Was passierte, als Elfriede Jelinke den Literaturnobelpreis 2004 gewann und ich einen nahen Verwandten darüber in Kenntnis setzte, hab ich hier schon mal gebloggt, nämlich folgendes
Tja und heute hab ich ihn also wieder angerufen und gefragt, wer er glaubt, dass heute den Nobelpreis gewonnen hat. Handke ist ihm diesmal gar nicht eingefallen, aber die Reaktion war wieder spitzenmäßig. Und weil ich wusste, dass dem so sein wird, hab ich das Handy auf laut geschalten, damit das Kind auch mithören kann. Das Kind hat sich sehr amüsiert. Fazit des Gespräches: Die Welt steht nicht mehr lang.
Ich aber freu mich und finde es sensationell, dass wieder ein Österreicher den Literaturnobelpreis gewonnen hat, innerhalb von 15 Jahren.
Am Sonntag war – so wie jedes Jahr Ende September – der Tag des Denkmals in ganz Österreich. Wir haben uns wieder einiges dabei angesehen. Hier ein paar Fotos:
Nicht im Bild: Mittagessen im Cafe Tirolerhof, die Sonne und ein Frappe genießen im Salettl Volksgarten (aka: “Ich muss erst schauen, ob wir noch Bananen haben, wir schließen morgen”), Jubelstimmung hören (Grüne), Katerstimmung sehen im SPÖ Zelt beim Burgtheater – weil: es war nicht nur Tag des Denkmals, sondern auch Wahlsonntag im Lande. Ein wunderbarer Tag – Disclaimer: Nicht zwingend wegen des Wahlergebnisses.
Von Connie Palmen hab ich als Mitte/Ende 20 jährige fast alles gelesen. Dann war eine lange Pause. Und jetzt hab ich in der Bücherei ein recht neues Buch von ihr entdeckt, das ich mir gleich ausgeborgt habe. Es heißt Du sagst es.
Du sagst es ist ein Vertreter eines relativ heiklen literarischen Genres: der fiktionalen Biografie. Im konkreten Fall handelt es sich um das Leben des englischen Schriftstellers Ted Hughes, der mit der Lyrikerin Sylvia Plath verheiratet war. Plath – bekannt vor allem für ihren Roman Die Glasglocke – hat ihrem Leben im Alter von 30 Jahren ein Ende gesetzt. Damals war sie Mutter von zwei kleinen Kindern, Frieda und Nicholas, beide unter drei Jahren. Die Ehe war damals schon nicht mehr intakt, weswegen Hughes, der mehrere Affären hatte, von fanatischen Plath-Fans als Schuldiger an ihrem Tod identifziert wurde. Tatsächlich war Plath schon vor ihrer Heirat mit Hughes schwer depressiv und hatte bereits einen Suizidversuch hinter sich.
Connie Palmen hat sich in ihrem Roman zur Aufgabe gemacht, Hughes Sicht der Dinge darzulegen. Sie hat dafür sein Werk und natürlich auch das von Sylvia Plath analysiert. Sie sagt selbst, sie wollte fühlen wie es sei, ein Judas zu sein. Und auch der Titel des Romans “Du sagst es” bezieht sich darauf. Nämlich darauf, dass Judas Jesus fragte, ob er der Verräter sei und Jesus eben dies antwortete: “Du sagst es”.
