almis personal blog

Gute Songanfänge, eins

Solche Fragen liebe ich:

Da fällt mir als erstes eine Zeile einer Band ein, die ich nicht besonders mag, aber ich habe zwei Freunde, die diese Zeile schon öfters zitiert haben, quasi als ironische Selbstvorstellung und sie lautet: “Please allow me to introduce myself. I’m a man of wealth and taste. ” Sie stammt aus dem Song Sympathy for the devil, also von den Rolling Stones und ist eine wirklich extrem gute opening Zeile.

Eine ziemlich legendäre Anfangszeile eines Songs, den ich tatsächlich sehr, sehr mag – und über den einer der beiden oben genannten Freunde aus dem Stand ungefähr drei Stunden referieren kann, ob seiner intertextuellen Referenzen – ist folgende. “A long long time ago, I can still remember how that music used to make me smile.” Der Song heißt American Pie und ist von Don McLean und behandelt den Tag, an dem die Musik starb, laut McLean, der Tag dem Buddy Holly mit dem Flugzeug abstürzte, genauer gesagt der 3. Feburar 1959.

Ebenfalls ein beeindruckender Songanfang – nicht nur deshalb, weil dieser Song der erste Song war, den ich im Kreißsaal gehört habe – lautet: “I’ve heard there was a secret chord that David played, and it pleased the lord, but you don’t really care for music, do you?” und ist im Original von Leonhard Cohen und der Song heißt natürlich Hallelujah. Tatsächlich könnte man an diesen Songlyrics auch sehr sehr lang heruminterpretieren, die biblischen Bezüge versus körperliche Anziehung, Schuld, Sühne und Vergebung, aber das ist wirklich zu komplex für einen Absatz in einem Blogtext.

Oft wurde auf die oben genannte Frage auch folgender Liedanfang erwähnt: “I read the news today, oh boy”. Der erste Zeile aus dem Beatles Song A day in the life, der tatsächlich auch mein Lieblings-Beatles-Song ist, nicht zuletzt wegen seiner extrem weirden Lyrics. Die Beatles sind ja nicht unbedingt für allzu ausgeklügelte Texte bekannt, Stichwort Ob-La-Di, Ob-La-Da, Stichtwort: Love me do, Stichwort: Here comes the sun usw. Aber A day in the life hat echt abgedrehte Lyrics, da gehts ja auch darum, dass jemand von der Stadtverwaltung alle Schlaglöcher in einer Straße zählen musste: “Four thousand holes in Blackburn, Lancashire” und als abschließende Schlussbemerkung: “Now they know how many holes it takes to fill the Albert Hall”. Harhar, genial.

Schöne Welt, wo bist du, zwei

Auch im dritten Roman von Sally Rooney geht es vornehmlich um eines: menschliche Beziehungen. Platonische und sexuelle. Beziehungen sind bei Rooney nie heteronormativ und auch niemals unkompliziert. Und so hat man schon (wieder) die perfekte Ausgangslage, wenn LeserIn sich für solche Dinge interessiert. Diesmal ist vielleicht aber auch noch eine Spur mehr Autobiografisches versteckt als in den Vorgängerwerken, denn:

Alice ist Schriftstellerin, weltberühmt, reich. Sie erholt sich in einem großen Haus an der irischen Küste gerade von einer Depression samt stationärem Aufenthalt. Auf Tinder lernt sie Felix kennen. Das Date geht schief. Aber dennoch bleibt er in ihrem Leben. Ihre beste Freundin Eileen ist Redakteurin eines kleinen Literaturmagazins. Sie hat eine langjährige Beziehung hinter sich und ist seit Kindertagen mit Simon eng befreundet, einem gutaussehender Politiker. Oder ist es doch mehr?

Der Klappentext des Buches sagt:

“Zärtlich, fast schon schmerzlich lächelten sie sich an. Sie sagten nichts und ihre Fragen waren dieselben, denkst du an mich, warst du glücklich als wir miteinander schliefen, habe ich dir wehgetan, liebst du mich, wirst du mich immer lieben.”

