almis personal blog

Oscars, das wars

Es gibt eine Neuerung bei den Oscars: Es fängt in MEZ jetzt schon gegen 23 Uhr mit dem Red Carpet an und ab Mitternacht ist dann die Verleihung; so konnte ich leider nicht anders als aufzubleiben, so bis 3.30 Uhr, und somit hab ich das erste mal in meinem Leben die gesamte Oscar-Show gesehen.

Die Show war recht unterhaltsam und auch kurzweilig, ich bin zwar nicht der größe Fan von Jimmy Kimmel, aber schön fand ich seine Aussage, dass man quasi durch den Writers Strike den Einsatz von KI im Film zumindest vorerst mal zurückgedrängt hat: “Thanks to this historic agreement, actors are now able to go back to worry about being replaced by younger, more attractive people and I think that is great.” Great war auch die I am just Ken Performance von Ryan Gosling. Ich weiß, er hat in Barbie auch schon gesungen und auch in La La Land, aber in einem Film zu singen, ist halt doch noch mal was anderes als live vor Publikum. Am Ende kam noch Slash aus den 1990-er Jahren und spielte ein Gitarrensolo, warum weiß man nicht, aber lustig wars doch, sogar Martin Scorsese, sonst bei solchen Award-Shows meist im Halbschlaf, sah richtig glücklich aus.

Dann gabs das alljährliche “In Memoriam”-Segment, wo gefühlt eh immer Time to say goodbye zu hören ist, diesmal aber auch tatsächlich, performt von Andrea Bocelli samt Sohn. In dem Segment hofft man dann, dass die Academy eh keinen vergessen hat, der einem selbst wichtig ist, Matthew Perry war gottseidank dabei. Jonathan Glazer, selbst Jude, der mit The Zone of Interest den Preis für “Best International Feature” gewonnen hat, hat wiederum an die Opfer des 7. Oktober und aber auch die im Gazastreifen erinnert, und mehr hat er nicht gebraucht, das ist heutzutage in sozialen Medien fast so kontroversiell wie ein Papst, der für Frieden eintritt.

Die größe Knalleffekt bei den Preisen war vielleicht Emma Stone als beste Hauptdarstellerin- in den letzten Wochen war Lily Gladstone favorisiert worden, da sie die erste indigene Darstellerin gewesen wäre, die einen Oscar erhalten hätte und solche Narrative lieben die Oscars ja oft und Stone hat eh schon einen Oscar etcetera. Stone hatte mit ihrer Auszeichung sichtlich selbst nicht gerechnet, außerdem war ihr Kleid hinten aufgeplatzt, während des Ken-Auftritts, wie sie selbst sagte, bei dem sie mit ihrem Ex La La Land-Partner Gosling auch kurz gesungen hatte. Sie war jedenfalls spektakulär gut in Poor Things.

Oppenheimer Nebendarsteller Robert Downey jr. sagte in seiner Dankesrede: “Thanks to my terrible childhood” Downey juniors Auszeichnung hatte diesen “Phoenix aus der Asche” Moment; in den 1990er Jahren war er schwer drogenabhängig – vermutlich auch wegen dieser Kindheit – und auch im Gefängnis, wurde aus allen Produktionen rausgekickt, sein Leben war fast zu Ende, seine Karriere war es definitiv. Dann wurde in den 2010er mit Iron-Man zu einem Star des Mainstreamkinos und jetzt als Oppenheimer-Antagonist Lewis Strauss hat er auch im “Charakterfach” reüssiert. Auch das ist ein schöner Oscar-Narrativ, vor allem aber eine Erinnerung daran, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte.

Oscar Countdown

Ja, es ist vollbracht, vor der heutigen Oscar-Verleihung habe ich jetzt alle zehn in der Kategorie “Best Film” nominierten Filme gesehen. Das habe ich bisher noch nie geschafft, weil auch nicht immer alle Filme vor der Verleihung bei uns zu verfügbar waren.

