almis personal blog

San Remo

Die San Remo Woche ist zuende.

Auf Facebook schrieb jemand: “Hey, da werden heute 30 Songs präsentiert, ich schaue seit 25 Minuten zu und es lief erst ein Song.” Ja, harhar, so ging es mir beim ersten Mal zuschauen auch, das ist ganz normal. Denn San Remo ist weniger ein Musikwettbewerb als ein Volksfest und Stress hat da kein Mensch, es dauert jeden Abend so bis zwei oder drei Uhr früh. Es treten ja nicht nur die Teilnehmenden selbst auf, sondern auch Haudegen aus der Vorzeit, die dann mit den aktuellen KandidatInnen Duette singen (zum Beispiel Giannia Nannini, Umberto Tozzi etc), wie auch eine Menge anderer Promis quer durch den Gemüsegarten – heuer zum Beispiel John Travolta oder Russell Crowe. Es gibt den gespielten Witz, es wird gelabert und politisiert, fast alles nur auf Italienisch, obwohl auch viel internationales Publikum zusieht.

Jemand anderer schrieb: “Oh il Volo haben jetzt einen Stylisten!” Und das heißt meiner Meinung nach soviel wie: Sie tragen Kleidungsstücke, die sie sich selbst nie ausgesucht hätten. Mahmood trägt Sachen, die er sich ganz sicher selbst ausgesucht hat und hat mit Tuta gold schon wieder einen potentiellen Siegertitel, ein wirklich toller Song, andere Länder nähmen ihn mit Handkuss, aber Italien denkt sich wurscht, haben wir nicht notwendig; Mahmood verfehlt das Finale der Top 5 knapp. Auch Diodato – der in der Pause draußen vor der Halle einfach mal Singing in the rain vorträgt – hat einen schönen Song, Ti muovi. Auch wenn er sowas von gar kein Wettbewerbssong ist. Diodato kommt raus, fängt an zu singen und setzt sich erstmal auf die Stiege. Einen Song mit einer derartigen Energie kann man kaum zum ESC schicken, weil ESC-Songs eine gewisse Urgenz haben müssen, um irgendwie zwischen den vielen Konkurrenten zu bestehen, aber schön ist er. Disclaimer: Ich weiß natürlich, dass San Remo in erster Linie San Remo ist und kein Auswahlverfahren für den Songcontest.

Ein gewisser Geolier singt I p’me, tu p’te. Ich verstehe weder den Titel noch viel vom Text und mache mir um meine Italienischkenntnisse Sorgen, komme aber dann dahinter, dass er im sizilianischen Dialekt singt. Sowas hat Italien schon mal gebracht, als sie 1991 vermeiden wollten, den ESC zwei Jahre in Folge zu gewinnnen und extra etwas mega Sperriges auf die Bühne gestellt haben (Peppino di Capri, Comme è ddoce ‘o mare) . Und selbst mit so etwas wurden sie dann Siebenter. Der Song von Geolier wirkt extrem frisch und modern. Annalisa wiederum trägt sehr schöne Strapse (oder wie man das nennen soll) und wird mit dem ziemlich eingängigen Sinceramente als Favoritin gehandelt. Es herrscht nämlich eine gewisse Erwartungshaltung, dass eine Frau diesmal San Remo gewinnt, weil das seit 2014 nicht mehr der Fall war.

Jemand schreibt: “San Remo sending a woman, also sending a fruit”. Denn ja, gewonnen hat dann eine andere Frau, nämlich Angelina Mango mit dem mutigen Titel La noia, zu deutsch: Die Langeweile, was ja zu Kalauern geradezu einlädt. So richtig warm bin ich mit dem Song bisher allerdings noch nicht geworden, was nicht jetzt nix heißen muss, ich mochte Maneskin am Anfang auch gar nicht und die haben dann immerhin 2021 gesiegt. Mal sehen.

All of Us Strangers

Auf den Film All of Us Strangers freue ich mich schon seit Monaten. Zwar ist die Prämisse etwas eigen, ein Mann in seinen 40-er trifft seine toten Eltern, aber der Hauptdarsteller ist Andrew Scott, bekannt als Priester aus der zweiten Staffel von Fleabag und ihm zur Seite steht Paul Mescal, der in der Serie Normal People (nach dem Buch von Sally Rooney) spielte und voriges Jahr für Aftersun (wunderbarster Film 2022) für den Oscar nominiert wurde. Dazu laufend 1980er Jahre Musik – das Hauptthema ist The Power of Love von Frankie goes to Hollywood – ich meine, was soll da noch schiefgehen? Und wie sich rausstellt: So gut wie nichts.

