almis personal blog

Trotzdem. Mein Leben. Zwei.

Bei Erika Pluhar ist ja interessant, dass sie mit ziemlich Aufsehen erregenden Männern verheiratet bzw. zusammen war.

Zunächst war sie mit Udo Proksch verheiratet, mit dem sie auch eine Tochter hat – Anna, sie starb 1999 mit 37 Jahren an einem Asthmaanfall. Pluhar erzählte, dass sie für Proksch quasi die Zweit- oder Co-Frau war und er zu ihr meinte, sie wäre so eine starke Frau, da würde sie es schon aushalten, eine andere Frau “daneben” zu akzeptieren. Pluhar redete sich ein, das sie das konnte, tatsächlich litt sie aber sehr darunter. Wenn man das so hört, denkt man sich, wie geht das, so eine hübsche, kluge und begabte Frau und doch “reicht” sie einem Mann nicht. Sowas ist mir immer irgendwie ein Rätsel. Die beiden ließen sich dann – lange vor dem Fall Lucona – scheiden.

P.S. Als Anna Pluhar später ein schwarzes Kind adoptieren wollte, veranlasste Erika Pluhar, dass offiziell sie es adoptierte, damit der Bub den Namen Pluhar bekam. Pluhar meinte, es wäre für einen Schwarzen sowieso schon schwer, der Name Proksch dazu, das müsse dann auch nicht sein.

Nach Andre Heller war Pluhar mit Peter Vogel zusammen, das war ja ein riesiger Skandal, weil Heller mit Gertraud Jesserer, der Ehefrau von Peter Vogel zusammen kam und Pluhar eben mit ihm, ein klassischer Partnertausch und ein gefundenes Fressen für die österreichische (Klatsch)Presse. Leider war diese Beziehung – für Pluhar war es die große Liebe – auch nicht von Glück gesegnet. Relativ bald stellte sich heraus, dass Vogel schwerer Alkoholiker und Tabletten-süchtig war. Und, dass Pluhar nichts für ihn tun konnte. Eine Therapeutin sagte ihr, dass sie nur helfen könnte, wenn er selbst die Sucht besiegen will. Das passierte allerdings nicht: Vogel beging 1978 Suizid.

Trotzdem. Mein Leben.

Zu Erika Pluhars 80. Geburtstag bin ich zufällig in eine Doku namens Trotzdem. Mein Leben gestolpert, die im ORF ausgestrahlt wurde. Wobei stolpern ist das falsche Wort. Ich habe im Bett am Handy Im Zentrum geschaut, bin dabei eingeschlafen und wieder aufgewacht, als eben diese Doku lief. Sie hat mich sofort interessiert und ich schau sie jetzt etappenweise auf youtube weiter an, der ORF hat eh nur eine gekürzte Version ausgestrahlt.

Am besten gefällt mir ja, wie Erika Pluhar mit ihrem Ex-Ehemann Andre Heller zusammentrifft. Pluhar ist neun Jahre älter als er und sie waren von 1970 bis 1984 verheiratet, wenn auch viel kürzer zusammen. Heller sagt, sie war damals die begehrenswerteste Frau Wiens und er wollte sie natürlich irgendwie besitzen. Pluhar sagt, es war keine sehr gelungene Ehe, weil er zu jung war und noch die Welt erobern wollte und mindestens alle Frauen, die auf dieser Welt existieren.

Außerdem sagt Heller etwas sehr interessantes und sicher zutreffendes:

Das war unser zentrales Problem und das ist das zentrale Problem fast jeder gescheiterten Beziehung oder schwierigen Beziehung, dass man dem anderen immer vorwirft, dass er nicht so ist, wie man ihn haben will. Anstatt dass man sagt, so wie du bist, für das lieb ich dich. Alles andere ist ja keine Liebe. Alles andere ist besitzen wollen und dann noch zu den Bedingungen, die man vorschreibt.”

Und als er alte Filmaufnahmen von ihr sieht sagt er, er versteht retrospektiv, wieso sie damals zusammengekommen sind und:

Komischerweise hab ich das Gefühl, wir waren gar nicht so unglücklich, wie wir beide immer behauptet haben”

Harhar. Ein schönes Gespräch und man kann sich im Grunde nur wünschen, so gut freundschaftlich mit jemandem verbunden zu bleiben, wenn die Liebe und Ehe vorbei ist.