Die ProtagonistInnen sind alle um die 30, aber ich denke, das sind Fragen, die einen auch noch bis mindestens 45 beschäftigen. Vielleicht sogar ein Leben lang.

Die Paarkonstellation Eileen/Simon ist für mich um einiges schlüssiger als Alice/Felix. Felix ist ein Lagerarbeiter, der nicht liest und auch sonst keine Interessen mit Alice teilt, auch charakterlich sind sie völlig unterschiedlich. Als Leserin fragt man sich, was die beiden eigentlich verbindet. Ja, Gegensätze ziehen sich an, vielleicht, ich glaub persönlich weniger dran, aber soll sein. Jedenfalls dreht sich der Roman um die beiden “Paare” und um die üblichen gesellschaftlich-politischen Überlegungen, die die beiden jungen Frauen in wechselseitiger Korrespondenz miteinander austauschen. Das ist der Teil des Buches, den ich ein bisschen bemüht finde. Es ist ja durchaus interessant zu lesen, was die beiden über Feminismus, Gender, Sprache usw. denken, aber der Briefwechsel ist trotzdem irgendwie ein kleiner Fremdkörper innerhalb des Plots.

Dafür bewundere ich Sally Rooney wirklich dafür, wie gut sie Sexszenen schreiben kann. Ich hab das ja auch schon versucht und es gibt wirklich kaum was schwierigeres. Man kann das ja eher deskriptiv oder eher metaphorisch angehen, würd ich mal sagen und Rooney hat sich für deskriptiv entschieden. Aber denken wir an Reich-Ranicki, das Ganze darf halt auch nicht so sein, als würde man im übertragenen Sinn schreiben, dass jemand einen Bleisift in die Tasche steckt, weil dann kann man es auch gleich seinlassen und “wegzoomen” wie in einem Film. Bei Rooney funktioniert es – es ist weder nüchtern-sachlich noch pornografisch, aber trotzdem sexy und poetisch, gleichermaßen. Da kann man wirklich noch einiges lernen, wenn man selbst schreibt. Oder einfach nur genießen, wenn man das Buch liest.

Schöne Welt wo bist du, eins

Seit Monaten warte ich wie – gefühlt – die ganze Welt auf den dritten Roman von Sally Rooney, nachdem Gespräche mit Freunden und Normale Menschen zum besten gehört, was ich in den vergangenen Jahren gelesen habe.

Alle warteten also auf Schöne Welt, wo bist du den Erscheinungstermin 7. September, alle nein, ich habe mein Buch am 3. schon bekommen, in der Bücherei am Spitz (unbezahlte Werbung). Und heute, am 10. habe ich es fertig gelesen. Ich hätte es auch schon früher fertiglesen können, aber ich habe mir extra mehr Zeit gelassen. Ich wollte nicht so schnell wieder hinaus, aus dem Rooney-Universum.

Ich brauche noch etwas, um mehr darüber zu schreiben, aber ich kann jetzt schon sagen, dass das Buch wundervoll ist, wenn ich auch etwas länger gebraucht habe, um rein zu kommen, oder vielleicht hat Rooney selbst etwas länger gebraucht um ihr neues Werk “hineinzukommen”. Sie ist älter geworden und ihre Themen sind älter geworden, reifer und auch etwas experimenteller. Heute nur eine Passage aus dem Buch, weil sie mir so aus dem Herzen spricht. Sowas denke ich jeden einzelnen Tag:

Meine Bücher

In meiner Urlaubswoche habe ich alle drei Bücher gelesen, die ich mir für ebendiese Woche gekauft habe.

