Am heiligen Abend bin ich um halb sechs aufgestanden, weil ich jemand zum Bahnhof begleitet habe.
Es ist sehr dunkel und leer auf den Straßen, ganz früh am heiligen Abend, an einem milden, nieseligen heiligen Abend übrigens. Nur die Müllabfuhr fährt und die Standler am Markt packen ihre Sachen aus, solange sie noch öffnen dürfen.
Am Westbahnhof war dann auch nicht viel los. Entweder die meisten bevorzugen spätere Züge, oder viele sind schon gefahren oder heuer auch gar nicht.
Vor neun hab ich dann schon Suppe gekocht, man hat schon viel vom Tag, wenn man so früh aufsteht, allerdings ist mittlerweile der Feiertagsschlendrian wieder eingezogen und ich schlafe bis nach acht! Hui. Harhar.
Am Wochenende hab ich während einer Diskussion etwas ironisch gesagt “The future is female” und darauf der Teenie: “The future is post Gender”. Da war ich ehrlich beeindruckt.
Gestern war ich beim Nierenultraschall zur Nachkontrolle. Es ist glücklicherweise alles ok und ich muss erst im Juni wieder hin. Aber weil trotz Termin soviel los war, durfte ich aussuchen: Wartezimmer oder Spaziergang. Die Entscheidung fiel leicht und es ist ja gerade auch einigermaßen mild draußen, um nicht das Wort “Weihnachtstauwetter” zu verwenden.
Nachdem ich in der Gegend war, spazierte ich zum Ex-(Betriebs)kindergarten des nunmehrigen Teenies, den er von 2010 bis 2014 besuchte. Nun ist es sowieso schon immer etwas eigenartig, an Orte der Vergangenheit zurückzukehren, die man eine zeitlang dauernd, später dann aber gar nicht mehr aufgesucht hat. Und in Pandemiezeiten, in denen diese Orte ausgestorben sind, ist es noch spookier. Gerade, wenn – wie in diesem Fall – dieser Ort fast monumental wirkt, eine Festung aus Beton quasi. Hier fand immer das Laternenfest statt. Und da, an dieser Rampe, hat er sich öfter mal geweigert, weiterzugehen. Und hier, rund um diese Säulen, haben er und seine Freunde fangen gespielt und wir Mütter mussten achtgeben, weil es sich zwar um Gehsteig handelte, aber hier auch Autos hineinfahren und parken durften. Da ist er mit dem Roller rauf und runter gedüst und ich hatte natürlich diese Schreckensbilder im Kopf, vom stürzenden, sich überschlagenden, in seine Einzelteile zerfallenden Kind, mütterliches Kopfkino at its worst.
Dann denke ich an mein früheres Ich zurück, an meine Gedanken und Gefühle damals, und kann es gar nicht glauben, wie weit ich seither gekommen bin, direkt ins eigenartige Jahr 2020, das mich wiederum sovieles gelehrt hat.
Eigentlich denkt man sich das ja umgekehrt: Mensch kauft sich ein Auto, damit mensch frei wird. Damit man jederzeit überall hin fahren kann, das ist doch normalerweise der Inbegriff von Freiheit. Unabhängig sein, sich nicht an Fahrpläne halten müssen.
Ich wollte schon mit 18 keinen Führerschein machen. Es hat mich nie gereizt, vielmehr hatte ich immer Angst vorm Autofahren. Aber mir wurde gesagt, ich solle nicht mit irgendwelchen “Besoffenen” nach dem Ausgehen heimfahren. Das Argument macht sicher im ländlichen Bereich Sinn, aber in Wien gibt es öffentliche Verkehrsmittel und es gibt Taxis. Und auch als junger Mensch war ich mit niemandem befreundet, der “besoffen” Auto gefahren wäre. Der, der fuhr, hat eben nichts getrunken.
