almis personal blog

Wish I was here

Diese Woche hab ich die Pressevorstellung von Wish I was here besucht, der zweiten Regiearbeit von Zach Braff. Seine erster Film Garden State (2004) ist ein echtes Indie-Juwel, ein magischer Film.

Warum hat es zehn Jahre gedauert, bis Braff seinen Zweitling gedreht hat? Wieso hat er ihn teilweise via Crowdfunding finanziert? Möchte er Crowdfunding bei seinem nächsten Werk wieder nutzen? Was hält er als Ex-TV Serienstar von den gerade aktuellen TV-Serien? Kann er sich eine Rückkehr ins Fernsehen vorstellen? Diese und ähnliche Fragen wurden ihm heute anlässlich eines Roundtables in Wien gestellt, wo ich für Uncut vor Ort war – darüber dann bald näheres.

Wish I was here wurde von den US-Kritikern gemischt rezipiert. Auch wenn ich manche Punkte nachvollziehen kann, ist für mich Wish I was here vor allem eines: ein wirklich schöner Film, der die deutliche Handschrift seines Erfinders trägt. Und was Braff tatsächlich ungeheuer gut kann: Stimmungen erzeugen. Unvergesslichen Szenen komponieren. Musik und (Bild)sprache zu einer harmonischen Einheit zu formen. Hier der Trailer:

Und: Braff ist ein sehr sympathischer Mensch, der face to face kaum anders rüberkommt als in seinen Werken. Die zwanzig Minuten Interview waren sehr ehrlich, witzig und entspannt. Und er hat auch mit allen Fotos gemacht (“Come into my arms!”).

Hab zum Mann gesagt, schade, dass Adrian noch zu klein ist, um mich jetzt richtig cool zu finden, weil ich Zach Braff getroffen habe. Harhar.

August Osage County

Wenn man sich informiert, bevor man einen Film sieht und sich genau das herauspickt, was es wert zu sein scheint, dann ist die Trefferquote an guten Filmen, die man so übers Jahr weg konsumiert, doch ziemlich hoch. Das letzte Filmjahr war qualitativ sogar ein sehr gutes, vielleicht überdurchschnittlich gutes, allerdings fehlte mir persönlich ein echter Wow-Film. Fast alles, was ich sah, war wie oben beschrieben, sehenswert, aber ein Film, bei dem man sich denkt, dass er für einen selbst gemacht wurde, das fehlte noch.

Bis letzte Woche. Da sah ich August Osage County und das war wohl mein Film des letzten Oscar-Jahres (noch vor 12 years a slave, vor Philomena, Blue Jasmine, Nebraska und weit vor American Hustle und Wolf of Wall Street).

August Osage County ist ein Film darüber, wie Familie funktioniert. Und wie sie nicht funktioniert. Diese Familie wird von der Mutter (Meryl Streep) dominiert, daran gibt es gar keinen Zweifel. Wohlwollend könnte man sagen, dass sie scharfzüngig wäre, man könnte es aber auch bösartig nennen. Violet schont weder ihre Kinder, noch ihren Mann, dessen Verschwinden ein Familientreffen provoziert. Ja, provoziert ist in diesem Zusammenhang das passende Verb. Denn ohne Grund trifft man sich nicht.

Und dann sind sie zusammen, Violet und ihre Töchter Barbara (Julia Roberts), Ivy (Julianne Nicholson) und Karen (Juliette Lewis) . Mitsamt dem Anhang. Und dem Bruder ihres Mannes plus dessen Anhang. Die Männer bleiben eher unauffällig (Chris Cooper in einer für ihn sehr untypischen Rolle, sympathisch!). Die Frauen sind es, die hier um die Meinungshoheit kämpfen. Und wie Streep und Roberts das tun, ist besonders sehenswert. Beide agieren höchst charismatisch, beide sind enorm komplexe Charaktere, beide wollen die Schlacht gewinnen. Sind Aussagen, die voller Gehässigkeit getroffen werden, nicht letztendlich manchmal doch wahrer als solche, die die Welt schönreden? Eine der vielen Fragen, die im Film aufgeworfen wird.

August Osage County ist ein Kammerspiel, eigentlich eine Adaption eines Theaterstücks. Dass man das kaum merkt, ist ein großes Verdienst des Regisseurs. Denn man kann sich die Handlung ohne die weiten der Osage Plains kaum vorstellen. Und man schwitzt fast selbst, wenn man den Film sieht – was im heurigen Sommer durchaus eine Leistung ist.

