almis personal blog

Nett, Fix & Chill

Es ist so saukalt und schiach in Wien, dass man sich am Abend gerne auf dem Sofa zusammenrollt und Podcasts hört. Am Wochenende bin ich auf den Film/TV Podcast von Cesar Sampons (ja, der ESC Drittplatzierte von 2018) und David Schindelböck (Radiomoderator) aufmerksam geworden, der da heißt Nett, Fix und Chill, und habe mir gleich einige Folgen angehört. Es geht jetzt nicht unbedingt um Arthouse Kino (obwohl manchmal doch auch), sie reden viel über Star Wars und Marvel usw., was ich mir durchaus aber auch gerne anhöre, obwohl ich mich da kaum auskenne, weil sie so begeistert davon sind und es mich dann doch auch irgendwie bereichert.

Die Folge aber, bei der ich bisher am meisten lachen musste, war Episode 15 über den Film The Whale. Das ist dieser Film mit dem (auf) adipös (gemaskebildeten) Brandon Fraser, für den selbiger dieses Jahr den Oscar für die beste Hauptrolle bekommen hat. Ich habe mir den Film bewusst nicht angeschaut. Und zwar nicht wegen Brandon Fraser, den ich eigentlich recht sympathisch finde und ihm das Karrierecomeback auch sehr gönne, sondern weil mich die Beschreibung des Filmes alleine schon so unglaublich runterzieht.

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Filme, die ich mir genauso nicht angesehen habe (und auch nie ansehen werde), weil ich weiß, dass diese Filme in ihrer Hoffnungslosigkeit für mich das reine Grauen sind – sowas wie zum Beispiel auch Dancer in the Dark (obwohl ich auch Björk sehr schätze) oder Amour (von Haneke oder überhaupt weite Teile von Hanekes Euvre). Dabei hab ich mit Drama und Krisen in Filmen überhaupt kein Problem, aber es gibt Filme, die einfach null Hoffnungsschimmer bieten – zumindest antizipiere ich das – und die vermeide ich aus purem Selbstschutz.

Möglicherweise milde Spoiler

Als ich mir jetzt die Folge angehört habe, musste ich feststellen: Ich hatte absolut recht. Denn das erste, was Schindelböck anscheinend nach dem Endes des Filmes zu Sampon sagte, war genau das: “Ich will diesen Film nie wieder sehen.” Und Sampson sagt darauf, dass man Charlie (Fraser) eine Woche in dessen Leben begleitet und nicht mehr erfährt als “wie orsch alles ist.” Darauf Schindelböck: “Es ist vielleicht krass, was ich jetzt sage, aber sogar Schindlers Liste hat es geschafft, in vereinzelten Momenten humoristisch zu sein und hier und da immer mal wieder zu zeigen, ah ein Hoffnungsschimmer, ein Silberstreif. […] Und schlimmer als der Holocaust wird es nicht.” Natürlich, so Schindelböck weiter, könnte man auch sagen, das ist das Leben, das ist die harte Realität. Es gibt ganz viele Leute, die sich aufgegeben haben und nicht mehr kämpfen wollen. Und da kommt wieder mein persönlicher Ansatz ins Spiel: Ja, so ist es. Aber dafür gehe ich nicht ins Kino. Ich will zumindest einen Funken Hoffung sehen und das bietet The Whale anscheinend gar nicht.

Trotzdem war die Folge wie gesagt ausgesprochen amüsant und ich habe den Podcast gleich direkt abonniert. (Unbezahlte Werbung wie immer)

20th Century Women

Und weiter geht es mit dem Greta Gerwig (unbezahlte Werbung) Schwerpunkt im Votivkino/de France. Diesmal habe ich mir 20th Century Women angeschaut.

