almis personal blog

Viennale 4

Heute war der letzte Viennale Tag für mich. Ich hatte meine neue Boho-Jacke an, manche sagen ich sehe aus wie ein Schaf. Ich sage: Boho-Jacke! Harhar.

Davor war ich allerdings noch mit dem Kind auf der Bank – Volljährigen-Banksachen erledigen und dann waren wir noch sehr gut chinesisch essen in der Stadt.

Nicht an die gute Fotoqualität gewöhnen, das Foto ist vom Handy des Kindes gemacht

Dann hat er mich noch zum Gartenbaukino begleitet, wo es für mich dann in den Film After the Hunt ging. Und bei diesem Film passierte im Vorfeld etwas seltsames. Fast jeder, dem ich davon erzählte, meinte: Ah der, na ja, ich weiß nicht, der ist ja so umstritten. Ja. Und? Ich mein, nur weil ein paar random Menschen im Internet oder auf Filmfestivals irgendwas “umstritten” nennen, schauen wir es uns nicht selbst an und bilden uns nicht mehr unsere eigene Meinung? Jetzt, nachdem ich den Film gesehen habe, weiß ich auch warum er “umstritten” ist. Weil sich Regisseur Luca Guadgagnino nämlich zwischen alle Stühle setzt und nicht den Narrativ bedient, den man von ihm als homosexuellen Indie-Regisseur erwartet und sich auch (unter anderem) über “queere” Begrifflichkeiten ein bisschen lustig macht. Oder anders gesagt: Guadagnino geht wohl derzeit einiges am Arsch auf die Nerven, was unsere gesellschaftlichen Diskurse betrifft und ich verstehe ihn voll.

Uncut Flyer @ Gartenbaukino

Was ich in mein Review schreiben will, weiß ich noch nicht, wird wieder schwer. Ich könnte einfach so eine Ansammlung an Buzzwords schreiben, die für sich selbst sprechen:

Septum-Piercing, Masektomie, Dey, #metoo, Cancel Culture, Generationenvertrag, Kollektivschuld, Misogynie, Jihad…

Ok,vielleicht etwas zu dadaistisch. Harhar. Die Viennale geht dem Ende zu, aber der November bringt viele neue tolle Filme, diese Woche schon The Mastermind mit Josh O’Connor, oder was passiert, wenn ein Kunstraub nicht so ausgeht wie letztens im Louvre.

Sentimental Value

Endlich habe ich also den gespannt erwarteten und vorab recht gehypten (Oscar Buzz!) neuen Film vom norwegischen Regisseur Joachim Trier gesehen, der zuletzt vor drei Jahren mit The Worst Person in the World auf sich aufmerksam machte, er heißt Sentimental Value.

Es geht darin um Nora (Renate Reinsve), eine erfolgreiche Schauspielerin, die allerdings mit ihrem Leben kämpft, was in ihrer Kindheit begründet liegt. Beim Begräbnis der Mutter begegnet sie dem lange abwesenden Vater Gustav (Stellan Skarsgård) wieder, einem berühmten Filmregisseur, der ihr ein überraschendes Angebot macht: Nora soll in seinem neuen Film die Hauptrolle spielen, der von seiner Mutter handelt, was Nora aber sofort strikt ablehnt. Ihre Schwester Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas) die immer um Ausgleich bemüht ist, versucht sie vergeblich zu überreden, das Drehbuch zumindest zu lesen. Inzwischen lernt Gustav die junge amerikanische Schauspielerin Rachel Kemp (Elle Fanning) kennen und bietet ihr die Rolle an…

WIE IMMER SPOILER MÖGLICH

Dieser Film hatte mich quasi bei Hallo. Weil schon die Anfangssequenz so poetisch ist wie sein doch irgendwie unübersetzbarer Titel, den man mehr fühlt als erklären kann. Da geht es nämlich darum, dass Nora als Jugendliche einen Essay über das Haus schreiben soll, in dem sie mit ihrer Familie lebt. Es ist ein gemütliches Haus im Drachenstil gebaut (ok, da hab ich gegoogel harhar) Und wie sich das Haus fühlt, wenn es voller Menschen ist, ob es das Haus mag, bewohnt zu sein und auch die Türknallerei auszuhalten, oder ob das Haus nicht ab und zu ganz froh ist, wenn alle ausgehen und es leer ist. Die beeindruckendste Schlussfolgerung Noras lautet, “When our father left, the house turns brighter and brighter.”

