Der 15. August ist vorbei und jetzt fängt es zu herbsteln an. Ich liebe es.
Früher dachte ich immer, ich liebe den Sommer, aber eigentlich liebe ich die Zeit, die mir sagt, es ist alles vergänglich, es kann bald vorbei sein. Weil es auch – im Gegensatz zum Hochsommer – eine Zeit ist, die gar nichts mehr von einem will. Während man im Hochsommer manchmal das Gefühl hat, man muss an drei Orten gleichzeitig sein, sagt der Wind Ende August, es ist alles ok so wie es ist.
Das Kind hingegen bekommt langsam den Ferienende-Blues und bestellt einen Espresso in unserem Stammlokal und die Kellnerin ist darüber so erstaunt/begeistert, dass sie ihn darauf einlädt.
Ich treffe eine alte Freundin wieder, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Das ist so eine Geschichte, wo man weiß, dass jede Menge schief gelaufen ist, aber die Emotionen, die man damals hatte, hat man heute nicht mehr. Wahrscheinlich auch, weil das eigene Leben nicht mehr dasselbe ist. Manchmal würde ich gern wissen, wie alles in zehn Jahren sein wird; vorstellen kann ich es mir immer weniger, was sein und kommen wird.
Wir waren Hipster-mäßig essen am Volkertmarkt im Banlieue. Ich hatte sehr gut gewürzte Hühnerspieße mit Erdnussbutter-Sauce und selbstgemachten Eistee.
Jetzt haben wir ihn also, den “Coronasommer”, der sich als ein Sommer wie damals entpuppt, als 27, 28 Grad schon Möderhitze war und 30 Grad die Ausnahme, die Abenden und Morgen frisch, dazwischen viele Gewitter. Keine Tropenhitze auf Tage bis Wochen, wo man schon schweißgebadet aufsteht. Das ist gut – zumindest untertags. Abends – sonst die beste Zeit des Sommers – ist es oft zu frisch zum länger draußensitzen.
Früher, als es noch kaum 30 Grad bekam, standen an stickigen Nachmittagen junge Mädchen alleine an Bushaltestellen. Ich hatte immer das Gefühl, sie warten auf den Bus in ihre Zukunft. Ich erinnere mich, dass ich mit meiner Mutter am Balkon saß, an den Tagen, an denen sie nicht arbeitete und sie mir aus dem “Bussi Bär” vorlas. Sie rauchte dabei Zigarette und ich aß Schokolade und ich glaube, dass seitdem Schokolade tröstlich für mich ist. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit meinen Großeltern ausging – auch meine Großmutter, die kaum Ubahn fahren wollte – und wir Vormittags in einem Schanigarten im 9. Bezirk saßen und ich mir ein Cola bestellen durfte. Ich erinnere mich an Eskimo-Eis kaufen im Garten mit meiner Freundin, manchmal auch dreimal am Tag. An einen Gastgarten bei der Ruprechtskirche, der für mich lange der schönste war.
Ich erinnere mich auch an heftige Sommergewitter im Rosental, als dann immer ein alter Bettler aus dem Postbus ausstieg, um irgendwo zu jausnen, den meine Freundinnen “Teoša” nannten und der angeblich “böse war. Ich glaube, sie wollten mich nur ärgern, denn der Bettler bekam bei ihnen immer eine Jause. Ich versteckte mich trotzdem in meinem Zimmer. Ach ja und einmal lag eine Katze dort in meinem Bett, ich weiß nicht wie sie ins Haus gekommen war, und die Stiegen hinauf und in mein Zimmer, weil es waren ein paar Türen dazwischen, die eigentlich immer verschlossen waren und die Katze gehörte gar nicht zu dem Bauernhof. Ich erinnere mich, dass ich mir die Knie aufgeschlagen und Arnika auf die blutigen Stellen gerieben bekommen habe und dass das ganz arg brannte. Aber nie so schlimm wie später manchmal die Seele. Und ich erinnere mich an Sommertouristen aus Deutschland, einer sah aus wie “Derrick”.
Das waren Sommer damals – ohne weltweite Pandemie.
Mein Leben spielt sich ab zwischen: ich wäre jetzt bereit für meine Einkommenssteuererklärung – oh, es ist erst Mitte Jänner und man kann sie noch nicht abgeben und oh, es ist Mitte Oktober und das Finanzamt schreibt mir, dass ich meine Einkommenssteuererklärung noch nicht eingebracht habe.
