almis personal blog

Whiplash

Jetzt hab ich auch endlich Whiplash gesehen.

Wem dieser Filmtitel nichts sagt, kurz die Zusammenfassung: der junge, sehr begabte Schlagzeuger Andrew (Miles Teller) wird an der Uni vom berühmt-berüchtigen Professor Fletcher (J.K.Simmons, Oscar für diese Rolle) in seine Band geladen. Fletcher sieht Andrews Potential, doch Talent alleine reicht ihm nicht, er will alles aus seinen Studenten herausholen. Mit allen Mitteln…

Whiplash ist, wenn man so will, oder wenn man Filmmuseum Direktor Alexander Horwath ist (der das in der Oscarnacht kritisierte), die Entzauberung der Kunstform Musik. Im Grunde genommen ist es wie beim Ballett, wo man die kaputten Zehen und das Blut der Tänzerinnen nicht sehen möchte, weil man nicht seine Illusion verlieren will, dass das alles kinderleicht wäre. Ich – sehr durchschnittlich begabte Balletttänzerin in der Schule – sehe meinen Zehen das Training immer noch an. Und bei mir war es ein Hobby, für zwei, drei Stunden in der Woche…

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Aber muss es bei Tanz und Musik so sein? Kann man ein herausragender Künstler werden, ohne Schmerz, Tränen, unermesslichem Ehrgeiz, ohne dem Willen, alles andere im Leben seiner Kunst unterzuordnen? Eine interessante Frage, der ich mich auch beruflich in den letzten Monaten stark widme, im Rahmen eines Projektes an der Musikuni, an dem ich mitarbeite (Young Masters Research). Was brauchen junge, hochbegabte MusikerInnen, um ganz an die Spitze zu gelangen?

Tatsache ist: Andrew will an die Spitze, wie seine großen Idole Buddy Rich und Charlie Parker. Er ist sozusagen ein willfähriges Objekt für Fletchers Fanatismus. Und oh ja, wie fanatisch ist Fletcher. Man möchte ihm lieber nicht alleine auf der dunklen Straße begegnen… allerdings schafft J.K. Simmons es, seiner Figur natürlich auch die nötige Portion Charisma und ja, auch Sympathie mitzgeben, dass es auch den Zusehern nicht leicht macht, ihn komplett abzulehnen. Andrew wiederum verhält sich nicht immer so, dass man zu jeder Zeit extrem großes Mitleid mit ihm hätte. Spannend und differenziert gespielt!

Whiplash besticht nicht nur durch seine hervorragenden schauspielerischen Leistungen, sondern auch durch den treibenden, energetischen Soundtrack. Dem kann man sich kaum entziehen, auch wenn man kein ausgewiesener Jazzfan ist.

Hier kann man sich den Trailer ansehen.

Nightcrawler

Louis Bloom (Jake Gyllenhaal) ist ein – oder entwickelt sich vielmehr nach anfänglicher Orientierungslosigkeit hin zu einem Job als – Freelancer im Bereich Sensationsjournalismus. Das bedeutet: er hört den Polizeifunk ab, und kauft sich eine Videoausrüstung, mit dem Ziel, immer als erster am Ort des blutigen Geschehens zu sein, und Bilder fürs Trash-TV zu liefern. Nachdem er in Los Angeles wohnt, ist das durchaus ein praktikables Geschäftsmodell. Lou hat von Anfang ein an Auge für den richtigen Bildausschnitt und die entsprechende Skrupellosigkeit, dort draufzuhalten, wo es richtig wehtut und wo sich andere voll Mitgefühl (und auch Ekel) abwenden würden. Doch er ist ehrgeizig und will noch mehr…

Nightcrawler könnte, dieser Beschreibung zufolge, vor allem eines sein: ein Film, der sich sehr kritisch mit Ethik und Moral im Journalismus auseinandersetzt und Fragen aufwirft, wie weit Medien im Rennen um Quoten gehen wollen, wie weit sie in die Privatsphäre von Opfern eindringen dürfen, und welche Grenzen sie eigentlich einhalten müssten – auch, um den sozialen Frieden in der Stadt nicht zu gefährden. Das ist dieser Film auch, doch Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle (und seiner mit Abstand besten Rolle bisher) schafft es, dass der Fokus ganz klar auf seiner Figur und seinem Charakter liegt.