Der Drehbuchautor Adam (Scott) lebt in einem seelenlosen, praktisch leerstehenden Hochhaus in London, das ehrlich gesagt ein bisschen so aussieht wie der zu trauriger Berühmtheit gelangte Grenfell Tower. Das Haus bewohnt anscheinend niemand außer ihm und ein gewisser Harry (Mescal). Eines Abends, als Adam gerade The Power of love hört, klopft Harry aus fadenscheinigen Gründen bei ihm an und möchte sich selbst einladen, mit dem scherzhaft dahingesagten, es wären “vampires at my door”, eine Anspielung an den FGTH-Song. Schon alleine diese Szene ist perfekt. An diesem Abend passiert aber nichts weiter. Am nächsten Tag fährt Adam zum Haus seiner Kindheit in einem Vorort und trifft dort ziemlich unvermittelt seine Eltern wieder, die bei einem Autounfall gestorben sind, als er 12 Jahre alt war. Bald darauf lädt er Harry zu sich ein….

Dieser Film ist ein emotionales und geheimnisvolles Kunstwerk. Warum Adams Eltern plötzlich wieder da sind – sie sind in dem Alter geblieben, in dem sie verstorben sind, also mittlerweile jünger als Adam – wird nicht thematisiert, als er mit ihnen seine Kindheit aufarbeitet. Das alles ist sehr berührend und ehrlich und mehrdimensional, denn das Verhältnis von Adam zu ihnen war nicht friktionsfrei. Noch stärker fand ich persönlich allerdings die Szenen mit Adam und Harry, die beiden sind “queer” wie es der um einiges jüngere Harry ausdrückt, während Adam es “gay” nennt und sie führen in dem Film keinen einzigen überflüssigen Dialog. Die beiden sprechen nur über die wichtigsten Dinge im Leben und das auf eine so aufmerksame und sensible Art und Weise, dass man eigentlich als Zuseher selbst am liebsten in ihrer Nähe sein würde. Harry wirkt dabei wie der humorvolle Fels in der Brandung, während Adam oft komplett von seinen Gefühlen überwältigt wird.

Viel mehr kann man von diesem Film nicht verraten. Die Dialoge sind teilweise sehr witzig, teilweise gehen sie einem durch und durch. Im Kinosaal wird viel geschluchzt. Alle vier Protagonisten spielen stark und glaubwürdig. Ja, vielleicht kann man sagen, dass manche Dinge nicht ausreichend erklärt werden, manches wenig plausibel ist – aber wie plausibel kann schon erklärt werden, dass jemand plötzlich seine toten Eltern wiedertrifft? Ich würde den Film trotzdem auf keinen Fall als Fantasy bezeichnen, auch wenn er diese “übersinnliche” Komponente hat (wobei ich das hier auch nicht so nennen würde). Vieles funktioniert auch über spezielle Bilder und Kameraperspektiven. Wenn man im Kino nach Filmen sucht, die keine Fragen offen lassen und am Ende alles abgeschlossen ist, dann ist man hier komplett falsch. Dieser Film wirkt so sehr nach, eigentlich fängt er nochmals an, als er zuende ist, weil man über so vieles nachdenken muss, das rätselhaft geblieben ist. Vielleicht auch über sein eigenes Leben.

Das ist außerdem der zweite Film in zwei Monaten (nach Saltburn) in denen die Protagonisten einen Pet Shop Boys Song singen.

Der Trailer:

Nochmal Milch

Apropos umstrittene Kuhmilch: Dagegen hatte ja Joaquin Phoenix eine Rede gehalten, als er seinen Oscar für The Joker erhalten hat. The Joker habe ich vor kurzem nach 20 Minuten abgebrochen, weil wenn ich ihn weiter angeschaut hätte, hätte ich vermutlich meinen Lebenswillen verloren. Na ja, jedenfalls hat Phoenix damals im Zuge einer eher schwer nachvollziehbaren Assoziationskette moniert, dass wir Menschen den Kälbern die Milch wegtrinken. Das fanden damals viele ganz toll. Mich hat es eher ratlos zurückgelassen.

