almis personal blog

Wie es wirklich ist in Favoriten zu leben

Heute machte ein Text über meinen Heimatbezirk Favoriten die Runde in den sozialen Medien, erschienen im Biber und nennt sich Wie es wirklich ist in Favoriten zu leben.

Ich muss sagen, der Text hat was. Als in Favoriten Sozialisierte kann ich da vieles unterschreiben. Gut, Dönerstände gabs in meiner Jugend noch nicht soviele… Man bekommt aber wirklich immer eindeutige Rückmeldung, wenn man sagt, dass man im zehnten Bezirk wohnt, und diese Rückmeldung schwankt zwischen Mitleid und großem Mitleid. Einmal sagte jemand zu mir, als ich ihn gegenfragte, wo er denn wohne: “Ich wohne in einem schönen Bezirk.” Ziemlich vielsagend, oder?

Finden wir (Ex-)Favoritner unseren Bezirk schön? Nun ja, es kommt darauf an. Im Text heißt es, es sei ein Unterschied, ob man in Oberlaa (Naherholungsgebiet) wohne oder in der Herzgasse, dann muss ich sagen, ich hab fast in der Herzgasse gewohnt, und ich weiß, was die Autorin meint. Ich habe auch mal fast am Reumannplatz gelebt, und zwar acht Jahre lang und ich fand das damals gar nicht schlimm. Denn vom Reumannplatz aus bist du zb. in acht Minuten am Stephansplatz. Interessant aber, dass ich es gut fand, wie schnell ich von dort woanders hinkomme. Ein krasser Unterschied zu zb. Floridsdorf. Hier dauert es gefühlt ewig, bis man aus dem Grätzel draußen ist, man (oder ich) hat aber auch nicht den Drang danach. Schön, im Sinne von pittoresk, ist der zehnte Bezirk an manchen Orten vielleicht, sicherlich weniger an seinen Hotspots, aber er dennoch hat er seine Qualitäten.

Zu diesen zählen, dass man sehr man selbst sein kann. In Favoriten ist man ziemlich anonym und es gibt sehr viele skurille Menschen (einfach weil es soviele Bewohner dort gibt), da fällt die eigene Skurillität nicht auf. Außerdem leben viele Kulturen zusammen, und das geht nicht ohne Clashes ab, die – wie im Text dargestellt – auch von einer bemerkenswerten Direktheit sein können. Von elitärem Verhalten ist so und so keine Spur, es gibt keine wie immer geartete Upper Class in Favoriten, auf der Favoritenstraße prominiert man nicht, und es gibt kein Sehen und Gesehen werden, keine Dresscode, insofern ist man im Zehnten schon auch sehr relaxt unterwegs.

Was ich mit den Jahren immer weniger mochte waren die vielen Menschen überall, der ganze Trubel auf den Straßen. Mit einem Kind, das den Drang zu laufen hat, den Drang die Welt zu erobern, ist es mitunter mühsam in Favoriten zu leben, weil es einfach  anstrengend ist, weil man – zumindest subjektiv – dem Kind nicht das bieten kann, was man eigentlich möchte an Freiflächen, Selbstständigkeit, an Natur und ja, auch ein bisschen an Feingefühl. Wobei das Kind heute noch sagt, dass es ihm auch dort gefallen hat und, dass er auch gerne in Favoriten gelebt hat.

Es ist schon interessant, was Wahrnehmung ausmacht und wie sich die Wahrnehmung mit der Zeit auch ändern kann. Und natürlich ändert sich der Bezirk auch als solches in einem Zeitraum von 30 Jahren. Aber es mag schon stimmen, was die Autor in Biber am Ende ihres Artikels schreibt:

Du kriegst vielleicht dich aus Favoriten aber Favoriten nie aus dir.

Kind ja oder nein?

Diese Woche las ich auf Edition F den Artikel Warum ich mich nicht entscheiden kann, ob ich ein Baby will.

Die Autorin stellt spannende und durchaus auch sehr zutreffende Fragen, wie ich finde. Anscheinend hat sie ein recht gutes Gespür dafür, was sich mit Baby ändert, im eigenen Leben. Sie bezeichnet ein Kind zu bekommen als Nullsummenspiel – dh die Vorteile und Nachteile halten sich in etwa die Waage. Nachdem sie Antworten von Frauen möchte, die bereits Kinder haben, hier kommt meine.