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Denn Louis hat die Gabe, ein ganz normaler Wahnsinniger zu sein. Das heißt, er hat die Fähigkeit, als eher langweiliger Durchschnittsbürger zu erscheinen, obwohl er sich nicht besonders große Mühe gibt, seine hochpsychopathische Persönlichkeitsstruktur zu verbergen. Ein bisschen erinnert mich das an das Max Frisch Stück Biedermann und die Brandstifter, in dem ein Fabrikant einen vermeintlich bemitleidenswerten Obdachlosen bei sich auf dem Dachboden aufnimmt. Obwohl der Obdachlose in jeder Minute, die er länger im Haus des Unternehmes verbringt, sich hochverdächtig macht, ein gesuchter Brandstifter zu sein, will der Fabrikant diese Tatsache um keinen Preis wahrhaben, und blendet alles aus (darunter auch etliche Benzinkanister in seinem Haus!), das darauf hindeuten könnte, dass der Obdachloser ein Verbrecher ist.

Louis ist in seiner nonchalenten Kaltschnäuzigkeit, in seiner skrupellosen Unbeirrbarkeit, die alternativenlos ist, ein ganz besonders interessanter Charakter der jüngeren Filmgeschichte. Weit entfernt davon, ein Böser auf den ersten Blick zu sein, ist Bloom bei nährer Betrachtung ein …. nun ja, zuviel will ich nicht verraten. Nur soviel: der Film, der 2015 für einen Drehbuchoscar nominiert war, ist eine düstere, zynische Variation vom hollywood-esken “Vom Tellerwäscher zum Millionär”, die vielleicht gar nicht mal so ungewöhnlich ist, wie man glauben oder hoffen würde.

Und Gyllenhaal kann man nur wünsche, dass er sich in Zukunft auf genau solche Stoffe konzentriert.

Inherent Vice

Ich gebe zu, das erste, was mich bei Filmen neugierig macht ist ihr Titel. Da muss ich noch gar nichts vom Inhalt wissen, es gibt unwiderstehliche Filmtitel, von denen ich mich wie magisch angezogen fühle. Da muss die Inhaltsangabe dann schon sehr unattraktiv sein, dass ich mir den nicht ansehe.

Sowas wie Fear and Loathing in Las Vegas (da reicht auch die Kenntnis des Titels, weil Plot gibt es eh keinen harhar), wie Eternal Sunshine of the Spotless Mind oder Dr. Strangelove or How I stop worrying and love the Bomb, etwas wie In the Mood for Love, wie No Country for Old Man oder Night on Earth. Ok, ich könnte noch länger so weitermachen.

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Jedenfalls wars beim letzten Film, den ich gesehen habe, auch so. Ein toller Titel. Inherent Vice. Auf den ersten Blick gar nicht so leicht übersetztbar. Dazu noch ein genialer Hauptdarsteller (Joaquin Phoenix) und einige interessante Nebendarsteller (Josh Brolin, Owen Wilson, Reese Witherspoon, Benicio del Toro). Und, obenauf, eigentlich eine Literaturverfilmung, also das Drehbuch wurde aus einem Buch von Thomas Pynchon adaptiert. Den ich eigentlich kaum kenne, abgesehen von der Elfriede Jelinik Antwort, wen sie gerne als nächsten Nobelpreisträger sehen würde. Nämlich ihn: Pynchon. Na der muss auch irgendwie schräg sein (so mein erster Gedanke). Ach ja und der Regisseur ist übrigens Paul Thomas Anderson, der uns Filme wie Magnolia oder Boogie Nights bescherte.

Tja, jedenfalls war hat Inherent Vice dann nicht zuviel versprochen. Ein sehr dichter Film, mit relativ verworrenen Handlungssträngen, die man aber nicht im einzelnen währenddessen aufdröseln muss, um Spaß an dem Film (es ist im Prinzip eine Komödie) haben zu können. Die Dialoge sind stark und Phoenix überstrahlt alles. Siebziger Jahre Flair, wie es im Buche steht, plus dazupassender Musik. Und außerdem kann ich jetzt erklären, was “Inherent Vice” bedeutet. Das ist ein Phänomen, das eigentlich einen Mangel ausdrückt. Sowas wie: Eier, die zu Bruch gehen, wenn sie zu Boden fallen oder Schokolade, die in der Sonne schmilzt.