Es gab da ja diesen Eröffnungsmonolog von Ricky Gervais bei den Golden Globes, in dem der sehr freche Gervais – nachdem er alle die Anwesenden quasi auf ihre Freundschaft mit Jeffrey Epstein angesprochen hatte, was nur wenige lustig fanden – die nun folgenden Preisträger ersuchte: “Do not use this as a platform to make a political speech. You know nothing about the real word”. Denn: “Most of you did spent less time in school than Greta Thunberg and are in no position to lecture the public about anything.” Zusammenfassend: “So if you win, come up, accept your little award, thank your agent and your god and f*** off. Okay?” Das fand ich herrlich.

Lanthimos/Payne

Weil im letzten Monat neue Filme von Yorgos Lanthimos (Poor Things) und Alexander Payne (The Holdovers) herausgekommen sind, habe ich – wie bei Sofia Coppola – zwei ältere Filme von beiden angesehen, quasi zum Vergleichen.

The Favorite, der vorletzte Film von Lanthimos, läuft gerade auf Netflix und für Lanthimos-Verhältnisse ist er schon recht mainstreamig. Aber nur für dessen Verhältnisse. Nach normalen Maßstäben gemessen, ist der Film extrem desolat, abseitig und sperrig. Natürlich ist er (wieder verhältnismäßig) lustig, aber mir ist es bisher bei jedem seiner Filme außer Poor Things so gegangen, dass sie mich wahnsinnig hinuntergezogen und deprimiert haben. The Favorite ist sehr künstlerisch und hat mit Emma Stone, Olivia Colman und Rachel Weisz beeindruckende Schauspielerinnen, die alle für den Oscar nominiert waren (Stone, Weisz) bzw. ihn auch gewonnen haben (Colman). Und wie Pia Reiser im FM4 Filmpodcast gesagt hat, “erstaunlich, dass das jemand finanziert hat, drei Lesben und keine Männer” harhar. Er hat tolle Bilder und Stimmungen – und doch muss ich den Film echt nicht nochmal sehen, er ist in keiner Weise “uplifting” und ich hab es ja schon sehr gerne, wenn ein Film mir auch irgendwie etwas Positives mitgibt, auch wenn es nur ein Hauch der Hoffnung ist. Da hat sich Lanthimos bei Poor Things sehr verändert, den ich wirklich auch als sehr untypisch lebensbejahend und selbstermächtigend empfunden habe.

Von Alexander Payne hab ich mir Sideways im Votivkino angesehen, da gab es ein kleines Payne-Special. Es hat geschüttet und ich war waschelnass, als ich ins Kino gekommen bin, habe mich dann an der Kinoheizung gewärmt und als ich heimgefahren bin, hat es wieder geschüttet und ich war noch nasser, aber der Film hat trotzdem so ein schönes wohliges Gefühl bei mir hinterlassen. Ich habe Sideways 2004 im Kino schon mal gesehen, konnte mich aber an wenig erinnern, außer daran, dass es um eine Fahrt von zwei Freunden durch die kalifornischen Weinberge geht, dabei lernen sie zwei Frauen kennen und es ist alles recht weird. Aber nicht in der Lanthimos-Schrägheit, sondern mehr so schrullig und sehr menschlich. Miles, der von Paul Giamatti in Sideways gespielt wird, ist ein netter Mensch mit Abgründen. Er schreibt seit Jahren an einem 700 Seiten Roman, trinkt zu viel, er liest fragwürdige Magazine, er kommt über seine Scheidung nicht hinweg. Er kämpft mit dem Leben. Paul, den Giamatti in The Holdovers spielt, ist im ersten Moment ein Unsympathler, bis man draufkommt, dass er eben genauso mit dem Leben kämpft, auch trinkt, auch traurig ist, er zeigt es nur anders als Miles. Aber weil es Payne ist, gibt es immer dieser Silberstreif am Horizont, der uns sagt, es wird vielleicht nicht alles super werden, aber besser, besser wird es werden. Ich mag das.

Erika Freeman

Dirk Stermann hat ein Buch über Erika Freeman geschrieben, eine aus Österreich stammendene jüdische Psychoanalytikerin, die als Kind in die USA emigrieren musste und dort die Therapeutin diverser Hollywoodstars wurde. Das Buch heißt Mir gehts gut, wenn nicht heute dann morgen.

Stermann hatte Freeman als Gast in seiner (und Grissemanns) Sendung Willkommen Österreich im Jahr 2019 kennengelernt, damals war sie erst 92, und die beiden haben sich schnell angefreundet. Nachdem Freeman nach einer Operation während der Coronazeit nicht mehr nach New York zurückreisen konnte, lebt sie seitdem im Wiener Hotel Imperial. Stermann hat sie monatelang jeden Mittwoch dort besucht, mit ihr gefrühstückt und über das (und vor allem ihr) Leben gesprochen.