Der letzte war zugegebenermaßen ein bisschen eine Überwindung, weil ich mit Martin Scorsese leider wenig anfangen kann und meistens schon nach 25, 30 Minuten total aus dem jeweiligen Film kippe; und Killers of the Flower Moon dauert dreieinhalb Stunden. Das Thema – die mörderische Ausbeutung der Osage-Indigenen – ist ein wichtiges und auch erschütterndes, aber ich kann so schwer mit der Art von Scorsese Geschichten zu erzählen connecten. Das ist leider auch bei diesem Film nicht anders, wobei er mich wahrscheinlich mehr erreicht hätte, wenn er circa eine Stunde kürzer wäre. Oder eineinhalb.

Noch ein paar Dinge, die mir bei den Filmen so durch den Kopf gehen. Es gibt heuer drei Filme, die teilweise in schwarz/weiß gedreht wurden. Poor Things und Maestro haben einen Vorher-Teil, der schwarz/weiß ist und ab einem gewissen erzählerischen Moment kommt die Farbe hinzu (natürlich auch metaphorisch gesehen). Das macht Oppenheimer anders, dort gibt es Farbe, wenn aus der Sicht Oppenheimers erzählt wird, wenn die Perspektive auf eine “objektive” Sichtweise wechselt, sind die Szenen schwarz/weiß, was auch sehr reizvoll ist. Es überwiegen aber die Szenen in Farbe.

Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller spielt in gleich zwei der nominierten Filmen mit. Für Anatomie eines Falls wurde sie als beste Hauptdarstellerin auch nominiert; in The Zone of Interest spielt sie eine wichtige Nebenrolle. In Anatomie eines Falls spricht sie französisch und englisch, in The Zone of Interest ausschließlich deutsch. Interessant ist auch, dass Anatomie eines Falles der französischen Regisseurin Justine Triet zwar die goldene Palme in Cannes erhielt und für fünf Oscars (darunter bester Film und beste Regie) nominiert ist, Frankreich sich aber entschieden hat, einen anderen Film – nämlich Geliebte Köchin – als “Best International Feature Film” einzureichen. Es wird gemutmaßt, dass das deshalb passiert ist, weil befürchtet wurde, dass in Anatomie eines Falls zuviel englisch gesprochen wird und es darf nur einen gewissen Englisch-Anteil geben. Tatsächlich zählt Gebliebte Köchin aber nun nicht zu den nominierten Filmen in der Kategorie “Best International Feature Film”

Oppenheimer-Regisseur Christopher Nolan wiederum verdanken wir es, dass es seit 2010 möglich ist, dass fünf bis zehn Filme in der Kategorie “Best Film” nominiert werden können; davor waren es immer nur fünf. Das liegt daran, dass Nolans The Dark Knight als Comicverfilmung die große Leerstelle bei den Oscars 2009 war. Zwar neunmal insgesamt nominiert, aber aufgrund seiner (eher formalen) Genre-Zugehörigkeit eben nicht tauglich für die Königskategorie. Mittlerweile dürfen also bis zu zehn Filme nominiert werden, sofern sie mindestens fünf Prozent der Stimme bei einer Vorauswahl erreicht haben.

Nolan – bisher achtmal nominiert – wird heuer seine ersten Oscars (vermutlich Plural) erhalten, während Bradley Cooper mittlerweile 12 mal nominiert wurde (als Schauspieler, Produzent, Regiesseur und Drehbuchautor), aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder leer ausgehen wird.

Ich könnte noch viel erzählen, aber ich denke, es reicht fürs erste. Harhar.

Eine schöne Woche

Das war eine schöne Woche.

Ich hatte ziemlich viel zu arbeiten, ein paar relativ heikle Deadlines, war aber dann doch früher fertig als erhofft, worauf mir mein langjähriger Auftraggeber schrieb: “Das war ja wirklich im Eiltempo. Shampoo wie Marko Arnautovic sagen würde.” Harhar

Dann gabs einmal Kebap zu Mittagessen mit dem Kind, selbst gekauft von mir, da keine Zeit zu kochen (siehe oben). Danach hat er mich ein paar Sachen für sein Biologiereferat zum Thema Frühgeburt gefragt – ich mein, wer sollte so ein Referat halten, wenn nicht er. Am Ende meinte er, er könnte jetzt bei der Quellenangabe “Mama” dazuschreiben. Ja, das ist tatsächlich das einzige naturwissenschaftliche Thema, bei dem ich mich wirklich auskenne.