Hier der gelungene Trailer:

Nebraska

Am Beginn von Nebraska denkt man an Jim Jarmusch. Die endlosen, trostlosen Straßen in schwarz/weiß gefilmt, erinnern u.a. an Stranger than Paradise. Der Plot wiederum hat etwas von David Lynchs’ wahrscheinlich unverschachtelstem Film The Straight Story (Nomen est Omen).

Auch in Nebraska begegnen wir einem alten, starrsinnigen Mann (Bruce Dern), der es sich in den Kopf gesetzt hat, eine Reise in einen anderen Bundesstaat zu unternehmen. Während es bei Alvin Straight darum geht, einen alten Konflikt zu begraben, bildet sich Woody Grant ein, dass er eine Million Dollar gewonnen hat, und deshalb schleunigst nach Lincoln, Nebraska muss.

Natürlich weiß sowohl seine Frau (herrlich bärbeißig June Squibb), als auch sein Sohn David (Willl Forte), dass er einem Markteingschwindel aufgesessen ist. Aber David will die Gelegenheit ergreifen, seinem Vater näher zu kommen und bietet sich daher dennoch an, ihn zu fahren. Obwohl er sich also nicht mit einem kleinen Rasenmäher-Traktor fortbewegen muss, wie Alvin Straight, es also etwas problemloser verlaufen könnte, hat David alle Hände voll zu tun, den Senior unter Kontrolle zu behalten.

Nebraska_Poster

Kennt man Alexander Payne, so kennt man die Themen seiner Filme (Sideways, The Descendants, About Schmidt). Meistens geht es um Einsamkeit, lakonische Helden, Außenseiter, Geschichten, die mit einer gewissen Tragik verbunden sind. Aber im Gegensatz zu anderen Filmemacher, fehlt bei Payne die Schwere, die diese Stoffe auch vermitteln könnten. Paynes Filme sind auf ganz eigenwillige Art und Weise immer auch witzig und lebensbejahend, ohne deshalb die angesprochenen Probleme zu verniedlichen oder herunterzuspielen.

In Nebraska begegnet man vielen “Originalen”, die manchmal an Toni Spiras Sendereihe Alltagsgeschichten erinnern. Allerdings werden sie von Payne nicht der Lächerlichkeit preisgegeben und das rechne ich ihm hoch an, denn das würde seiner Geschichte einen bitteren Beigeschmack verleihen. Er schafft es, die richtige Balance zu halten und nicht Skurilles um der Skurillitäts Willen zu zeigen.

Nebraska ist gleichermaßen Road-Movie (auch das ist eine von Paynes Spezialitäten) wie eine Familiengeschichte, die seine Hauptfigur wenn schon nicht als Sympathieträger, so zumindest als Mensch porträtiert, den man hinter seiner starrsinnigen und unzugänglichen, oft auch schroffen Fassade doch am Ende auch irgendwie verstehen kann. Ein unaufgeregter und witziger Film, der wieder etwas mehr independent erscheint als Paynes letztes Werk.

The Black Album

VORSICHT KLEINER, NICHT PLOT-TECHNISCHER SPOILER ZU BOYHOOD

In Boyhood schenkt Ethan Hawke seinem zu dem Zeitpunkt schon pubertierendem Sohn Mason eine Compilation mit den Songs, die die Beatles in ihren Solokarrieren veröffentlich haben. Er nennt es, The Black Album. Und er hat lange darüber getüftelt, wie er die Songs arrangieren soll, damit sie quasi einen perfekten Sinn ergeben und über das Leben erzählen.

Er hat Band on the run vor My Sweet Lord gereiht, dahinter Jealous Guy und Photograph. Seine Erklärung dazu:

“Paul gives you the Dixie to party, George talks about God, John about love and pain and Ringo says enjoy it, while you have it.”

Treffend.

Uncut@Cannes

Ich bin schon wieder kränklich und das Wetter ist auch einigermaßen mies…

Ablenkung verschaffen da die Podcasts aus einer klimatisch derzeit weitaus attraktiveren Gegend, nämlich Cannes! Uncut ist wie jedes Jahr vor Ort und berichtet hautnah vom Festival. Und, wie ich finde, auch sehr pointiert.

Eine kleine Kostprobe:

Aktuelles gibts täglich neu auf der Page, Cannes 2014.

Before Midnight

Der dritte (und letzte?) Teil der Trilogie über Jesse und Celine, das Paar, das sich 18 Jahre zuvor zufällig in einem Zug nach Wien kennengelernt hatte (Before Sunrise) und sich dann für 9 Jahre aus den Augen verlor, bevor es sich in Paris widertraf (Before Sunset).