Ich würde sagen, anschauen, wenn man auf sowas steht, nur noch in einem Kino Wiens, dem Admiral, möglich und das ist ein Genuß für sich. Hier der Trailer.

 

Osterferien

Tja, das war eine schöne Kar- und Ferienwoche.

Also eigentlich hat es ja schon am Donnerstag letzter Woche begonnen, als ich mit einer Freundin im Vapiano essen und dann im Kino war. Wir haben uns Das ewige Leben angesehen. Ein österreichischer Regionalkrimi sozusagen, und auch wenn ich dem österreichischen Film manchmal durchaus skeptisch gegenüberstehe, muss ich sagen, der war echt witzig und hatte auch mehr als nur (guten) schwarzen Humor zu bieten, beispielsweise war die Musik der Sofa Surfers angenehm “international” und erinnerte mich stellenweise sogar an den Soundtrack zu Hanna. Hier der Trailer.

Am Samstag waren wir mit Freunden am Frühlingsfest an der alten Donau. Von Frühling war nicht viel zu sehen, die Kinder, drei Jungs an der Zahl, hatten aber trotzdem ihren Spaß, u.a. mit dem Kasperl (Graspopo, statt Grosspapa) und danach gingen wir noch ins Strandcafe essen. Das Treffen lief unter “Native Favoritner”, denn wir kommen fast alle aus dem zehnten Bezirk, zumindest die Männer und ich; aber nachdem die anderen beidenFrauen den Ausdruck “Oida” gebrauchen, wurden sie als Favoritner in spirito akzeptiert. Mittlerweile leben wir aber alle nicht mehr dort, abgesehen von uns hat sich noch eine zweite Familie in Transdanubien angesiedelt. Haben wirklich sehr viel gelacht an dem Nachmittag.

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Am Montag waren wir, ob des schlechten Wetters, wieder im Kino und haben Home angesehen (liebenswert und humorvoll). Am Dienstag ging ich abends – nach einem Tag mit diversen Nachbarkinderbesuchen, schon wieder aus, diesmal Steakessen und abgesehen davon, dass es im Flatschers extrem heiß war, und das Lokal ziemlich überfüllt, wars ein sehr netter Abend. Mittwoch hat Adrian eine Tour mit seinem Onkel gemacht, wodurch ich ein bisschen zum arbeiten und Besorgungen machen gekommen bin.

Am Donnerstag waren wir mit Adrians Freund im technischen Museum – wo es derzeit eine Rutsche zu testen gibt, die einem anzeigt, wieviel km/h schnell man sich da fortbewegt, mehr muss ich eh nicht mehr zum Erfolgsfaktor des Nachmittags sagen. Die Hochspannungsshow dort, für die wir uns angemeldet haben, war, sagen wir so, interessant. Ich weiß jetzt, dass Thomas Edison nicht die Glühbirne und Graham Bell nicht das Telefon erfunden haben. Die haben nur gutes Marketing gemacht. Die Namen, der tatsächlich Erfinder (Philipp Reis?) haben sich bei mir aber nicht besonders gut eingprägt. Wie gesagt: schlechtes Marketing.

Und heute waren wir Frühlingsschuhe und Jeans und Shirts gekauft (für das Kind) und waren schon wieder im Kino. Diesmal wars Cinderella und Adrian war DIE personifzierte Männerquote. In einem recht gut besuchten Saal, sah man fast nur Mädchen von 4 bis 16 Jahren. Der Film ist etwas für Menschen, die klassische Märchenfilme in Starbesetzung (Helena Bonham Carter, Cate Blanchett, Stellan Skarsgaard) mögen. Wir fandens auch gut.

Abgesehen davon, ist meine Freundin Irene in Irland die wohl abgebrühteste Fluggästin, die ich kenne. Habt Ihr von dem Flug von Dublin nach Wien gehört, der wegen Gerüchen im Cockpit abgebrochen werden musste, die Maschine musste umgekehren? Nun ja, sie war live dabei. Mehr in ihrem Blog. Waaaah. Hut ab!

