almis personal blog

Conklave, zwei

Der Regisseur von Conklave ist übrigens der deutsch-österreichisch-schweizerische (die Quelle sagen unterschiedliches) Edward Berger, der vor zwei Jahren Im Westen nichts Neues gedreht hat und damit sehr erfolgreich war. Ich habe den Film nicht gesehen, weil ich eine gewisse Scheu vor Kriegsfilmen habe.

Mit Conklave bringt er wieder einen Film über eine Gruppe von Männern heraus, die auch irgendwie Krieg führen, was auch im Film ausgesprochen wird. Lawrence sagt während einer Diskussion zu Bertini einmal, das sei ja eine Papstwahl und kein Krieg und Bertini daraufhin: “It is a war!!! And you have to commit to one side”.

Mein allerliebstes Zitat aus diesem Film (es kommt auch im Trailer vor, also nicht wirklich ein Spoiler) ist etwas, was Kardinal Lawrence in seiner Ansprache vor Beginn der Papstwahl sagt:

There is one sin, which I come to fear above all others. Certainty. If there was only certainty and no doubt, there will be no mystery and therefore no need for faith.

Das gefällt mir sehr gut, weil es irgendwie zum Leben passt, auch wenn man kein Kardinal ist. Es ist nicht alles immer so klar wie es vielleicht scheint. Und die Ambition von Menschen anderen permanent ihre Sichtweise aufdrängen zu müssen und nichts anderes gelten zu lassen, das ist ja ein Grundübel der Gesellschaft in der letzten Zeit. Ich finde, das verengt unnötig den Blick auf ja, eigentlich alles und es nimmt nicht nur das Geheimnis, sondern auch die Freiheit, die man hat.

Wenn man also Lust hat auf gute Schauspieler, Spannung, feine Dialoge und schöne Bilder hat – der Vatikan ist schon sehr fotogen und es sieht toll aus, wenn zum Beispiel alle Kardinäle im Regen mit weißen Schirmen über den Innenhof laufen – dann anschauen. Es wird übrigens auch gevapt und am Smartphone herumgewischt. Und es gibt tatsächlich eine Frau im Vatikan: Isabella Rossellini in einer Schlüssel-(Neben)rolle.

Conklave, eins

Vor einigen Tagen habe ich den heurigen Oscar-Crowdpleaser gesehen, wie ich ihn nennen möchte.

Also einen Film, der durchaus anspruchsvoll und ein wenig artsy ist, dabei aber auch ziemlich spannend und amüsant erzählt wird und zwar Conklave. Solche FIlme sind in hohem Maße Oscar-verdächtig, weil sie nicht polarisieren und vermutlich den meisten Juroren gefallen und deshalb wohl auch von vielen Stimmen bekommen werden. Weil bei den Oscars gibt man ja nicht nur Stimmen für den Lieblingsfilm ab, sondern eine Rangreihung.

In Conklave geht es jedenfalls – wie der recht technokratische Titel schon sagt – um eine Zusammenkunft aller Kardinäle nach dem Tod des bis dahin amtierenden Papstes. Kardinal Thomas Lawrence (Ralph Fiennes) wird dazu auserkoren, die Wahl zu leiten, obwohl er sich selbst nicht gerade als Manager sieht und generell aktuell ein paar Probleme mit seiner Kirche und dem Glauben hat. Er selbst unterstützt den progressiven Aldo Bertini (Stanley Tucci), der sich nicht um das Amt reißt, aber andere (repressive) Kräfte verhindern will. Und dann beginnt das doch sehr intrigante Spiel um die Macht…

Als Zuseherin ist man ja immer recht schnell in den Bann gezogen, wenn man sich in einem Setting vorfindet, in dem Menschen bewusst isoliert werden und in ritualisierter und streng reglementierter Form etwas wichtiges entschieden werden soll, weil das so viel Raum für spannende Gruppendynamiken aller Art bietet. Oder wie das Votivkino in seiner Kritik schrieb: “Germanys Next Topmodell meets the Vatican. Nur einer kann der nächste Papst werden.”