Bei dem Artikel musste ich spontan an den Film Kramer gegen Kramer denken: Dustin Hoffman wird von seiner Frau verlassen und bleibt mit seinem kleinen Sohn alleine. Er ist plötzlich alleinerziehender Vater und das macht ihm, dem bisher die Karriere am wichtigsten war, ganz schön zu schaffen. Eines Abends, nach einem besonders anstrengenden Tag, macht er sich eine Liste mit den Vorteilen und Nachteilen des Elternseins. Bei der Nachteile Liste stehen viele Punkte wie keine Zeit mehr für Hobbys und gesellschafliches Leben, die Arbeit kommt zu kurz, zuwenig Schlaf, Chaos usw. Auf der Seite der Vorteile steht: nichts. Schnitt, nächste Szene: Hoffmann sitzt am Bett seine Sohnes und hält ihn im Arm.

Das sagt eigentlich alles aus. Ich halte nix davon, der Autorin nun zu versichern, es würde alles nicht so schlimm werden, und es wird sicher Menschen geben, die sie entlasten werden. Das kann niemand versprechen und darauf sollte man nicht bauen. Kinder haben ist ein Commitment mit der Ungewissheit. Das ist der Deal dabei. Was genau auf einen zukommt, kann nicht vorausgesagt werden. Das kann zermürbend sein, wie Julia von Sinn.Im.Puls, deren Blog ich kürzlich kennengelernt habe, richtig schreibt. Das Leben mit Kind unterscheidet sich elementar von der Zeit zuvor, wo man zwar durchaus auch stressige Phasen zb. im Job hatte, aber ungefähr wusste, wie lange die dauern und mehr Einfluss nehmen konnte. Und auch Erholungsphasen planen konnte. Bei Kindern weiß man das nicht, oder wie Julia schreibt: “Schreien in der Nacht? Geht das jetzt noch 2 Monate oder 2 Jahre? Stress beim in den Kindergarten gehen? 6 Monate oder 4 Jahre?” Da bleibt nur ein Motto: Go with the flow.

Ist das immer einfach, zufriedenstellend, angenehm? Wird man immer Zeit haben, sich genügend um sich selbst, seine Hobbys und seine Partnerschaft zu kümmern? Eher nicht, sorry. Tatsächlich gibt es für mich nur einen Grund ein Kind zu bekommen, und das ist der Wunsch danach. Nur wenn man diesen Wunsch hat, ist man wohl bereit, die Kontrolle abzugeben und diese Ungewissheit, die auf einen zukommt, anzunehmen.

Denn das Leben ist defintiv nicht mehr so wie vorher und das ist auch gut so. Aber eben nur, wenn man es so will.

Jeremy, who?

Nun gut, die gerade sehr populäre Schauspielerin Jennifer Lawrence fordert gleichen Lohn von Männern und Frauen, auch in Hollywood. Fair enough, immerhin wurde sie für ihre Rolle in American Hustle wesentlich schlechter bezahlt als beispielsweise Jeremy Renner, der in diesem Film eine der männlichen Nebenrollen spielte.

Jetzt argumentieren Menschen in Social Media Netzwerken damit, dass J. Law sich ja wohl nicht beschweren bräuchte, immerhin sei sie ja ohnehin super bezahlt und reich. Und das gilt nur für Frauen? Wenn Frauen mehr Geld wollen, kommen die Argumente, alle Schauspieler seien so und so überbezahlt? Das mag sein, tut aber hier nichts zur Sache, denn es geht ja um gleiche Bezahlung bei ähnlicher Leistung und nicht darum, ob die Gehälter prinzipiell angemessen sind. Und nur weil J. Law an und für sich gut bezahlt ist, darf sie sich dafür nicht einsetzen? Wenn nicht sie als eine der populärsten Schauspielerinnen im Hollywood dieser Tage, wer denn dann? Irgendeine Statistin, deren Namen niemand kennt, wird wohl kein Gehör erhalten.

Jedenfalls tat ihr Co-Star Bradley Cooper das einzig richtige, was man hier tun kann, er unterstütze ihre Forderung. Während ihr andere Co-Star Jeremy Renner wissen ließ: “Not my job!” Womit er ja nicht unrecht hat. Es ist auch nicht Coopers Job, Gehälter zu verhandeln. Darum ginge es aber auch nicht wirklich. Es ginge darum als Mann ihre Forderung zu verstehen und das zum Ausdruck zu bringen. Niemand erwartet sich, dass Renner zu seinem Agenten geht, mit der Faust auf den Tisch haut und sich beschwert, warum er mehr Geld für seine Rolle als Jennifer Lawrence bekommen hat.