Ich habe den Führerschein erstaunlicherweise gleich beim ersten Mal geschafft. Und das Autofahren an sich, also der Akt (ohne andere störende Fahrzeuge auf der Straße) hat mir schon gefallen. Wirklich viel gefahren bin ich dann aber nicht. Und ich habe nie diesen Level erreicht, mich einfach ins Auto zu setzen und irgendwohin zu fahren und vorallem: dort einzuparken. Ich bin mehr oder weniger immer nur ein paar bekannte Strecken gefahren und wenn ich tatsächlich mal woanders hin musste, hab ich mir vorher in Google Street View angesehen, wie man zum Zielort kommt und wie die Parkplätze dort aussehen. Diese akribische Vorbereitung verkörpert schon alles andere als Spontanität und Leichtigkeit.
Das (damals noch) kleine Kind hat das Schimpfwort f*** gelernt und emsig wiederholt, das ich gebraucht habe, als wir abends mal aus dem Garten heimfahren wollten und die Batterie leer war. Ich habe manchmal Blut geschwitzt auf der Tangente und tatsächlich geschwitzt, wenn wir dort gute 40 Minuten im Sommer Stau standen. Auch davor hab ich oft gegoogelt, wieviel Verkehr dort ist und bin dann in einem günstigen Zeitfenster gefahren. “Gebraucht” habe ich das Auto nur für den Garten. Im Winter musste es dann gezwungenermaßen bewegt werden. Und jedes Jahr hat mir der Automechaniker gesagt, ich fahre zu wenig.
Deshalb bin ich froh, jetzt kein Auto mehr zu haben und das wird auch so bleiben. Mein “Lifestyle” ist bescheiden, ich fahre ohnehin nicht weit weg und meine Bahnen ziehe ich zu Fuß und per öffentlichen Verkehrsmittel. Das Kind wird immer älter und bald selbst mobil sein. Und überhaupt bin ich jetzt in einem Alter oder auch Gemütszustand, wo ich alles reduziere, Marie Kondo-esk quasi, ich will nur noch soviel Sachen haben, dass sie in ein Zimmer passen. Das wichtigste ist in meinem Kopf und meinem Herzen.
Heut ist ein Feiertag, an dem es gar nicht hell wird, wie es scheint.
Ich bin viel zu früh aufgewacht, obwohl ich gestern bis Mitternacht Sex and the City geschaut habe. Ja, ich bin gerade retromäßig wieder in die Serie reingekippt. Erstmals hab ich sie gesehen, als ich von daheim ausgezogen bin, dann als das Kind ein Kleinkind war war und jetzt also nochmal. Das finde ich immer besonders interessant, wenn man in verschiedenen Lebensphasen eine Serie nochmal komplett durch-schaut, man hat jedesmal eine andere Perspektive darauf, weil man sich selbst in 20 Jahren verändert und weiterentwickelt hat.
Samantha hab früher immer sehr oberflächlich gefunden, heute merke ich, dass sie sehr wohl ziemlich interessante Dinge zu sagen hat, sehr pragmatisch ist und vielleicht die Einzige der vier ist, die wirklich imstande ist, solo ein sehr glückliches Leben zu führen. Auch die Beziehung von Big und Carrie sehe ich heute in einem ganz anderen Licht. Früher dachte ich, Big wäre ein unsensibles Rauhbein (euphemistisch ausgedrückt, obwohl ich ihm immer viel mehr abgewinnen konnte als Carries anderen Freunden) – beim Wiedersehen erkenne ich einen Mann, der schwere Bindungsängste hat. Und zwar wirklich, keine Ausrede. Und eine Frau, die damit nicht umgehen kann. Was nicht verwunderlich ist, wenn man dem noch nie begegnet ist. Weil es ihr zunächst einmal auch ganz viel Angst macht.
Etwas ist immer gleich geblieben, seitdem ich die Serie zum allerersten Mal gesehen habe: Ich wünsche mir auch eine Kolumne, von der ich meinen Lebensunterhalt bestreite. Harhar. Wo ich mit meinem Laptop am Bett sitze, aus dem Fenster sehe und schreibe, schreibe und dann kommen soviele originelle Gedanken und inspierende Sätze dabei heraus wie bei Carrie.