Jahresend-Gedanken

Heuer hab ich sehr wenig Filme gesehen, nicht im Kino und schon gar nicht im Fernsehen. Ich hab auch gar kein Buch gelesen, soweit ich mich erinnere. Obwohl Filme schauen und Bücher lesen eigentlich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören. Aber wenn der Kopf so voll ist mit Gedanken, dann kann man sich schwer auf Gedanken von anderen einstellen, man kann sich nicht in fremde Welten fallenlassen, wenn man gerade selbst versucht, in seiner eigenen Welt zurechtzukommen.

Geschrieben hab ich auch wenig, zumindest nichts zusammenhängendes, dafür unzählige whatsapps mit FreundInnen, über das was mich beschäftigt. Es ist interessant, welche Reaktionen ausgelöst werden, wenn man etwas vielleicht ungewöhnliches erzählt, es sagt ganz viel über den Menschen aus, am anderen Handy. Ich bin immer sehr froh, wenn jemand nicht bewertet, weil ich selber sehr dazu neige, mich oft und oft nicht gerade mit Wohlwollen zu bewerten. Und natürlich hab ich auch viel geredet, wahrscheinlich mehr als in anderen Jahren, jedenfalls waren es oft lange und intensive und ehrliche Gespräche. Ich bin jedem sehr dankbar, der mir zugehört hat.

Musik gehört hab ich dafür sehr viel, weil ich auch sehr viel gegangen bin, die obere alte Donau rauf und runter und wieder rauf, am liebsten bei kühlem Wetter und in Dunkelheit, und dabei manchmal weniger denken musste, und die Energien ins Gehen und ins Schauen gesteckt habe. Körperlich fühl ich mich ziemlich fit, durch das viele Gehen, harhar.

Vielleicht ist es komisch, mit 42 Jahren sich nochmal neu zu entdecken, vielleicht ist es aber auch gar nicht mal so ungewöhnlich. Auch wenn ich das Wort Midlife Crisis nicht in den Mund nehmen will, weil ich glaube die hatte ich schon mit Mitte 30 und das, was jetzt ist, ist was anderes, was Größeres und Bedeutenderes, vielleicht sowas wie das Häuten einer Schlange oder wenn ein Tier sein Winterfell verliert. Ich hoffe jedenfalls, dass ich nachher, wenn ich fertig bin mit Denken, nicht mehr so große Angst haben werde und vor allem nicht mehr sooft. Und, dass ich nicht mehr so sehr mit mir oder gegen mich kämpfen werde.

Und bevor (sich) jemand fragt: ja, es geht mir, trotz der vielen Gedanken, sehr gut sogar. Weil sich vieles gut anfühlt. Und sehr richtig.

Dinge, die dir keiner verrät

“Unsere” Ergotherapeutin (also eigentlich die Ex-Ergotherapeutin vom Kind) schreibt einen interessanten Blog und hat da unlängst ein besonderes spannendes Thema beleuchtet. Nämlich: was passiert alles nach der Geburt mit deinem/ dem weiblichen Körper, von dem dir vorher niemand etwas gesagt hat.

Auch wenn sie selber abrät, ihren Text zu lesen, wenn man Scheu vor der Schilderung von Körperflüssigkeiten hat (gilt auch im ein bisschen für diesen, meinen, Blogpost), finde ich den Text doch ziemlich wichtig. Zunächst einmal für Frauen, die noch kein Kind haben und wissen wollen, was im Fall des Falles auf sie zukommen, aber eigentlich für jeden, der erfahren will, was da so alles los ist, bei/nach der Geburt und zwar ungeschönt und nicht das, was uns in Soap Operas, in der Werbung oder durch Kate Middleton¹ präsentiert wird.

Ich war zum Beispiel auch sehr überrascht, als es nach der ja eher chaotischen, viel zu frühen und unvorbereiteten – das heißt: kein Vorbereitungskurs – Geburt des Kindes hieß, jetzt müsse ich noch die Plazenta gebären. Wait, whaaaat? Are you kidding me? So hab ich mich damals gefühlt. Ich hatte mir bis zu dem Zeitpunkt wirklich absolut keinen Gedanken darüber gemacht, was eigentlich mit der Plazenta ist, bzw. dachte ich, die wird halt auch gleich mitgeboren. Das war vielleicht eine blöde Überraschung, weils auch ziemlich wehtut und irgendwie hat man dann eh schon von allem genug. Aber im Gegensatz zum Text von Barbara wurde ich vorher gefragt, ob danach die Plazenta sehen will, was ich dankend abgelehnt habe. Harhar.