Palmens Roman ist ambivalent. Sie schont Hughes nicht, sie skiziiert aber auch sehr anschaulich, wie schwierig es ist, mit einem manisch-depressiven Menschen zusammen zu leben. Wie man nichts richtig machen kann. Wie man jemanden nicht heilen kann. Wie sich jemand nur selbst heilen könnte. Aber manchmal gelingt das nicht. Ihr Text ist kein Urteil, sondern eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen, man kann beide Perspektiven erkennen und auch verstehen. Und man kann erahnen, wie schwierig es ist, nicht nur mit diesem Suizid und den Selbstvorwürfen fertig werden zu müssen, sondern auch mit den Vorwürfen der Öffentlichkeit:
Für die meisten Menschen existieren wir, meine Braut und ich, nur in Büchern. In den vergangenen fünfundreißig Jahren haben ich mit ohmächtigem Grauen zusehen müssen, wie unser wahres Leben unter einer Schlammlawine aus apokryphen Geschichten, falschen Zeugnissen, Gerüchten, Erfindungen, Mythen verschüttet wurde, wie man unsere warehn komplexen Persönlichkeiten durch klischeehafte Figuren ersetzte, zu simplen Images verengt, für ein sensationslüsterndes Leserpublikum zurechtstutzte.
Wer Hughes’ Leben näher betrachtet, dem laufen kalter Schauer über den Rücken. Einige Jahre nach Plaths Tod hat sich seine zweite Frau, Assia Wevill auf dieselbe Art wie Plath umgebracht – mittels Gas. Dabei hat sie auch die Tochter, die sie mit Hughes hatte, mit in den Tod genommen. Wenn man so etwas liest, kann man sich nur verwundert fragen, wie dieser Mann weiterleben konnte – und ist ein wenig “erleichtert”, dass er den Suizid seines Sohnes Nicholas nicht mehr miterlebt hat.
Jedes Jahr an einem Wochenende Mitte September findet Open House statt. An diesen zwei Tagen hat man Gelegenheit, Architekur zu sehen, die sind nicht öffentlich zugänglich ist. Jedes Jahr sind da sehr spannende Objekte zu besichtigen, diesmal 69 an der Zahl.
Natürlich kann man unmöglich alles schaffen, aber heuer hab ich immerhin acht Stationen besucht. Zuerst waren wir im Seelsorgezentrum Oberbaumgarten. Eine sehr moderne Kirche im Stahlbetonbau-Stil. Die Führung dort hat die Tochter des Architekten Georg Gsteu gemacht.
Das war, wenn man so will, schon eher was für Achitektur Insider. Danach ging es ins eher populäre Palais Esterhazy, was man auch an den Wartezeiten sehen konnte. Open House bietet übrigens einen Live Ticker über die Wartezeiten via app und Internet an, was durchaus hilfreich ist. Im Palais Esterhazy musste man aber immer mit ca. 20 Minuten Wartezeit rechnen.
Anschließend ging es zur Rossauer Kaserne, wo man die Kapelle innerhalb der Kaserne besichtigen konnte. Nicht ausschließlich den Angestellten dort vorbehalten, nach Anfrage kann man auch als Zivilperson an Messen teilnehmen. Der Altar ist ein Tisch, der auf Bücherstapeln ruht. Beeindruckend fand ich auch die Gestaltung der Decke.
Danach fuhren wir in den 15. Bezirk, zum ehemaligen Dorotheum. Nach einem Mittagessen – man kann schließlich nicht dauernd nur gehen – genossen wir vor allem den beeindruckenden Blick über Wien vom Dach. Oder sagen wir, ich als Architektur-Nackerpatzerl erfreute mich vor allem an diesem, den man sich auch redlich verdient hatte, nachdem man 7 Stöcke zu Fuß hinaufgestiegen ist.
Anschließend ging es in meinem Heimatbezirk Favoriten, und zwar ganz weit hinaus, nach Rothneusiedl, zum Haschahof. Das Wetter war bestens spätsommerlich und so war der Ausflug in diese schon ziemlich ländliche Gegend besonders stimmungsvoll. Ich fand den Hof, der ja auch vom Abriss bedroht war, sehr stimmungsvoll.
Nebenan fand dann eine Führung zur Schneckenzucht von Andreas Gugumuck statt, wo wir vor allem einiges zum Liebesleben der Schnecken erfuhren. Kosten wollte ich dann keine Schnecke und auch nicht den Schneckenschleim, der Anti Aging Wirkung haben soll, berühren, aber muss man ja auch nicht unbedingt.