Da spielt Annette Bening die Hauptrolle Dorothea, alleinerziehende Mutter des 15-jährigen Jamie, was sie so beschreibt: “My son was born in 1964. He grew up with a meaningless war, with protests, with Nixon, with nice cars and nice houses, computers, drugs, boredom. I know him less every day.” Und weil sie ihn immer weniger zu kennen scheint, fragt sie einerseits Jamies Freundin Julie (Elle Fanning) und ihre Untermieterin Abbie (Greta Gerwig) um Rat bzw. bittet die beiden, sie zu unterstützen. Das mag jetzt etwas konstruiert klingen, tatsächlich ist es für die Handlung gar nicht so ungeheuer wichtig, die einfach den Alltag dieser Menschen-Konstalleation (plus des Untermieters William, Billy Crudup) zeigt, Ende der 1970er Jahre. Alle Protagonisten werden detailverliebt und liebevoll porträtiert, in ihrem Streben danach, dem eigenen Leben Sinn zu geben.

Feminismus spielt auch eine große Rolle und obwohl Dorothea einerseits froh ist, dass Abbie Jamie diese Perspektive mitgibt, findet sie auch, dass sie manchmal etwas zu weit geht, was in dieser wirklich sehr amüsanten Szene gipfelt:

Gerwig spielt in diesem Film natürlich auch wieder eine Außenseiterin, eine sehr selbstbewusste/selbstbestimmte Person, aber es ist eine andere Facette als in den Baumbach-Filmen, es ist keine explizit witzige Rolle, was auch an der Geschichte von Abbie liegt. Gerwig zeigt aber hier auch, dass sie nicht nur dann richtig gut ist, wenn sie lustig sein kann.

Barbie

In letzter Zeit musste ich öfters an Crazy von Gnarls Barkley denken. Dieser Song war nämlich einer der wenigen, die sowohl auf alternativen Radiosendern wie FM4 als auch bei Ö3 gespielt wurden, weil er nicht ganz “einzuordnen” war. Das ist ja immer recht spannend, und so ähnlich läuft es derzeit bei Barbie – ein Film, der einerseits in den großen Cineplexx Kinos läuft – wo sich, wie ich höre, sehr viele Menschen zum Besuch pink kleiden – aber auch in den Arthouse Kinos wie Votiv und Filmcasino gezeig wird. Das liegt vornehmlich daran, dass Barbie kein Kinderfilm ist und diverse Metaebenen hat, und, dass die Regisseurin Greta Gerwig heißt.

Worum geht es? Die Barbies (und Kens) in Barbieland haben wunderbar-perfekte Tage, jede Menge Spaß, alles ist toll und knallbunt. Bis zu dem Zeitpunkt als “Sterotypical Barbie” (Margot Robbie) plötzlich von Todesgedanken gequält wird. Außerdem leidet sie unter “flat feet” – im Gegensatz zum Barbie-Zehenspitzengang und auch sonst geht plötzlich alles schief. Von “Weird Barbie” wird ihr dazu geraten, in die reale Welt zu gehen, ihre Besitzerin ausfindig zu machen und die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Begleitet wird sie dabei von (einem) Ken (Ryan Gosling), der in Los Angeles feststellt, dass die Welt – im Gegensatz zu Barbieland – eigentlich in männlicher Hand ist, was ihm gefällt, während Barbie davon total irritiert ist…

Was ist zu diesem Film zu sagen? Er kreiert eine pastellige Zauberwelt, die Ausstattung ist liebevoll bis ins kleinste Detail (Oscar-Alarm), er hat ein paar wirklich witzige und kreative Ideen und die Schauspieler sind gut(gelaunt). Allerdings: Der Film möchte sehr viel auf einmal (sein). Eben genau diese Brücke zwischen Indie und Blockbuster, ein schrilles Musical durchsetzt mit Kapitalismuskritik, ein filmischer Aufstand gegen das Patriachat, ein Think-Piece, ein bisschen Klamauk/Parodie, gemischt mit einem Schuss Rührseligkeit. Dazu kommen Referenzen auf andere Filme wie 2001 – A Space Odysee, Matrix oder die Truman Show. Das gelingt in Teilen ganz gut, an anderer Stelle ist es einfach…viel.