Außerdem hab ich mir zwei Bücher des Drehbuchautors William Goldman bestellt, in denen er über seine Arbeitsweise erzählt, und lese natürlich gerade zahllose Artikel zum Thema: The Oscar – Who will win/Who should win. Das war echt ein herausragendes Filmjahr. Hier eine sehr liebevoll gemachte Montage, die nochmal alle Nominierten in der Kategorie “Best Film” vorstellt, es wird gelacht, es wird geweint, es wird geträumt und philosophiert, es gibt große Gefühle, wie im richtigen Leben:

Und last but not least habe ich diese Woche sehr liebe und aufmerksame Nachrichten von jemanden bekomme, an den ich viel denke und das macht mich so froh, ich kanns gar nicht sagen.

Kunsthaus neu

Am Donnerstag war ich mit K. bei der Neueröffnung des Kunsthauses Wien. Spoiler: Wir haben beide keine gröbere Veränderungen wahrnehmen können, außer das eine oder andere Exponat, aber es war freier Eintritt und es war ein schöner Ausflug.

Hundertwasserhaus/Kunsthaus Wien 29. Februar 2024

Eines der ersten Bilder, das wir gesehen haben, trug den Namen “Zwei Kuverts auf langer Reise”, woraufhin K. meinte, das erinnert sie an ihren Weihnachtsbrief an ihre kleine Enkelin, der bis heute nicht angekommen ist, sie sollte wohl ein Foto von dem Bild an die Wiener Post schicken. Harhar. Dann haben wir über Namen von Bildern geredet. K. meint, es wäre eigentlich eine Zumutung, wenn Maler ihren Werken keine Titel geben oder vielleicht noch “Ohne Titel” schreiben, weil man mit Titel soviel mittransportieren kann und das sehe ich absolut genauso.

Die zwei Kuverts

Ich weiß noch als ich das erste Mal im Guggenheim Museum in Venedig war und ein Bild gesehen habe, das sich The sun in its jewel case nannte; der Name hat mich fast mehr beeindruckt als das Bild selbst und Hundertwasser kann das mit den Titeln auch sehr gut. Außerdem kann man von ihm Zitate auf den Wänden lesen wie: “Die gerade Linie ist gottlos” und “Unser wahres Analphabetentum ist das Unvermögen schöpferisch tätig zu sein.”

Auch ein sehr interessanter Titel und Bild:

Dach der Sehnsucht

und:

Wir schlafen vor den Mauern von Pompeji – Eifersuchtsschlaflosigkeit vor den Mauern eines Kampmannglasbaum

“Eifersuchtsschlaflosigkeit” – wer kennt es nicht?! So gut. Auch spannend:

Die Bäume sind die Blumen des Guten

Außerdem kann man im Kunsthaus verfolgen, was Hundertwasser noch so alles gemacht hat, zum Beispiel das Thermenhotel in Bad Blumau und dessen Umgebung gestaltet. Außerdem gibt es Briefmarken von ihm und er hat das Cover der Bibel, des Brockhaus’ und des Stowasser’ auf seine Art und Weise neu kreiert. Der Stowasser ist ja ein Lateinisch-Deutsch Schulwörterbuch und es ist insofern noch interessanter, weil Hundertwasser eigentlich Stowasser hieß. Dann gibt es noch die Pfarrkirche Bärnbach zu sehen und natürlich eine Nachbildung von der Müllverbrennungsanlage Spittelau.

Nach dem Rundgang waren wir noch auf einen späten Mittagskaffee und ein Mittags-Schokocroissant (ich) und haben geredet. Ich bin K. dankbar, dass ich ihr wie eine hängengebliebene Schallplatte immer wieder dasselbe, das mich so sehr beschäftigt, erzählen darf und sie immer einen so bereichernden Blickwinkel darauf hat und mich auf Dinge aufmerksam macht, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.

American Fiction/Erasure

Dieses Jahr wurden zehn Filme in der Oscar-Kategorie “Bester Film” nominiert. Ich habe fast alle davon gesehen. Einer davon, American Fiction, hat mich thematisch sehr interessiert, es war aber kein Starttermin in Österreich in Sicht. Also habe ich mir gedacht, ich zäume das Pferd von hinten auf und lese zuerst das Buch. Nachdem es die deutsche Version schwer verfügbar war, habe ich mir das Original bestellt.

Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich es nicht auf Deutsch gelesen habe, weil die Sprache in diesem Buch eine sehr wichtige Rolle spielt. Diese Woche wurde der Film still und heimlich auf Amazon Prime veröffentlicht und jetzt kann ich also ein paar Dinge dazu schreiben, nämlich auch zur Beziehung zwischen Buch und Film. Erasure ist im Gegensatz zu Die geheime Geschichte, von der ich kürzlich schrieb, überhaupt kein Buch, das dazu einlädt, es zu verfilmen. Es ist eher eine Collage, bestehend aus Zitaten, Gesprächsfetzen, einem Roman im Roman etc. Deshalb Hut ab für Cord Jefferson, der das Drehbuch schrieb und auch Regie führte.

Die Hauptfigur in American Fiction ist Literaturprofessor und Schriftsteller Thelonius Ellison (Jeffrey Wright), genannt “Monk”; ein Mann in den besten Jahren quasi und er ist schwarz. Er lebt alleine an der Westküste, muss aber nach Boston, um nach seiner Mutter zu sehen, die an Alzheimer erkrankt ist. Monk hat einen eben erst als homosexuell geouteten Bruder, Cliff (schrill: Sterling K. Brown) und die Schwester Lisa, beide Ärzte. Monk schreibt sehr intellektuelle Bücher – etwa jüngst über Aischylos – die niemand lesen will. Auf einer Buchmesse in Boston kommt ihm das Buch We’s Lives In Da Ghetto (sic!) unter, das Buch einer schwarzen Autorin, das große Erfolge feiert. Sie wird als “neue schwarze Stimme Amerikas” bejubelt. Monk ist von diesem Buch angewidert, da es nur schwarze Stereotypen reproduziert, das Leben der Romanfiguren besteht ausschließlich aus Drogen, Gefängnis, unerwünschten Schwangerschaften, Armut und Gewalt. Außerdem strotzt es vor bewussten Rechtsschreibfehlern, um es “authentischer” zu machen. Monk setzt sich hin und schreibt aus Jux einen Roman in einem ähnlichen Duktus, dass er My pafology nennt (ursprünglich “My pathology”, aber er schreibt es absichtlich falsch). Sein Literaturagent lacht ihn aus, bis ihnen ein Verlag 750.000 Dollar für das Manuskript bietet…

Wenn es um den Literaturbetrieb geht, ist das Buch und auch der Film sehr witzig. Monk versteht die Welt nicht mehr, dass er mit seinem satirischen Text nicht nur für voll genommen wird, sondern ein unglaubliches Honorar geboten bekommt. Er ist nun in der Zwickmühle. Kein Autor wird Autor, weil er reich werden möchte – da gibt es erfolgversprechendere Wege – sondern weil er sich mitteilen will, wie er sich nur schreibend mitteilen kann. Weil er das, was in seinem Kopf ist, irgendwie zu Papier bringen muss, vielleicht auch, weil er verstanden und erkannt werden möchte, weil er damit sein eigenes Leben aufarbeitet. Er möchte dabei sein bestes geben. Andererseits braucht Monk das Geld dringend, weil er seine Mutter in einem Pflegeheim unterbringen muss. Also legt er sich für diesen Roman ein Pseudonym zu. Die Szenen, in denen er mit weißen Autoren diskutiert, die My pafology lieben, während er es in der Luft zerreißt sind sehr amüsant. Ebenso eine Szene mit seinem Agenten, in der dieser ihm drei verschiedenen Sorten einer Whiskeymarke präsentiert und Monk fragt: “Verstehst du die Metapher?” Monk: “Nein.” Harhar. Es geht grob gesagt darum, dass auch billiger Alkohol betrunken macht.

Die privaten Momente von Monk sind melancholisch. Im Alltagsleben kann er sich nicht so gut mitteilen. Er tut sich schwer, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten. Auf seiner Familie lastet quasi “generational trauma” und ein schlecht gehütetes Geheimnis. Dass die Familie schwarz ist, spielt dabei eine gewisse, aber eher untergeordnete Rolle. Muss es eine Rolle spielen? Will Monk die tatsächliche Geschichte seiner Familie erzählen? Könnte er das, eine wirklich schwarze Stimme sein? Will er das überhaupt? Ist seine Perspektive “schwarz”? Diese und ähnliche komplexe Themen deuten sich an. Der Film geht über das Buchende hinaus, in dem er es quasi persifliert. Das ist genial gemacht.