Herausgekommen ist keine klassische Biografie, denn Freeman regt Stermann immer dazu an, nicht zu chronologisch zu denken und zu schreiben, sondern eher assoziativ; dennoch weiß man am Ende sehr vieles aus ihrem Leben, die mit zwölf Jahren alleine in die USA zu Verwandten ausgewandert ist, welche sie aber nicht bei sich haben wollten. Die sich von da an alleine durchgeschlagen und studiert hat, erfolgreiche Analytikerin wurde und früh den Ehemann verloren hat. Dabei immer eine erstaunlich positive Lebenseinstellung bewahrt hat, in der sie nichts schwarz/weiß sieht und Verständnis für alle Menschen, ja sogar eine wirklich authentische Liebe zu ihnen vermittelt. Und viel Humor und Lebensklugheit.

An sich wollte Stermann das Buch “Erika, mittwochs” nennen, doch das war ihm zu schlüpfrig, vor allem, als ein Freund zu ihm gesagt hat, ob das mit Freeman denn so eine Art Harold und Maude-Geschichte werden würde. Worauf Stermann meinte, dazu sei er nicht knabenhaft genug, es wäre eher Maude/Maude. Der tatsächliche Titel ist eine Aussage von Freeman, nachdem sie nach einer lebensbedrohlichen Situation wieder ins Imperial zurückgekehrt war und Stermann sie gefragt hatte, wie es ihr denn gehe. Freeman selbst findet den Titel etwas zu lang.

Es gibt soviel zitierenswertes in dem Buch, dass es schwerfällt, etwas speziell herauszupicken, und am besten mal liest es selbst, weil es auch sehr stimmungsvoll verfasst ist, aber zwei Dinge möchte ich schon erwähnen. Zum einen die Aussage: “Manche Menschen brauchen mal ein Durcheinander, wenn sie Angst haben vor einem Miteinander.” Darüber hab ich länger nachgedacht. Sehr schön fand ich auch, als Stermann Freeman eine Mesusa schenkt, die sie dann am Türpfosten ihres Zimmer befestigen lässt und der Hotelangestellte, der das macht, stellt anschließend fest, dass sie schief aufgehängt ist. Worauf Freeman sagt: “Das ist in Ordnung. Nur Gott kann Dinge richtig machen, Menschen machen Fehler”. Das ist doch tröstlich, oder?

P.S. Wie immer unbezahlte Werbung und ich möchte meiner Freundin L. danken, die mir das Buch bei einem Buchhandlungsbesuch, bei dem wir herumgestöbert haben und ich daran Interesse zeigte, quasi hinter meinem Rücken gekauft und geschenkt hat. Große Freude darüber.

In der Oper

Meine Freundin und Ex-Arbeitskollegin K. hat mich gefragt, ob wir gemeinsam noch unser NÖ-Card ausnutzen wollen, die ja noch bis März gilt, für ein Event in Wien oder Umgebung und wir haben uns letztendlich für eine Führung in der Staatsoper entschieden.

Zum Mittagessen haben wir uns bei Swing Kitchen in der Operngasse getroffen (unbezahlte Werbung). Swing Kitchen habe ich während der Coronazeit entdeckt und ich habe so schöne Erinnerungen daran, nicht unbedingt was das Essen selbst angeht, sondern das Gefühl, mit jemand besonderem dort zu essen. Aber die vegetarischen Burger selbst sind auch sehr gut. Diesmal wollte ich “Bacon” probieren und es hat tatsächlich nach Speck geschmeckt. Wir haben uns sehr gut unterhalten, K. hat oft andere Perspektiven auf Dinge als ich und das ist spannend, weil ich dann auch anders zu denken beginne.

Im Zuschauerraum, Blick auf die Mittelloge, oder wie Tarek Leitner sie nennt, Führerloge hahar (deshalb moderiert er heuer vermutlich den Opernball nicht mehr)

Um 14 Uhr waren wir bei der Oper, wo gleichzeitig Führungen auf Deutsch und Englisch, aber auch Italienisch und Spanisch starteten. Erstaunlicherweise ist es, trotz der vielen Gruppen gelungen, dass wir uns nie in die Quere kamen oder uns sonst irgendwie gegenseitig störten. Ein großes Thema bei der Führung war natürlich der Opernball, der ja in einigen Tagen stattfindet und manche Teilnehmer wollten wissen, was das alles so kostet. Eine normale Karte ist ja noch leistbar (385 Euro plus freiwiliger Spnede), nur darf man sich da nirgends hinsetzen. Und es ist auch sonst nichts inkludiert. Eine Loge kostet halt schon mal 25.000 Euro aufwärts.