Offen gestanden sehe ich ihn auch nicht unbedingt als das feministisches Manifest an, als das er gerade immens abgefeiert wird. Ja, in “Barbieland” regieren die Frauen, die Männer haben wenig bis nichts zu sagen, aber es ist ein ziemlich naiver und egozentrischer Feminismus, der hier vorgestellt wird. Ja, es gibt die Präsidentenbarbie und die Senatorin und die Nobelpreisträgerin – also rein äußerlich sind die Frauen “in charge” aber wenn die Damen Mädelsabend haben, dann ist es doch alles eher dumpfe oberflächliche Unterhaltung und der Zuseher hat nicht unbedingt das Gefühl, als wären die Frauen geistig den wirklich sehr dumpfen Kens so extrem überlegen. Zudem mangelt es ihnen auch an Empathie. Wenn man so will, dann wird hier gegen beide Geschlechter gleichermaßen ausgeteilt. Nun ja kann man sagen, das sind ja alles Karikaturen, aber das das hilft halt auch nicht wirklich, einen Identifikationspunkt zu finden, an dem man emotional wirklich anknüpfen kann.

Greta Gerwig hat in ihren bisherigen Film Lady Bird und Little Women immer die Frauen, ihre Träume, ihre Probleme, ihre Ziele ins Zentrum gestellt, aber das immer mit großem Understatement. Es waren kleine, aber starke Geschichten. Bei Barbie ist es leider ein bisschen umgekehrt: Sehr viel Getöse um relativ wenig Substanz. Fazit: Solide, aber insgesamt dann doch mehr Popcorn-Kino als Arthouse-Schmankerl.

Mistress America

Im Votivkino/de France läuft eine Greta Gerwig Werkschau. Unbezahlte Werbung wie immer.

Ich frage das Kind, ob es sich Mistress America mit mir anschauen will. Das Kind sieht sich den Trailer an und sagt nach 15 Sekunden: “Ach du heilige…”. Ok, dann gehe ich eben alleine. Das Kind fragt, ob das nicht “sad” sei, worauf ich ihn daran erinnere, dass ich seit Monaten wöchentlich alleine ins Kino gehe. Und das sei überhaupt nicht sad, weil im Kino kann man eh mit niemandem reden. Bzw. sollte das nicht.

Ich habe Mistress America schon einmal gesehen, das ist schon viele Jahre her und es war im Heimkino. Ich bin froh, dass ich den Film nochmal auf der großen Leinwand genießen kann. Es ist vielleicht mein Lieblingsfilm mit Greta Gerwig, Regie führte übrigens ihr Mann Noah Baumbach – die beiden haben schon einige Kollaborationen zu verzeichnen. Es geht um Tracy (Lola Kirke), einer Literaturstudentin, die Brooke (Gerwig) kennenlernt, weil Tracys Mutter Brookes Vater heiraten will. Die beiden freunden sich an, Tracy ist sehr fasziniert von Brooke, einer skurille New Yorker Hipsterin, die beruflich alles und nichts macht und viele interessante (und witzige) Dinge sagt. Sie verwendet Brooke als Inspiration für ihre Kurzgeschichte “Mistress America”. Höhepunkt ist das Kammerspiel-artige Zusammentreffen von Lola und einigen ihrer Freunde, Brooke, Brookes Ex und ihrer “Nemesis” Mamy-Claire in deren Landhaus.

Dort wird auch der Witz gemacht, über den das de france Kino am meisten gelacht hat, ich spoilere ihn hier, weil er sowieso im Trailer auch vorkommt. Brookes Ex sagt zu ihr: “You are funny, because you don’t know you are funny.” Brooke: “I know I am funny, I know everything about myself. That’s why I can’t do therapy.”

Hier der Trailer:

Gerwig ist so witzig und einfach eine Ikone, sie führt ja auch Regie. Wie man ja weiß – außer man sitzt gerade am Mond – ist ihr Barbie Film gerade rausgekommen und soll super sein. Ich werde ihn natürlich ansehen und noch ein, zwei weitere Filme der Retrospektive.