Und da wissen wir natürlich alle schon, wohin der Hase läuft, das Thema sind Daddy Issues und dahinter gleich Transgenerational Trauma. Denn auch wenn Gustav als Vater einen beschissenen Job gemacht hat – nach der Scheidung verlässt er nicht nur die Mutter, sondern auch seine beiden Töchter auf eher Nimmerwiedersehen – so gibt es natürlich dafür einen Grund, und der ist wieder eine Generation davor zu finden; denn auch Gustav wurde als kleines Kind durch etwas, was seine Mutter getan hat, schwer traumatisiert. Und die wiederum, usw you get the picture. Er ist also, wenn man so will, ein Pain in the ass, aber nicht nur die immer geduldige Agnes hat dafür Verständnis, auch der Regisseur und Drehbuchautor Joachim Trier.

Und das ist das Schöne an diesem Film, das ist das, was ich an Filmen generell sehr gerne habe: Wenn es um große, schwere Themen geht, und das auch ungeschönt gezeigt wird. Wenn geweint werden kann, wenn jemand in seiner ganzen Verzweilfung gezeigt wird, wenn Noras Angst vor zu viel Nähe darin spürbar wird, dass sie ihren Geliebten nach dem Sex quasi hinauswirft, damit es nicht zu kuschelig wird, obwohl sie sich gerade danach auch seht; und wenn sie Agnes einmal die arge Frage stellt: “Why didn’t our childhood ruin you?” Die Antwort kommt ganz schnell, überzeugend und hallt echt lange nach. Weil, nein, ich verrate es nicht, harhar.

Aber gleichzeitig, und das ist auch wichtig bei solchen Filmen, gewinnt das Schwere nicht, ich mag diese naturalistischen Sozialdramen aus diesem Grund auch gar nicht, ich suche immer auch eine Illusion und eine Hoffnung. Und die ist immer da, bei Trier, da ist auch Humor, der uns doch allen über schlimme Zeiten in unserem Leben hinweghelfen kann und da ist die Kunst, in diesem Fall das Schauspiel und Filme-machen, die uns immer Trost und Zuflucht bietet und uns so erfüllen kann, dass wir unseren Schmerz vergessen, zumindest ab und zu. Und letztendlich glaubt Trier auch daran, dass sich Menschen verändern können, nicht um 180 Grad drehen, aber doch, kleine Schritte aufeinander zugehen. Dass das nicht alles ungeschehen macht, aber trotzdem hilft, uns ein kleines bisschen zu heilen.

Renate Reinsve ist so super in diesem Film, aber auch Stellan Skarsgård in seiner Ambivalenz; Skarsgård der – glaub ich – noch nie einen Sympathieträger gespielt hat, auch hier nicht – aber dennoch mag man ihm am Ende mehr als am Anfang. Und tatsächlich ist dieser Film bis in die kleinste Nebenrolle einfach überzeugend besetzt.

Jetzt bin ich wieder voll im Zwiespalt, ob One Battle After Another der große Oscar Abräumer wird oder ob nicht Sentimental Value da und dort noch ein bisschen was mitzureden hat. Es ist ein guter Zwiespalt, harhar.

Frühstück Sopherl

Das Frühstückslokal-Ausprobieren geht weiter, heute war ich mit L. im Sopherl am Naschmarkt. Das Sopherl ist anscheinend wieder zurück, seit diesem Sommer, ich kannte es aber eh vorher auch nicht, ich bin aber generell nicht so oft in der Gegend. Obwohl sie recht hübsch ist.