Zum Abschluss des Tages ging es noch Eisessen. Da habe ich dann kein Foto mehr gemacht, weil Eis zu gierig verschlungen. Harhar.
Auf Ö1 habe ich in der Reihe Dimensionen eine sehr interessante Sendung zum Thema “Buchtitelsuche” gehört.
Es geht darum, wie wichtig Titel von Büchern sind und wie heiß diskutiert diese werden. Bei Verlagen sind nicht selten 15-20 Menschen aus allen Bereichen des Unternehmens involviert, wenn es um die Frage geht, wie ein neues Buch heißen soll. Denn: Der Titel muss natürlich funktionieren, ohne, dass man das Buch kennt. Ein Titel kann die Erwartungshaltung an ein Buch bestimmen, es kann dem Werk eine besondere Stimmung mitgeben.
Der Autor Jonas Lüscher wollte sein Buch eigentlich Schwäche nennen, sein Lektor hat ihn dann aber irgendwie auf Frühling der Barbaren gebracht, der auf ihn kräftiger und anschaulicher wirkt. Lüscher findet den Titel eigentlich zu angeberisch und barock, es steckt für ihn zuviel Nebulöses drinnen. Frühling, ist das eine gute Zeit für Barbaren? Der Begriff der Barbarei selbst ist auch schwierig. Und speziell in der arabischen Welt hatte er damit Probleme. Meiner Meinung nach ist dieser Titel aber dennoch der spannendere als das etwas lapidare “Schwäche”.
Auch Thomas Bernhard hatte beispielsweise für den Titel Verstörung zu kämpfen; sein Verleger Siegfried Unseld mochte den Titel nicht, wie – seiner Aussage nach – auch sonst niemand im Verlag. Nachdem sich der Roman eher schleppend verkaufte, fühlte sich Unseld bestätigt. 90 Prozent aller Bücher werden als Geschenke gekauft, wer will schon seiner Oma ein Buch namens Verstörung schenken. In der Ö1-Sendung wurde aber m.E. völlig zutreffend argumentiert, dass, wenn man Bernhard kaufe, man ja selbstverständlich verstört werden wolle. Dem kann ich echt nicht widersprechen.
Generell gäbe es zwei Tendenzen bei Buchtitel. 1. Ein Kurztitel, der aus einem Wort, bzw. maximal ein Wort plus Artikel besteht – Wie beispielsweise Das Schloss oder Der Prozess. 2. Ein erzählerischer Titel, der die Fantasie anregt, wie Das Herz ist ein einsamer Jäger. Oder auch Meine Ehemänner am Strand. Letzerer ist übrigens kein Titel eines tatsächlichen Buches, sondern über buchtitelgenerator.de entstanden.
Ich finde Meine Ehemänner am Strand ja super, macht mich sehr neugierig, würde ich wahrscheinlich lesen. Erinnert mich an Der Sommer ohne Männer von Siri Husvedt, das ich mir hauptsächlich wegen des Titels letztes Mal aus der Bücherei ausgeborgt habe.
Ein Sommer, in dem ein neuer Almodovar Film herauskommt, ist ein guter Sommer. Ein Sommer, in dem ein neuer Jarmusch Film herauskommt, ist prinzipiell auch ein guter Sommer, es sei denn, der Film handelt von Zombies.
Ich kenne fast alles von Almodovar, ich mag ihn sehr gerne und seinen letzten Film, Julieta, hab ich als sein Meisterwerk bezeichnet. Weil er wirklich beeindruckend war, ohne die Folie von Komik. Dieser Folie, die in vielen Werken von Almodovar quasi über dem Ernst des Lebens liegt, um ihn zu entschärfen und zu sagen, alles nicht ganz so schlimm. Diese Folie hat Julieta gefehlt und sie fehlt auch in Leid und Herrlichkeit wieder, trotzdem ist dieser neue Film nicht ganz so schwer und bedrückend geworden, obwohl oder vielleicht weil er ja einigermaßen autobiografisch sein soll.