Before Midnight spielt wiederum 9 Jahre später und alles ist anders. Jesse und Celine sind nicht nur endlich zusammen, sie haben auch zwei Zwillingstöchter. Gerade urlauben sie in Griechenland und haben Jesses Sohn aus erster Ehe zum Flughafen gebracht, der sie besucht hat. Und obwohl sie sich am südlichen Peleponnes befinden, die Sonne scheint und das Meer rauscht, sind sie (und wir als Zuseher mit ihnen) direkt im Beziehungsalltag angekommen.

Das Spielerische ist aus ihrer Beziehung gewichen, es wird nicht mehr geflirtet und kokettiert wie früher (und wenn doch, dann mit einem hämischen, oft feindseligen Unterton), hier sehen wir ganz deutlich ein Paar, dass schon mehrere Jahre Alltag und Kindererziehung hinter sich hat. Wir erfahren, dass die beiden wenig Zeit als Paar hatten. Celine wurde in Paris schwanger, die beiden wurden also schnell Eltern und waren nur ganz kurz ein Paar ohne weiter Verpflichtungen. Außerdem gibt es da noch Jesses Sohn aus erster Ehe, dem gegenüber er sich schuldig fühlt. Was in Wien und Paris so einfach erschien, erweist sich in Griechenland als fast unmöglich…

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Before Midnight bietet aus filmtechnischer Sicht wenig aufregendes. Eigentlich ist der Film ein Kammerspiel, die meisten Szenen sind sehr lange und ungeschnitten, es wird geredet und geredet, nicht gezeigt. Einer meiner Lieblingsfilme, Closer, ist auch ein Kammerspiel, noch dazu eine Adaption eines Theaterstückes, schafft es aber v.a. durch Musik, aber auch einige visuelle Finessen, das Medium Film viel stärker für sich zu nutzen und damit auf dieser Ebene interessanter zu sein.

Vielleicht weil der Film zu sehr mit anderen Themen beschäftigt ist. Was Before Midnight beängstigend gut schafft ist, die Spannung, die zwischen langjährigen Partnern bei einem Streit besteht, so authentisch auf die Leinwand zu bringen. Ein Streit baut sich nicht sehr mühsam auf wenn man sich lange kennt, es ist alles da und bekannt, die wunden Punkte, die Vorurteile, die immergleichen Vorwürfe, die Untergriffe und Machtspiele. Wie Jesse und Celine hat man bald den Anfang der Querelen vegessen und kann beide Seiten irgendwie verstehen – und irgendwie auch nicht.

Es mag befreiend sein, zu sehen, dass jedes Paar mit gewissen Umständen kämpft (zb. wenn Celine sagt, sie komme nicht mehr zum Nachdenken, seit sie Kinder hat oder Jesse wenn er betont, dass er sie liebt, aber es dutzende Dinge gibt, die ihn an ihr nerven), aber auch ernüchternd. Trotzdem ist da, irgendwo verschüttet hinter dem Alltag, die Magie zwischen ihnen noch da. Wofür es sich lohnt, zu bleiben. Oder nicht? Ansehen.

Divergent

Über Ostern waren wir in Südtirol und diesmal haben Mr. Almi und ich das relativ neue Cineplexx Kino in Bozen getestet. Es liegt im Bahnhofsviertel und verfügt immerhin über 7 Säle.

Zuerst hatten wir uns für Transcendence entschieden, bis wir draufkamen, dass der Film auf italienisch läuft. Sci-Fi in dieser Fremdsprache und v.a. Johnny Depp auf italienisch? Nö. Daher haben wir etwas ratlos zu Divergent umgeschwenkt, von dem wir nicht viel wussten, außer, dass es wohl ein “Teeniefilm” mit Parallelen zu The Hunger Games ist. Im Kinosaal angekommen, haben wir den Altersschnitt doch etwas gehoben. Ansonsten jedoch war unsere Wahl eine gute – ich kenne zwar die Panem-Streifen nicht, aber Divergent ist auf jedenfall sehr viel mehr als “nur” etwas für Jugendliche.

Die Rahmenbedingungen sind folgende: in einem post-apokalpytischen Chicago wurde aufgrund vorangegangener Kriege eine Art Kastensystem der Gesellschaft eingeführt, um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten. Alle Menschen, die dort leben, müssen sich in eine von fünf Fraktionen einteilen lassen, die da wären: “Ken” (die Gebildeten), “Candor” (die immer die Wahrheit sagen, meist Richter), “Amite” (die etwas einfältigen Feldarbeiter), “Altruan (die Selbstlosen) und “Ferox” (die Furchtlosen, quasi die Polizisten). Mit 16 Jahren müssen sich die Jugendlichen einem Eignungstest unterziehen, der ihnen sagt, in welche Kaste sie passen würden. Meistens ist das die Kaste, der auch die Eltern angehören. Dennoch hat jeder Jugendliche die Möglichkeit, sich gegen das Testergebnis auch für eine andere Kaste zu entscheiden, wenn er denkt, dass diese im besser entspricht.

