oder auch nicht, je nach eigener Sichtweise) Jedenfalls mit ganz viel Pathos, aber mir gefällt gerade diese Hemdsärmeligkeit, dieses irgendwie Improvisierte, dieser Hybrid auch aus verschiedenen Genres. Dass man nicht das bekommt, was man erwartet hat, finde ich hier eine sehr reizvolle Symbolik angesichts der erzählten Geschichte.

Gebrauchsanweisung für den Sommer

Das neue Jahr fängt am ersten Jänner ein, ein bisschen aber auch immer am ersten richtig warmen Wochenende.

Weil das Leben einem vorspielt, es würde einfacher werden, es tatsächlich aber schwieriger wird. Weil alles draußen stattfindet, weil man sich nicht mehr verstecken kann. Weil die Ameisen kommen und die Fliegen, die sich in den Vorhängen verheddern. Weil man wieder die Gespräche der Nachbarn mithört, die man fast vergessen hatte. Weil einem das schlimmste Geräusch des Sommers einfällt, die Lautsprecherdurchsagen im Stadion. Das schief gesungene Son of a Preacher Man und Proud Mary. Weil man konzentrierter hätte schreiben sollen, als es dunkel und kalt war, weil sich das Kino jetzt oft falsch anfühlt. Weil. Weil man sich daran erinnert, wie jemand im Frühling gerochen hat, weil die Sonne einen blendet, weil die Füße schmerzen, von den neuen Schuhen.

Weil man jetzt gut gelaunt sein soll, weil man jetzt Antworten haben soll, weil man schon weiter sein soll als man ist, mit allem. Weil. Weil das erste Grillen das beste ist und das erste Bier und das erste Eis. Weil man nicht weiß, was man anziehen soll, weil es immer etwas anderes ist, in der Früh, zu Mittag und am Abend. Weil alles gleich ist, weil alles anders ist. Weil nach dieser ersten Wärme eine noch größere Wärme kommt. Weil man zu viel sagen will, weil man gar nichts sagen will. Weil man Illusionen hat, weil man nicht verreisen möchte, weil man darauf wartet, dass alle in ihre Autos steigen und aus der Stadt hinaus fahren, weil man an die jungen Frauen an den Bushaltestellen denkt, früher, als man ein Kind war, und an den Bub, der immer mit Krücken gegangen ist, weil man da immer weinen wollte, als man ihn gesehen hat. Weil.

Konfliktbewältigung

Ich (zum Kind): “Du gehst mir heute echt total auf die Nerven!”

Kind (zu mir): “Du gehst mir heute auch total auf die Nerven!”

Fünf Sekunden Stille. Wir gehen nebeneinander her.

Kind (das schon um ein Stück größer ist als ich, legt die Hand um meine Schulter): “Ohhh!”

Ich (lege den Kopf auf seine Schulter): “Ohhh!”

Konflikt gelöst. Große Kinder sind toll und zuweilen auch reifer als man selbst.