Ich kann Buch und Film nur empfehlen, wenn man beides vergleichen möchte, dann sollte man hier unbedingt das Buch zuerst lesen.

Disclaimer: Ich weiß nicht, ob “schwarz” und “weiß” politisch korrekt ist, ich habe diese Formulierungen aber aufgrund der einfacheren Lesbarkeit gewählt.

Wien Museum

In den Ferien waren wir auch noch mit der Oma im Wien Museum, das ja seit seiner Neueröffnung gratis zu besichtigen ist (exklusive Sonderausstellungen). Also zuerst waren wir am Karlsplatz asiatisch essen, denn ein Oma-Ausflug ist nur echt, wenn wir uns vorher ordentlich gestärkt haben.

Das Museum ist wirklich sehr schön neu ausgebaut worden und richtig geräumig, ein krasser Gegensatz zum Haus der Geschichte, das wir in den Herbstferien besucht haben und das extrem viel auf sehr engem Raum präsentiert. Überhaupt gestaltet sich die Abgrenzung HdG und Wien Museum m.E. relativ schwierig. Wir sind zuerst in den dritten Stock gefahren (1900 bis Gegenwart), weil uns das auch am meisten interessiert.

Da haben wir gleich mal den “Doppelgänger” von meinem Opa entdeckt.

Der Regisseur und Schauspieler Willi Forst (1903-1980)

Ja, das ist Willi Forst, ein Schauspielstar der 1930-er Jahre. Seine berühmtesten Filme habe ich mit meinen Großeltern gesehen. Forst spielte während des zweiten Weltkriegs eine relativ neutrale Rolle. Er durfte weiterdrehen, machte aber nur wenige und keine politischen Filme und lehnte die Hauptrolle in Jud Süß ab. Goebbels mochte Willi Forst nicht. Mein Opa hat öfters erzählt, dass er mit Forst verwechselt und um Autogramme gebeten wurde. Ob er welche gegeben hat weiß ich nicht, ausschließen würde ich es aber nicht, harhar.

Dann haben wir folgendes Plakat gesehen:

Das Kind so: “Das ist Propaganda”. Da kann ich jetzt nicht widersprechen. Das rote Wien ist natürlich ein großes Thema im Museum, die Errungenschaften wie Volksbildung (Büchereien, Volkshochschulen), Wohnraum (Gemeindebauten), die Frage, wie soll Wien städtebaulich gestaltet werden, die ja bis heute ein immerwährender Diskussionsprozess ist, Stichwort Eingemeindungen, Bodenversiegelung und natürlich Denkmalschutz.

Sehr gut hat mir die interaktive Ecke gefallen, in der man selbst beschreiben kann, was man an Wien liebt und was weniger, mit Fragen wie: “Wo siehst du in Wien die meisten Leute lächeln?”, “Wo fühlst du dich in Wien gar nicht wohl?” oder “Wie freundlich oder unfreundlich (grantig) fühlst du dich selber?” Auf einer Wien-Karte kann man sein Lieblingsgrätzel mittels Punkten lokalisieren, etcetera. Es ist relativ lustig, was die Leute da teilweise schreiben, beispielsweise, die Leute lächeln am meisten “bei Billa” (wahrscheinlich weil es dort was zu essen gibt). Jedenfalls ein schönes Stimmungsbild.

Blick aus dem Museum, es war 14.30, schaut aber aus wie in der Dämmerung

Der zweite Stock widmet sich der Zeit 1700-1900, das Erdgeschoss geht zurück bis in die Römerzeit, die Oma und das Kind sagten mir unabhängig voneinander “das ist nicht so meines” bzw. “das fühl ich irgendwie nicht so” Harhar. Es sind halt viele “Steine” und da musste ich an jemand besonderen denken, der als Kind gerne Ruinen besichtigt hat. Manchmal vermisst man jemand sehr und überall sind Erinnerungen, was wiederum auch schön ist.