Im Zuschauerraum war ich erstaunt, wir groß die Bühne der Oper ist. Und tatsächlich hat unsere Führerin dann bestätigt, dass die Bühne quasi genauso groß ist wie der Zuschauerraum selbst, nur sieht man halt immer nur einen Teil davon.

Bühnenarbeiter in Aktion

Was mich auch erstaunt hat, (obwohl eh logisch, weil fast jeden Tag ein anderes Stück aufgeführt wird): Es müssen täglich Kostüme, Requisiten und so weiter zwischen Oper und zum Beispiel dem Arsenal als Hauptlager hin und her geführt werden, was mir extrem ineffzient vorkommt. Natürlich muss auch die Bühne jeden Tag neu gestaltet werden. Unsere Führerin hat dann erläutert, wieso nicht zum Beispiel ein Stück zwei Wochen durchgehend gespielt wird, weil das einerseits früher so etabliert war, weil die Reichen als Zeichen ihrer Stellung jeden Tag in die Oper gingen und die wollten natürlich nicht dauernd dasselbe sehen und zweitens, weil es der Oper so möglich ist, viel mehr Stücke insgesamt zu zeigen, auch unbekannteres.

Stiegenaufgang der Oper

Wir sahen uns dann auch noch den Teesalon und die Pausenräume an. Jeder hat seinen eigenen Charakter, es wird auch der ehemaligen Operndirektoren gedacht, die ja oft selbst Musiker waren, wie Karl Böhm, Herbert von Karajan, Lorin Maazel etcetra. Außerdem hat sie zu darauf hingewiesen, dass man täglich die Chance hat, günstige Stehplatzkarten für denselben Tag zu bekommen. Sie rät aber von Stehplätzen bei Wagner Opern ab, ja kann ich mir vorstellen. Zu unbekannteren Stücken gibt es oft auch eine gratis Werkeinführung.

Am Ende kommt man noch in den total schönen Souveniershop (bin ein Opfer von sowas) – mit Kühlschrankmagneten und Karten und Häferln, Büchern, echt total nett. Und ich habe K. erzählt, dass ich selber irrsinnig lange im Ballett war, das wusste sie gar nicht. Ich hab ihr gesagt, meine Eltern wollten mich beschäftigen, damit ich mit sechs Jahren nicht auf die schiefe Bahn gerate (harhar); ich persönlich hätte ja auch nix dagegen gehabt, die Zeit einfach bei meinen Großeltern zu verbringen, wie sonst immer. DieLänge der Ausbildung hat nicht viel mit Talent zu tun hat, ich war nicht sonderlich begabt, und das sage ich nicht aus Koketterie, sondern es ist wirklich so. Besser war ich im Jazztanz, hat mir auch mehr Spaß gemacht.

Blick auf die Bühne, hinten das Requist/Haus für eine Vorstellung von Animal Farm

Lost in Translation

Weil gerade der neue Sofia Coppola Film Priscilla herausgekommen ist, machen manche Kinos ein kleines Coppola-Special. Und das Nonstop Kino Team hat eine Mail rausgeschickt, dass Lost in Translation leider nicht im Abo inkludiert ist und dass wir keine Hate-Mails schicken sollen. Naja, ich war schon ein bisschen in Versuchung ehrlich gesagt harhar. War aber dann im Stadtkino, wo es als Mittagsfilm nur sieben Euro gekostet hat.

Ich habe LIT damals so sehr geliebt, dass ich sogar immer noch das Filmplakat in der Wohnung hängen habe. Ein bisschen hatte ich auch Angst, dass ich den Film 20 Jahre später vielleicht nicht mehr so gut finde, denn ich bin viel älter (nona), in einer komplett anderen Lebensphase etc. Aber ich kann Entwarnung geben, der Film hat mir vielleicht sogar noch eine Spur besser gefallen als damals.

Es geht ja um den alternden Schauspieler Bob Harris (Bill Murray) und ich tu mir wirklich schwer, das zu schreiben, weil er war halt so um die fünfzig harhar, und um die junge Charlotte (Scarlett Johansson damals “in echt” erst 17 Jahre!), die gerade ihr Philosophiestudium beendet hat. Sie ist mit ihrem Mann, einem (sehr oberflächlichen) Werbefotografen in Tokio, wo auch Bob ist, der dort einen Whiskeywerbespot drehen soll. Beide leiden aktuell unter extremen Jetlag und generell am Verlorensein in der Welt. Charlotte weiß nicht, was sie mit ihrem Leben tun möchte, Bob hinterfragt das eigene, in dem er zwar kommerziell erfolgreich, aber künstlerisch unzufrieden ist; seine Ehe ist auch ein Krisenherd. Und so freunden sie sich an und führen sehr ehrliche Gespräche miteinander.