Zwischen Mitte Jänner und Mitte Oktober, zwischen zu früh und zu spät, da liegt ein Problem. Harhar.
Oder wie Mark Forster singt: so selten fitte Planung, bin mehr so dritte Mahnung.
Einen schönen Herbst haben wir, in der Früh kalt, am Nachmittag oft fast spätsommerlich warm, manchmal nebelig, aber viel öfter richtig schön sonnig, und mir kommt vor, blauer als im Oktober ist der Himmel nie.
Die Schule läuft wieder so dahin, die ersten Schularbeiten bzw. Tests sind erledigt, es gibt schöne und weniger schöne Themen, und manchmal erschlagen mich die Eindrücke, mit denen das Kind nach Hause kommt, die Befindlichkeiten, die Emotionen und natürlich auch die “to do’s” – da ist etwas nachzukaufen, dort ist etwas verloren gegangen, was war schnell nochmal Hausübung. Hier gibt es außerdem diesen Konflikt, und dort diese Gruppenbildung, mich nimmt das oft mehr mit als das Kind selbst, das einerseits ziemlich gute soziale Kompetenzen, andererseits die schöne Fähigkeit hat, das Leben so zu nehmen, wie es ist. Damit tue ich mir viel schwerer.
Ich grüble manchmal viel zu viel, ich finde manchmal keine Ruhe, ich mache mir zu lange zu viele Gedanken, unnötige Gedanken über eigentlich nebensächliche Dinge. Ich hadere auch damit, mich manchmal als Mutter Diskussionen auf “Zuruf” stellen zu müssen, wenn ich am liebsten gar nichts sagen möchte. Wenn ich nichts zu sagen weiß. Wenn ich am Ende meines Lateins bin. Wobei mir natürlich klar ist – und ich setze das auch in die Tat um – dass man auch darüber kommunzieren kann und sogar sollte.
Heute hab ich zum Kind gesagt, es tut mir leid, ich mache im Moment, so denke ich, viele Fehler. Und das Kind hat dann gesagt, das macht nichts, wir alle machen Fehler Mama. Ich hab auch Fehler gemacht, Mama.
Jemand sagt mir, wenn ich mit ihm darüber spreche, zehn Fehler am Tag machen die perfekte Mutter aus. Wenn ich daran denke, dann muss ich doch noch lächeln.
Heute war Schulbeginn und ein paar Kinder von Freunden hatten heute ihren allerersten Schultag überhaupt. Leider war das Wetter ähnlich schlecht wie am ersten Schultag des Kindes vor fünf Jahren. Das heißt: Kräftiger Dauerregen über Stunden. Bei uns war heuer kein besonderer Schulbeginn. 2. Klasse Gymnasium ist recht unspektakulär.
Die Ferien sind irrsinnig schnell vergangen, vor allem der August. Wenn die Schule wieder anfängt, ist man ein bisschen wehmütig, weil der Alltag wieder beginnt und auch ein bisschen froh, weil der Alltag wieder beginnt.
Spätsommer ist meine liebste Zeit im Jahr, wenngleich (oder weil?) sie auch sehr bittersüß ist. Wenn es nicht gerade schüttet, sondern warm ist, dann riecht die Luft ganz besonders, wie sie im Hochsommer niemals riecht. Es mag noch dreißig Grad und mehr haben, aber man spürt, bald wird es wieder kühl und grau werden. Das gibt diesen Tagen einen besonderen Tiefgang. Und man macht Fotos, um sich später daran zu erinnern, wie unbeschwert man gerade war, wie leicht das Leben manchmal ist, und wie glücklich man selbst, wenn man nicht gerade über alles mögliche nachgrübelt.
Manchmal denke ich zu dieser Zeit an Südtirol, an die Tage bevor das Kind zur Welt kam. Auch das sind schöne und weniger schöne Gefühle – vor allem an die Angst, damals, die macht immer noch ein bisschen Angst. So eine ohnmächtige, hilflose, verzweifelte Angst.
Heute ging ich vom Supermarkt nachhause und mein Kind mit anderen Kindern hinterher und da dachte ich über das alles nach, und dann drehte ich mich um und ich hatte dabei ein viel kleineres Kind im Kopf und bin fast erschrocken, wie erwachsen er in diesem Moment gewirkt hat, bei diesem Beiläufigen nach hinten schauen. Als hätte ich ihn jetzt monatelang nicht gesehen. Und ich war sehr erleichtert darüber.