Um gleich die Spannung rauszunehmen: Der Brand – das Buch, das mir die Buchhändlerin empfohlen hat, hat mir am besten gefallen. Wie sie mir ja schon beschrieben hat, handelt es sich dabei um eine Beziehungsgeschichte, um die “alte Ehe” von Rahel und Peter, beide um die 50, die Kinder sind aus dem Haus, zwischen ihnen ist vieles eingeschlafen, also eh der Klassiker. Die beiden verbringen ihren Sommerurlaub auf dem Hof einer Bekannten, wo sie nicht viel mehr zu tun haben, als sich um die Tiere und Pflanzen zu kümmern, und sich selbst Beschäftigungen suchen. Rahel wäre gerne öfter im Bett mit Peter, doch sie schlafen in unterschiedlichen Zimmern – und miteinander schon lange nicht mehr. Auch wenn es im weiteren Verlaul viel um Geheimnisse aus der Vergangenheit geht, bleibt der Roman auf der Handlungsebene doch ganz dem Sommerleben des Paares verhaftet, mit seinen wenigen Höhen, wie um die Gleichförmigkeit ihres Lebens zu betonen, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Vielleicht erhofft sich Rahel heimlich aus ihren Erkenntnissen einen Knalleffekt, der so laut ist, dass er in die Gegenwart hineinreicht und alles verändert, zwischen Peter und ihr. Der ihnen eine neue Perspektive, ja ein neues Leben gibt. Doch stattdessen kommen die Kinder auf Besuch und bringen ihre eigenen Probleme mit.

Es war einmal in Hollywood von Quantin Tarantino ist enorm unterhaltsam. Es geht um den Schauspieler Rick Dalton, der sich in einem Karriereloch befindet, und sein Stuntdouble Cliff Booth. Weitere Figuren: Roman Polanski, Sharon Tate, Charles Manson. An dem Personeninventar sieht man schon, dass es sich hierbei durchaus um eine kunstvolle Verschmelzung zwischen Realität und Fiktion handelt. Das Buch hat einen Vorteil gegenüber Tarantino Filmen: man erspart sich das Gemetzel und den Blutrausch. Ich mag Tarantino sehr für seine Dialoge, aber ich könnte auf die ganzen Kampfszenen ohne weiteres verzichten – und tue das auch, wenn ich einen seiner Filme im TV zufällig wiedersehe. Wie schon erwähnt, hab ich den Film Once upon a time in Hollywood (noch) nicht gesehen, aber das Buch verstörmt jede Menge Los Angeles Filmszene Kolorit, Tarantino ist ein Geschichtenerzähler im besten Sinn – er schildert seine Charaktere plastisch und voller pointierter Details und er kann Dialoge schreiben, das belegen ja u.a. zwei Drehbuch-Oscars. Am Ende der Lektüre darf man sich aber nicht viel Stoff zum Nachdenken erwarten, Tiefgang über den Plot hinaus hat das Buch nicht unbedingt zu bieten. Es ist eben “Pulp”-Literatur.

Als letztes habe ich Die Nachricht von Doris Knecht gelesen. Das Buch beginnt hervorragend, fulminant, ist ganz großartige Literatur und dann fällt es doch ab, verzettelt sich, ist auch irgendwie “schief” aufgebaut, ich hätte ein paar Kapitel wohl anders angeordnet. Ich habe ja viele, sehr viele, enorm vieler ihrer Kolumnen gelesen und auch einige ihrer Bücher und ich mag die Sprache von Knecht, ihre Beobachtungsgabe und ihre Detailverliebtheit, sie kann wirklich hervorragend schreiben. Was ihr nicht so liegt, m.E., ist der Plot. Diesmal hat sie sich ja ein besonders spannendes Thema ausgesucht: Die Protagonistin – und mit ihr in Folge ihr ganzes Umfeld – erhält anonyme Nachrichten, in denen intimste Details aus ihrem Leben breitgetreten werden; Dinge, die eigentlich fast niemand wissen kann. Und sie wird dafür beschimpft. Das ganze Buch über weiß man nicht, wer der Sender dieser Botschaften ist – und das ist spannend, und dann aber auch wieder nicht. Wie der/die Urheberin letztendlich entlarvt wird, das ist fast ein Antiklimax, und das ist gar nicht so einfach, bei so einem doch hochemotionalisiertem Thema, bei dem der Leser/die Leserin schon fast atemlos der Auflösung harrt. Trotzdem ist das Buch lesenswert, v.a. aufgrund seiner Darstellung eines Frauenlebens, so um die 50.