Vieles ist wunderbar in diesem Film. Die Schauspieler und die Chemie der Protagonisten miteinander. Das Thema platonische Liebe, das man im Kino jetzt nicht unbedingt sooft präsentiert bekommt. Die Darstellung der für beide fremden Kultur, ihre Versuche des Verständnisses. Der feinsinnige Humor, die Musik, ja natürlich die Karaokeszene, in der Murray More than this von Roxy Music singt, einer der allerbesten Songs der 1980er Jahre, der die Melancholie von Lost in Translation perfekt widerspiegelt. Die Bilder, die Stimmungen, auch wenn eigentlich gar nichts passiert, was ein Trademark von Sofia Coppola ist, quasi plotlos zu erzählen.

Und natürlich auch die letzte Szene, wo Millionen von Menschen seit 2003 versucht haben herauszufinden, was flüstert Bob Charlotte ins Ohr? Ich hab es natürlich auch wieder nicht verstanden, was eh beabsichtigt ist, aber die Endszene hat mich wieder trotzdem voll erwischt, auch wenn ich ja schon weiß, was kommt. Wenn Just like honey von The Jesus and Mary Chain einsetzt, so als Song an sich vielleicht eher unscheinbar, aber in Verbindung mit diesem Moment im Film unschlagbar. Da sind mir wieder die Tränen gekommen, weil es so schön ist. Magisches Kino einfach.

Anatomie eines Falls

Nachdem vermutlich nächste Woche wieder einmal eine nicht-englischsprachige Schauspielerin für einen Schauspieloscar nominiert werden wird – ich hoffe, ich verschreie es jetzt nicht – möchte ich noch über Anatomie eines Falls berichten, einen Film, den ich schon im November gesehen habe und der mich sehr beeindruckt hat.

Die Schriftstellerin Sandra (Sandra Hüller), ursprünglich aus Deutschland kommend, lebt mit ihrem Mann Samuel und dem stark sehbehinderten Sohn Daniel (sehr beeindruckender Kinderdarsteller, Milo Machado Graner) in einem Chalet bei Grenoble. Der Film beginnt damit, dass Sandra zuhause ein Interview geben möchte, dieses aber abbrechen muss, da Samuel im Obergeschoss die Musik so laut aufgedreht hat, dass eine Unterhaltung unmöglich wird. Gemeinsam mit der Journalistin verlässt auch Daniel das Haus, um eine Runde mit dem Blindenhund zu gehen. Als er zurückkommt, findet er Samuel tot im Schnee liegen. Verzweifelt ruft er nach Sandra, die genauso schockiert ist wie er. Bald stellt sich heraus: Bei diesem Sturz handelt es sich nicht um einen Unfall, es war entweder Suizid oder Mord. Weshalb sich Sandra bald vor Gericht verteidigen muss…

Der Titel ist schon recht zwei- oder sogar mehrdeutig, denn es geht um einen Kriminalfall – große Teile des Filmes spielen sich in einem Gerichtssaal ab -, um einen Sturz aus großer Höhe und um den Niedergang einer Partnerschaft, einer Familie. Samuel und Sandra haben aus verschiedenen Gründen keine glückliche Ehe mehr geführt, in erster Linie weil sich Samuel Sandra allumfassend unterlegen fühlt. Sie ist kreativer und erfolgreicher, sie verdient viel mehr Geld, zudem hat sie Affären mit anderen (auch Frauen). Dazu kommt, dass Samuel sich irrationale Vorwürfe bezüglich Daniels Beinahe-Erblindung macht. Sandras Anwalt Vincent (Swann Arlaud) ist ein enger Vertrauter, wie eng genau, wird nicht ganz klar, der ihr zu verstehen gibt: Es geht nicht darum, ob sie die Tat begangen hat oder nicht, es geht darum, eine gute Geschichte für das Gericht und die Presse zu entwickeln.