Den Shitstorm der letzten Woche hat Hans Rauscher zu verantworten, mit seinem Kommentar im Standard Keine Kindersicherung im Kopf.
Bei Rauscher selbst haben auch einige Sicherheitsmaßnahmen wohl nicht funktioniert, als er diesen Text geschrieben hat. Ja, nichts ist faktisch falsch daran, auf (kleine) Kinder ganz besonders gut aufzupassen, ganz im Gegenteil. Es kann, da hat er schon recht, lebensgefährlich sein, das nicht zu tun.
Laborbedingungen gibts im Alltag aber nicht – und genau das ist der Pferdefuß dieses mehr als selbstzufriedenen Kommentars. Ja, im im Prinzip wissen wir alle, dass wir immer da sein müssen, bei Kleinkindern, immer alles im Blick haben, alle Gefahren vorausahnen, die Verhaltensweisen des Kindes sowieso. Und dabei natürlich möglichst entspannt sein, um dem Kind natürlich ein Urvertrauen ins Leben und seine eigenen Fähigkeiten mitzgeben. Vergessen wir aber auch nicht die Kehrseite der Medaille, dass wir Eltern uns dem Vorwurf des Helikopterings ausgesetzt sehen, wenn wir zuviel tun. Denn mediale Artikel über Eltern oszillieren permanent zwischen “den Kindern wird von ihren Latte macchiato Eltern gar nichts mehr zugetraut und sie werden mit dem SUV bis ins Klassenzimmer geführt” und “Verwahrlosung, Unachtsam- und Wurschtigkeit bei der Kinderaufzucht.”
Die Herausforderung liegt zwischen diesen Polen. Und es ist tatsächlich nicht ganz so easy wie von Rauscher beschrieben. Zu wissen, welche Gefahren es gibt, bedeutet nicht, diese immer komplett unter Kontrolle zu haben. Ich kann mich an Wochen erinnern, in denen ich mit Kleinkind kaum geschlafen habe und dachte, ich werde in meinem Leben wohl nie mehr richtig wach sein. Es war mehr als anstrengend, in so einem Zustand 12 Stunden am Tag auf ein Kleinkind aufzupassen. Es kann passieren, dass man etwas übersieht, es kann passieren, dass die eigenen Reflexe nicht tadellos funktionieren, es kann auch sein, dass man die Verantwortung kurz an jemandem abgibt, der vielleicht auch nicht immer an alles denkt. Ja und es kann sein, dass man mal einen richtigen Blödsinn macht, wie das jedem Menschen unterlaufen kann. Und jetzt spreche ich noch gar nicht von den Familien, die zwei und mehr Kinder haben.
Solche Texte, wie Rauscher sie schreibt, sind zugegebenermaßen schwierig. Ich nehme an, er hatte die besten Absichten. Aber es bleibt ein sehr bitterer Beigeschmack zurück, weil der Kommentar nicht nur paternalistisch ist, sondern auch eine wirklich Tragödie – den Unfall mit dem Radanhänger letzte Woche – als Aufhänger verwendet und verurteilt, ohne die genauen Umstände zu kennen. Und das ganze ziemlich empathielos, was die Elternseite betrifft.
Wenn ich im Sommer nicht im Garten bin, sondern in der Wohnung, wie jetzt gerade und eine Menge Urlaubswäsche wasche, dann kann ich am Balkon Sommergeräusche hören. Manche Sommergeräusche sind bei näherer Betrachtung eigentlich Abschiedsgeräusche. Wie ich das meine?
Also beispielsweise höre ich sehr oft das Geräusch von Rollwagerln, die gezogen oder geschoben werden, das ergibt ein doch auffälliges Holpern, an unserem Kopfsteinpflaster-Gehweg. Und solange ich nicht vom Schreiben aufschaue – so wie John Boy Walton damals in Unsere kleine Farm in Erwartung eines Radiogerätes – kann ich nicht wissen: ist das jemand, der auszieht und seine Möbel auf derartige Weise transportiert oder sind das Menschen, die auf Urlaub fahren und ihre Trolleys nachziehen.
Zugegebenermaßen ist es öfter letzteres, immerhin haben wir Juli, und es ist ein ständiges Abreisen und wieder heimkommen; aber es wird doch auch wieder reichlich ausgezogen, für immer, hier bei uns. Schon wieder eine Familie aus der “Stammbelegschaft”, also den Menschen, die von Beginn an hier wohnen, in diesem Fall sogar eine Eigentumswohnung besessen haben, was ja nach “gekommen, um zu bleiben”, klingt. Aber nun haben sie es sich anders überlegt, und ziehen anderswohin, um dort zu bleiben, vielleicht zumindest. Und ich muss aufpassen, dass das kein sentimentaler “the times, they are changing” Text wird.