Das neue Sopherl:

Es sperrt erst um 9.30 auf, aber zu der Zeit ist trotzdem noch nicht wahnsinnig viel los. Ich glaube, das Stammpublikum ist eher nachtaffin. Die Frühstückskarte (bis 15 Uhr) bietet Klassisches und etwas Ausgefalleners wie ein kalifornisches Frühstück mit Birne, Minze und Ricotta, ähm ja. Oder auch ein Egg Sopherl, so ähnlich wie Egg Benedict, nur mit Rindsfilet. Wir haben uns dann aber für einen Klassiker entschieden:

Zweimal Ham & Eggs und zwei Cappuccino bitte – sehr schmackhaft und gut gewürzt

Danach gabs noch etwas Süßes, wir haben uns nämlich French Toast mit Zimt, Zucker, Ahornsirup und Preislbeer-Dings geteilt:

Der figurfreundliche kleine Happen, harhar

Übrigens war die Bedienung sehr freundlich und aufmerksam.

Danach waren wir noch auf der Mariahilferstraße spazieren. Unter anderem haben wir auch den Pull & Bear Store besucht und uns herrlich amüsiert. Dass wir zu alt für das Gewand dort sind, eh klar, ich persönlich bin auch zu ähm blad, aber generell ist alles irgendwie sehr breit geschnitten, gleichzeitig aber auch zu kurz.

Wir haben über Geburtstage gesprochen und dann ob ich nächstes Jahr eine große Geburtstagsparty mache und ich: Das ist echt das Letzte was ich will. Zwei Filme an einem Nachmittag, so wie gestern, das ist meine Vorstellung von Spaß und Freude, harhar.

Es war wie immer supernett und ein schöner Start in die Ferien.

Viennale 3

Weiter geht es mit der Viennale und zwar im Gartenbaukino. Am Dienstag saß ich bei angenehmen Temperaturen davor noch ein bisschen im Stadtpark und habe die Eichhörnchen beobachtet, die sehr aufgeweckt waren, es war auch ungewöhnlich mild.

Danach habe ich den französischen Film Vie privée mit Jodie Foster als amerikanische Psychiaterin in Paris gesehen. Erstaunlich fand ich, dass Foster tatsächlich super französisch spricht; wie ich recherchiert habe, hat sie in Los Angeles als Kind eine französische Schule besucht. Der Film war leider nur so mittel. Er hat zwar vielversprechend mit der Prämisse begonnen, dass eine Patientin von Fosters Figur Suizid begeht und ich habe mich auf etwas eher düsteres, psychologisch interessantes eingestellt. Es wird aber dann schnell (zu) witzig und behaglich, es hat mich insgesamt sehr an die Serie Only Murders in the Building erinnert, die ich gerne schaue, wenn ich mich wohlfühlen will, aber von diesem Film habe ich mir etwas anderes erwartet.

Gartenbaukino am 23. Oktober 2025, zu Mittag

Heute habe ich dann zuerst Sentimental Value gesehen. Ein norwegischer Film von Regisseur Joachim Trier, der auch Worst Person in the World gemacht hat. Diesen Film mochte ich und Renate Reinsve, die auch in Sentimental Value wieder die Hauptrolle spielt, war wunderbar, aber irgendwie hat mir in Worst Person etwas gefehlt und ich habe gehofft, dass ich es hier, in Sentimental Value, finden würde. Ich habe es nicht gefunden, dafür etwas anderes und es war großartig. Es war auch der erste Film überhaupt, wo sofort mit dem Abspann Jubel im Saal ausgebrochen ist, das habe ich ja überhaupt noch nie auf der Viennale erlebt, sonst gibt es immer eher höflichen bis wohlwollenden Applaus. Gleichzeitig flossen viele Tränen um mich herum. Das ist ein ganz besonderer Film.

Und weil ich schon mal da war, hab ich gleich noch History of Sound geschaut – eine Liebesgeschichte mit Musik, für die es noch Karten gab. Besetzt mit meinem vielleicht Lieblingsschauspieler derzeit, Josh O’ Connor und mit Paul Mescal, den ich auch total mag. Leider (oder Gottseidank) wusste ich nicht, dass da, wo Sentimental Value in der “Familienwunde” bohrt, und dieses Thema einen aufwühlt, History of Sound in der Wunde daneben, der “Beziehungswunde” wenn man so will, weitermacht. Ich habe mich so sehr in der Figur von Paul Mescal wiedererkannt, was erstaunlich ist, weil er einen homosexuellen Musiker ab 1917 spielt, harhar. Aber Filme können das. Ein bisschen hat mich dieser Film auch an Brokeback Mountain erinnert, den ich nicht so besonders mochte – dieser hier ist auch sehr ruhig und langsam erzählt, hat mich aber viel mehr mitgenommen.