Ferien, acht

Ich war in der Buchhandlung. Und zwar in einer kleinen in Floridsdorf, einmal nicht bei einer Büchereikette, weil ja, warum eigentlich nicht. Die brauchen auch Untertsützung. Das war eine interessante Erfahrung.

Man kennt ja diesen Algoritmus, wo einem zum Beispiel bei Amazon dann empfohlen wird: “Kunden, die xy kaufen, kauften auch yz”. Sowas gibts in der Bücherei in Flordsdorf auch. Halt face to face. Harhar. Ich habe mir gekauft: Quentin Tarantino Es war einmal in Hollywood – ein Buch aufbauend auf seinen gleichnamigen Film (den ich aber noch nicht gesehen haben) und das neue Buch von Doris Knecht Die Nachricht.

Daraufhin meinte die Verkäuferin: “Moment, da hab ich noch was für sie” und verschwand im Lager. Ich war sehr gespannt, was sie mir da bringt, denn ich bin bei Büchern extrem wählerisch, rein thematisch und auch sprachlich, ich brauche nur ein paar Zeilen lesen und weiß schon, was ich nicht mag. Jedenfalls zauberte sie das Buch Der Brand von Daniela Krien aus dem Ärmel äh Lager. Ich dann so zu ihr: “Worum geht es in diesem Buch?” Und sie so: “Das ist eine Beziehungsgeschichte, über eine Beziehung in der Krise, sprachlich so gut, man kann nicht aufhören zu lesen.” Ich hab kurz reingesehen und muss ehrlich sagen, obwohl mich diese Verkäuferin nicht kennt und nicht mal mein Gesicht sieht (dank Maske), hat sie total ins Schwarze getroffen. Jetzt bin ich sehr gespannt.

Ferien, sechs

Diese Woche ist irgendwie so halbgares Sommerwetter, nicht wirklich warm, aber auch nicht kalt, ideales Wetter zum Abarbeiten von einigen Projekten, die sich teilweise schon etwas länger Hinziehen, zum Lesen und Schreiben.

Schon lange bin ich nicht zum Schreiben gekommen, obwohl da ein Text auf mich wartet, mit bis dato 30.000 Wörtern. Dieser Text ist höchst brisant, enthält er doch alles, was mich die letzten Jahre über beschäftigt hat, was mich glücklich und was mir Angst macht. Oft habe ich unterm Jahr soviel zu tun, dass ich wochenlang nicht daran weiterschreibe, aber das ist nur die eine Komponente. Die andere ist, dass ich auch einfach manchmal eine Pause brauche, für diesen in jeder Beziehung ziemlich aufwühlenden Text. Diese Woche fühle ich mich danach daran weiterzuarbeiten und ich habe mir auch vorgenommen, den Freiräume im restlichen August dafür zu nutzen, diesen Text weiter wachsen zu lassen. Auch wenns schmerzhaft ist.

Apropos weiter wachsen – aufmerksame Lesern meines Blogs werden vielleicht bemerkt haben, dass Irene in Irland ein Häuschen weiterzieht (neuer Blogname!). Wer bisher die Erlebnisse in Dublin mitverfolgt hat, wird sich vielleicht auch dafür interessieren, dass sie nun nach Bratislava geht. Spannend. Und was ich persönlich sehr toll finde: Bratislava ist wesentlich näher bei Wien.

TDDL, zwei

Michael Wiederstein war on fire und hat auch am zweiten Lesetag ein schönes Zitat gebracht, als er über den Text von Leander Steinkopf Ein Fest am See sprach:

In der neueren deutschen Literatur, wenn jemand mit dem Boot zur Mitte eines Sees fährt, dann hat er vor sich umzubringen oder er taucht 25 Jahre später wieder auf und fährt mit seiner Mutter durch die Alpen.

