Seit einigen Tagen ist der Skandal um Harvey Weinstein, einem der Gründer von der mehr als sehr erfolgreichen Filmproduktionsfirma Miramax in allen Medien. Weinstein wird beschuldigt, zahlreiche Frauen sexuell genötigt zu haben. Die Vorwürfe reichen bis hin zu Vergewaltigung.
Das ist ein herbes Ende eines Märchens aus Hollywood. Harvey und sein Bruder Bob hatten ihre Filmfirma Ende der Siebziger gegründet und ihren klingenden Namen aus den beiden Vornamen ihrer Eltern zusammengesetzt. Ursprünglich aufs Arthouse Kino spezialisiert, katapulierte sich Miramax durch Steven Soderberghs Sex, Lies and Videotapes an die Spitze des amerikanischen Independent Kinos. Eine Übernahme durch Disney folgte, die Brüder blieben allerdings an der Spitze ihrer Produktionsfirma. Was dann filmtechnisch geschah, war beispiellos. Miramax (und später The Weinstein Company) produzierte Kaliber wie Pulp Fiction, Der englische Patient, Shakespeare in Love, The King’s Speech oder The Artist. Oder wie Sasha Stone von Awards Daily vor kurzem getweetet hatte: zwischen 1993 bis 2004 hatte Miramax in jedem Jahr bis auf einem einen ihrer Filme als “best picture” Nominee. Dreimal siegreich. Was die Macht beschreibt, die Weinstein in diesem Business hat(te). Und auch sein filmtechnisches Gespür.
Umstritten war Weinstein schon lange, wegen seiner cholerischen Art und seinem harten, oft unerbittlichen Auftreten, allerdings gestand man ihm das quasi zu als “engagiertes Marketing” in eigener Sache zu. So schwarz/weiß wie beispielsweise Trump war er nicht einzuordnen, weil er sich politisch durchaus für hehre Dinge engagierte, ein gerechtes Gesundheitssystem, für AIDS- und MS-Therapiemöglichkeiten, für Armutsbekämpfung und auch gegen Waffenbesitz. Er galt als Großspender der demokratischen Partei.
Das alles erwähnt habend, kann es auf die Anklagen zahlreicher Frauen (u.a. Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie, um nur die bekanntesten zu nennen) natürlich niemals die Antwort geben, die Donna Karan – übrigens eine Designerin (sic!) der Presse zu dieser Causa gab, nämlich, dass die Frauen das mit ihrem Kleidungsstil quasi wahrscheinlich auch einfach herausgefordert hatten. Und zwar never ever! Wie man als Frau oder einfach als menschliches Wesen so eine “Erklärung” für sexuellen Missbrauch geben kann, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben. Und Weinsteins eigene Erklärung dafür, dass er in einer Zeit groß geworden war, in der das irgendwie “zur Kultur gehörte” also quasi gesellschaftlich legitimiert war, lässt einen noch mehr die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Und übrigens sind die Frauen auch nicht selbst schuld, weil sie sich nicht gewehrt oder Weinstein nicht angezeigt haben. Dafür gibt es viele Gründe. Ihnen daraus einen Vorwurf zu machen, ist nur der klassische Versuch einer Opfer-Täter Umkehr. Und ja, fast alle Frauen machen in ihrem Leben zumindest einmal die Erfahrung eines sexuellen Übergriffes in der einen oder anderen Form. Und das ist nicht normal oder als Kavaliersdelikt hinzunehmen, und 2017 sollten wir wirklich soweit sein, da nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen.
Wie Sasha Stone in ihrem aktuellen Essay über Weinstein richtigerweise schrieb, geht mit Weinstein nicht nur eine Fixgröße der Filmindustrie, sondern auch ein alter, überholter Spirit, eine Dominanz des (weißen) selbstgefälligen Machtmenschens. Dieses Jahr könnte ein Jahr werden, in dem Frauen mehr mitzureden haben bei den Oscars, u.a. die wunderbare Greta Gerwig, die mit Lady Bird erstmals nicht “nur” Co-Autorin ist, sondern Drehbuchautorin und Regisseurin. Und vor allem sollten Frauen und Männer sich in dieser, wie auch in jeder anderen Branche, auf Augenhöhe begegnen können:
“That’s why it’s so essential that we change the power dynamic from the inside out, to address a generation that is tired of Hollywood’s old ways, and is ready to embrace the change no one can stop from coming.”
(Sasha Stone)
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