Erkenntnisgewinn

Kind kommt vom Kino nachhause, sie haben sich in Französisch einen Film angesehen.

Mutter: Welcher Film war es?

Kind: Es ging um eine Jugendliche aus einer gehörlosen Familie, die singen will.

Mutter: Coda? Das hat 2022 den Oscar als bester Film gewonnen

Kind: Kann sein

Mutter: Aber das ist ja ein amerikanischer Film – haben sie französisch geredet?

Kind: Neeeee, weißt?!!!!

Mutter: Dann muss es ein anderer Film sein (googelt). Ah Verstehen Sie die Béliers?

Kind: Ja, das war es.

Und somit hat die Mutter jetzt gelernt, dass Coda das Remake von Verstehen Sie die Béliers ist. Irgendwie hatte ich das schon mal gehört, aber war eher (sehr) passives Wissen. Während mein (sinnloses) Oscarwissen natürlich immer on point ist.

Und noch was

Damals, als The Royal Tenenbaums in die Kinos kam, gab es sehr viele gute Kritiken, vor allem für Gene Hackman. Harald Schmidt hat in seiner Late Night Show aus manchen zitiert, eine hat ihn besonders amüsiert, nämlich als der “berühmte Komiker” Hackman gelobt wurde. Schmidt damals zu Andrack: “Ja, der Komiker Gene Hackman. Was haben wir nicht über ihn gelacht in French Connection und Missisippi Burning

Harhar, ja das war ein Überraschungsmoment, dass Hackman in einer seiner tatsächlich letzten Rollen – er lebt noch, aber dreht nicht mehr – eine ganz neue Facette seiner Schauspielkunst zeigt, nichts hartes, unerbittliches, sondern etwas bittersüßes.

Auf Twitter wird gerade diskutiert, was diese Performance so besonders macht und ich bin bei Kyle Le Roy

Hackman war halt schon 70 und Regieanweisungen von Anderson waren ihm wohl im Zweifel egal, deshalb ist seine Darstellung wirklich besonders (selbstbestimmt) im Anderson Universum. Vielleicht empfinde ich The Royal Tenenbaums deshalb als um einiges emotionaler als die anderen fraglos auch sehr guten Werke von Anderson?

Noch was zu Anderson

Es ist sehr interessant, wenn man selbst eine Kritik schreibt (über Asteroid City, siehe letzter Blogeintrag), die kurz vor dem offiziellen Kinostart erscheint und dann nach und nach lauter andere Reviews lesen darf (von Menschen, die mutmaßlich eh auch in der gleichen Vorstellung waren).

Um es uns allen aber beim nächsten Wes Anderson Werk schwerer zu machen, würde ich vorschlagen, folgende Begriffe dabei dann nicht verwenden zu dürfen:

  • Meta
  • Nerd
  • Symmetrie
  • Hipster
  • Subtext
  • Schrullig

Ich mein, ich hab da selber dann eh auch ein Problem. Harhar.

Interessant fand ich aber, dass nur Michael Omasta vom Falter es – so wie ich -geschafft hat The Royal Tenenbaums in seiner Kritik zu erwähnen und zwar wirklich ziemlich ähnlich wie ich (und wir haben nicht gegenseitig abgeschrieben), nämlich folgendermaßen:

Fans von Andersons überragendem Frühwerk “The Royal Tenenbaums” (2001) werden sich dieses Motivs [des Witwers, Anm.] erinnern. Auch dort gab es schon so einen sad dad, nur dass Ben Stillers Figur – und seine zwei Söhne – durch den Verlust sichtlich traumatisiert waren. Im aktuellen Film reicht es fast nur noch für den Gag vom traurigen Loser und dem dominanten Schwiegervater.

Falter Nr. 24/23 – Michael Omasta “Ein Herz für Nerds”, Seite 31

Wahrscheinlich liebt er den Film auch so wie ich und kann daher nicht über Anderson schreiben, ohne dieses Werk zu erwähnen.