Eine Familie mit drei Kindern zieht aus, mit denen ich anfangs doch relativ viel zu tun hatte. Denn wenn man einzieht, in so ein offenes Haus, wir übrigens im Hochsommer 2013, wo sich alle andauernd im Hof treffen und nichts von der sonstigen Anonymität der Großtsadt zu merken ist, denkt man, das sind alles potentielle neue Freunde, mit denen man viel teilen wird. Und das ist auch so, viele Nachmittage lang. Aber letztendlich werden die Kinder größer und wir alle sind nicht mehr sooft im Hof, und plötzlich lebe nicht nur ich ein völlig anderes Leben als ich das 2013 vermutet hätte, sondern die anderen offenbar auch.
Im Hochsommer ist es ist zu heiß für trübe Gedanken, das macht Abschiede vielleicht einfacher.
Ich habe schon einmal am Wortlaut-Wettbewerb teilgenommen, es war irgendwann in den Nullerjahren, ich erinnere mich peinlicherweise nicht mehr an das Thema und auch nur rudimentär an den Text, den ich damals geschrieben habe. Ich bin nicht auf die Longlist gekommen, die die besten 20 Teilnehmer namentlich nennt, ganz zu schweigen von den Top drei. Genau genommen erwarte ich das auch heuer nicht, aber ein Thema wie “privat” ist so spannend, dass ich mich einfach damit beschäftigen möchte, auch wenn ich mir keine Chancen ausrechne.
Meine erste Assoziation zu privat war, dass ich dem Kind als es noch ein Kleinstkind war, einmal gesagt habe, ich würde ganz gerne alleine aufs WC gehen, weil das ist privat. Tatsächlich wollte ich ein paar Minuten Ruhe haben, Kleinstkind Mütter wissen, wovon ich rede. Harhar.
Privat – das löst natürlich vielfältige Assoziationen aus. Es klingt immer etwas geheimnisvoll, möglicherweise auch ein bisschen verboten, und es gab tatsächlich eine Zeit in meinem Leben, da war das, was in mir vorging, was ich fühlte und erlebte, ein großes Geheimnis, aus verschiedenen Gründen. Zuerst ist das natürlich durchaus aufregend, man weiß selbst noch nicht, wohin das alles führen wird, und man ist ganz froh, dass man sich gerade niemandem erklären muss, und für den Anfang nur fühlen und seinen Emotionen folgen darf. Dann fängt man an zu schreiben, nur für sich selbst, also zumindest ich tue das, wenn ich etwas aufarbeiten muss, weil Schreiben immer mein Mittel der Wahl ist. Aber als ich das einem jemand erzählte, meinte der zu mir: “Das Tagebuch redet halt so wenig zurück.”
Was zu einem anderen Punkt führt: ganz privat will man in der Regel nicht immer sein oder bleiben, man will sich jemand anvertrauen, wenn auch erst nach reiflicher Üerblegung, weil man sicher sein will, dass das, was man erzählt, beim Zuhörer gut aufgehoben ist. Manche Dinge sind eben so schön oder so schmerzvoll privat – manchmal auch beides gleichzeitig – dass man platzen würde, wenn man das dauerhaft alleine mit sich selbst ausmachen soll. Aber je intimer das ist, was man erzählen will, umso verletzlicher und angreifbarer macht man sich auch. Man geht das Risiko ein, bewertet und beurteilt zu werden. Und es gibt in der Regel nur wenige Menschen, denen man sich so zeigen will, weil man sicher ist, dass sie das Wissen nicht gegen einen verwenden werden. Wenn man Glück hat, dann vertieft so ein “Geständnis” auch die Beziehung. Bei mir war es so.
Ich habe schon eine Idee, was meine Kurzgeschiche für den Wortlaut betrifft, und sie wird ein bisschen traurig sein, und ein bisschen hoffnungsvoll, ein bisschen sinnlich, und ein bisschen witzig. Eben die ganze Bandbreite eines privaten Lebens.