Anatomie eines Falls greift ganz verschiedende Themen auf wie eben die Frage, ob es sowas Wahrheit gibt, ob es überhaupt möglich ist, der Wahrheit in einem Gerichtssaal auf die Spur zu kommen bzw. ob das tatsächlich das Anliegen der Justiz ist und ob in weiterer Folge ein Urteil gerecht sein kann. Hier ist besonders interessant, wie ungut und schon fast aggressiv der Staatsanwalt (Antoine Reinartz) dargestellt wird – er sieht mit seinem kahlrasierten Kopf auch ein bisschen aus wie ein Radikaler; was dazu führt, dass man sich als Zuseherin vielleicht etwas mehr an die Seite von Sandra stellt. Doch auch Sandra ist sehr ambivalent gezeichnet, keine besonders einnehmende oder zugängliche Person, die wenig liebeswertes an sich hat und eigentlich alle auf Distanz hält, der man auch als Zuseher nicht wirklich näher kommen kann. Alles an diesem Film ist komplex, widersprüchlich (der fast blinde Sohn als der einzige “Augenzeuge”), verschließt sich einfachen Deutungen und voreiligen Schlüssen, das hält die Spannung bis zur letzten Minute aufrecht. Und Hüller zieht einen in ihren Bann, sie trägt diesen Film, dessen grobkörnige Optik genau die Rauhheit widerspiegelt, die diese Frau ausmacht.

Obwohl an diesem Film wirklich nichts lustig ist, fand ich doch amüsant, dass der Song, der am Anfang des Filmes so penetrant laut und repetitiv gespielt wird, mutmaßlich um Sandra zu ärgern, eine Instrumentalversion von 50 Cents P.I.M.P ist, die einem wirklich schnell schwer auf die Nerven geht. Im Gerichtssaal wird Samuel quasi posthum Misogynie vorgeworfen, weil die Lyrics so problematisch wären. Darauf ein kleinlauter Einwurf: “Aber er hat ja die Instrumentalversion gespielt”.

Empfehlenswert ist, sich Anatomie eines Falls in OmU anzusehen, weil die Vermischung zwischen Französisch und Englisch ein integraler Bestandteil der Handlung ist. Sandra fühlt sich nicht fähig, sich auf Französisch adäquat auszudrucken (und damit zu verteidigen), aber auch Englisch ist nicht ihre Muttersprache. Tatsächlich hören wir Sandra niemals in ihrer eigenen Sprache sprechen, diese Problematik schwebt als ein weiteres Thema in der Luft, gerade auch, weil ihr als Schriftstellerin Sprache so wichtig ist.

Hier der Trailer:

Helnwein in der Albertina

Wie in allen Ferien gibt es einen Oma/Kind Ausflug. Diesmal habe ich die Helnwein Ausstellung in der Albertina (unbezahlte Werbung) vorgeschlagen. Die Oma musste ich da nicht überreden, schließlich hatten wir daheim früher auch Hausner-Werke hängen – und Helnwein war ein Hausner Schüler; das Kind kriegt man mit dem Hinweis, dass die Bilder sehr arg sind. Zuerst waren wir noch beim Italiener zur Stärkung.

Gottfried Helnwein kennt man eh soweit. Ein Künstler, der schon in meiner Kindheit in Wien “umstritten” war, weshalb er heute auch großteils in L.A. und in Irland lebt; was aber auch immer für für ein interessantes Euvre spricht. Gleich am Anfang begegnen mir der Mickey Mouse, die bei Helnwein Zähne hat.

Helnwein ist ja bekannt dafür, dass er gerne mit Populärkultur spielt, alleine schon deshalb, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Er gehört nämlich nicht zu den Künstler, die glücklich darüber sind, nur eine gewisse Klientel der eh schon kunstinteressieren Bevölkerung anzusprechen, nein, er möchte am liebsten auf Titelblättern von Zeitungen zu sehen sein, also muss er auch irgendwie breitenwirksam arbeiten und wer ist breitenwirksamer als Mickey. Das Bild fand ich schon früher irgendwie gruselig, nur aufgrund von Mickeys Zähnen.

Noch besser funktioniert eine Disney Maus natürlich in Verbindung mit Adolf Hitler. Auch Donald Duck kommt vor:

Bekannt ist Helnwein aber vor allem auch für seine Darstellung von verwundeten Kindern und generell Menschen mit körperlichen Deformationen. Das folgende Bild gehört da eher zu den harmlosen Exemplaren:

Und durch Darstellung von Gewalt bzw. Kinder und Gewalt.