Langsam erreicht das Filmjahr 2025 Betriebstemperatur harhar.

Textanalyse

Das Maturajahr nimmt langsam Fahrt auf. Fast jeden Tag gibt es irgendeine Wiederholung oder einen Test. Auch eine Deutschprüfung stand schon auf dem Programm. Deshalb heute aus der Rubrik Klugscheißerei, wenn deine Mutter Germanistin ist.

Die Germanistin: Du erwartest in jedem Text zu lesen, dass alle so glücklich sind wie du, aber das gilt nun eben nicht für jeden. Es gibt auch Menschen, die traurig, wütend oder zumindest unzufrieden sind. In literarischen Texten geht es deshalb nicht darum zu schildern, wie wunderschön die Welt ist. Das ist deine Sicht. Schriftsteller schreiben nicht deswegen, weil sie alles super finden. In literarischen Texten geht es auch nicht darum, dass alles einfach ist. Schriftsteller schreiben, weil in ihnen etwas brennt oder etwas schmerzt, was sie irgendwem mitteilen müssen. Weil sie Dinge nicht verstehen oder andere Menschen, weil sie etwas ändern wollen, weil sie sagen wollen, was nicht stimmt. Deshalb musst du in den Texten genau danach suchen. Am Ende schimmert vielleicht durch, dass es doch auch schön ist ist auf der Welt, trotz allem, oder es schön werden kann, dass vielleicht auch der Schmerz etwas wertvolles ist. Aber davor muss man erst durch etwas durchgehen und manchmal ist das schlimm und traurig und dunkel. Es gibt immer irgendeinen Konflikt oder eine Herausforderung. Dafür werden Texte geschrieben.

Pause.

Kind: Ok.

Harharhar. Aber die Prüfung lief dann super.

Peter Hujar’s Day

Peter Hujar’s Day ist der neue Film von Regisseur Ira Sachs, der dieses Jahr beim Sundance Filmfestival Premiere hatte.

Peter Hujar (1934-1987) war ein Fotograf ukrainischer Abstammung, der in New York lebte. Er war mit der Schrifstellerin Linda Rosenkrantz befreundet, die eine Art Sozialstudie geplant hatte. Menschen aus ihrem Umfeld sollten an einem beliebigen Tag alles notieren, was sie gemacht haben und danach in einem Gespräch mit Rosenkrantz darüber sprechen. Rosenkrantz war interessiert daran herauszufinden “how people fill up their days”. Das Projekt verlief leider im Sand, erst 2021 wurde das Gespräch mit Peter Hujar als Einzelwerk veröffentlicht. Aus diesem Gespräch hat Sachs nun vorliegenden Film gemacht.

SPOILER IN DEM SINN GIBT ES HIER NICHT

Mich hat dieser Film von Anfang an fasziniert. Vielleicht auch, weil ich mich selbst beruflich sehr viel mit Transkripten von Interviews beschäftige und das oft erstaunlich interessant ist und viel über Menschen erzählt. Es geht ja nicht nur darum, was erzählt wird, sondern auch wie es erzählt wird, mit welchem Tonfall, mit den Pausen, Zwischentönen, wie die Geschehnisse gewichtet werden, welchen Erlebnissen Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Natürlich passiert in diesem Film per se gar nichts aufregendes. Peter Hujar (wunderbar: Ben Whishaw) besucht Rosenkrantz (der wichtige Sidekick: Rebecca Hall) in ihrer Wohnung, sie reden über den besagten Tag, Hujar raucht Kette, sie essen zusammen, trinken Kaffee und Whiskey, stehen auf ihrer Dachterasse, liegen im Bett, hören Musik, tanzen, zünden Kerzen an. Ein klassisches Kammerspiel also, wenn auch nicht in Echtzeit, während sie sprechen, vergehen einige Stunden. Die beiden sitzen oder liegen oft eng beieinader, was ihre vertrauensvolle Beziehung zeigt, sie berühren sich, sie lachen, als Zuseher merkt man, dass sie sich gut kennen. Es gibt etwas surreale Einschübe vom Sonnenuntergang, Passagen, wo die Kamera die beiden Personen in einer Art Porträt zeigt, immer wieder wird auch das Aufnahmegerät fokussiert.