In Leid und Herrlichkeit lässt Almodovar die Mutter des Portagonisten, des erfolgreichen Regisseurs Salvador Mallo (Antonio Banderas) sagen, sie mag nicht, wenn seine Werke “autofiction” sind. Und während des Filmes fragt sich der Zuschauer wohl oft, was nun tatsächlich passiert ist, in Almodovars Leben. Salvador Mallo ist jedenfalls traurig, sehr trauig. Er ist voll von körperlichen Schmerzen (Kopf, Rücken, Hals, Beine). Er ist einsam, er ist uninspiert und wie gelähmt. Und er kann keine Filme mehr machen. Roger Ebert hat Fellinis 8 1/2 als “Best film about filmmaking” bezeichnet. Und zwar, weil seine Hauptfigur Guido unfähig ist, einen neuen Film zu drehen: “But Fellini manifestly is not.” So ist es bei Almodovar auch.
Natürlich kann man auch bei Leid und Herrlichkeit das Almodovar Bullshit-Bingo spielen. Gewisse Versatzstücke sind dabei, wie ein trauriges spanisches Lied, inbrünsig dargeboten, viele bunte Farben mit einer gewissen Neigung zu Kitsch, nackte Menschen, eine übermächtige Mutterfigur – doch so schablonenartig wie früher sind Almodovars Filme bei weitem nicht mehr. Nach einem eher artifiziell-distanzierten Beginn, wird man unmerklich immer tiefer die Gefühlswelt von Mallo gezogen, in seine Erinnerungen an seine Kindheit, die sich in seine Gegenwart mischen (seine junge Mutter wird von Penelope Cruz dargestellt), in seine vielfältigen Beziehungen zu anderen Menschen, in seine Kunst- und Gedankenwelt. Irgendwann ist man so im Flow dieser – trotz der schweren Themen – ganz ruhigen Erzählung, dass das Filmende komplett unvorhergesehen kommt und einem ziemlich überraschend einfällt, dass man ja im Kino sitzt und, das eigene Leben draußen auf einen wartet.
Die Entdeckung des Filmes ist Antonio Banderas. Ok ja, wir alle kennen ihn, aber wir haben ihn noch nie so gesehen wie in diesem Film. Banderas hatte vor zwei Jahren einen lebensbedrohlichen Herzinfarkt und Almodovar hat ihm gesagt, er habe seitdem etwas in seinem Wesen, was vorher nicht da war. Genau das wolle er für Leid und Herrlichkeit. Und genau das verkörpert Banderas hier auch – eine eigenwillige Verletzlichkeit, die aber nie leidend wirkt, eine in-sich-Gekehrtheit, die weder Protest gegen die Außenwelt, noch als Hilfeschrei an diese gerichtet ist. Wir Zuseher sehen Banderas beim Nachdenken zu und das ist spannender als ein Thriller. Banderas ist am vorläufigen Höhepunkt seiner Kunst angekommen – und ähnliches gilt für seinen Regisseur.
Kennt das nochjemand, wenn man beim Zahnarzt von der Zahnärztin in ein Gespräch verwickelt wird, während man diverse Schläuche und anderes Zeug im Mund hat.
“Sehr schön, die Brücke, die ich ihnen vor sieben Jahren gemacht habe.”
Auf eine Empfehlung auf Facebook hin, hab ich das Buch Sommerfrauen, Winterfrauen von Chris Kraus gelesen.
Mein erster Eindruck war: Kraus’ Schreibweise erinnert mich total an Arnon Grünberg, von dem ich vor Jahren einige Romane gelesen habe, unter anderem Phantomschmerz. Das liegt wahrscheinlich daran, dass beide sich mit jüdischer Famliengeschichte beschäftigen und das auf durchaus auch flapsige Art und Weise. Bei Phantomschmerz ging es u.a. um einen Autor, der auf Kochrezepte umsattelt – sein Buch trägt den Untertitel “Kochen nach Auschwitz”, als (durchaus provokant zu lesende) Anlehnung an die Diskussion, dass man nach Auschwitz keine Lyrik mehr schreiben kann. Noch böser und politisch unkorrekter wird es, als ein deutscher Journalist das Buch unter dem Titel “Frisch aus dem Ofen” rezensiert.