Über die weiteren Dinge, die so mit dem Körper nach der Geburt geschehen, verweise ich auf den Post von Barbara, die das alles viel schöner beschreibt als ich es könnte und auch sehr offen und ehrlich. Man ist ziemlich bedient, in den Tagen und Wochen nach der Geburt, sehr verletzlich, seelisch, aber auch physisch. Und das ist alles normal, auch wenn man sich gar nicht so fühlt. Danke für den tollen Text, Barbara!

 


¹ Ich verweise da kurz auch auf den Text der Schauspielerin Keira Knightley, die Middelton für den perfekten Look kurz nach der Geburt ihrer Kinder kritsierte. Ja, wir wollen vielleicht auch alle aussehen wie Kate Middelton, ein paar Stunden nachdem wir unsre Babys rausgepresst haben. Aber wir schaffen es nicht, weil uns die entsprechende Entourage fehlt. Wobei man drüber diskutieren kann, ob soviel Styling Stress nach der Geburt überhaupt irgendwie erstrebenswert ist.

Lady Bird

Gestern hab ich Lady Bird im Wiener Admiral Kino gesehen, das Regie-Debut von Greta Gerwig, das für fünf Oscars nominiert war – für den besten Film, beste Hauptdarstellerin/Nebendarstellerin, Regie und Drehbuch und leider nichts gewonnen hat. Dafür zwei Globes.

Ich mag Greta Gerwig sehr gern, wie könnte man nicht, sie lebt quasi den Traum. Sie hat diese nerdig-hippe Aura, ist eine großartige Komikerin, sie schreibt schräge Drehbücher und jetzt ist sie auch noch Regisseurin. Dabei wirkt sie so bescheiden und bodenständig, fast ein bisschen zurückhaltend, wenn man sie auf solchen Großveranstaltungen wie den Oscars oder den Golden Globes sieht. Dabei ist sie erst die fünfte Frau überhaupt, die für einen Regie-Oscar nominiert wurde.

Lady Bird ist so was wie ein semi-autobiografische Coming of Age Geschichte. Im Mittelpunkt der Handlung steht die 17-jährige Christine “Lady Bird” Mc Pherson (Saoirse Ronan), die eine katholische High School im kalifornischen Sacramento besucht. Als sie im Rahmen einer Audition für ein Musical vom Pfarrer gefragt wird, ob Lady Bird ihr “given name” ist, sagt sie: “Yes, I gave it to myself, it’s given to me, by me”, was schon recht viel über ihre Persönlichkeit aussagt. Lady Bird fühlt sich als Künstlerin, sie möchte nach dem Abschluß auf ein College an der Ostküste gehen, was aufgrund der finanziell mehr als prekären Situation ihrer Familie quasi ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint. In diesen turbulenten Zeiten macht sie auch ihre ersten Erfahrungen mit Liebe und Sex…

 

Lady Bird hätte nun ein lakonischer, etwas flapsiger Film übers Erwachsenwerden einer jungen Frau werden können, wie man solche Filme ja durchaus kennt. Ein paar Witzchen hier, etwas harmloses Drama da, quasi auf dem Reißbrett. So leicht hat es sich Greta Gerwig allerdings nicht gemacht, denn an der Oberfläche zu bleiben ist ihre Sache nicht. Lady Bird ist deshalb eine authentische, differenzierte Betrachtung eines Erwachsenwerdens in einer Familie geworden, in der jeder seinen eigenen Kampf führt, der – so hart er auch manchmal sein mag –  niemanden bitter oder ungerecht macht; höchstens etwas zynisch.

Laurie Metcalf, bekannt als Schwester von Roseanne in der gleichnamigen Sitcom, spielt hier als Mutter im Dauerkonflikt mit ihrer Tochter quasi die Rolle ihres Lebens; was überrascht ist, dass die anderen Darsteller ihr gegenüber nicht abfallen, die Ensambleleistung ist erstaunlich, wobei mein heimlicher Liebling Lady Birds Vater (Tracy Letts) ist, ein sehr ruhiger, besonnener Mensch, von ihrer Mutter dafür kritisiert, immer “der Nette” sein zu wollen, während sie, die Mutter, den “Bad cop” spielen muss. Einmal fährt er Lady Bird zur Schule und sie hören Hand in my Pocket und Lady Bird fragt “Do you know, Alanis Morissette wrote this song in only ten minutes”, und er antwortet recht trocken: “I belive it.”

