Ach ja, das leidige Thema Stillen. Eigentlich müsste es das nicht sein, denn manche Frauen stillen und andere nicht – so denkt man. Doch wir leben in Zeiten, in denen nicht-stillen als freie Wahl in vielen Gesellschaften nicht vorgesehen ist, drastisch zeigt sich das gerade in Schweden, wo Mütter ziemlich unter Druck gesetzt werden, zu stillen. Werbung und Rabattaktionen für Ersatznahrung soll verboten, der Zugang zu Babymilch in Spitälern eingeschränkt werden und generell werden dort Frauen, die nicht stillen wollen oder können, oft geringschätzig behandelt. Manchmal kann man kaum glauben, dass man sich tatsächlich im 21. Jahrhundert befindet.
Meine Sicht ist folgende: ja, ich hätte persönlich gerne gestillt. Ich habe mehrere Wochen Muttermilch abgepumpt, da mein Baby bekanntlich auf der Intensivstation lag und nicht alleine atmen konnte, von trinken ganz zu schweigen. Danach hatte ich eine postpartale Operation und der Milchfluss versiegte ziemlich. Ich bin froh, dass ich es schaffte fünf, sechs Mal zumindest Stillversuche zu unternehmen, weil ich es unbedingt probieren wollte, aber es war klar, dass Stillen in meiner Situation keine große Zukunft hatte. Da waren sich auch die Stillberaterinnen im Krankenhaus einig. Ich war darüber schon etwas traurig, arrangierte mich aber dann schnell mit der Ersatznahrung, da Adrian von der Mischung zwischen Muttermilch und Pre-Milch ziemlich fiese Koliken bekam. Wir stiegen dann also nach vier Monaten ganz auf Pre um.
Würde ich ein zweites Kind bekommen, würde ich wieder versuchen zu stillen, aber ich würde mich nicht verrückt machen lassen. Denn ja, auch mir wurde damals von manchen gesagt, was ich dem Kind vorenthalte, wenn ich nicht stille (Stichwort bonding). Das ist besonders toll, wenn man eh schon ein schlechtes Gewissen bis unter die Ohrläppchen hat, weil sein Kind die ersten Monate seines Lebens “alleine” im Spital verbringen musste und in den ersten zwei Monaten kaum im Arm gehalten werden konnte. Auf der anderen Seite denke ich heute so, dass Muttermilch zwar die beste Nahrungsform für einen Säugling darstellt, wichtiger als die Milch ist aber die Beziehung zu seiner Mutter. Deshalb muss die Mutter eine Entscheidung treffen, die für sie in Ordnung ist, die sie gerade in den ersten Wochen mit Baby zu einer entspannten (soweit möglich) und ausgeglichenen Frau macht. Denn genau das braucht das Baby: eine Mutter, die sich völlig auf es einlassen kann. Klappt das Stillen, ist das wunderbar und wenn dem nicht so ist, dann gibt es gottlob Alternativen.
Ich bin überzeugt davon, dass man eine ebenso nahe und innige Beziehung zu seinem Kind aufbauen kann, wenn man es nicht stillt. Genauso wie man das schaffen kann, wenn das Kind vier Monate im Krankenhaus liegt. Ja, ich glaube, das habe ich geschafft.
Ja, damit hast du es aus meiner Sicht gut getroffen. Wichtig ist die Bindung. Wie gut die funktionieren kann:
Meiner Mutter wurde gesagt, sie solle “sich mit dem Stillen nicht quälen”. Warum auch immer. Also wurde ich mit Aptamil (oder so) ernährt. Bis vor kurzem wusste ich das nicht. Ich hab sogar im Geburtsvorbereitungskurs erzählt, ich wäre gestillt worden. Warum? Weil ich es bis dahin auch glaubte zu wissen. Meine Mutter klärte mich auf: sie hielt mich während den Flascherlmahlzeiten so, als würde sie mich stillen. Bonding works 🙂
Die Essenz: ich bin nicht dämlich und nicht krank durch die Flascherlnahrung. Tatsächlich war ich in meiner Kindheit meistens der, dessen körperliche Mächtigkeit man fürchtete. Vollkommen zu unrecht, im Übrigen.
Also: Soll doch jede Mutter entscheiden können und vor allem dürfen, wie sie ihr Kind ernährt. Kinder haben dadurch keinen zwingenden Nachteil. Punktum.
Ich wurde auch nicht gestillt. Ich glaube, in dieser Generation wurde das Fläschen recht vehement propagiert. Also Engstirnigkeit in die andere Richtung.
Ich bin ja überhaupt kein Freund von extremen Standpunkten, komme aber drauf, dass bei sehr viele Themen, die mit Elternsein und Kinderhaben zu tun haben, oft radikale Fronten gebildet werden, wo ich mich dann keiner richtig zugehörig fühle. Unnütz. Jede Familie muss ihre eigenen Entscheidungen treffen.
ja, dieses “missionieren” ist besonders nervig. btw: vielleicht wird es bald zu “stillst du oder stillt du nicht?” noch “wickelst du oder wickelst du nicht?” heißen: http://derstandard.at/1350261534978/Windelfrei-Unten-ohne
Davon hab ich auch schon gehört.
Aber windelfrei würde ich gar nicht erst probieren 😉
bin über twitter auf dein blog gestoßen und diesen beitrag gelesen – was sich bei diesem thema tut, ist mir auch nimmer wurscht…
ich hatte glück und konnte/kann meine tochter stillen, kleinere wehwehchen am anfang waren bald überstanden. ich musste dafür also keine “heldin” sein und bild mir deshalb nix drauf ein. ich hab’s sehr genossen und tue es auch immer noch, abends, und manchmal zwischendurch zum einschlafen, weil’s so einfach am schnellsten geht und ich jede schlaf-minute meiner tochter brauche, um beruflich zu “überleben”…
aber was da für ideologien aufeinanderprallen, ist unglaublich.
hätte meine tochter – in meinem arm liegend – an einem flascherl genuckelt, hätte sie sich genau so wohl gefühlt. manchmal ist es auch echt hart, da immer “alleinverantwortlich” zu sein. ein flascherl könnte ja auch wer anderer geben zwischendurch (oder ist das eine mähre?). und ich zerbreche mir jetzt schon den kopf, wie ich das hinkriege, wenn sie ein jahr alt ist und ich abstillen möchte. und hab keine ahnung, wie das gehen soll. weil sie nie aus einer flasche trinken wollte. probiert hätte ich’s immer wieder mal…
und generell: wenn man stillt, dann immer gleichzeitig zu kurz (was, nicht bis ins kindergartenalter?) und zu lang (was, nicht mit 6 monaten komplett abgestillt?).
mein resümee: ich vermeide das thema, wenn ich den verdacht habe, dass mir jemand gegenübersitzt, der da von einer variante felsenfest überzeugtist und alle, die es anders machen, für a) rabenmütter oder b) überglucken hält.