Dabei spielt die Religion selbst in Conklave eine geringere Rolle als man glauben könnte. Natürlich geht es ein bisschen um Konservatismus versus Aufbruch, mehr geht es allerdings um das universelle Thema Gruppenbildung bzw. Spaltung, und noch mehr um Intrige, Manipulation und wie man in einem toxischen Umfeld authentisch bleiben und das Richtige tun kann, wie Kardinal Lawrence. Lawrence ist ein guter Mensch, aber auch ein zweifelnder, ein (auch sich selbst) hinterfragender. Die Rolle des Managers der Papstwahl überfordert ihn permanent.

Ralph Fiennes ist hier so super und man kann sich generell nur wundern über die “Range”, die er hat. Vom Shakespeare Darsteller im Theater – das merkt man auch hier sehr an seiner Sprache – über den männlichen Part von epischen Liebesgeschichten wie Der englische Patient, vom schrecklichsten aller schrecklichen Nazis Amon Göth in Schindlers Liste zu hippen Typen in italienischen Thrillern wie A Bigger Splash bis zu sehr komödiantischen Rollen wie als Concergie in The Grand Budapest Hotel oder als wahnsinniger Küchenchef in The Menu. Für seinen Nebendarsteller gilt fast das Gegenteil, ich zitiere das Votivkino “Stanley Tucci als Stanley Tucci, wir lieben ihn, auch wenn er immer dieselbe Rolle spielt.” Harhar

to be continued…

The Room Next Door

Nun noch etwas mehr zu The Room Next Door, von Pedro Almodovar.

Die erfolgreiche Autorin Ingrid (Julianne Moore) hat gerade ein neues Buch veröffentlicht, in dem es um ihre Angst vor dem Tod geht. Wie es der Zufall so will, trifft sie auf ihre alte Freundin Martha (Tilda Swinton), die Krebs im Endstadium hat. Martha möchte ihrem Leben mittels Pille aus dem Darknet selbstbestimmt ein Ende setzen, und sucht jemand, der im “room next door” bleibt. Nachdem sich nicht sehr viele Menschen darum reißen, diese Aufgabe zu übernehmen, fragt Martha irgendwann Ingrid, ob sie diese Person sein will, die nebenan wohnt und bei ihr bleibt, bis es soweit ist…

SPOILER MÖGLICH

Dass dies Almodovars erster englischsprachiger Film ist, merkt man tatsächlich deutlich an der Sprache. Und damit meine ich jetzt nicht, dass alle englisch sprechen statt spanisch, nein, sie sprechen englisch, als würden sie in Wahrheit spanisch sprechen. Versteht das irgendjemand? Harhar. Ingrid und vor allem Martha sprechen anfangs viel zu viel und viel zu schnell. Ich habe mir gedacht, irgendwie passt das nicht und habe mir dann überlegt, wäre es spanisch, würde es mich wahrscheinlich nicht “stören”. Generell wird aber im ersten Teil des Filmes viel zu viel geredet. Martha erzählt Ingrid Dinge, die Ingrid als so gute frühere Freundin bereits wissen sollte. Es ist schon klar, dass Almodovar will, dass auch wir diese erfahren, aber das war mir irgendwie zu platt. Die Rückblenden sind auch eher so mittel.

Dann gibt es auch hier wieder einen ur nervigen Nebencharaker (it’s a thing derzeit), nämlich Damian (John Turturro) mit dem beide Frauen vor langer Zeit einmal (nacheinander) zusammen waren. Und ich hoffe sehr, dass er damals nicht so mühsam war, weil sonst ist die Faszination schwer nachvollziehbar. Jedenfalls trifft er sich einmal mit Ingrid, spricht er davon, dass er schon wieder Großvater wird und das sei ja so unverantwortlich in der heutigen Zeit wegen Klima bla bla. Ingrid weist ihn dann daraufhin, dass er sehr selbstgerecht sei und es ihm außerdem nicht zustehe, quasi allen anderen die Laune zu verderben, nur weil er irgendwelche Horrorszenarien in seinem Kopf durchspielt. So super, die Antwort! Jedenfalls erläutert sie dann, dass man sich auch Gedanken über etwas machen kann, und trotzdem den Augenblick genießen, so wie Martha das täte, die genau wisse, dass ihre Tage gezählt seien.