Ich finde dabei immer wieder faszinierend, dass die Bilder eigentlich wie Fotografien aussehen, dieser Hyperrealismus ist schon ziemlich gruselig. Das Kind fand aber die Bilder gar nicht so grausig wie versprochen, aber schon sehr verstörend (und demzufolge auch interessant). Helnwein kommt also auch bei Jugendlichen von heute an. Außerdem hat mich das Kind in der Ausstellung auch entdeckt.

Almi, wenn sie um drei Uhr früh im Kinderzimmer auftaucht, weil noch telefoniert und gezockt wird.

Am Ende durfte sich noch jeder Postkarten im Souveniershop aussuchen (leider gab es den Hasen nicht) und anschließend lud Oma auf einen Absacker ins Grand Hotel ein, was teurer klingt als es ist, man kann in der Lobby ganz normal Kaffee trinken. Ein sehr schöner Tag.

Das Filmjahr 23

Wir bei Uncut haben unsere Lieblingsfilme 2023 zusammengestellt.

Obwohl ich Oppenheimer ja schon im Sommer besprochen habe, noch ein paar Worte zu meiner Nummer 1 aus diesem Jahr. Christopher Nolan ist es hoch anzurechnen, dass er einen drei Stunden Film mit unentwegten Zeitsprüngen und teilweise in schwarz/weiß gedreht, mit schnellen und anspruchsvollen Dialogen, dessen Hauptfigur ein Quantenphysiker ist, tatsächlich als Popcornkino verkaufen konnte. Ja, Oppenheimer hat natürlich die oppulenten Bilder und Explosionen, aber es ist alles andere als ein Film zum Berieseln lassen. Und Cilian Murphy hat die m.E. relativ schwierige Aufgabe, Robert Oppenheimer überzeugend darzustellen, ist dieser doch in gewisser Weise ein Mann ohne Eigenschaften. Er ist weder heroisch, noch duckmäuserisch, nicht außergewöhnlich charismatisch, aber auch nicht uninteressant, er reflektiert seine Erfindung intensiv, kommt aber im Prinzip zu keinem wirklichen Ergebnis. Er schwankt zwischen Stolz und Zweifel. Er ist immer irgendwo dazwischen und dieses “dazwischen” zu porträtieren, ist, glaube ich, schon eine ziemliche Kunst.

Mein Platz 2 ist Passages. Ein Indie-Beziehungsfilm, der natürlich im Gegensatz zu Oppenheimer sehr “low key” ist, mich aber fasziniert hat und bei dem ich immer noch erstaunt bin, was für ein Arschloch Franz Rogowski doch darstellt. Platz 3 belegt Anatomie eines Falles, über den habe ich noch gar nicht erzählt. Sandra Hüller ist großartig als Romanautorin, die verdächtig wird, ihren Mann umgebracht zu haben. Bei diesem Film wiederum bin ich immer noch erstaunt, dass der französische Staatsanwalt im Prozess wie ein Rechtsradikaler aussieht. Mein Platz 4 ist Air. Ein intelligenter und humorvoller Crowdpleaser mit Niveau – wovon es deutlich mehr geben sollte. Platz 5 schließlich The Holdovers. Einfach ein wunderbarer kleiner Wohlfühlfilm, obwohl er menschliche Probleme nicht ausspart, ganz im Gegenteil.

Aus dem Streaming/Festivalbereich habe ich noch Saltburn empfohlen, das Review hab ich eben erst gepostet. Bin immer noch geplättet von der surealen Ästhetik dieses Films. Dazu noch Theater Camp, der hoffentlich nächstes Jahr in unsere Kinos kommen wird, voller doppelbödiger Witze und Slow, ein schöner, ganz unspektakulärer Liebesfilm, der (wieder mal) von einem Paar erzählt, das zusammensein will, aber eigentlich nicht zusammensein kann.

Für mich war das ein hervorragendes Filmjahr, ich fand auch Maestro, Past Lives, Fallen Leaves, May December, TAR, Banshees of the Inisherin und Asteroid City sehenswert, auch wenn sie nicht die Topplätze belegt haben, bei unserer Uncut-Wertung, aber ich muss ja eine Auswahl treffen. Und gerade komme ich aus dem Preview von Poor Things – in ein paar Tagen mehr.

Manche für mich noch interessante Filme für dieses Filmjahr laufen erst an, wie zum Beispiel All of us Strangers (mit dem Hot Priest aus Fleabag und Paul Mescal aus Aftersun und Normal People), American Fiction oder The Zone of Interest (nochmal Sandra Hüller). Die deutsche Schauspielerin hat somit gute Chance in zwei Oscar-Kategorien nominiert zu werden (beste Haupt- bzw. Nebendarstellerin).