Frei, Teil eins

Dieses Wochenende ist das erste seit zahlreichen Wochen, wo ich keinen dringenden Auftrag bis Montag zu erledigen habe. Ich habe einen neuen Auftaggeber und war in der letzten Zeit sehr damit beschäftigt, mich in neue Materie einzulesen. Sehr interessant, aber auch anstrengend, weil ja die anderen Projekte auch weiterlaufen.

Es ist ein langes Wochenende, viele sind weggefahren und die Stadt war schon Mittwochabend sehr ruhig. Ich mag das, wenn gefühlt niemand mehr da und nichts los ist. Mich stört auch das wechselhafte Wetter nicht, ich war einfach erschöpft und froh, irgendwie nichts tun zu müssen. Oder fast nichts.

Am Donnerstag war ich nach dem Regenguss im Kino. Es findet derzeit eine Wes Anderson Werkschau im De France (!!!) statt. Ich habe es zum wiederholten Mal geschafft, im Votivkino festzustellen (oder gesagt zu bekommen harhar), dass ich falsch bin. Habe es aber trotzdem noch rechtzeitig zu The Grand Budapest Hotel geschafft (im nonstop Kinoabo inbegriffen/unbezahlte Werbung), der Saal war voll.

Ich habe The Grand Budapest Hotel schon damals 2014 gesehen und war gar nicht mal soo begeistert davon. Ja, ich fand den Film visuell stark – das tolle alte Hotel und den fiktiven Staat Zubrowka mit den ganzen liebevoll gestalteten Details natürlich, und auch Ralph Fiennes fand ich super in der Rolle des liebenswerten und schlauen Gustave H. So hatte man Fiennes bis dato noch nie gesehen, man kannte ihn sonst eher in epischen Schinken wie Der englische Patient oder als Antagonist von Harry Potter. Richtig gehasst (in a good way) habe ich ihn als Amon Göth in Schindlers Liste. Aber als Gustave H. ist er ein humorvoller Humanist, vor dem Hintergrund des Niedergangs des alten Europa, wenn man so will. Aber irgendwie erschloss sich mir das alles nicht so ganz. Diesmal wurde ich viel mehr in die Handlung hineingezogen, warum auch immer und auch die geniale Musik von Alexandre Desplat fiel mir viel mehr auf. Die Inspirationen für The Grand Budapest Hotel holte sich Anderson übrigens bei Stefan Zweig – das wird extra im Nachspann erwähnt. Hier der Trailer.

Ich plane, The Royal Tennenbaums, The Life Aquatic und The French Dispatch (nochmal) anzusehen. Und vorige Woche durfte ich in der Pressevorstellung bereits Asteroid City sehen. Wie es mir gefallen hat, kann man dann bald auf Uncut lesen.

Uni Wien bei Nacht am 8. Juni 2023

War schön, in der lauen Nacht dann heimzugehen/zu fahren.

AIR

Gestern habe ich Air gesehen, den neuen Film von Ben Affleck. Ben Affleck als Schauspieler ist ja ein bisschen “umstritten”, aber als Regisseur hat er wirklich schon sehr gelungene Filme verantwortet wie etwa Argo und The Town oder Gone Baby Gone. Und er hat, nicht zu vergessen, einen Drehbuchoscar gemeinsam mit seinem Freund Matt Damon für Good Will Hunting erhalten; Damon spielt auch immer wieder in Affleck Filmen mit und in Air hat er die Hauptrolle.