Wir als Zuseher begleiten Beatrice Prior bei ihrem Test, der kein eindeutiges Ergebnis ergibt. Deshalb ist Beatrice eine Unbestimmte (divergent). Und das ist in einer Gesellschaft, die ihre Mitglieder so strikt in Interessensgemeinschaften einteilt, keine gute Sache. Denn Unbestimmte werden nicht toleriert, sondern gejagt und schließlich “entfernt”. Beatrice geht volles Risiko ein – sie bleibt nicht in der Kaste ihrer Eltern, der Altruan, was unauffällig gewesen wäre, sondern entscheidet sich dafür, zu den Ferox zu wechseln. Das bedeutet, dass sich sich dem dort besonders harten Aufnahmeritual stellen muss UND dabei danch trachten muss, auf keinen Fall aufzufallen…

Divergent ist ein Coming of Age Film aus einem Sci-Fi Blickwinkel: die Pubertät und die Entscheidung, was man sein will, wird hier quasi auf eine Metaebene gehoben. Die Frage, ob man sich in eine Schublade pressen muss, um akzeptiert zu werden und, ob man alles andere ablehnen muss, ist auch abseits des hier angesprochenen Kastensystems interessant und gerade als Jugendlicher virulent. Auch die Unmöglichkeit eines späteren Wechsels erscheint bedrohlich. Der Film lässt einen grübelnd zurück. Ich denke, jeder Zuseher fragt sich insgemein, in welche Kategorie er persönlich fallen würde und in meinem Fall wäre das jedenfalls nie und nimmer Ferox. Harhar.

Abgesehen von der “Pubertätsproblematik” werden auch andere durchaus philosophische Fragestellungen aufgeworfen, zb. wie gesellschaftliche Systeme funktionieren (können), was Gruppendruck ausmacht, wie mit Autoritäten umgegangen wird, was Cliquenbildung bedeutet und vieles mehr. Dazu kommen sehr gute (Shailene Woodley, bekannt als Clooneys Tochter in The Decendants) bis solide Darstellerleistungen.

Ich bin durchaus gespannt auf Teil 2.

The Grand Budapest Hotel

The Grand Budapest Hotel also.

More of the same von Wes Anderson? Ja natürlich. Dennoch ziemlich anders als sein letzter (und IMO schwächster) Film Moonrise Kingdom. TGBH fokussiert auf Gustave H., dem Concierge und Seele des Hotels, dem ein Mord vorgeworfen wird. Der Film nennt viele Stars im Abspann, doch tatsächlich tauchen Tilda Swinton, Bill Murray, Adrien Brody, Jeff Goldblum und auch Karl Markovics nur in Kleinstrollen auf. Im Zentrum steht eindeutig Gustave H. bzw. Ralph Fiennes.

 

Fiennes kennt u.a. man als unbarmherzigen Amon Goeth in Schindlers Liste und auch durch Der englische Patient. Die Seite, die er bei Anderson zeigt, ist sehr ungewöhnlich. Wie Gene Hackman in (meinem absoluten Anderson Lieblingsfilm) The Royal Tenenbaums beweist er überraschend echt komisches Talent, nicht offensiv komisch, sondern sehr auf Unterstatement bedacht. Weil er so überzeugend ist, funktioniert The Grand Budapest Hotel – der Film ist nämlich völlig auf seine Hauptperson und die Beziehung zu seinem Schützling, dem Lobbyboy Zero, zugeschnitten.

Pluspunkte des Films sind weiters die visuelle Komposition, das Setting und natürlich die allgemeine Schrägheit, die Andersons Werk immer auszeichnet (die man aber mögen muss). Schwachpunkte sind die zuvielen Darsteller in Kleinstrollen. Und es fehlt mir persönlich auch etwas der prägnante Einsatz von Musik, wie das beispielsweise bei den Tenenbaums hervorragend funktioniert hat, wo die Familie mit einer stimmungsvollen Hey Jude Interpretation vorgestellt wird oder bei Life Aquatic die Life on Mars Version von Seu Jorge.

Alles in allem ist The Grand Budapest Hotel aber ein sehr sehenswerter Film, zumindest für Fans oder aufgeschlossene für “tierische” Filme, wie meine Mutter sie bezeichnet.