Der Souveniershop im Museum ist noch ein bisschen verbesserungswürdig, wir haben diesmal gar nichts gefunden, nicht mal eine Ansichtskarte. Das DKT-Spiel Das klimaneutrale Talent war immerhin amüsant. Aber sonst wieder ein gelungener Ferienausflug.

ESC 24 Belgien

Jedes Jahr um diese Zeit Mitte/Ende Februar, wenn ich noch nicht ganz vom ESC-Spirit gepackt bin, find ich es irgendwie mühsam, mich durch alle neu-ankommenden Songs zu hören und zu schauen, was ich mag. Ich glaube, das hat etwas mit dem einzigen physikalischen Gesetz zu tun, das mir etwas sagt, nämlich mit der Trägheit der Masse. Es gibt aber auch jedes Jahr diesen “Erweckungsmoment”, wo ich ein Lied höre, dass mir irrsinnig gefällt und dann ist das ESC-Game eröffnet. Letztes Jahr war das Vesna, vor zwei Jahren Subwoolfer aus Norwegen, vor drei Jahren Gjon’s Tears aus der Schweiz und heuer ist es, wie ich seit heute weiß – Mustii aus Belgien mit dem Song Before the Party’s Over.

Der Act Mustii, ein Sänger und Schauspieler Mitte 30, wurde schon im August als erster Künstler bekanntgegeben, warum weiß kein Mensch. Im August haben wir gerade die Post-Eurovison-Depression überwunden. Der Song selbst wurde aber eben erst heute veröffentlicht. Zuerst mal: Der Songtitel ist gut, das ist bei mir immer schon die halbe Miete, das muss mich neugierig machen und eine Geschichte versprechen, die mich interessiert. Auch die Lyrics sind spannend, obwohl es nicht allzu viel Text gibt; gleich mal eine Anspielung auf The Who “Are we sure the kids are alright or just playing it cool?” Ok, vielleicht interpretiere ich zuviel rein, aber ich glaube eigentlich nicht. “One more drink and I’ll be fine” verrät uns auf jeden Fall, da gibts wohl einen Depressionshintergrund, eventuell auch ein Alkoholproblem. Die Zeile: “I can see all the pain in the way that you move” ist ganz schön traurig.

Und dann der Song selber, das ist wohl eine Powerballade, mit einem zwei Minuten Setup, um in der dritten (und beim ESC immer letzten Minute) einfach alles zu geben, also absolut nicht wie ein Radiosong aufgebaut, was beim Songcontest meistens von Vorteil ist. Außerdem hab ich echt nichts dagegen, wenn nicht jeder Mann, er am ESC teilnimmt, lackierte Fingernägel hat. Es reicht die dreireihige Perlenkette als Erkennungszeichen allemal aus. Harhar. Natürlich, das muss man auch sagen, sollte Mustii live sehr gut singen, das ist bei dem Song ziemlich wichtig, dann könnte man einen Gänsehaut Moment schaffen – und das Staging sollte auch bombastisch sein oder ganz minimal. Der Vibe im Video ist irgendwie sehr ungewöhnlich, verletzlich-diabolisch.

And so it begins.

Roald Dahl

Vor kurzem habe ich Roald Dahl wiederentdeckt.

Ich kenne Dahl von früher, als Kind hatte ich das Buch Charlie und die Schokoladenfabrik – Dahl hat ja auch viele Kinderbücher verfasst. Ich habe das Buch jetzt wieder gesucht, aber (noch?) nicht gefunden. Ich kann mich erinnern, dass es voller Schokoladeflecken war, weil ich immer so eine Appetit auf Süßes bekommen habe, beim Lesen. Im Gymnasium hat sich unser Professor im Englischunterricht mitten in die Klasse gesetzt und uns die Geschichte Lammkeule vorgelesen, eine der, so denke ich, berühmtesten Dahl Geschichten. Wie fast immer bei Dahl ist sie detailreich und anfangs auch sehr lieblich erzählt, heimelig, eigentlich zuerst eine ganz normale Szenerie und dann kippt es in etwas ganz anderes, oft unfassbares. Gut, bei Lammkeule ist ziemlich klar, was vorfällt ist, am besten selbst lesen, es ist irrsinnig makaber, aber auch erstaunlich witzig.