Wenn man solche Dialoge mag und sich für kleine, warmherzige Geschichten, die vor allem vom menschlich-sein erzählen, interessiert, dann sollte man diesen Film unbedingt in Betracht ziehen. Und man sollte Greta Gerwig wohl im Auge behalten. Das Hollywood-Kino braucht einen weiblichen Blickwinkel, das hat es sich selbst im Zuge von #metoo und Co attestiert, und Gerwigs Debütfilm ist ein vielversprechender Anfang einer vielleicht großen Karriere.

Still Leben

Auf Empfehlung habe ich letzte Woche das Buch Stillleben von Antonia Baum gelesen. Als ich es in der Buchhandlung gesucht habe, war es unter der Rubrik “Geschichte” eingeordnet. Und das verdeutlich schon ein bisschen das Problem von Stillleben, wenn man mich fragt.

Worum geht es? Um Dinge, in die es in der letzten Zeit recht oft geht, zumindest in einem eher urbanen, eher akademischen Milieu, moderne Mutterschaft und ihre Probleme. Baum arbeitet sich an den üblichen Dingen ab: Entscheidung für ein Kind ja oder nein (sie lässt es “passieren”), die Vereinbarkeitsfrage, Beziehungsprobleme, Stillen oder nicht, Krabbelgruppen-Hass und so weiter. Baum schreibt sehr wahrhaftig und in vielen ihrer oft poetischen Sätze finde ich mich wieder, beispielsweise:

Nach der Geburt war mein Körper wund. Alles wund und offen und heiß. Die Wunde zwischen meinen Beinen, die Brüste. Die Gefühle in meiner Brust, die Nerven, die Hirnhaut, die Gedanken hinter meiner Stirn, die Augen, alles war wund und offen und heiß. Ab sofort war die Möglichkeit, etwas zu wollen und es dann zu tun, vollkommen ausgeschlossen. Alleinsein ausgeschlossen, aufstehen und gehen vollkommen ausgeschlossen.

Aber was geht darüberhinaus? Was ist der Erkenntnisgewinn? Antonia Baums Text ist ein Hybrid, dessen verschiedene Einzelteile nicht so ganz zueinanderfinden wollen. Sie schreibt über die sogenannte “Migrationsproblematik” und ausländerfeindliche Nachbarn, generell ihre Wohngegend, die ihr schwer zu schaffen macht, seit sie mehr Zeit zuhause verbringt, sie schreibt über Putzfrauen und deren Lebensumstände und baut auch andere gesellschaftspolitische Schlenker ein und man fragt sich, was das alles konkret mit Mutterschaft zu tun hat. Lieber würde man tiefergehende Gedanken dazu lesen.

Dass sie keine Lösungen für das große Thema Frau mit Kind hat, überrascht nicht, das muss auch nicht sein, aber mir geht ein bisschen der Mehrwert im Text ab, der sich zuoft in Nebenschauplätzen verliert. Vielleicht geht mir auch der Humor ab, den man in Werken mit ähnlicher Thematik bei Rike Drust (Muttergefühle, Gesamtausgabe) oder Doris Knecht (ich hab mal drüber geschrieben: Wie man fidel verspießert) findet. Dort werden ganz ähnliche Baustellen begangen, aber der Benefit ist, dass sie mit einer gehörigen Portion Humor und auch Selbstironie beschritten werden. Ich möchte Frau Baum nicht aufzwingen, ein unterhaltsames Buch zu schreiben, wenn ihr nicht danach ist, aber mir fällt es leichter, auch schwierige Dinge mit Humor zu betrachten. Und die Botschaft kommt, m.E., trotzdem rüber.

Am Ende von Baums Buch ist man als Leserin dann ganz ratlos, wenn sie eigentlich keine Lösungen hat, aber ihr Buch mit einer Art Glückseligkeits-Schwamm-drüber Message abschließt. Why, oh why? Dennoch hat mir Still leben einige interessante Stunden beschert, wenn das Gesamtbild für mich – wie gesagt –  dann nicht ganz gestimmt hat.

#metoo, drei

Gestern gabs anlässlich des Falls Pilz ein “Im Zentrum” zum Thema sexuelle Belästigung.