Birdman, zwei

Nachdem ich von Birdman so begeistert war, hab ich mir die Oscarverleihung zum Teil nochmal angesehen. Speziell die Auszeichnungen und Reden zu Birdman. Und da hat eigentlich (fast) immer nur Regisseur Alejandro G. Innaritu gesprochen, weil er auch den Preis für das beste Drehbuch und den besten Film bekommen hat.

Und ich finde es besonders interessant, was er gesagt hatte, als er den Oscar für die beste Regie bekommen hat, nämlich (man addiere spanischen Akzent):

“Ego loves competition, because for someone to win, someone has to lose. But the paradox is that true art, true individual expression, all the work by the incredible fellow filmmakers can’t be compared, can’t be labelled, can’t be defeated. Our work will be judged, as always, by time.”

Schön war auch:

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Außerdem: Bitte Edward Norton, wieder mehr Filme drehen. Ich war mal ein großer Norton Fan, zur Zeit von Fight Club, doch dann verschwand er irgendwie vom Bildschirm und man (oder ich) vergaß, warum er so großartig ist. In seiner Nebenrolle in Birdman wurde das mal wieder geklärt. Und jetzt wollen wir (oder ich zumindest) wieder mehr von ihm sehen. Und nach drei Oscar-Nominierungen wärs auch für ihn mal Zeit, finde ich.

Birdman – or The Unexpected Virtue Of Ignorance

Birdman, unter der Regie von Alejandro G. Innaritu, der bisher für komplexes Depressionskino bekannt war, hat bei der diejährigen Oscarverleihung die Preise für beste Kamera, Drehbuch, Regie und besten Film eingeheimst.

Der Plot sagt einem nicht viel: der alternde Schauspieler Riggan (Michael Keaton), der in jungen Jahren ein Superstar in den Birdman-Filmen war, ringt mit dem Alter und seiner Karriere. Er hat ein Theater am Broadway übernommen und will nun als Regisseur und Theaterschauspieler reüssieren. Auch der Trailer lässt einen etwas ratlos zurück: Da ist der Riesenvogel Birdman, quasi Riggans Alter Ego, da ist seine kaputte, hochsensible Tochter (Emma Stone), sein Agent (völlig gegen sein Image besetzt und fast nicht zu erkennen Zach Galifianakis), sein Co-Star auf der Bühne (brilliant Edward Norton) und sein letzter Rest von Würde. Ergibt das ganze einen abendfüllenden Film? Oh ja, das tut es. Und es ist wohl tatsächlich der überragende Film des vergangenen Jahres.

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Dabei kann man auch nach Genuß von Birdman schwer beschreiben, warum er so faszinierend ist. Der Film bietet hervorragende schauspielerische Leistungen und scharfe Dialoge. Aber noch soviel mehr als das. Der Film ist quasi ungeschnitten und die Kamera folgt den Protagonisten auf dem Fuß, was besonders toll ist, da die Location ein Theater ist, und man jedes kleine Fleckchen hinter der Bühne inspizieren kann. Dazu gibt ein Schlagzeug fast ununterbrochen den Rhytmus des Filmes vor. Das klingt nervig, ist aber absolut stimmig und treibt die Handlung voran

Ja, Richard Linklater, der große Konkurrent von Innaritu bei den Oscars, hat mit Boyhood Neuland betreten, er hat über 12 Jahre einen Film über einen wachsenen Jungen bis zum Mann gedreht. Was er getan hat, ist von großem dokumentarischem Wert, aber er erhebt sich keine Sekunde von Boden der Realität. Innaritu tut etwas anderes. Er schüttelt das ganze Medium Film durcheinander, Phantasie und Realität trennen und vermischen sich, was dabei herauskommt, sind tausende Splitter, viele kleine hinreißende Details, über die es zu Nachdenken lohnt. Der Film hat nicht ein Thema, sondern dutzende, er ist unheimlich smart, ohne damit zu kokettieren, er ist witzig, skruill und dabei erstaunlich herzerwärmend.

Und er groovt. Von der ersten Minute bis zur letzten.

Das waren die Oscars 2015, zwei

Was gibts noch zu sagen?

