Mittlerweile bin ich bei Commissario Brunettis fünftem Fall in Venedig angekommen, also hab ich ja noch knapp zwanzig vor mir.
Ich mag Guido Brunetti einfach, und wie unaufgeregt, gleichzeitig aber sehr korrekt und kultiviert er seine Fälle in Venedig löst. Wenn man ein Fan davon ist, dass der Verbrecher am Ende seine gerechte Strafe bekommt, dann sind die Donna Leon Krimis aber vielleicht nicht das richtige. Und das nicht, weil Brunetti ein schlechter Kommissar ist – im Gegenteil, er findet den oder die Täter bisher immer – dennoch ist es durch die mafiösen Strukturen in Italien nicht automatisch so, dass die Verantwortlichen auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Es gibt immer jemand Höheren, der die Fäden zieht und das oft zu verhindern weiß, wenn es irgendjemand noch Höherem nicht behagt…ich hoffe persönlich inständig, dass das pessimistische Bild der italienischen Exekutive und Legislative stark überzeichnet ist. Sehr stark.
Ansonsten mag ich die detaillierten Venedigbeschreibungen, die echt spannend sind, wenn man die Stadt kennt und sich dort auch schon dutzende Male verlaufen hat, ja zwanzig Minuten im Kreis gerannt ist, nur am Ende wieder am selben Ausgangspunkt zu stehen; und ich mag den trockenen Humor der Bücher –
Einmal etwa legt Brunetti einem Zeugen diverse Fotos vor, dieser blättert sie durch und meint, die sehen alle aus wie Verbrecher; sein Kunde hätte den Eindruck seines rechtschaffenen und seriösen Bürgers gemacht, so wie ein Politiker. Darauf denkt Brunetti: Ist dieser Mann wirklich gebürtiger Italiener?
Einmal drapiert Frau Brunetti zuhause Tomaten im Kreis zwischen Mozerella auf einem Teller, Brunetti kommt nachhause und fragt: “Gibt es heute etwas Caprese zum Abendessen?” und seine Frau antwortet ihm: “Es wundert mich nicht mehr, dass du zur Polizei gegangen bist.”
Ach ja, eine Menge Italienisches steckt auch in den Bücher, also abgesehen von Venedig, dem Essen, dem Café, und den großen Gesten. Es sind zahlreiche italienische Ausdrücke und auch Sätze eingestreut. Wenn man nicht Italienisch kann, macht das aber auch nichts. Das meiste wird übersetzt oder umschrieben. Oder man erfühlt einfach, was gemeint ist.