Und es hat der Sache leider nicht wirklich geholfen. Weil manchen manche Dinge anscheinend immer noch sehr unklar sind. Und ich weiß auch nicht, ob das probate Mittel ist, Frauen zu sagen, was sie alles tun können, um sich zu wehren. Ich denke mal, jede Frau wird sich gegen Belästigung ohnehin so wehren, wie es ihr auch möglich ist, entsprechend ihres Alters und ihrer Persönlichkeit, auch entsprechend der Art der Belästigung und der Person des Belästigers, auch wo diese stattfindet. Aber die Belästigung wird dadurch nicht ungeschehen gemacht, wenn man sich erfolgreich dagegen verteidigt und wie kommen eigentlich Frauen dazu in die Situation zu kommen, sich wehren zu müssen? Oder sich dann vorhalten zu lassen, man habe sich halt vermutlich zuwenig gewehrt. Nennt mich naiv, aber das ist nicht der Punkt, wo man ansetzen sollte.

Mich zipft es beispielsweise extrem an, dass es für mich als Frau seit frühester Jugend normal ist, Angst zu haben, nachts alleine nachhause zu gehen. Mich zipft es an, Angst zu haben, aus der Straßenbahn auszusteigen und mich umzusehen, ob mir eh niemand Zwielichtiger entgegenkommt, ob mir eh niemand folgt und mittlerweile das Handy in der Hand zu halten, um sofort im Notfall irgendwen anrufen zu können. Das ist zugegeben besser geworden, seit ich in einer anderen Gegend lebe, diese Angst. Aber ganz weg geht das nicht.

Mich zipft es an, dass ich sechs Monate in einem Unternehmen gearbeitet habe, in der mich der Portier jeden verdammten Morgen blöd angeredet hat, zweideutig, extrem aufdringlich und mir einmal auch nachgegangen ist. Mich zipft es auch an, dass ich meinem damaligen Chef erst nach diesem mich-verfolgen, also nach sehr langer Zeit davon gesagt habe, weil ich mir dabei dumm vorgekommen bin und schwach und ich wollte ja erwachsen sein. Und ja, das mit dem Chef reden hat genützt. Würde ich heute sofort machen, ich bin aber auch nicht mehr 20.

Auch wurde mir unter den Rock gegriffen, auf der Straße um ein Uhr nachmittags, quasi total in der Öffentlichlichkeit ohne, dass es irgendwen gejuckt hat, und einmal in einem Haus, wo ich mit zwei Burschen kurzfristig alleine war, die zwei haben mich dabei festgehalten, und das zipft mich nicht an, sondern macht mich immer noch komplett fassungslos. Damals war ich 12 oder 13, und das meine erste Begegnung mit Sexualität wenn man so will; und es waren keine Männer, sondern Jugendliche, ein bisschen älter als ich. Und gegen die beiden hab ich mich gewehrt, sogar sehr, ich hab versucht sie wegzustoßen und gebissen hab ich sie, und trotzdem hat es sehr lange gedauert, bis ich an ihnen vorbei aus dem Haus raus bin und wären sie älter gewesen und hätten sie es drauf angelegt noch andere Dinge zu tun, hätt ich realistischerweise keine Chance dagegen gehabt. Und ich habe niemand davon erzählt, weil ich mich geschämt habe. Soviel zum Thema, wieso kommt das oft erst Jahre später raus. Und auch jetzt fällt es mir nicht sonderlich leicht, hier darüber zu schreiben, obwohl es mich nicht nachhaltig traumatisiert hat oder mein Sexualleben negativ beeinflusst hat.

Besonders zipft es mich daher an, wenn Frauen wie Nina Proll, aber auch genügend andere Frauen jetzt sagen, ist doch alles nicht so schlimm, machen wir doch nicht so einen Wind, ist doch ein Kompliment. Eine Belästigung ist kein Kompliment, sie ist verletzend und demütigend und um die eigene Person geht es da schon mal gar nicht. Ja, es ist schon klar, es gibt bei diesem Thema, wie bei jedem anderem Thema auch Ambivalenzen, und nicht nur schwarz und weiß, darüber kann man auch diskutieren, aber es geht doch vor allem, gerade jetzt, sehr um Bewusstseinsbildung um ein Umdenken, um gesellschaftliche Veränderungen. Und ich glaube, das sehen auch sehr viele Männer so.