Vor zwei Wochen ist ein Bekannter von mir gestorben, aus meinem Lieblingsdorf. Es gab eine Explosion an seinem Arbeitsplatz es ist so unheimlich tragisch und so “sinnlos” für mich. Am Abend saß ich vor dem Fernseher als darüber berichtet wurde und dachte, warum muss ein Leben so enden, als Meldung in der ZIB1? Im April wäre er 50 Jahre alt geworden.
Als Teenies sind wir mit seinem Moped durch das besagte Dorf gefahren und ich habe mich ganz stolz gefühlt, dass ich mit ihm mitfahren durfte. Am Kärntner Abend hat er so schwungvoll mit mir getanzt, dass er mir nachher ganz schwindlig war. Dann hat er mich auf ein Spezi in die “Blacky Bar” eingeladen, die kennen nur Einheimische. Weil ich noch zu jung war, gab es nichts alkoholisches. Es war schön mit ihm und ein bisschen aufregend auch. Und dann führte er sein Leben und ich meines. Später hatten wir nur noch wenig Kontakt. Er hat geheiratet und zwei Töchter, die einige Jahre älter sind als mein Sohn. Er war beruflich sehr erfolgreich und hatte dazu noch eine große Landwirschaft. Wenn wir uns ab und zu im Dorf getroffen haben, wenn ich im Sommer dort war, haben wir ein paar Worte gewechselt. Wir haben so unterschiedliche Leben gelebt, dass es nicht wahr wäre zu sagen, wir hätten viel gemeinsam gehabt. Aber er ist Teil meiner Kindheit und meiner sentimentalen Erinnerungen.
Ich konnte das gar nicht fassen, dass er so überraschend einfach “weg” ist. Wie man das ja meistens nicht fassen kann, wenn es so unerwartet kommt und wenn der Mensch noch viel zu jung dafür ist. Wir wurden dann darüber informiert, dass bei seinem Begräbnis soviele Menschen waren, dass die Autos einfach überall im Dorf geparkt haben, kreuz und quer teilweise auf der Wiese und Richtung Felder. Irgendwie, und das mag kindisch klingen, fand ich das tröstlich. Es ist schön, dass soviele Leute gekommen sind, um sich von ihm zu verabschieden.
Mir fehlt ein versöhnliches Schlusswort. Manchmal gibt es das einfach nicht.
Gestern hab ich ein Fotoposter von mir gefunden, auf dem ich genau halb so alt bin wie ich jetzt bin, nämlich 21.
Es ist an einem Strand von Zakynthos aufgenommen worden, ich lieg auf einem Liegestuhl und es war windig und etwas kühl, ich bin irgendwie in das Badetuch eingewickelt. Ich kann mich noch genau dran erinnern. Banana Beach war das vermutlich. Oder Agios Nikolaos (so heißt ungefähr jeder 2. Strand auf griechischen Inseln, harhar) Es war entweder Ende August oder Anfang September 1997.
Ich zeige das Poster dem Kind, das Kind schaut es an und sagt: “Du hast dich ja gaaar nicht verändert.” Das ist sehr süß vom Kind, und ich glaub ihm, dass er es so meint, weil er nämlich sehr ehrlich ist, in solchen Dingen. Aber ich tu mir echt schwer, das selbst zu beurteilen. Am meisten fällt mir mein Alter an meinen Armen auf, die Haut schaut so frisch und jugendlich aus und ich glaub, so ist sie heute nicht mehr.
Erstmals hatte ich das Gefühl, dass ich altere, nach etlichen schlechten Nächten mit Baby, da hab ich mich eines Tages in den Spiegel geschaut und mir gedacht, wow, ich hab Augenringe bis zum Knie und schau komplett fertig aus, wird das irgendwann mal wieder anders werden? Aber sagen wir so, das wurde es länger nicht, in den 30er sah ich oft sehr erschöpft aus, weil ich auch auf vielen Ebenen auch sehr erschöpft war. Rushhour des Lebens und so. Vielleicht hätte das Kind da gar nicht gefunden, dass ich mich nicht verändert habe.
Jetzt, mit über 40, sehe ich auch nicht jünger aus (harhar), aber ich glaub, dass ich glücklich aussehe, zumindest oft. Weil ich mich so fühle. Und ich glaube außerdem – ganz unabhängig vom Alter – dass das Aussehen ganz stark von der Ausstrahlung abhängt und die wiederum von der Lebenseinstellung und dem eigenen Blick auf die Welt. Und insofern fürcht ich mich vor “dem Alter” nicht so sehr, solang ich ausgeglichen und zufrieden bin.