Auf ORF1 haben wieder Nadja Bernhard und Alexander Horwath durch die Oscarnacht geführt. Wie ich schon öfter hier schrieb, höre ich Filmmuseum-Direktor Horwath sehr gerne zu, wenn er über Filme spricht. Heuer zb anlässlich Patricia Arquettes flammendem Appell nach gleichem Lohn für Frauen meinte er, das Filmbusiness werde dominiert von ältern weißen Männern. Aus diesem Blickwinkel werden die Geschichten erzählt. Dieser Blickwinkel ist an sich ok, nur nicht mehr dann, wenn er der einzige ist, den wir – das Publikum – präsentiert bekommen. Für ihn ist auch das Fehlen an schwarzen Nominierten kein Problem der Oscar-Jury, sondern das Problem beginnt bereits viel früher: es werden zuwenige Filme mit/von Schwarzen im Filmbusiness gedreht. Ihr Fehlen bei großen Awards ist dann leider zwangsläufig.

Spannend war es aber, dass die Jury Citizenfour – die Dokumentation über Edward Snowden – mit dem Oscar für besten Dokumentarfilm ausgezeichnet hat. Ich muss sagen, ich habe daran gezweifelt, dass sie ein so heikles Thema für die USA prämieren werden, finde es aber großartig. Oder wie Horwath sagte: Amerika hat eben viele verschiedene Seiten. Und der Patriotismus, der beispielsweise American Sniper problematisch macht, ist eben nur eine davon. Womit er natürlich recht hat.

Eine Meinung von Horwath fand ich dann nicht ganz nachvollziehbar, obwohl ich den Film Whiplash noch nicht gesehen habe. Horwath meinte, er sei kein Fan des Filmes, weil hier Musik und v.a. das Streben nach Perfektion in der Musik wie das Trainieren von Hochleistungssport abgehandelt werde. Aber, nun ja, das ist es doch auch (zumindest kann es so sein). Natürlich bekommt man diese Bild als reiner Konsument im Normalfall nicht zu sehen, denn Musik soll, wie alle Künste, so wirken, als wäre sie aus dem Ärmel geschüttelt. Doch hinter den Kulissen ist das m.E. durchaus vergleichbar mit einem Bereich wie Sport. Ich arbeite gerade an einer Studie über hochbegabte Nachwuchsmusiker mit und es wird geforscht, was diese Kinder und Jugendlichen brauchen, um ihr Talent möglichst gut weiterentwickeln zu können. Auch deshalb möchte ich Whiplash unbedingt sehen.

Das waren die Oscars 2015, eins

Gleich vorweg: ich habe mir die Verleihung nicht live angesehen. Zum einen, weil ich auch ohne eine Nacht durchzumachen einen doch kontinuierlichen Schlafmangel mit mir herumtrage, zum anderen, weil es kein Oscarjahr war, dass mich in großer Aufregung für diesen oder jenen Kandidaten wachbleiben ließ.

Das darf man aber nicht missverstehen: die ausgezeichnten Filmen waren und sind (ich habe noch nicht alles gesehen, das ich sehen möchte, speziell Birdman und Whiplash) heuer sehr interessant, und haben einen gewissen Indie-Touch, was mir persönlich besser gefällt, als wenn eine Großproduktion praktisch alle großen Preise abräumt. Die heuer nominierten Filme waren zu einem guten Teil Produktionen, die eben keine “typischen” Oscarfilme sind.

Über das Hosting durch NPH hab ich gestern schon geschrieben. Es war ok, wenn auch nicht mehr. Dafür haben die Denkesreden heuer einiges an Originalität, Witz und Emotion geboten, was wirklich nicht immer der Fall ist. Am besten hat mir die Rede von Graham Moore gefallen, der für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet wurde. Moore erzählte, dass er mit sechzehn Jahren versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Er fühlte sich zu dieser Welt nicht zugehörig (“I felt I do not belong”). Nun stehe er heute auf der Oscarbühne und möchte allen sagen, denen es gerade genauso geht und die sich unzugehörig fühlen: “Yes you do. I promise you do.” Und weiter: “Stay weird. Stay different.” Schön!