Nun bin ich wieder auf Dahl aufmerksam geworden, vorrangig weil Wes Anderson vier Kurzfilme über Dahl Geschichten gedreht hat, die dann im FM4 Podcast vorgestellt wurden. Wer sich fragt, wieso ich dauernd diesen Podcast höre: seit meinem Bandscheibenvorfall versuche ich, jeden Tag ca. eineinhalb bis zwei Stunden spazieren zu gehen und dabei höre ich ihn mit Vorliebe, sonst wäre das Spazierengehen sicher langweiliger. Jedenfalls hat Pia Reiser von dem Buch Küsschen Küsschen geschwärmt – Forsetzung: Noch ein Küsschen. Warum die Bücher so heißen weiß ich nicht, es ist passend und unpassend zugleich, jedenfalls habe ich mittlerweile beide gelesen.

Praktisch alle Geschichten von Dahl enthalten Twists, entwickeln sich anders als man denkt. Manchmal versteht man die Wendung gleich, manchmal muss man einige Stellen des Textes schon mehrfach nachlesen, um zu begreifen, was eigentlich passiert ist, weil Dahl es uns nicht auf dem Silbertablett präsentiert. Oft, wenn man sich als Leser denkt, man hat Dahl durchschaut und man ahnt, worauf er hinauswill, macht er dann doch wieder etwas ganz anderes. Und das ist auch sein Geheimnis. Es gibt keine “Moral von der Geschichte”. Manchmal werden Grausamkeiten mit Grausamkeiten beantwortet, manchmal siegt der Humanismus oder auch die Frechheit, manchmal klingen Geschichten einfach aus und lassen einen grübelnd zurück, ab und zu gibt es fantastische Elemente, die aber nicht in eine fantastische Welt eingebunden sind. Es gibt Erstaunliches, Unglaubliches, Erschreckendes.

Und: Dahl hat die KI vorhergesagt. In seiner Geschichte Der große automatische Grammatisator erfindet der Portagonist eine Maschine, die – gefüttert mit Worten und Sätzen – selbstständig anfängt Geschichten zu schreiben. Der Erfinder der Maschine zahlt dann den tatsächlichen Schriftsteller in seinem Umfeld eine gewisse Abfindung aus, wenn sie versprechen, nie wieder etwas zu schreiben bzw zu publizieren, er möchte das Monopol besitzen. Fortan schreibt die Geschichten nur noch der “Grammatisator”; eine dystopische Horrorvision für die Nutzung künstlerischer Intelligenz eigentlich.

Autogramme

Am Donnerstag war ich bei der Dirk Stermann Lesung von Mir gehts gut, wenn nicht heute, dann morgen in der Buchhandlung Seeseiten in der Seestadt – die übrigens so heißt, weil sie direkt am See dort ist. Dankt mir später, dann braucht ihr sie nicht suchen so wie ich, die ich trotz Google Maps mit der Orientierung regelmäßig überfordert bin.

Ich habe A. dort getroffen und ich habe ihr erzählt, dass ich mir nachher ein Autogramm holen möchte, in der Hoffnung, dass mich das etwas unter Druck setzt, es wirklich zu machen, weil normalerweise trau ich mich das eh nicht. Und sie meinte: “Das schaffst du”. Nachdem nach der Lesung die meisten Leute das Buch erst kaufen mussten, bevor sie es unterschreiben lassen können und ich meines ja schon hatte (plus ein dutzend Lesezeichen drinnen) war ich ganz vorne in der Schlange. Und voila:

Mein Buch (siehe die Lesezeichen auf der Seite)

Danach sind A. und ich noch durch die Seestadt gebummelt, ich weiß irgendwie nie, ob es mir dort gefällt oder nicht, es hat ein ganz eigenes Flair und es ist sehr dunkel am Abend, also ziemlich wenig beleuchtet. Wir waren dann in der sehr netten Pizzeria Portobello (die mich für diese Erwähnung nicht bezahlt) und haben fancy Getränke getrunken – Grapfruit Basilkum Limo bzw. Honey Ginger Brew – und geplaudert. Am Heimweg ist mir dann eingefallen, dass das doch nicht mein erstes Autogramm war; zwar war es das erste, dass ich mir selber geholt habe, aber ich habe schon ein Buch mit einem Autogramm für mich und zwar dieses:

Als Kind/Jugendliche war ich ein irrsinniger Fan von Hugo Wiener, hatte alle seine Bücher, mochte seinen sanften satirischen Ton sehr gerne und finde sie heute noch so witzig und liebenswert und ja. Wir kannten irgendwen, der wen kannte, der Hugo Wiener kannte (oder so ähnlich) und so wurde mir irgendwann das Buch mit dieser Widmung gebracht. Bis heute sehr wichtig für mich.

Drei Werke

Nachdem ich so begeistert von dem Film Saltburn war und im fm4 Prodcast gehört habe, dass die Drehbuchautorin (und Regisseurin) Emerald Fernell die zwei Romane Die geheime Geschichte von Donna Tartt und Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith quasi als Inspiration für ihren Film herangezogen hat, habe ich mir beide Bücher bei medimops (unbezahlte Werbung) gebraucht bestellt und mittlerweile gelesen.

Der talentierte Mr. Ripley hab ich damals in Kino gesehen, konnte mich aber ehrlich gesagt kaum daran erinnern, die Filmversion ist auch etwas anders, verändert ein paar Handlungsstränge. Beide Werke (und Saltburn) verbindet tatsächlich einiges, zum Beispiel das Personal, das bedeutet, die Protagonisten sind alle aus gehobenem Haus, ziemlich “wealthy”, studieren und/oder betätigen sich künstlerisch, es sind alles Intellektulle, die das das Leben genießen und es damit übertreiben. Es gibt in allen Werken aber auch einen jungen Mann, der nicht dazu passt, der aus der eher unteren Mittelschicht kommt, aber immer die Sehnsucht verspürt, “dazuzugehören”. Das bedeutet zwangsläufig, es muss immer Lügen geben, Lügen nicht nur aus einer Not heraus, um sich aus einer prekären Lage zu befreien, aus einer gefährlichen Situation, sondern Lügen, die nur dazu da sind, etwas darzustellen, was man nicht ist.

Es werden viele Drogen genommen, in diesen Büchern. Bei Donna Tartt vor allem Alkohol, die Menschen sind fast dauer-betrunken, aber sonst auch Tabletten oder Koks oder was halt sonst verfügbar ist. Wenn gegessen wird, dann erstaunlich oft Lammkotellets und “süße Brötchen” (was soll das sein, sowas wie eine Topfengolatsche? Harhar. Oder ein Striezel?). Europa ist ziemlich präsent, also ja Ripley spielt eh zum Großteil in Italien, obwohl die Protagonisten Amerikaner sind, Saltburn in Großbritannien, aber auch die Donna Tartt-Menschen leben an der Ostküste, in Neuengland quasi schon einen ziemlich europäischen Lifestyle, wo zum Beispiel Los Angeles als Ort quasi so wie “bei den Wilden” verstanden wird. Außerdem werden Reisen nach Europa unternommen. Die Charaktere verbindet außerdem der Hang zu obsessiven Beziehungen, viele sind homosexuell/queer bzw. man weiß nicht so genau, wer mit wem (selbst Inzest steht im Raum). Und natürlich passieren echt arge und illegale Dinge, mehr will ich nicht sagen, wegen Spoiler.

Ich habe gelesen, dass Die geheime Geschichte schon zweimal verfilmt hätte werden sollen, aber das nicht geklappt hat, was mich sehr überrascht. Oft liest man ja einen guten Roman und weiß sofort, der wäre aber kaum verfilmbar. Bei Die geheime Geschichte ist das gar nicht so, das Buch wäre m.E. sogar absolut ideal zu verfilmen und hätte mit Neuengland im Herbst/Winter auch ein tolles Setting, also wäre ich Drehbuchautorin, ich würde das sofort adaptieren, ich stell mir das echt pittoresk vor und die meisten Szenen könnte man in einem Film super verwenden, ich hab da Bilder im Kopf… Naja, vielleicht macht das irgendwann doch noch jemand. Ansonsten muss man derweil Saltburn schauen, was auch keine schlechte Idee ist.