Eine Alternative wäre gewesen, sich an Ludwig Wittgenstein zu halten. Sonst werden es in Zukunft wohl einige dem Filmjournalisten Sam Adams nachmachen:

 

Oh Paola

Ich bin immer noch bei den Brunetti Krimis, hab gerade Fall 14 abgeschlossen. Im Moment brauche ich für ein Buch ziemlich lange, weil ich abends nur ein paar Seiten lese, bis mir im Bett die Augen zufallen.

Jedenfalls frage ich mich: gibt es irgendwo einen “Ich finde Signora Brunetti ur nervig” Club oder eine Facebookgruppe dazu? Mir geht die Ehefrau von Guido jedenfalls mehr und mehr auf den Zeiger. Warum das?

Paola ist ungefähr so alt wie Guido, also so Mitte vierzig, die beiden haben zwei Kinder im frühen und späten Teenageralter. Paola stammt – im Gegensatz zu Guido – aus sehr wohlhaben Verhältnissen, sie ist die Tochter von Conte Falier. Paola arbeitet auf der Uni und lehrt englische Literatur. Einerseits gibt sie sich liberal, etwa, wenn sie sich für Frauenrechte einsetzt oder gegen die Kirche wettert, andererseits ist sie nicht sehr tolerant, was andere Meinungen betrifft. Sie ist schon der Ansicht, dass sie selbst die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und das sollte ihr Gegenüber eigentlich stets zu schätzen wissen.

Manchmal verhält sie sich auch recht naiv, bzw. wie ein “typisches” verwöhntes Kind aus gutem Haus. Zum Beispiel im Buch In Sachen Signora Brunetti, als sie Selbstjustiz an einem Reisebürobesitzer übt, der Sextourismus mit Minderjährigen anbietet. Ihr Zorn ist ja zu verstehen, aber muss sie deshalb mehrmals Pflastersteine in die Auslage des Reisebüros werfen? Macht sie sich mehr als fünf Sekunden darüber Gedanken, dass sie damit die Anstellung ihres Mannes gefährdet? Wäre sie nicht Erbin eines beträchtlichen Vermögens, würde sie vielleicht etwas mehr Angst vor Konsequenzen haben, und ihre berechtige Kritik etwas anders artikulieren?

Kochen kann sie allerdings fabelhaft; wenn sie mittags* zuhause ist, gibts schon da ein dreigängiges Menü für die Familie, sonst erst abends. Ach ja und was ich mich schon länger frage: Hat sie nicht eigentlich den falschen Nachnamen und müsste Signora Falier heißen? Denn in Italien nehmen Ehefrauen normalerweise nicht den Namen ihrer Männer an.

* Die Mittagspause von Guido Brunetti dauert manchmal gut und gerne drei Stunden, Mittagessen, ein kleines Schläfen, um 15 Uhr dann zurück in der Questura, wo er dann noch so drei Stündchen arbeitet.

A band called Wanda

Die Wiener Band Wanda ist sehr erfolgreich – und sehr umstritten.

Das ist so ein love to hate them- Ding. Oder auch das Phänomen der zweiten Platte. Das geht so: Die erste Platte ist Indie und neu, niemand kennt die Musiker, man fühlt sich als Insider, wenn die Band dann groß wird. Aber dann, wenn jeder die Gruppe schließlich kennt und viele sie mögen, wenden sich die Fans der ersten Stunde oft ab, und suchen eine neue Band, die sie entdecken können. Die alte Band ist dann kommerziell geworden und somit uninteressant. Dabei kommt es praktisch überhaupt nicht auf die Qualität der zweiten Platte an. Das ist ein bisschen kindisch.

Ich gehöre nie zu den Menschen, die Bands als erstes kennen. Ich höre niemals Radio – außer manchmal im Sommer im Garten Radio Wien, aber da entdeckt man keine neuen Bands – ich suche auch nicht auf Spotify über mein Profil nach Songs oder Formationen, die mir aufgrund meiner bisherigen Präferenzen gefallen könnte, nein. Ich hör die Songs, die der Mann im Auto spielt und wenn mir was davon gefällt, frage ich wie die Band heißt. Und dann höre ich einige Zeit lang nur eine einzige Band oder einen einzigen Song. Disclaimer: auf il Volo bin ich selber gekommen, dank ESC. Harhar.