Matt Damon verkörpert Sonny Vaccaro, den Brandmanager von Nike im Jahr 1984. Nike liegt als Unternehmen weit hinter Adidas und Converse zurück und vor allem im Basketball-Bereich sind sie nicht konkurrenzfähig. Nike CEO Phil Knight (Affleck selbst) und alle anderen Verantwortlichen wollen mehrere aussichtsreiche Spieler als Werbeträger verpflichten – Vaccaro ist dagegen. Er möchte das gesamte Budget für einen einzigen verwenden: Michael Jordan, den er als mit Abstand größtes Talent sieht. Man darf nicht vergessen: Der Name Michael Jordan bedeutet 1984 nicht das was er 2023 bedeutet. Jordan war damals nicht mehr als ein Hoffnungsträger. Er hätte sich im nächsten Spiel verletzen und seine Laufbahn beenden können; oder einfach ein ewiges Talent bleiben. Niemand wusste damals, dass er zum besten Basketballspieler aller Zeiten werden würde. Air zeichnet also den Weg bis zum Vertragsabschluss nach – denn wir wissen ja alle, wie es ausgegangen ist, der Überraschungsfaktor hält sich also in Grenzen.

Aber: Affleck hat mit Air einen wirklich unterhaltsamen Crowdpleaser geschaffenen, der auch für Cineasten sehenswert ist. Und das ist bei weitem nicht so einfach wie es klingt. Denn man muss es erstmal schaffen, Spannung in einem Plot zu erzeugen, wenn ohnehin schon jeder Zuseher weiß, wie die Sache ausgeht. Das gelingt Affleck vor allem damit, Vaccaro die Macht zu geben, das ganze Unternehmen Nike, und damit vor allem Vaccaros gute (nicht nur Geschäfts)Freunde, direkt mit in den Abgrund zu reißen, wenn er sich irrt. Denn alle wissen, wenn sie Vaccaro vertrauen und es geht schief, ist jeder seinen Job los. Eine Menge Verantwortung, eine Menge Nervenkitzel.

Man muss es auch erstmal schaffen, wirklich amüsante Dialoge zu schreiben – bereits in den ersten Minuten haben die Leute in meiner Vorstellung mehrmals gelacht, auch ich – und gleichzeitig dabei niemals auf billiges Amüsement zu setzen, sondern auf kluge und sehr schnelle Wortwechsel, die den Zuseher fordern, auch wirklich zuzuhören. Und man muss es außerdem schaffen, praktisch jede Rolle so zu besetzen, dass man sich keine andere Person in eben dieser Rolle vorstellen könnte. Schön, speziell Jason Bateman und Chris Messina (der einen wirklich interessanten Typen in Six Feet Under gespielt hat) wiederzusehen.

Dazu kommt, dass Affleck alle Menschen mit einem 80ziger-Faible erfreut (mich!), weil er den Film mit Money for Nothing von den Dire Straits eröffnet, und es ihm dabei gelingt, sich noch während der Opening Credits, quasi im Vorbeigehen, an allen 80ziger Jahre Klischees abzuarbeiten – Rubik’s Cube, Knightrider, Aerobic, Dauerwelle, Slinkys, Ronald Reagen, Trivial Pursuit et al – sodass man beim Beginn der ersten Szene wirklich das Gefühl hat, man befindet sich direkt im Jahr 1984.

Air ist kein Sportfilm, auch kein Film über Michael Jordan, der übrigens nie direkt gezeigt wird und kein Wort spricht, es reden immer nur seine Eltern (die Mutter: Viola Davis), ja es ist nicht einmal ein Film über Sneakers. Am ehesten ist es ein Workplace-Movie, der Menschen porträtiert, die an eine Sache glauben und dafür Risken eingehen. Aber dabei – und das gefält mir am besten an Air – sich selbst niemals tierisch ernst nimmt. Die großen Inspirationsreden werden zwar gehalten, aber auch ironisch kommentiert, was ihren Wert nicht schmälert, dabei aber das Pathos beseitelässt, das allzu oft amerikanische Filme vergiftet.

OV (aber sicher anstrengend ob der vielen Informationen) und OmU ist empfehlenswert:

P.S Danke an Benjamin für den Hinweis, dass Affleck NICHT bei Gone Girl Regie geführt hat, wie hier zuerst angegeben – das war nämlich David Fincher. Mea culpa!