WEITERHIN SPOILER MÖGLICH!
Ich knüpfe gleich da an, wo ich gestern aufgehört habe.
Shelly bedauert also, keine größere Rolle im Leben ihrer Tochter zu spielen, aber es scheint klar, dass sie diese Entscheidung wieder genauso treffen würde, denn es ist auch ihr Leben und ihr Traum. Und das mag ich auch sehr gerne an diesem Film: Es wird nicht ge-“sugarcoated”, dass jederzeit alles möglich ist, und man sich einfach nur richtig anstrengen muss, nein: Manche Entscheidungen werden andere Optionen, die einem vielleicht ebenso wichtig sind, (nahezu) ausschließen, zumindest temporär. Und mit den Konsequenzen muss man dann leben (können). Und darüber gibts nicht zu verhandeln, so ist das nun mal. Diese realistische Abgeklärheit fand ich so wohltuend ehrlich.
Auch ansonsten funktioniert The Last Showgirl für mich hervorragend. Die Darsteller hier sind alle so passend besetzt. Anderson sowieso, auch mit ihrer ganzen Backstory, die man irgendwie mitdenkt. Aber auch Jamie Lee Curtis, die sehr uneitel die immer etwas vulgäre, immer etwas betrunkene Freundin von Shelly spielt, wäre eher in dieser Nebenrolle oscar-worthy gewesen als in Everything Everywhere all at Once. Wie sie eines Tages in dem Casino, in dem sie als Kellnerin arbeitet, einfach auf einen Roulettetisch steigt und selbstvergessen Scheiß-drauf zu Total Eclipse of the Heart von Bonnie Tyler tanzt, einem Song, der ohnehin so aufgeladen ist mit 1980er Pathos und aber auch diesen Working Class Charme hat, das ist ganz eindrucksvoll, weil es so viel zwischen den Zeilen transportiert.
Überhaupt mag ich die Bilder, die uns Gia Coppola von Vegas liefert, das wir hier erstaunlich oft bei Tageslicht sehen, wenn man so will ganz “ungeschminkt”. Sie lässt ihre Charaktere zwischen den ewigen Baustellen am Strip spazierengehen, sie zeigt uns das kleine etwas heruntergekommene Haus von Shelly samt verwildertem Garten, quasi im Schatten der riesigen Casinos, zum Beispiel The Stratosphere (da bin ich selbst mal abgestiegen. Das klingt so, als wäre ich dauernd dort, also das eine mal, wo ich in Vegas war, war ich im “Strat” harhar). Auch das alles ist Vegas. Hier ist halt gar nichts glamurös, hier ist nichts ästhetisch, aber dafür ist es echt in seiner ganzen Desolatheit. Andererseits vermittelt der Film in Momenten auch eine etwas “wildromantische” Sicht auf die Stadt, wenn Shelly in vollem Federboa-Strass Kostüm am Dach “ihres” Casinos steht und auf ihre künstliche Welt blickt, die sie in all ihrer Neon-Extravaganza aber auch so ehrlich und mit ganzem Herzen liebt.
Abgesehen davon, dass ich Jason Schwartzman (auch einer aus dem Coppola-Clan) den ich gern mag, hier, wie erst unlängst in Queer, schon wieder nicht erkannt habe harhar, möchte ich noch sagen, dass mich The Last Showgirl in seiner unsentimentalen Verletzlichkeit total abgeholt hat, mit der Botschaft: Finde etwas im Leben, dass dich wirklich begeistert und von dem du überzeugt bist, dann wirst du leichter mit allem fertig werden, auch, wenn dir dein Herz gebrochen wird oder du es dir selbst brichst. Und dieser Film braucht auch genau das verträumte-offene Ende, das er hat. Seufz.
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