Wie auch immer, auf Wanda wurde ich zu Jahresanfang aufmerksam, als das Nachbarskind dauernd “Auseinandergehen ist schwer” sang. Ich dachte im ersten Moment, er hätte bei seiner Oma Radio Niederösterreich gehört. Was anderes konnte ich mir nicht vorstellen, da ich bei seiner Mama im Auto kurz vorher die CD Oceania von den Smashing Pumpkins gesehen hatte (deren Song One Diamond one heart ich zu dieser Zeit selber in Endlosschleife hörte). Doch dann verriet er mir, dass das auf FM4 laufen würde. Und die Band Wanda heißt.

Dann erzählten Freunde von ihr und im Falter gabs einen Bericht und langsam wurde mir klar, dass Wanda der neueste heiße Scheiß war. Noch immer hatte ich keinen Ton gehört, ich sah dazu noch keine Veranlassung. Dann kam jetzt vor kurzem die zweite Platte heraus und in deren Begleitung diverse Shitstorms. Wie kann man seine Platte Amore nennen (wenn man kein italienisches Pop-Opern Trio ist zumindest)? Und der Sänger wäre ja so ein arroganter A… Ach was. Wir als Nation hatten ja niemals Welterfolge mit Sängern, die präpotente A… waren. Oder? Na ja und die Musik erst – die Songs wären zwar Ohrwürmer, man könnte sich ihnen nicht erwehren, aber gleichzeitig wäre das verabscheuungswürdig. Das war dann der Moment, wo ich der Versuchung nicht widerstehen konnte und mir den Song Bussi Baby anhörte.

Ja, ganz schöner Ohrwurm. Sehr professionell produziert, soweit ich was davon verstehe. Teils interessanter, teils infantiler Text. Klingt gesanglich schon nach Falco, vorallem sprachlich, dh wie der Sänger Wienerisch singt. Auf Twitter las ich dann von jemandem, er hätte keine Meinung zu Wanda. Ich glaube, da schließe ich mich an. Aber schlecht finde ich es auf keinen Fall, wenn eine Wiener Band über die Landesgrenzen hinaus beliebt und bekannt wird.

Auf dem Heimweg von der Schule sang ich Bussi Baby mal vor mich hin, und das Kind meinte: “Das singt der K. auch immer” Ich dachte an seine Eltern. Die sind also noch nicht vom Glauben abgefallen. Passt.

Gags, Gags, Gags und Wahlen.

Aufgrund der Wahl hab ich – nach langem wieder Mal – Willkommen Österreich angeschaut, in der Hoffnung auf gute Gags, Gags, Gags zur Wahl. Wurde auch nicht enttäuscht. Stermann bedankte sich bei den “Leihsehern”, die “aus taktischen Gründen jetzt eingeschaltet haben, obwohl sie lieber etwas anderes angeschaut hätten.” Natürlich wurde auch einigermaßen über die Trendumfrage des ORF gelästert: “Was war das für eine Trefferquote liebes Sora Institut? Da hat Ursula Stenzel ja eine höhere Trefferquote auf Tinder.” Und: “Das einzige Ergebnis, was halbwegs gestimmt hat, war das von der ÖVP, aber da musste man ja auch nicht sehr hoch rechnen.”

Am Anfang hat sich Stermann allerdings mal versprochen und von der Wahl “gestern” geredet – die Sendung wird ja Montag aufgezeichnet, allerdings erst am Dienstag gesendet. Die Aufzeichnung lief außerdem zeitgleich mit dem EM Qualifikationsmatch Österreich gegen Liechtenstein, worauf Grissemann dann Stermann fragte: “Wie hat eigentlich Österreich gestern gespielt?” Und Stermann: “Gut, ich habe nach dem 1:0 von Arnautovich allerdings ausgeschaltet.” Keine schlechte Antwort, denn das erste Tor der Österreicher dürfte knapp vor Aufzeichnungsbeginn gefallen sein.

Sollte der ORF Wert darauf legen, dass ich ihn öfter schaue (bzw. überhaupt fernsehe), sollte es mehr Wahlen geben. Ich hab nicht nur fünf Stunden Wahlberichterstattung am Sonntag geschaut, sondern nach Monaten dann noch zweimal ZIB2 (Armin Wolf steht ja jetzt auch teilweise im Studio?!) und eben WÖ. Eventull gibts noch eine Diskussionsrunde am kommenden Sonntag bei “Im Zentrum”, die sich auch mit den Wahlen beschäftigt? Ach ja, und sehr gute Analysen zu den Wahlen hatte auch der FALTER diese Woche zu bieten. Aber den les ich ja sowieso.

Trendumfragen, what else?