Und morgen schreib ich dann für Uncut was zum Thema Kevin Spacey. Und das ist durchaus schmerzlich. Stay tuned.

No future diesseits und jenseits das Teichs

Nachdem ich letztens was von guilty pleasure Songs geschrieben habe, hab ich irgendwo im Netz in eine Auflistung von ebensolchen gefunden. Unter anderem war da You get what you give von den New Radicals.

Das ist für mich kein guilty plearsure Song, im Gegenteil. Es ist so, dass ich You get what you give von den New Radicals wirklich überhaupt nicht leiden kann, um es mal nett zu formulieren. Ich hab mir den Song dann aber trotzdem nochmal angehört um mein Missfallen quasi zu verifizieren und ja, ich finde den Song – um Tartarotti zu zitieren – immer noch fürchterlichst. Er hat diese no future auf US-amerikanisch Attitüde, die Kids wissen ihren Frust über alles nicht anders zu kanalisieren als teure Autos, genauer Mercedes Benz’, zu demolieren und alle zu beschimpfen, obwohl sie eigentlich Liebe brauchen. Am Ende zählt der Sänger quasi in Rollenprosa auf, wer ihn aller nervt und “Fake” ist, nämlich: “Hanson, Courtney Love und Marylin Manson” (reim dich, oder ich fress dich!).

Das hat mich dann aber an einen anderen Song erinnert, der quasi no-future auf britisch ist, nämlich The Dark of the Matinee von Franz Ferdinand.

Und diesen Song mag ich gerne, weil er in seiner Gesellschaftskritik viel spitzfindinger ist als die öde New Radicals Nummer. Auch in good old UK sind die Jugendlichen etwas orientierungslos, die schulische Ausbildung wird kritisch betrachtet und der Protagonist macht seinem Unmut Luft, in dem er seinem love interest erzählt, was ihn alles nervt:

“Accidentally, I
Charm you and tell you
Of the boys I hate
All the girls I hate
All the words I hate
All the clothes I hate
How I’ll never be anything I hate”

Soweit so schlecht, aber dann die Reaktion des love interests:

“You smile, mention something that you like
Oh how you’d have a happy life
If you did the things you like”

So einfach kanns manchmal sein. Und dann wird der Protagonist des Songs aufgrund der geänderten positiven Lebenseinstellung irgendein Künstler, der selber nicht so genau weiß, welche Kunst er ausübt, damit aber enormen Erfolg hat, und auf BBC2 dem legendären Moderator Terry Wogan ein Interview zu seinem nebulösem Tun geben darf.

Das find ich ziemlich originell.

#metoo, zwei

Gestern hat sich die Schauspielerin Nina Proll bemüßigt gefühlt, etwas zu #metoo zu sagen. Dann brach ein ziemlicher Shitstorm los. Ich würde gerne sagen, dass hier überreagiert wurde und sie das nicht verdient hat, aber das fällt mir schon eher schwer.

Abgesehen davon, dass sie so ein sensibles Thema, das ja offenbar doch sehr viele Frauen betrifft mit dem Holzhammer bearbeitet, finden sich im Text auch ziemlich widersprüchliche Aussagen. Beispielsweise sagt sie einleitend, ihr selber ist das in 20 Jahren Filmkarriere noch nie passiert, dass es Grenzüberschreitungen gab, etwas später dann, dass sie sich für ältere Männer nie interessiert hat und es ihr deshalb egal war, wenn diese ihr “Avancen” gemacht haben.

Dann schreibt sie, jede Frau kann ja selbst bestimmen, in welche Abhängigkeiten von einem Mann sie sich begibt. Das ist wirklich blanker Hohn, denn nicht jede Frau, die sexuell belästigt oder missbraucht wird, ist in der Position, “einfach” nein sagen zu können, wie sie salopp vorschlägt. Etwa weil sie minderjährig ist, weil Missbrauch in der Familie passiert, weil sie eingeschüchert, bedroht, gewaltsam zu etwas gezwungen wird, etc. Wäre es so einfach mit: “Ein nein ist ein nein, daran hält sich jeder” zu erledigen, gäbe es ja diese ganze Problematik überhaupt nicht.