Generell wird The Room Next Door immer besser, je länger der Film dauert, je mehr Momente Ingrid und Martha alleine haben, und am besten ist er da, wenn sie im Ferienhaus sind und reden, sich alte Filme ansehen, in Büchern blättern, in den Wald gehen. Das fühlt es sich richtig geborgen, fast gemütlich an, obwohl das Thema ja alles andere als das ist. Ich verzeihe diesem Film möglicherweise auch ein paar Schwächen, weil er so gut diese gewisse Stimmung vermitteln kann, in Frieden mit der Welt zu sein. Trotz allem. Wie schon gesagt: Der Film ist sehr berührend, aber er ist nicht wirklich traurig, zumindest empfand ich es nicht so. Ein paar Almodovar’sche Trademarks wie die starken Frauenfiguren, die schrillen Farben, ein paar Skurilitäten gibt es – aber so ein theatralisches spanisches Musikstück hätte hier natürlich auch gut gepasst, nur gibt es das nicht, weil wir sind ja in den USA.

Ich habe jetzt nachgezählt: ich habe 16 von den 23 “großen” Almodovar Filmen gesehen. Da geht noch was!

American Psycho, eins

Vor kurzem wurde bekannt, dass Regisseur Luca Guadagnino (unter anderem Call me by your name, Challengers) American Psycho neu verfilmen will. Ja, den Roman von Bret Easton Ellis, der in den späten 1990er Jahren auf dem Index jugendgefährdeter Schriften stand und mich als Jugendliche interessierte. Ich habe American Psycho gelesen, bevor er indiziert wurde, meine englische Ausgabe ist aus dem Erscheinungsjahr 1991 und ich fand den Roman damals ur oarg, aber auch teilweise sehr witzig und interessant.

Jedenfalls gab es jetzt generell zwei Reaktionen auf diese Ankündigung der Neuverfilmung:

  1. Oh bitte nicht, das Buch ist unverfilmbar und wurde außerdem schon sehr gelungen von Mary Harron verfilmt (ja wirklich, das schreiben die Leute in einem Satz, harhar)
  2. Bitte Jacob Elordi als Patrick Bateman casten

Ich habe das zum Anlass genommen, den Roman noch einmal zu lesen und möchte hier die eine oder andere Sache dazu sagen, zuvor aber: worum geht es überhaupt?

Der 26-jährige Patrick Bateman (im bereits existierenden Film dargestellt von Christian Bale), der aus einer sehr reichen Familie stammt und aus finanziellen Gründen nicht arbeiten müsste, es aber aus innerem Zwang zur Konformität doch tut, und zwar natürlich an der Wall Street, ist der Protagonist dieser Geschichte. Er ist zwar durchaus gebildet und kulturinteressiert, lebt aber ein komplett oberflächliches Leben, in dem es vor allem darum geht, welche Kleidung man trägt, wo man zu Abend isst und wer die stilvollere Visitenkarte hat. Bateman hat eine Verlobte, trifft aber auch andere Frauen und Prostituierte. Nebenbei ist er ein naja, Serienmörder. Oder…?

Mehr dazu morgen, Cliffhanger!

The Brutalist, zwei

Kleine Spoiler möglich

The Brutalist rechnet in gewisser Weise mit dem amerikanischen Traum als solchem ab, er lässt aber auch László Tóth nicht als makellosen Helden erscheinen. Als Tóth die Frau seines Cousins kennenlernt, fragt er ihn bald einmal “Is she a Schickse?” Dass sein Cousin eine Katholikin geheiratet hat, behagt ihm nicht. Es ist natürlich so, dass Tóth jede Menge Gegenwind erfährt, auch aufgrund seiner Herkunft, aber auch er selbst hat Vorurteile. Und er macht genausowenig Zugeständnisse, er will mit dem Kopf durch die Wand, und letztendlich sind wir hier wieder bei der Frage der Trennung von Werk und Künstler. Denn ist Tóth eine Art Genie? Wahrscheinlich. Ist er eine angenehme Persönlichkeit? Eher nicht.