Am Sonntag war also Wahltag in Wien. Im Vorfeld führte das doch zu einiger Spannung, da, je näher der 11. Oktober rückte, umso mehr medial und umfragetechnisch erwartet wurde, dass es auf ein Duell zwischen rot und blau hinauslaufen würde.

Wir waren zum zweiten Mal in Floridsdorf wählen und auffällig war der große Andrang im Wahllokal und das, obwohl wir um die Mittagszeit dort waren. Wir mussten uns doch einige Minuten vor dem Wahlkammerl anstellen, bis wir an die Reihe kamen. Das ist mir bisher bei Wahlen noch nie passiert. Im Wahllokal trafen wir auch gleich vier Menschen aus unserem Haus – was nicht allzu verwunderlich ist, denn seit wir hier wohnen, treffen wir praktisch immer diverse Menschen aus der Anlage, wenn wir das Haus verlassen oder heimkommen. Ein interessantes Phänomen.

Danach waren wir im Kino – Alles steht Kopf, fantastisch und zugleich programmatisch, für den weiteren Wahlabend, denn: um 17 Uhr gabs dann die erste Wahlsendung des ORF, die die Zeit bis zur ersten Hochrechnung überbrücken sollte. Zusammenfassend kann man ganz objektiv und nüchtern über diese Fernsehstunde sagen: ES WAR DER REINSTE SCHWACHSINN! Da wurden Trendumfragen (keine Exit Polls) präsentiert, deren Essenz war, dass es der FPÖ gelingen könnte, tatsächlich die erste Kraft in Wien zu werden. Es wurden Politiker zu diesem “Ergebnis” interviewt, es wurden Überlegungen angestellt, wer dann mit wem koalieren würde. Es wurde analysiert, wie es dazu kommen konnte.

Dann um 18 Uhr tatsächliche erste Hochrechnung: plötzlich lag die SPÖ gute neun Prozent vor der FPÖ. Von Duell nicht den Hauch einer Spur. WTF??!!!! Hier wurde den Zusehern eine Stunde Lebenszeit gestohlen, oder wie Kurier Kolumnist Guido Tartarotti es pointiert auf Twitter ausdrückte:

Also dann quasi Kommando zurück, alles doch ganz anders. Die Hochrechnung stimmte für die Kleinparteien dann soweit, allerdings wurde später wieder voreilig verkündet, dass der erste Bezirk rot werden würde (trotz herber Verluste der ÖVP war es dann knapp doch nicht so), und, dass es in Floridsdorf einen Bezirkshauptmannwechsel (von rot auf blau) geben würde – was sich nach Auszählung der Briefwahlkarten ebenfalls (gsd) als Irrtum herausstellte. Was allerdings auch bewies, dass der Spruch von wegen “jede Stimme zählt” doch durchaus seine Gültigkeit hat.

Gestern dann in der ZIB 2 durfte der SORA-Chef, der die Trendumfrage auf dem Gewissen hatte, sich quasi bei seinem Aufttraggeber vor laufender Kamera rechtfertigen, weshalb sie so falsch gelegen hatten. Der ORF selbst rechtfertigte sich übrigens für den frühen Start seiner Berichterstattung damit, dass der Privatsender PULS 4 halt auch schon um 17 Uhr auf Sendung gehe, da bliebe ihnen nichts anderes übrig, als auch zu senden. Auch wenn es nichts zu senden gäbe.

Ironie des Schicksals: die ORF Astrologin hatte eine bessere Prognose des Wahlausgangs zu bieten, als sämtliche Meinungsforscher…

P.S. Die Wahlbeteilung lag diesmal tatsächlich um 7 Prozent höher als bei der letzten Wien-Wahl.

Nikita – seriously?

Im Zuge dieser Facebook Musikchallenge bin ich auf viele Songs gestossen, die ich schon lange nicht mehr angehört bzw. deren Videos ich ewig nicht angesehen hatte.

Als besonders skurill hat sich das Video zum Elton John Song Nikita herausgestellt. Früher erschien mir das als ganz normales Video, das über einen Mann erzählt, der in eine Frau verliebt ist und die halt nicht zusammenkommen können. Aber wenn man sich das heute anschaut, gruselt es einen ein bisschen. Verbotene Liebe eines Stalkers in Ballonseide während des kalten Krieges.