Stay weird, stay different, diesen Vorsatz beherzigt John Travolta schon seit einiger Zeit, und hat das heuer das zweite Jahr in Folge auf der Bühne zum Ausdruck gebracht. Letztes Jahr hat der die Sängerin Indina Menzel als “Adele Dezeem” angekündigt. Heuer durfte er mit eben dieser Sängerin eine Kategorie präsentieren. Das war angedacht, um die beiden quasi zu “versöhnen”, doch Travolta versemmelte es wieder. Aus eher unerklärlichen Gründen befasste er sich sehr eingehend mit Indina Menzels Kinn. Was NPH am Ende zur Schlussfolgerung brachte: “Travolta will be back again next year to apologize to Idina for all the face touching.” Harhar.

Am Ende durfte Sean Penn den Oscar für den besten Film vergeben, was auf Twitter manche zu der Überlegung verleitete, wie der ausgewiesene Awards-Hasser & Demokrat Sean Penn reagieren würde, wenn er nun dem kontroversiellen American Sniper den Preis verleihen müsste. Dazu kam es nicht, dafür schaffte es Penn, selbst ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten, weil er den Sieger folgendermaßen ankündigte: “Who gave this son of a bitch his Green-Card?” – gemeint war Birdman Regisseur und Produzent Innaritu. Dazu muss man sagen, dass die beiden schon miteinander gedreht haben und befreundet sind – und solche Scherze untereinander üblich sind. Trotzdem fanden manche jenen geschmacklos, gerade von jemandem wie Penn. Nun ja, jeder mag da selbst sein Urteil fällen.

To be continued.

Überlegungen zu den Oscar Noms, zwei

Tja, am Sonntag werden schon die Oscars vergeben und mir fehlen noch zwei Filme, die mich in diesem Zusammenhang sehr interessieren würden, nämlich Whiplash und Birdman.

J.K. Simmons ist einer der wenigen Nominierten heuer, die quasi fix mit einer Auszeichnung rechnen können, auf seine Performance, die brilliant sein soll, bin ich besonders gespannt. Ich mochte ihn bereits sehr in The Closer und Juno.

Das Rennen um die Auszeichnung bester Film ist ja noch ziemlich offen und es scheint auf ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Boyhood und Birdman hinauszulaufen. Boyhood habe ich gesehen, und so richtig überzeugt hat er mich dann doch nicht. Ich mag Richard Linklater ganz gern, doch wie auch schon bei der Before-Reihe fehlt mir bei ihm ein bisschen das Nutzen des Mediums Film. Sein Ansatz ist mir ein bisschen zu dokumentarisch, zu wenig doppelbödig und ja, auch etwas zu wenig spielerisch – auch wenn das Drehen eines Films über 12 Jahre natürlich ein interessantes Experiment ist, allerdings auch ein recht strenges Korsett, dass der Charaktervertiefung weniger zuträglich ist, als man im ersten Moment meinen würde.

Auch mit einem weiteren Mit-Favoriten, The Grand Budapest Hotel, hab ich gewisse Probleme. Eines der Vorgängerwerke seines Regisseurs, Wes Anderson, ist einer meiner Lieblingsfilme, The Royal Tenenbaums. Andersons meiner Ansicht nach große Stärke ist, Schauspieler aus ihrem natürlichen Habitat zu entführen und in völlig neue Zusammenhänge zu stellen. Wie zb. Gene Hackman als Royal, der einfach nur herrlich skurill, spleenig und dadurch sehr interessant ist. Oder Gwyneth Paltrow, deren Darstellung der Margot Tenenbaum die einzige Rolle ist, in der sie mich wirklich überzeugt. Obwohl (oder weil) sie hier völlig gegen ihr Image besetzt ist.

Das hat Anderson auch in GBH geschafft, in Person von Ralph Fiennes. Fiennes ist eigentlich dieser sehr ernsthafte Schauspieler, bei dem man entweder an den grausamen Amon Goeth (Schindlers Liste) oder an den geheimnisvollen ungarischen Grafen in Der englische Patient denkt. Dass Fiennes ein komisches Talent hat, darauf muss man erstmal kommen. Dass er diesen Film komplett trägt, das muss man ihm erstmal zutrauen. Leider ist Andersons Schwäche eindeutig (und häufig) die Story, die meist nur als Vehikel für bizarre Szenerie, Kostümwahl und Musik dient (obwohl ich das sehr schätze)

Das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau, das ist mir schon klar.