Und schließlich wirft Nina Proll alles durcheinander, wenn sie sagt, dann darf ja kein Mann mehr mit einer Frau flirten, weil er ja dann sofort in ein Eck gestellt wird. Ich frage mich wirklich wie schwer es sein kann, einen Flirt und sexuelle Belästigung zu unterscheiden. Ein Flirt lebt nämlich substantiell von seiner Gegenseitigkeit, davon eben genau die Reaktionen des Gegenübers abzuwarten und wiederum darauf zu reagieren. Und nicht wie ein Bulldozer alles niederzuwalzen, weil das “Objekt der Begierde” vor allem eines ist: Mittel zum Zweck.

Polemisch zu sagen, dann schaffen wir Sex ab, dann gibts keine Probleme mehr, zieht die ganze #metoo Bewegung komplett ins Lächerliche und verhöht die Frauen, die sich (vielleicht endlich!) trauen, Zustände zu benennen und sich selbst nicht mehr schuldig zu fühlen. Sex ist etwas wunderschönes, wenn er zwischen Menschen stattfindet, die das beide wollen. Es geht hier aber gar nicht um Sex per se, sondern um Machtmissbrauch, um Grenzüberschreitungen, um Gewalt und Erniedrigung. Schade, dass Frau Proll das offenbar absolut nicht nachvollziehen kann und mehr noch, anderen ihre Erfahrungen abspricht.

Muss Botox?

Gestern hab ich einen bemerkenswerten Artikel in der Zeit gelesen. Bemerkenswert schwachsinnig, Entschuldigung. Wer reinschauen will, das geht hier.

Da schreibt eine Dozentin für Körperkultur über den Einsatz von Botox auf verteidigende Art und Weise. Soweit sogut, es bleibt ja jedem selbst überlassen, was er zur (scheinbaren) Optimierung seines Aussehens tun will. Aber die Gründe, weshalb eigentlich praktisch jede Frau ab 40 Botox verwenden muss oder sollte sind derart haarsträubend, dass es einem beim Lesen wirklich selbige aufstellt.

Die Autorin bemüht laufend Gemeinplätze, Dinge, die sie offenbar für gottgegeben und unhinterfragbar hält, beispielsweise: eine Frau ab vierzig holt keinen (Mann) mehr hinter dem Ofen hervor. Ihre sexuelle Anziehungskraft ist komplett dahin. Sie ist auf dem Weg in die Unsichtbarkeit. Für den Mann ab 40 gilt das naturgemäß nicht, denn Schönheit ist kein Wert, der für Männer besondere Signifikanz hat bzw über den verhandelt werden muss. Die Autorin zieht den Schluß: wenn ich als Frau auf der Bildfläche bleiben will, dann muss ich mich den Regeln der Oberflächlichkeit unterwerfen, dann kann ich aus diesem Spiel nicht aussteigen, und dafür sollte Verständnis da sein. Das ist ein beängstigendes Frauen- und auch Männerbild, dass die Autorin da beschwört und ich weigere mich, dieses Bild ernstzunehmen.

Ja, es kann nicht schaden, wenn man mit zunehmendem Alter auf einen Körper achtet und ihm gutes tut. Es kann nicht schaden, sich zu pflegen und sich nicht zu vernachlässigen. Das wird niemand in Abrede stellen und gilt für beide Geschlechter. Aber ist Botox & Co. für Frauen die Antwort darauf? Geht es nicht eher darum, sich gut zu fühlen, um das dann auch auszustrahlen? Verlieben wir uns in Menschen nur dann, wenn sie makellos aussehen, wenn sie “perfekte” Gesichter und Körper haben? Ich würde mal behaupten, wir finden Menschen attraktiv, die Ausstrahlung haben, die offen auf uns zugehen, uns anlächeln, mit uns in Beziehung treten und die interessante Dinge zu sagen haben, die uns zuhören. Und die auch ein entsprechendes Selbstbewusstsein haben, sich so anzunehmen wie sie sind. Diese Menschen finde zumindest ich schön, weil sie – auch wenn es platt klingt – auch innerlich schön sind.

Wenn jemand Botox verwenden will, bitte. Aber machen wir daraus keine Doktrin, erheben wir es nicht zu einem Dogma, ohne das wir in unserer oberflächlichen Gesellschaft nicht auskommen. Steigen wir lieber offensiv aus dem Spiel mit der Oberflächlichkeit aus und setzen wir ihm etwas anderes entgegen. Zum Beispiel Selbstironie und Souveränität. Das ist auch deutlich günstiger.