…weiter gehts…
die operation wurde für donnerstag nachmittag angesetzt.
er würde erst donnerstag gegen mitternacht wieder in südtirol sein, also musste ich da alleine durch. nach all dem was in den vergangenen drei wochen passiert war, stellte die OP keinen angst- und verzweiflungsklimax dar. das war nicht möglich, wir waren ohnedies in einem ausnahmezustand. die OP war eine herausforderung, ja, aber als solche nur eine herausforderung unter vielen. und: die überlebensquote lag bei 90 prozent. adrians überlebensprognose vor der geburt waren 50 prozent.
der donnerstag war ein langer und anstrengender tag. ich fuhr um 10 von brixen weg. ich war um 12 im krankenhaus. ich sah nach adrian und dann ging ich in die mensa. anschließend aufs wc heulen. die anspannung musste irgendwie abgebaut werden und ich musste es hinter mich bringen. gegen halb drei uhr nachmittags wurde adrian aus seinem brutkasten in den transportbrutkasten verlegt. eine elendslange und sehr komplizierte prozedur, ich denke es dauerte fast eine dreiviertelstunde. ich sah durch die glasscheibe hindurch zu und konnte mir nicht vorstellen, dass der tag kommen würde, an dem adrian diese ganzen maschinen nicht mehr brauchte, um leben zu können. unser neonatolge kam vorbei und legte mir die hand auf die schulter. er war davon überzeugt, das alles gutgehen würde.
dann OP vorbesprechung. der chirurg war aus verona und erklärte mir sehr freundlich, was bei der operation passieren würde. obwohl er gut deutsch sprach, rauschte das alles irgendwie an mir vorbei. jedenfalls hatte ich vertrauen zu ihm, er wirkte sehr ruhig und routiniert. OP start um vier. ich saß vor dem OP saal mit anderen menschen, die um freunde und verwandte bangten. das leid von anderen mitzubekommen, machte mir sehr zu schaffen. da erscheint einem das leben plötzlich so hart und schwierig und trist. und man weiß gar nicht mehr, wieso man irgendwann mal glücklich war und wie man wieder glücklich werden könnte.
um fünf war die OP zuende und es hatte keine komplikationen gegeben. der chirurg sagte es mir persönlich. für einen moment war die leichtigkeit zurück. aufatmen. durchatmen. zurück auf der station freuten sich alle. und ich war stolz auf adrian, wie tapfer er sich hielt, mit gerade mal einem kilogramm körpergewicht. er war sediert und ich blieb noch zwei stunden bei ihm, hielt seine hand. am bahnhof bozen versäumte ich dann meinen zug, der nächste würde erst um halb elf uhr nachts fahren. da das viertel abends nicht gerade gemütlich ist, fragte ich mich zum busbahnhof durch. im finsteren bus, aus dessen fenster ich nichts von der landschaft draußen erkennen konnte und mich nur an den ortstafeln orientierte, fühlte ich mich sowohl erleichtert als auch müde, hungrig, allein.
gegen zehn uhr war ich zuhause. mein shirt war nass, da ich stundenlang nicht abgepumpt hatte. gegen halb 12 war er da und wir tranken tee. dann rief ich nochmal auf der station an. alles war ok. endlich schlafen. und auf keinen fall irgendwas träumen.