Wie ich ja schon vor einigen Wochen geschrieben habe, ist The Brutalist sowas wie der Comebackfilm von Adrien Brody, auch wenn er ja nie wirklich weg war. Aber so etwas hat er tatsächlich seit The Pianist nicht mehr gemacht. So eine große Performance, die so viel an emotionaler Bandbreite zeigt – Weinen aus Freude, Weinen aus purer Verzweiflung, verschiedene Phasen des körperlichen Verfalls, verschiedene Phasen großer psychischer Probleme – da ist einfach alles dabei. Und hinzu kommt noch, dass er eine Person spielt, die kaum zugänglich erscheint, trotzdem aber faszinierend ist und interessante Dinge – auch über Architektur – sagt.

Guy Pearce als Antagonist sieht manchmal Brad Pitt erstaunlich ähnlich und legt seinen Selfmade-Millionär irgendwo zwischen jovialem Gönner und größenwahnsinnigem Irren an, der aber phasenweise wirklich amüsant und auch fürsorglich erscheint. Selbstverständlich trägt Pearce als Van Buren allerhand Masken. Einzig Felicity Jones als Tóths Ehefrau hat mich nicht restlos überzeugt. Sie war mir zu spröde, wobei das natürlich eh genau passt, in diesem durch und durch spröden Film (ich habe aber leider gelesen, dass Marion Cotillard zuerst diese Rolle hätte spielen soll und die mag ich sehr, insofern natürlich etwas unfair von mir, die beiden jetzt zu vergleichen)

Dass dieser Film nur zehn Millionen Dollar gekostet hat mag man kaum glauben, zu monumental erscheint hier alles, vor allem die Großbaustelle des Projekts von Tóth, die auch irgendwie wie die Wotrubakirche mal fünfzig wirkt, harhar. Aber auch das gesamte Set-Design, die Kameraführung, die Musik, die Ausstattung und Kostüme, das hat alles sowas “epochales” und genau das wird vermutlich auch alles bald Oscar nominiert sein harhar.

Bis dahin kann man sich überlegen, wie man die Aussage “It’s not about the journey, it’s about the destination”, die im Film postuliert wird, interpretieren würde. Einer von sehr vielen spannenden Denkanstößen. The Brutalist wird dann Ende Jänner im Kino zu sehen sein.

The Brutalist, Overtüre

Es ist kein Spoiler, dass die Protagonisten von The Brutalist, László Tóth (Adrien Brody) und Harrison van Buren (Guy Pearce) einmal nach Carrara fahren, um Marmor zu kaufen, weil es kommt auch im Trailer vor.

Und dann sitzen sie, Kaffee trinkend, quasi dort, wo ich auch mal gesessen bin. Das Kind war damals vier Jahre alt, und fand die Lastautos, die da enorm waghalsig in den Steinbrüchen hin und her fuhren, natürlich toll.

Steinbrüche von Carrara im Juli 2012

Jedenfalls warten die beiden auf einen Geschäftspartner, der mit ihnen ein Marmor-Deal machen will und sie warten. Und warten.

Achtung Witz-Spoiler.

Irgendwann sagt Van Buren zu Tóth: “That is why I don’t wanna do business with italiens. They are the mexicans of Europe”.

Harhar. Und das war dann eigentlich schon das einzige lustige an diesem Film. Morgen dann mehr dazu.

Vorlesen

Ich hab es ja nicht so mit “Erziehungsideologien”, aber gestern berichtete orf.on, dass Vorlesen wohl gut für Kinder ist (No shit, Sherlock!) und dem kann ich jetzt nicht widersprechen. Obwohl das beim Kind erst mit der Volksschule angefangen hat. Davor, so mit drei, vier Jahren, ist er einfach aus dem Zimmer gegangen, wenn ich zu lesen angefangen habe.

