almis personal blog

Caché

Schon wieder habe ich einen Film von Michael Haneke gesehen. Mein zweiter heuer und auch insgesamt, harhar. Langsam komme ich aber auf den Geschmack. Nachdem die Theaterversion von Caché derzeit am Volkstheater aufgeführt wird, läuft der Film gerade für eine Woche auch im Votivkino, in französischer Originalsprache mit englischen Untertiteln (warum auch immer).

In Caché, was so etwas wie “verborgen” heißt, für alle, die wie ich kein französisch sprechen, geht es um den erfolgreichen TV-Moderator Georges Laurent (Daniel Auteuil), der mit seiner Frau Anne (Juliette Binoche), einer Verlegerin, und dem 12 jährigen Sohn Pierrot ein nach außen hin angepasstes und gutbürgerliches Leben führt. Bis eines Tages eine Videokassette auf der Türschwelle liegt. Auf dem zwei Stunden Video sieht man ausschließlich die Außensicht auf das Haus der Familie. Zuerst denkt das Paar an einen irren Fan oder Stalker, doch dann kommen weitere Videos an, die den Anschein erwecken, dass etwas mehr hinter der Sache steckt…

ACHTUNG ORDENTLICHE SPOILER !!

Was ich bei diesem Film von Anfang sehr interessant fand, an mir zu beobachten: Ich hatte irgendwie kaum Empathie für Georges und seine Familie. Normalerweise würde man ja annehmen, dass man als Zuseherin irgendwie sofort auf der Seite der Protagonisten ist. Es ist ja ein unheimliches Szenario, jemand, der das eigene Haus beobachtet, der das eigene Leben ausspioniert, man kann es nachempfinden. Aber dieses Gefühl wurde bei mir sofort (Dank Hanekes Erzählweise? Dank der Darsteller?) von einem anderen überlagert, nämlich dem, dass ich die Familie wirklich sehr unangenehm fand. Das Ehepaar geht bestensfalls kühl miteinander um, auch zum Sohn herrscht kaum eine emotionale Bindung, alles ist total, ja kalt, in diesem Haus. Deshalb fällt es irgendwie auch schwer, etwas für die beiden zu empfinden.

Mit Fortschreiten der Handlung kommt man dahinter, dass der Sender der Videos möglicherweise ein Bekannter von Georges ist. Georges wuchs in einer wohlhabenden Gutbesitzer-Familie auf, die Angestellte mit einem kleinen Sohn, Majid, in Georges’ Alter hatten. Nachdem Majids Eltern tragisch ums Leben gekommen waren, haben Georges Eltern mit dem Gedanken gespielt, Majid zu adoptieren. Georges wollte das nicht und dachte sich etwas wirklich furchtbares aus, um die Eltern (mit Erfolg) davon abzubringen. Majid kam in ein Waisenhaus und wir erfahren, dass er in der Gegenwart des Filmes ein Mann (sehr beeindruckend dargestellt von Maurice Bénichou) geworden ist, der in ärmlichen Verhältnissen lebt, gebrochen durch seine Erfahrungen in der Kindheit, nachdem er den Gutshof verlassen musste. Er hat sozusagen ein Motiv.

Und hier wirft Haneke eine enorm interessante Frage auf, so finde ich, nämlich: Inwieweit kann ein sechsjähriges Kind “böse” sein? Dass es nicht schuldfähig in einem rechtlichen Sinn ist, ist klar, aber kann es “Schuld” auf sich laden? Kann es für das Schicksal eines anderen Menschen verantwortlich gemacht werden? Gebrochen sind letztendlich beide Männer, meiner Meinung nach. Georges wirkt trotz seines Erfolgs nicht glücklich, nicht einmal zufrieden. Einmal besucht er seine Mutter und es klingt an, dass die beiden eine sehr distanzierte Beziehung zueinander haben. Was irgendwie extrem ernüchternd ist, wenn man bedenkt, dass er seine Eltern “für sich haben wollte” und später das Interesse an ihnen verloren hat, polemisch formuliert. Es gibt dann noch weitere Plottwists und ein weitgehend offenes Ende, das viel Raum zu Spekulation bietet. Aber im Prinzip will Haneke uns weniger davon erzählen, als wieder mal von der Schlechtigkeit des Menschens an sich, harhar.

Caché erinnert mich ein bisschen an Lost Highway von David Lynch, wenngleich Caché wesentlich konventioneller erzählt ist ist, was im Vergleich zu einem Lynch Film auf der Hand liegt, harhar. Es ist für mich insgesamt ein sehr gut gemachter, auch sehr aufwühlender Film, über den ich noch länger nachdenken muss.

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