Ich war Samstag Abend im 3. Bezirk und wenn jetzt die Lieferservices auch verboten wäre, dann wären mir praktisch keine Menschen begegnet. Die einzigen, die die Straße noch beleben, sind FahrradbotInnen.
Einmal ist ein einzelner Mensch um die Ecke gebogen und wir haben uns beide sehr erschrocken.
Aja falls ihr euch Nägelkauend gefragt habt, was mit Dancing Stars ist, im Lockdown: es wird ganz ohne Zuschauer fortgesetzt.
Ich habe am Freitag jetzt immer langen Fernsehabend, weil der Teenie das Ende der Schulwoche zelebriert. Also schau ich das, irgendwie entspannend, die eh schon einkalkulierten, oft passiv-aggressiven Fehden der TeilnehmerInnen mit der Jury und teilweise wirklich sehenswertes Tanzen. Währenddessen backe ich Kuchen und danach schau ich Was gibt es Neues – wo letztens jemand “infisziert” gesagt hat und jemand anderer: “Das heißt infiziert” und Person 1: “Wir sind in Österreich”. Harhar. Und danach hab ich noch Die Perle Anna geschaut, mit Elfriede Ott, wieder eine Hausangestellte, die die Seitensprünge “ihres” Ehepaares konterkariert, das war thematisch offenbar wirklich mal “a thing.”
Am Wochenden hab ich den den Lockdown Text von Eva Menasse gelesen, der in den sozialen Medien abgefeiert wurde, und der hat mich leider gar nicht abgeholt, wie man so schön auf neudeutsch sagt. Ich tu mir generell schwer mit Texten, die mir auf doch eher plumpe, gleichzeitig aber auch reichlich selbstzufriedene Art – garniert mit einer Prise Kulturpessmismus – sagen wollen, was ich fühlen soll. Dabei hab ich noch nicht mal das Gefühl, dass mir Jahre gestohlen werden, wie Menasse suggeriert, bin aber der Meinung, dass man das Ganze nicht runterbrechen kann, auf eine kuschelige Wellness-Auszeit für Besserverdiener und Privilegierte, sowie Menschen im “richtigen” Alter. Denn Menasse ist, wie ich selbst, in einem relativ komfortablen Alter für eine Pandemie. Bei uns ist die Wahrscheinlichkeit doch hoch, dass die folgende Zeit nicht unsere finale Lebensphase sein werden.
Anyway, wirklich abholt gefühlt hab ich mich dafür bei folgendem Tweet:
Die Eurovision Songcontest Seite auf Facebook betreibt fortgeschrittenen Eskapismus und fragt nach Songs, die in den Qualifikationsrunden ausgeschieden sind, es aber ins große Finale des ESC hätten schaffen müssen/sollen.
Da fällt mir sofort ein Song ein, bei dem ich es bis heute nicht verstehe, warum er ausgeschieden ist (und diese Einschätzung teile ich mit Marco Schreuder), nämlich Time von Izabo, Kandidat 2012 für Israel:
Den hab ich seit geraumer Zeit auf meiner Songcontest-Playlist und finde ihn immer noch super und total underrated.
Was gibts noch außer Corona und Terror? Ich habe den neuen Podcast von Mari Lang gehört, Frauenfragen. In diesem Podcast wird Lang Männer treffen und sie mit typischen Fragen konfrontieren, die sonst noch Frauen gestellt werden – beispielsweise nach den Designern, die sie gerade tragen oder nach Vereinbarkeit von Kind und Karriere. Interessantes Konzept, in der ersten Folge war Armin Assinger zu Gast und es war ein ziemlich idealer erster Gast, würde ich sagen. Er war auch sehr offen und hat nur einen Joker von dreien gebraucht. Ja, in diesem Podcast gibt es auch Joker, immer dann, wenn man eine Frage nicht beantworten will. Dann kann man die Frage entweder abwählen, jemand anrufen oder die Frage der Moderatorin zurückspielen, die sie stattdessen beantworten muss.