Dann aber, mit Schulstart, haben wir abends immer eine Stunde gelesen, also ich, in der Hoffnung, dass er einschläft, was aber nie passiert ist. Wir haben den ganzen Kanon gelesen, Astrid Lindgren, Christine Nöstlinger (ich habe wirklich viele Bücher von beiden), Momo, Die unendliche Geschichte, Die fünf Freunde, diverses von Erich Kästner, Mira Lobe und Märchen und Sagen und einiges aus der Bücherei, es war ein sehr schönes Ritual, dass eher meiner mütterlichen Kernkompetenz entsprach, als einem Kleinkind nachzulaufen harhar.

Einmal, da war das Kind krank und hat hoch gefiebert, habe ich ihm die halbe Nacht vorgelesen, mit seinem Kopf an meinem Oberarm. Da ist er dann aber tatsächlich irgendwann eingeschlafen und weil das Buch so spannend war – ich erinnere mich leider nicht mehr daran, welches es war – habe ich einfach noch eine Weile weiter laut vor mich hingelesen und das war trotz allem dann gemütlich und heimelig.

Lesen kann schon sehr glücklich machen. (No shit, Sherlock!)

Viennale 2

Stell dir vor, du bist ein Filmproduzent und jemand pitcht dir folgende Film-Idee:

Ein mexikanischer Kartellboss, Familienvater, einflussreich und gefürchtet, von kräftiger Statur, der dutzende Menschen auf seinem Gewissen hat, sucht sich eine versierte Anwältin und beauftragt sie damit, eine Klinik im Ausland zu suchen, die eine Geschlechtsumwandlung bei ihm durchführen soll, denn er fühlt sich als Frau. Gleichzeitig soll sich diese Anwältin um seine Familie kümmern, die er zu diesem Zweck verlassen wird. Und dazwischen wird aus dem nichts heraus gesungen und zwar Sätze wie “Du riechst nach Cola Zero mit Zitrone”; außerdem wird geschossen und es ist phasenweise blutig. Ach ja und alle sprechen vorwiegend spanisch.

Die meisten Filmproduzenten würden sagen: Na genau, dafür stell ich 20 Millionen auf. Für einen Plot, der gefühlt keine Zielgruppe hat. Denn Menschen, die Musicals mögen, sind oft eher zartbesaitet und nicht so Bandenkrieg-affin und Menschen, die wegen Action und Thrill ins Kino gehen, wollen garantiert nicht, dass Schusswechsel durch gefühlsbetonte Musikeinlagen unterbrochen werden. Dazu die heikle Trans-Thematik.

Nun dennoch wurde genau dieser Film gemacht, er nennt sich Emilia Pérez und er ist – und das ist die eigentliche Sensation – brilliant.

Das könnte uns alle daran erinnern, dass wir die Sachen machen sollten, an die wir glauben, auch wenn es komplett bizarr und aussichtslos erscheint. Brennt man dafür und gibt alles für seine Vision, dann kann man damit, gegen alle Gesetze der Logik, Erfolg haben und ein kleines Kunstwerk schaffen.

Vorfreude: The Brutalist

Morgen geht für mich die Viennale los, ich darf für Uncut ein paar Filme besprechen und ich freue mich sehr. Kino ist mein happy place und meine therapeutische Einrichtung gleichermaßen, ich sage es wie es ist.

Am allermeisten fiebere ich schon seit Wochen auf The Brutalist von Brady Corbet hin, den ich als Regisseur bisher überhaupt nicht kannte und obwohl Pia Reiser in der fm4 Filmpodcast Vorfreude-Episode gesagt hat: “3 Stunden 35 und so ein komplizierter Plot ist natürlich nicht das, wo die Leute die Kinos einrennen werden, glaube ich.” Also ich auf alle Fälle schon, harhar.

Der Trailer ist wirklich wahnsinnig toll und sehr ungewöhnlich, mir kommen da fast die Tränen, warum auch immer (gut, im Moment bin ich generell ein bisschen durch den Wind). Ich hoffe, dass der Film, ähnlich wie der Trailer, in gewisser Weise auch das Kino neu erfinden wird, wie ich durchaus auch schon gelesen habe. Außerdem hoffe ich, dass meine Prognose über Adrien Brody aufgeht und er mit diesem Film im großen Stil zurückkommt. Äußerlich hat er sich erstaunlich wenig verändert, seit The Pianist.

