almis personal blog

Für Immer Hier

Vorige Woche habe ich I’m Still Here gesehen. Sehr viel Taschentuch Geraschel im vollbesetzten Votivkino.

Ich habe eh schon mal geschrieben, dass ich den Titel immer wieder vergesse und nachschauen muss, weil es relativ viele Filme gibt, die ähnlich heißen, die Mockumentary von Casey Affleck hat sogar exakt diesen Titel. Der deutsche ist allerdings auch nicht wirklich einprägsamer. Aber der Film ist ja nach einem autobiografischen Roman gleichen Namens gedreht worden, dieser Name hat auch einen tieferen Sinn und diese Geschichte hat sich tatsächlich ereignet.

Rubens Pavia (Selton Mello) ist ein erfolgreicher Ingenieur, der mit seiner Frau Eunice (Fernanda Torres) und seinen fünf Kindern Anfang der 1970er Jahren in einer hübschen Villa in Rio de Janeiro gleich neben dem Strand lebt. Früher war Rubens Politiker und nach dem Militärputsch lebte er eine zeitlang im Exil. Nun ist er zurück und unterstützt weiterhin heimlich Verfolgte des Regimes. Diese Aktivitäten hält er weitgehend von seiner Familie, auch von seiner Frau geheim. Bis eines Abends bewaffnete Beamte der Regierung vor der Tür stehen und Rubens abführen…

SPOILER MÖGLICH – DIE GESCHICHTE ERZÄHLT EINE REALE BEGEBENHEIT

Die Familie Pavia, wie sie hier geschildert wird, ist fast zu sympathisch und glücklich. Im ersten Teil des Filmes können wir ihr weitgehend idyllisches Leben mitverfolgen, das sich vor allem in der Unbeschwertheit zeigt, mit denen die Kinder, gemeinsam mit ihren Freunden dauernd, vom Meer tropfend, im Haus aus- und ein gehen. Es ist immer etwas chaotisch, immer aber auch fröhlich-lebendig. Das Schlimmste, was in dieser Zeit passiert, ist, dass der herrenlose Hund, den die Kinder vom Strand mitgebracht habe, Flöhe hat und sie ihn baden müssen. Aber wie sie ihn baden, ist auch schon wieder total niedlich.

Rubens hat ein sehr enges Verhältnis zu seinen Kindern, immer, wenn sie nach Hause kommen, fragen sie sofort nach ihm. Er wird auch sehr empathisch dargestellt, was sich in vielen kleinen Gesten und Szenen äußert. Einmal haben sie Besuch und der Sohn Marcelo erzählt etwas, worauf Rubens sagt: “Er erzählt immer sehr lange und verwirrende Geschichten.” Und als Zuseher erwartet man dann irgendwie, dass Rubens ihn gleich etwas genervt stoppen wird, aber er sagt, ganz im Gegenteil: “Komm, erzähl uns eine deiner langen und verwirrenden Geschichten!”

Alles ist also superfein, doch die Gefahr lauert im Außen. Es mehren sich mysteriöse Verhaftungen bzw. Entführungen von Regimegegnern. Auch Rubens und Eunice machen sich Sorgen, vornehmlich aber um die älteste Tochter Vera, die gerade in ihrer “rebellischen Phase” ist, wie sie es nennen, und gegen alles protestiert. Sie schicken sie zum Studieren nach London, um sie aus der “Schusslinie” zu nehmen, was sich als sehr weitsichtige Entscheidung herausstellt. Dass sie selbst – Rubens, Eunice und auch die zweitälteste Eliana – abgeholt und in Haft genommen werden, kann damit allerdings nicht verhindert werden. Eliana kommt am nächsten Tag wieder nachhause, Eunice nach einigen Wochen in einem furchtbaren Gefängnis. Rubens hingegen bleibt verschwunden. Und schlimmer noch: Von den Behörden wird abgestritten, dass er überhaupt jemals verhaftet worden ist. Staatlich gestütztes Gaslighting also.

Morgen erzähle ich dann weiter – und gehe auch auf das sehr wichtige Thema “Loslassen” ein.

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