Gestern habe ich mir Jonathan Glazers The Zone of Interest angesehen, laut Steven Spielberg der beste Holocaust Film seit Schindlers Liste. Spielberg ist offenbar von sich überzeugt. Harhar. Tatsächlich ist The Zone of Interest ein ganz anderer Film als es Schindlers Liste war, denn er porträtiert das Leben der Täter.
The Zone of Interest basiert lose auf dem Roman von Martin Amis und auf der tatsächlichen Lebensgeschichte von SS-Obersturmbandführer Rudolf Höss (Christian Friedel), der das Lager Ausschwitz aufbaute und mit seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und den fünf Kinder auch direkt angrenzend an dieses Lager wohnt. Die Familie hat ein großes Haus und einen noch größeren Garten und wir sehen in diesem Film, wie diese Familie lebt. Viel mehr passiert nicht, es ist eher ein Konstrukt als eine Geschichte. Wir als Zuschauer sehen keinen einzigen KZ-Insassen, keine Gewalt, kein Verbrechen. Und doch ist der Film so arg-intensiv, weil wir die ganze Zeit, während wir dieser Familie bei ihrem Alltag zusehen, Ausschwitz hören. Tag und Nacht hören wir Schreie, Befehle, Klagen, hören wir Verzweiflung und Schüsse. Das ist die Soundkulisse, mit der Familie Höss lebt als wäre nichts.
Hedwig ist so stolz auf ihren Garten. Als ihre Mutter zu Besuch kommt, zeigt sie ihr das Glaushaus, die roten Rüben, den Fenchel, was sie alles anbaut und die Pergola – mit Blick auf das Lager; da bemerkt sie nur: “Wir lassen darüber noch Efeu wachsen”. Die Mutter ist eine wichtige Figur in diesem Film, weil sie “von außen” kommt. Der Film lebt von Szenen wie dieser, von ganz vielen, wie nebenbei eingestreuten Details. Wie der Hausdiener die Stiefel von Höss wäscht, und sich dabei das Wasser rot färbt. Wie Hedwig einen Nerzmantel anprobiert, den Höss einmal mitbringt (von wem dieser ist, kann man nur mutmaßen). Wie die Familie einmal im Fluss badet und dann ist ihre Haut voller Asche. Thematisiert wird das nicht. Auch laute Worte fallen in dieser Familie nie und Rudolf Höss ist ein eher sanfter Mann, der sich sehr um seine Kinder kümmert, sie ins Bett bringt, ihnen vorliest. Das macht alles noch skuriller, weil er dann gleichzeitig “dauernd arbeitet” – wie Hedwig sagt – was bedeutet, sich zu überlegen, wie er Ausschwitz noch “effizienter” machen kann.
Es sind distanzierte und gleichzeitig eindringliche Bilder, die wir von dieser Familie sehen. Das Zusammenspiel von Bild und Ton erinnert manches mal an Stanley Kubrik. Die meiste Zeit ist es einfach nur beklemmend, auch wenn wir nichts direkt beklemmendes sehen. Als Zuschauer fragt man sich, wie kann man diese Familienidylle glauben und leben, wenn man weiß, was nebenan passiert?Oder hat man eine Rechtfertigung dafür gefunden, dass es das Lager geben muss, dass es in Ordnung ist, Menschen so zu behandeln, so sehr zu quälen? Aber dafür gibt es keine Rechtfertigung. Gegen Ende bringt Glazer eine Menge an sehr subtiler, aber brillianter Symbolik in seinen Film; Höss arbeitet an der Endlösung mit und eine Operation wird nach ihm benannt. Heute weiß man, wenn eine Operation des Naziregimes mit dem eigenen Namen bezeichnet wird, wird das für denjeinigen wohl kein gutes Ende nehmen. Aber auch dazu erklärt der Film nichts weiter. Und das ist gut so. Gerade diese Leerstellen machen den Film aus, weil vieles auch einfach unsagbar ist.
The Zone of Interest ist für fünf Oscars nominiert, u.a. als bester Film und als bester fremdsprachiger Film, weil zwar ein Brite Regie führt, die Darsteller aber alle Deutsch sprechen. Hier würde mich interessieren, wie die Zusammenarbeit lief, da ich nicht sicher bin, ob Glazer Deutsch kann. Aber dazu habe ich noch keine Information gefunden.
Hier der Trailer:
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