Diese euphorische Kurzeinschätzung dazu habe ich mir gespeichert:

Mit Architektur verbinde ich persönlich halt auch sehr viele Dinge und Erinnerungen und das kommt irgendwie gerade alles zusammen. Und das ist aufwühlend und schön.

Intermezzo

Im Nu habe ich Sally Rooneys vierten Roman Intermezzo ausgelesen. Seit ich sie durch Gespräche mit Freunden entdeckt habe, bin ich total “hooked”. Und nachdem mir ihr letztes Werk zwar gut gefallen hat, aber doch auch etwas zu verkopft-akademisch war, sind wir bei Intermezzo wieder dort, wo wir hingehören, nämlich mitten in ein Gefühlswirrwarr aus: wie orsch alles ist und gleichzeitig wie wunderschön das Leben sein kann – also genau wie es eben wirklich ist.

Ein sehr schönes Buch, und die Buchseiten sind an den Rändern auch blau

In Intermezzo geht um die Brüder Peter, der Anfang 30 ist und erfolgreicher Anwalt, aber sonst ziemlich “troubled” und Ivan, Anfang 20, Schachgenie, mit autistischen Zügen. Der Vater der beiden ist gerade gestorben und sie trauern um ihn auf ihre Weise, kämpfen miteinander und auch auch um die Definition ihrer Beziehung zueinander. Außerdem beginnt Ivan eine Beziehung mit einer um einiges älteren Frau und Peter steht zwischen seiner langjährigen großen Liebe, mit der er aus vielen Gründen nicht mehr zusammen sein kann, und einer jungen Studentin, die im Alter von Ivan ist. Also alles sehr kompliziert.

Es ist zwar irgendwie wurscht, aber mich irritiert es immer, wenn Geschwister so scheinbar zueinander “unpassende” Namen haben – ich mein Ivan und Peter? Passt für mich überhaupt nicht, wenn die Protagonisten in Dublin leben; der Vater hatte tatsächlich einen osteuropäischen Hintergrund. Außerdem sind die beiden altersmäßig zehn Jahre auseinander. Warum das so ist, wird irgendwie nicht erklärt, ich dachte zuerst, sie wären aus verschiedenen Partnerschaften des Vaters, aber das ist nicht so, sie haben diesselbe Mutter. Altersabstände beschäftigen Sally Rooney derzeit anscheinend enorm, nicht nur was die Geschwister betrifft, sondern auch im Paarkontext. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Thema. Wie auch das Thema Verlust des Vaters und Trauer um ihn in der Art und Weise für mich nicht so nachvollziehbar ist, weil mein eigener Vater eine Leerstelle in meinem Leben geworden ist (und das wäre ein anderer Roman).

Aber wie auch immer, Rooney versteht es so meisterhaft, Charaktere zu beschreiben, Situationen, Stimmungen, dass man einfach immer weiterlesen wollen würde. Dabei ist ganz egal, dass in diesem Roman nicht wirklich viel passiert, was jetzt die reine Handlungsebene betrifft. Aber es passiert ganz viel in den Menschen, in Beziehungskonstallationen. Wie auch der Titel verrät, der weniger “Zwischenspiel” bedeutet, als auf den Fachausdruck im Schach anspielt, dort bedeutet Intermezzo nämlich einen “Zwischenzug”, Definition: ” In einer vermeintlich erzwungenen Zugfolge erwartet ein Spieler einen bestimmten Antwortzug. Der Gegner macht jedoch stattdessen einen stärkeren Zug, der dadurch zum Zwischenzug wird.”

Besonders gut hat mir an Intermezzo auch seine trotz allem positive Grundnote gefallen. Die Ansicht, dass zwar alles ein Chaos ist, für das man keine Erklärung oder Lösung hat, aber dass das Leben trotzdem lebenswert ist.