Mir wäre ja nie eingefallen, Punschkrapferl selbst herzustellen, wenn der Geburtstagsmensch diese nicht lieben würde, aber so… Na jedenfalls ist es nicht so schwierig wie man denken könnte. Oder sagen wir so: wenn man ungefähr 30 Rezepte von Punschkrapferl gegoogelt hat, findet man so ca. bei Nummer 31 auch eines, das einfach zu verstehen und nachvollziehbar ist.
Dieses Punschkrapferl Foto hab ich auf Instagram gepostet #fürmehrrealitätaufinstagram Harhar. Geschmeckt haben sie übrigens wirklich gut, wenn ich mich loben darf.
Geburtstag gefeiert wurde dann im sehr kleinen Kreis outdoor. Auf der Libelle, wie man das in Coronazeiten eben macht. Die Libelle ist ein Dachaufbau am Leopold Museum und wurde – auch Corona-bedingt – statt im März im September eröffnet. Man hat einen wunderschönen Rundblick auf die Museen und das Museumsquartier.
Wenn man übrigens 49 Jahre alt wird, dann redet niemand darüber, dass man gerade 49 geworden ist, sondern alle reden vom 50er. O-Ton: “Jetzt haben wir gerade erst deinen 40er gefeiert und jetzt bist schon 50.” “Ich bin nicht 50.” Harhar.
Es irritiert mich, dass die Schulhomepage verkündet, dass ihre Ampelfarbe gelb ist. Aber das in oranger Farbe kundtut. Jeden Tag erschrecke ich aufs Neue.
Es ist Coronaherbst, und genauso fühlt es sich gerade an. Die Tagen werden kürzer, grauer und frischer – und irgendwann wird jeder einen kennen, der schlecht drauf ist. An manchen Tagen, wenn ich so nach draußen lausche, hab ich das Gefühl, dass es stiller ist als normalerweise, aber es ist keine angenehme, ruhige Stille, eher eine resignierte. Möglicherweise interpretiere ich aber zuviel hinein.
Leben haben sich geändert und zwar ausnahmslos nicht durch die Krankheit Corona, sondern durch die Begleitumstände, wie das daheim eingesperrt sein – die, die damit ein Problem haben, bezeichnen es oft so. Da haben Biografien sehr unerwartete neue Verläufe gekriegt, wie ich jetzt schon einige Male in persönlichen Gesprächen gehört habe. Ich habe auch schon gehört: “Wer weiß wie lange ich noch lebe? Deshalb habe ich dieses oder jenes riskiert.”
Ich weiß nicht wie ich das finden soll. Ich selbst sehne mich wie schon vor Corona (und das wird sich danach auch nicht ändern, vermute ich) nicht nach Risiko, sondern immer nach Nähe und Geborgenheit, die ich an manchen dieser ruhigen Tagen bekomme. Dann ist die Stille draußen nicht mehr bedrohlich.
Heute vor 13 Jahren war der letzte Tag, an dem ich nicht Mama war.
Jahrelang hab ich den ganzen September ambivalente Gefühle gehabt. Wurde von der Spätsommerluft und dem Stand der Sonne getriggert. Das hörte mit jedem Jahr mehr auf und heuer hab ich kaum was gefühlt. Weil auch viele andere Themen das gerade heuer überlagern.
Bis ich heute in aller Frühe, um halb sieben, die Fotos von meiner damaligen Bettnachbarin im Krankenhaus Bozen sah. Ihr Sohn M. wurde heute vor 13 Jahren geboren. Auf ihrem Whatsapp Status hat sie ein Bild gepostet, in dem sie mit M. die Marsupio (Känguruhtherapie) macht. Sie sitzt da in dem weißen Kittel, den wir auf der Intensivstation immer angezogen haben, vor der Wand mit den braunen Fliesen, auf der Brust ihr winziges Baby. Und sie hat diesen Gesichtsausdruck zwischen Babyblues und Glücklich-sein und der Frage: wie bin ich bloß hierher geraten. Und das war dann doch wieder ein ziemlich emotionaler Flashback für mich.