almis personal blog

Frühstück bei mir: Andre Heller

Immer wenn es irgendwo eine Sendung, ein Interview mit Andre Heller anzuschauen oder hören gibt, dann verfolge ich das. Weil es für mich persönlich immer irrsinnig bereichernd und inspirierend ist, ihm zuzuhören. So auch letzte Woche in Frühstück bei mir. Heller sagt “Gnädige Frau” zu Claudia Stöckl, siezt sie und fragt sie, wie oft sie traurig ist.

Sie sprechen viel über Hellers Park ANIMA in Marokko. Pro Tag habe dieser etwa 500 Besucher, was auch so die Grenze ist, damit er nicht übervoll wird. Heller meint, die Leute gehen dorthin um sich “auszuzittern”, vielleicht zu weinen und auch wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Es haben ihm schon einige erzählt, dass sie im Park beschlossen haben, sich scheiden zu lassen oder den Beruf zu wechseln. Manche sagten ihm, sie seien beim Hinausgehen mutiger gewesen als ich beim Hineingehen. Heller begreift den Park als Ort der Heilung und eine Absage daran, sich selbst zu belügen.

Sich selbst belügen, das sei auch ihm nicht fremd; in jungen Jahren habe ihm ein Darmverschluss aufgrund seiner zeitweiligen Drogenabhängigkeit fast das Leben gekostet. Er sei er “ein rachitisches Knochenbouquet” gewesen, ohne Kraft, gleichzeitig aber auch größenwahnsinnig. Er beschreibt sich als “frech, gemein und unverschämt” zu sehr vielen Menschen. Er habe dann gemerkt, dass er sich ändern müsse. Überhaupt sei sein ganzes Leben bestimmt vom Lernen und der Weiterentwicklung. Er meint: “Wenn etwas Schreckliches ins Leben kommt, muss man sich fragen – warum kommt das?” Nichts passiere grundlos. Niederlagen gäbe es für ihn aber nicht, nur Erfahrungen.

Besonders interessant habe ich gefunden, was er bereut, das seien vor allem seine Feuertheater in Lissabon und Berlin (1983 & 1984) gewesen. Aufgrund der angespannten budgetären Situation habe man die Show nicht proben können, sondern nur einmal aufführen. In Lissabon sei alles so eskaliert, dass er ein paar Stunden gefürchtet hätte, es wären dabei Menschen ums Leben gekommen. Ein Zuseher, der in Berlin dabei war, habe ihm am Wiener Graben einmal geohrfeigt, weil er so in Panik geraten sei. Dazu Heller: “Ich habe die Ohrfeige total verstanden, habe ihn umarmt und wir haben uns gegenseitig vergeben.”

Launig erzählt er dann noch, dass er ein “Rausgeher” sei, aus Filmen, die ihm nicht gefallen, aus Opern und Theaterstücken. “Warum soll ich da sitzen bleiben? Da ist es doch gescheiter, ich geh im Stadtpark spazieren.” Und wenn jemand seine Programme verlässt? “Dann weiß er hoffentlich warum.” Das habe er aber nur einmal beobachtet: “Vielleicht hat er aber Durchfall gehabt, das kann ja auch sein.” Er persönlich kaufe immer nur Ecksitzplätze und er arbeitet an einem Theater, das nur aus Ecksitzen besteht. Harhar, das wär was für mich. Generell sagt er viele Dinge ab. Er gehe nicht zu Einladungen, wo er weiß, sie werden ihm nicht guttun und er führe auch aus diesem Grund viele Gespräche nicht.

Zeit sei das Kostbarste, findet er. Jeden Abend prüfe er: “Habe ich meine Talente sorgfältig genug genützt? Habe ich mich aufgeplustert, um jemand zu imponieren?” Dann mache er noch eine Stunde etwas sinnvolles und gehe mit einem guten Gefühl schlafen.

Wirklich ein sehr schönes Gespräch.