An seinem Tag hat Hujar den Poet und “Vater” der Hippie Bewegung Allen Ginsberg getroffen. Er hat mit vielen Menschen, unter anderem Susan Sontag, telefoniert. Er hat in seiner Dunkelkammer gearbeitet und ein Nickerchen gemacht. Ein Freund kam zum Duschen vorbei und Hujar hat für beide chinesisches Essen geholt. Auch Fran Lebowitz, die mir quasi auf Schritt und tritt begegnet, ist Thema, Hujar war auch mit ihr befreundet (und hat tolle Fotos von ihr gemacht). Das Gespräch ist lustig, klug, denkt um die Ecke, reflektiert auch die eigenen Erinnerungen, das, was wirklich geschah, das worüber man dachte, es würde geschehen. Kurz kommt an seinem Tag auch eine französische Redakteurin der Elle bei Hujar vorbei und er erzählt Rosenkrantz, er hätte sich vorgestellt, wie sie ihn – den homosexuellen Bohemian – verführt. Aber dann wäre sie “short” und eher unvorbereitet gewesen.

Das alles ist ein Porträt von Hujar, der meint “nothing much happens, and I wasted another day”, was bei genauerer Betrachtung aber keineswegs stimmt. Es ist auch ein (grobkörnig gefilmtes) Porträt von seiner Zeit, seinem New York der 1970-er Jahren, von seinen Weggefährten. Für mich ist es sehr interessant und inspirierend gewesen. Ein Beweis auch, dass an einem “gewöhnlichen” Tag so viele kleine, feine, schöne Dinge passieren, denen man oft viel zu wenig Beachtung schenkt.

Viennale 2

Am Samstag Abend sah ich dann den zweiten Viennale Film in der Urania.

Was für mich gewöhnungsbedürftig ist, dass ich immer irgendwo mittendrin sitze. Normalerweise buche ich immer Randplätze wegen der Fluchtmöglichkeit harhar. In der Urania blieb der Sitz zu meiner rechten sehr lange frei und ich dachte schon cool, etwas Luft, doch im letzten Moment kam noch jemand und setzte sich neben mich und zwar Alexander Horwath. Ja, der Alexander Horwath, ehemals Viennale Leiter und Chef des Filmmuseums, seit kurzem auch Regisseur. Ich habe ihn in den 2000er Jahren einmal eine peinliche Fanmail geschrieben, nachdem er im ORF die Oscar Verleihung mitkommentiert hat und ich das super fand. Weil ich seinen Zugang so mochte. Nämlich ein absolut unsnobistischer und unprätentiöser, jemand, der nicht zwischen Arthouse und Hollywood Blockbuster unterscheidet, sondern nach der Qualität des gezeigten. Das empfinde ich als sehr sympathisch.

Jedenfalls hatte ich instant eine kleine Panikattacke harhar, aber das legte sich schnell, denn der Film startete quasi sofort. Und wenn man sich fragt, was hat Herr Horwath (und ich) angesehen, nun ja, es war Peter Hujar’s Day. Einen Film, auf den ich schon sehr lange warte, keinen Ahnung, ob er überhaupt einen Kinostart bekommt, denn – nun ja, zuerst eine kleine Erzählung:

1998 arbeitete ich im Schloss Schönbrunn als Schauraumaufsicht. Mein Job war es, stundenlang durchs Schloss zu gehen, Fragen zu beantworten, fallweise Garderobendienst zu machen, Menschen mit Rollstühlen im Aufzug hin und her zu bringen usw. Im Schloss arbeiteten sehr viele interessante Menschen aus vielen verschiedenen Ländern, mit spannenden, nicht sehr linearen Lebensläufen. Ich lernte dort Melinda kennen, eine Studentin der Theaterwissenschaft, die sich gerade auf ihre Diplomprüfung vorbereitete. Wir sprachen jeden Tag über Richard III und Shakespeare und Filme, wir aßen unser Mittagessen gemeinsam im Park. Wie auch immer, einmal fing eine neue Kollegin an, eine WU Studentin übrigens, und wir plauderten mit ihr und sie meinte irgendwann: “Ich hasse französische Filme, da wird immer nur geredet.” Melinda und ich sahen uns an und sagten nichts, harhar.

Wenn jetzt jemand beim Lesen dieser kleinen Geschichte gedacht boah, ich verstehe das, ich hasse auch französische Filme, in denen nichts passiert, dann kann ich nur dringend abraten Peter Hujar’s Day zu sehen. Denn ich habe schon viele französische “Laberfilme” gesehen, in denen wesentlich mehr passiert ist.

Hier der Trailer:

Manchmal hab ich das Gefühl, ein Film wurde quasi nur für mich gemacht. Das ist hier der Fall. Bald mehr.

Viennale 1

Gestern ging es also los. Viel zu früh, da das Kind Stellung hatte und wir um halb sechs aufstehen mussten. Natürlich hätte ich an diesem Tag einmal noch gut weitergeschlafen, harhar.

Danach gabs Frühstück in einem Cafe am Hauptbahnhof mit einigen Menschen aus der Uncut Redaktion. Vielen Dank an Harald, der das Unmögliche schaffte, und wirklich (fast) alle Wunschkarten für das diesjährige Arthauskinofest aufgetrieben hat. Hier meine Auswahl:

Vielleicht werde ich noch die eine oder andere Karte extra kaufen, wenn es sich ergibt, so wie letztes Jahr, aber ich muss halt auch noch nebenbei was arbeiten und einkaufen gehen, kochen und halt so Reallife Dinge machen harhar. Und die Rezensionen schreiben sich dann auch nicht von alleine.

Jedenfalls stand schon kurz darauf der für mich erste Film im Gartenbaukino auf dem Programm, nämlich Nouvelle Vague. Wir waren zu viert von Uncut dort und was soll ich sagen, vier glückliche Menschen verließen anschließend das Kino harhar. Die offizielle Rezension wird ein Kollege schreiben, wir beide haben vorher vereinbart, wer von uns diesen rezensiert und wer dafür nächste Woche Sentimental Value bzw. Affeksjonsverdi (nämlich dann ich).

Nouvelle Vague ist jedenfalls kurz gesagt ein Film von Filmnerds für Filmnerds. Es geht um die Dreharbeiten zu Außer Atem von Jean Luc Godard, der Film ist in schwarzweiß und französisch (mit englischen Untertiteln), was mir erst circa zehn Minuten vor dem Start klar wurde und die Frage aufwirft, spricht der Texaner Linklater diese Sprache? Jedenfalls ist der Film gleichermaßen verkopft, sperrig, artsy, amüsant, klug und irrsinnig akkurat. Ich bin froh, dass ich das Original erst vor einer Woche gesehen habe, das macht die Szenen noch interessanter.

Wer verfolgen will, wie der Debütfilm eines Visionärs entsteht, der wenig von Vorbereitung oder Drehbüchern hält, der den Dreh für den Tag auch einmal abbricht, weil er Hunger oder Zahnschmerzen hat, der sich gerne Tipps geben lässt, um sie in den Wind zu schlagen, der immer Sonnenbrille trägt und eine Zigarette nach der anderen raucht, der ist hier richtig. Wer sich für die Stimmung auf einem Filmset der 1960er Jahre erwärmen kann, sich auf launische, mutige und neugierige (zukünftige) Filmstars einlassen möchte, die zuweilen auch selbst viel Meinung mitbringen, wer das Kino liebt und sehen will, wie sehr das auch Richard Linklater tut, dem sei Nouvelle Vague ans Herz gelegt.