Der Protagonist bei Kraus, Jonas Rosen, ein Filmstudent, soll einen Film drehen, will aber – entgegen anderslautender Wünsche – keinen “Nazischeiß” machen. Er geht also nach New York, um dort einen Film über Sex zu drehen. Wer jetzt erwartungsvoll ist: darum geht es nur am Rand. Es geht mehr um das Leben in New York, um die schrulligen Personen, die Jonas dort trifft und um – Nomen est Omen – Sommer und Winterfrauen. Er lässt eine Winterfrau zurück, seine asiatische Freundin Mah, und lernt in NY eine Sommerfrau, die Deutsche Nele Zapp kennen. Was ist nun eine Winterfrau, im Vergleich zu einer Sommerfrau? “Eine Winterfrau ist autark. Sie wohnt in ewigem Permafrost. (…) Verantwortungsvoll und groß ist sie im Schmieden von kleinen Plänen.” Sommerfrauen dagegen sind “Schönwetterfrauen. (…) Sie sind gewohnt, dass ihre Träume wichtig sind. Niemals zügeln sie ihren Leichtsinn (…)
Das ist das Beste an diesem – im Gesamtkontext gesehen vielleicht nicht optimal durchkomponierten Buch: Die genialen Formulierungen und Personenbeschreibungen. Kraus ist ein sehr genauer Beobachter und er versteht es, seine Personen so plastisch erscheinen zu lassen, dass man mit ein paar kurzen Zeilen ein ziemlich genaues Gefühl dafür bekommt, mit wem man es zu tun hat.
Über den windigen Vorstand des Goethe-Institutes in NY schreibt Kraus etwa:
Er stolperte die Treppe herunter, nur im inneren Gleichgewicht gehalten durch ein volles Bankkonto, seine Hölderlinpromotion und die Genugtuung, jede Menge Vorfahren auf preußischen Schlachtfeldern verloren zu haben.
Kraus erzählt über eine Psychologin, deren Freund ihr zu langweilig ist, weil er keine psychischen Defizite hat. Nach dem Sex mit ihm ruft sie daher ihre schwulen Freunde an, um mit denen über ihre Probleme zu reden oder sich fürs Theater zu verabreden. In der Frage, wo (sexueller) Betrug beginnt, lässt er eine Figur im Buch sagen: “Was tun wir schon? Wir liegen da und das Einzige, was wir bewegen, sind traurige Gedanken und ein paar Finger.” Ich finde das brilliant formuliert.
Also: Die Sprache ist wunderbar bei Chris Kraus, inhaltlich stehen Schilderungen von wirklich brutalen Nazimethoden (erzählt von einer Wahltante von Jonas) neben den merkwürdigen Eskapaden der Künstlertypen der New Yorker Kunstszene und die Diskrepanz könnte natürlich nicht größer sein. Als Leser fragt man sich, ob Kraus seinen eigentlichen Stoff vielleicht etwas zu oberflächlich und unbedeutet gefunden hat und – genauso wie sein Protagonist mit dem geplanten Sexfilm – nicht wirklich weiß, was er Tiefgreifendes damit sagen will. Das Holocaust Thema alleine war Kraus dann aber eventuell zu schwer und bedrückend? Die Kunst imitiert hier also, wenn man so will, das Leben.
Sommerfrauen, Winterfrauen sei den LeserInnen empfohlen, die etwas für originelle Sprache und skurille Charaktere übrig haben. Und die denken, sie können sich mit einer Collage aus “Nazischeiß” und verkrachtem Künstlerexistenz-Epos anfreunden. Ich konnte es durchaus.