Ich mein, ehrlich? Elton John als der Protagonist fährt im tiefsten Winter, wenn russische Soldaten (die sicher Kälte gewöhnt sind) Pelzmützen tragen mit einem roten Cabrio vor. Und dann macht er einfach ein paar Fotos aus dem Auto heraus von seiner Angebeteten, einer russischen Grenzsoldatin. An der offenbar Berliner Grenze. Wo alle mit Maschinengewehren patrouillieren. Und niemand juckt es. Früher war das mit Datenschutz und Geheimhaltung also auch nicht viel besser.

Und das Passfoto, das damals in Elton Johns Pass klebte? Mit Brille und Hut. Das ginge heute auch nicht mehr durch.

Ausflug nach gestern

Auf Facebook gibts gerade die Musik-Challenge. Normalerweise reiße ich mich nicht um sowas und war sehr froh, dass die Icebucket-Challenge damals an mir vorübergegangen ist, aber als ich von meiner ehemaligen Italienisch-Lehrerin aus dem Gymnasium zu dieser Sache nominiert wurde, dachte ich: warum eigentlich nicht? Klingt lustig.

Und das war es auch, bewusst wieder in eine Zeit und ein Lebensgefühl eintauchen, dass 20-30 Jahre zurückliegt. So leicht ist es im übrigen gar nicht, sich auf sieben Songs zu beschränken, so vieles fällt einem wieder ein, was damals wichtig war und für den jeweiligen Lebensabschnitt steht.

Im Zuge dessen ist mir auch wieder “eingefallen” wie ich in der 7. Klasse sitzengeblieben bin, also kurz vor der Maturaklasse. Natürlich ist das bei weitem nicht das Schlimmste, was einem als Siebzehnjährige passieren kann, es war aber schon eine Bruchlinie in meinem Leben, weil ich die ganze Sache sehr schwer verkraftet habe. Seit damals kann ich mit solchen Standard-Sprüchen wie “Das wird schon alles gut gehen” nichts anfangen, und präferiere Aussagen, die etwa lauten: “Egal was passiert, ich werde für dich da sein.” Weil man kann nie wissen, wie eine Sache wirklich ausgeht.

Jedenfalls: es hat mich sehr deprimiert, nun ein Jahr länger in die Schule gehen zu müssen, obwohl ich nicht die einzige Repetentin war. Aber das einzige Mädchen. Freuen konnte sich allerdings die neue Italienischlehrerin. Statt drei (sic!) Schülern hatte sie nun sieben. Die ersten Wochen hab ich jeden Morgen geheult. Ich wollte keine neue Klasse, ich wollte nicht die Fächer, die ich positiv abgeschlossen hatte (und das waren immerhin alle anderen außer Mathematik) nochmal wiederholen, ich hasste es, dass jeder etwas dazu zu sagen hatte, dass ich “sitzengeblieben” war, der absolute Knaller: “Die hat sicher nix im Kopf.” Sowas kam von jemanden, der selbst später wiederholte. Nein, ich war nicht schadenfroh. Aber es war schon hart an der Grenze.

Letztendlich hat immer alles seinen Sinn. Wenn man in so einer misslichen Lage ist, lernt man auch das Menschliche zu schätzen, das einem begegnet. Dass ich etwa die Mathematiklehrerin wieder bekam, die ich schon in der Unterstufe hatte und die mir sagte: “Das schaffen wir gemeinsam.” Die strenge Musiklehrerin, die mich in den Arm nahm, als ich wieder einmal einen Fünfer kassierte. Viele andere Ex-Lehrer, die mich am Gang fragten, wie es mir denn gehe. Die alten Mitschüler, die für mich da waren und mich – mitsamt der Professorin – zu ihrem Venedigtrip mitnahmen (vom Direktor abgesegnet). Und diejenigen neuen Mitschüler, die mich unterstützend aufnahmen, die mich nicht so behandelten, als wäre ich eine unheimliche Spezies, die mich aufheiterten. Da gibt es Freundschaften, die bis heute Bestand haben.

Epilog: ich habe dann letztendlich – wieder knapp –  diese Klasse geschafft. Mr. Almi hat mir in der 8. Klasse den neuen Stoff erklärt und mit mir gelernt, und irgendwann im März 1995 ging mir der Knopf auf. Und ich verstand plötzlich. “Leider” etwas spät, da ich im Juni 1995 meine Mathematiklaufbahn ja schon beendete. Meine Mathematikmatura wurde mit “befriedigend” beurteilt, um einen Punkt am “gut” vorbei. Und: ich bin echt froh, dass das Kind seine mathematischen Fähigkeiten von seinem Vater geerbt zu haben scheint.