Es wird auch nicht besser, wenn ich mir den Trailer anschaue. Eher im Gegenteil. Ein bisschen erinnert es mich an Wolf of Wall Street, aber ich hoffe, das liegt nur an Leo, weil an den Film habe ich nicht allzu gute Erinnerung, es ging quasi nur ums Saufen und Rauchen und Vögeln und das war alles insgesamt sehr redundant.
Ok Brad und Leo sind cool und Margot Robbie war echt super in I, Tonya. Aber hier spielt sie Sharon Tate. Die Frau von Roman Polanski, die dann von der Charles Manson Gang hingerichtet wurde und ich frage mich, wird das auch Thema im Film sein und will ich das sehen? Also nein, eigentlich will ich das gar nicht sehen, alleine daran zu denken finde ich schon schmerzvoll.
Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die Trailer zu den Quentin Tarantino Filmen meistens extrem irreführend sind, man denke nur an den schauerlichen Trailer zu Inglorious Basterds, der mit dem tatsächlichen Plot, seien wir uns ehrlich, kaum was zu tun gehabt hat (Gottseidank!)
Die Kritiken sind jedenfals gut, Sasha Stone von Awardsdaily nennt ihn in ihrer Rezension “Tarantinos most accomplished film” – und da bin ich auch gespannt, wie das gemeint ist – denn so in Richtung reifes Alterswerk, will man sowas bei Tarantino sehen? Ist das zu sehr Mainstream dann? Na ja, man darf gespannt sein.
Nach langer Zeit hört und sieht man wieder einiges von Harald Schmidt, was ich als früher eingefleischter Fan ja sehr erfreulich finde.
Er schafft es ja auch immer noch mühelos, mit einer achtlos hingeworfenen Bemerkung, übrigens bei einem Interview auf ORF3, einen Shitstorm zu generieren, dabei hatte er doch selbst am Ende des Interviews gesagt, er ist schon gespannt, was seine Aussagen diesmal für Wellen schlagen werden. Hint: Nehmt das doch alles nicht so wirklich ernst. Oder: Nehmt es ernst und amüsiert mich mit eurer aufgeregten Empörung.
In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung exerziert er geradezu vor, was von seinen Aussagen zu halten, respektive ernst zu nehmen ist, als ihm die Frage gestellt wird: “Wie hat sich das lineare Fernsehen Ihrer Meinung nach verändert? Zum Guten, zum Schlechten – hat es sich verändert?” Und er daraufhin antwortet:
“Ich habe da jede Meinung im Reportoire, welche wollen Sie hören?
Variante 1: Das Fernsehen ist am Ende. Aus, Schluss, vorbei.
Variante 2: An einem stinknormalen Wochenende gucken 30 Millionen Deutsche ZDF, ARD und was auch immer. (…) Ich lebe wahnsinnig gut davon, permanent im Fernsehen zu verkünden, dass das Fernsehen am Ende ist.”
Er glaubt im übrigen nicht mehr, dass Late Night in Deutschland je wieder funktinonieren wird, niemand tut sich das täglich an und Late Night ist für ihn täglich, auch dann, wenn nichts los ist. Denn da fange ja erst der Job an. Wenn Trump was tweetet oder AKK eine unmögliche Aussage raushaut, das wäre ja dann sowieso einfach. In seiner Show – man erinnert sich – gab es ja 30 Minuten Beiträge mit Themen wie “Andrack baut ein Ikea Regal auf” oder “Helmut Zerlett zieht seinem Porsche Winterreifen auf.”
Das fand ich ja auch am besten bei der alten Harald Schmidt Show, den Dadaismus. Dinge wie eine Show komplett auf französisch zu senden (ich musste dann trotzdem abschalten, weil ich die Sprache nicht kann), eine Sendung mit dem Rücken zum Publikum zu moderieren oder mit Playmobilfiguren die Geschichte von Ödipus darzustellen. Manches strapazierte die Nerven der Zuschauer ganz gewaltig, manches ging auch total in die Hose, aber die Idee und der Anspruch dahinter, das hat mich immer interessiert.