Michael Wiederstein sagt auch noch, dass er in dieser Diskussion im Team Dingler/Kaiser ist, was der durchaus sperrige Juror Philipp Dingler mit den Worten kommentiert: “Es gibt kein Team Dingler/Kaiser!” Das wird im weiteren noch unterstrichen, als Jurorin Vea Kaiser betont, dass sie den Text wirklich zum Lachen findet. Das erzürnt Dingler, er maßregelt sie: “Es gibt eine emotionale Ebene und eine diskursive Ebene und wir haben hier den Anspruch, dass wir diskursiv Texte verhandeln.” Klaus Kastberger: “Dieses humorvolle, satirische, das hat schon eine Qualität, die man sehen kann, das darf sich auch ein Bachmann-Text einmal leisten, finde ich und das kann man auch benennen.” Dingler: “Es geht mir darum, dass man die Qualität von Texten nicht damit begründen kann, dass man herzlich gelacht hat.” Mara Delius: “Das möchte ich absolut unterstreichen, denn wir sind hier in einer Jury, die natürlich auch in einer gewissen ästhetischen-kritischen Tradition steht, die können Sie natürlich ablehnen, wenn Sie das wollen, aber sie müssen sie zumindest zu Kenntnis nehmen, das wäre schon mal ein Anfang, deshalb wollte ich Ihren ästhetisch-kritischen Punkt unterstützen, Herr Dingler, ohne mich zugleich in ihr Team einzureihen.”

Es ist so herrlich. Die Jury Diskussionen sind noch viel besser als die Texte.

Schicksal, zwei

Die leichten Themen sind nicht die Sache der israelischen Autorin Zeruya Shalev. Wenn sie ein Buch schreibt, dann geht es immer ans Eingemachte, um das “Liebesleben” um “Mann und Frau”, um “(Späte) Familie”, den “Rest des Lebens” und “Schmerz” und jetzt eben um Schicksal.

Obwohl Israel nicht wegzudenken ist als Schauplatz ihrer Texte, wird Shalev diesmal erstmals so richtig politisch. Ihre Protagonistin Atara geht auf Spurensuche. Kein Wunder, ist sie doch Architektin mit Hang zum Denkmalschutz, es liegt ihr im Blut, Vergangenes ergründen und bewahren zu wollen. Ihr Vater war bei den Lechi, einer radikalen Untergrundorganisation, er hat selbst Anschläge vorbereitet und ausgeführt. Damals war er erstmals verheiratet, mit Rachel, über die während seiner zweite Ehe, bei seiner Familie nie geredet werden durfte. Nach dem Tod ihres Vaters sucht Atara Rachel auf, um etwas über seine “Vorgeschichte” zu erfahren. Sie selbst, beinahe fünfzig Jahre alt, befindet sich mit ihrem zweiten Mann Alex und den erwachsenen Kindern, die in einer Patchwork-Situation aufgewachsen sind, in einer gefühlten Sackgasse. Ihr Leben ist festgefahren.

Wie schon beim Vorgängerroman Schmerz, hat Schicksal also zwei Handlungsebenen, die miteinander verknüpft sind. Einerseits die Achse Atara/Rachel/Widerstandskampf, andererseits Atara/ihre Ehe/ihre Kinder. Und wie schon bei Schmerz interessiert mich ein Handlungsstrang wesentlich mehr, hier nämlich der Plot rund um die Gegenwart, auch wenn sich der gesamte Roman fabelhaft liest wie immer. Aber eigentlich wären es zwei Romane, weil es (zu) große Themen sind, die Shalev da halbwegs gleichwertig verhandeln möchte. Ich bin überzeugt, dass der Beziehungsroman auch für sich alleine stehen könnte. Denn Shalev schreibt über etwas, was tatsächlich enorm spannend ist: wieviel Hypothek lastet auf einer zweiten Familie? Also wenn ein Mann und eine Frau ihre jeweiligen Lebenspartner (und Kinder) verlassen, um gemeinsam neu anzufangen., wie groß muss da die Liebe, wie glücklich das neue gemeinsame Leben sein, damit es das “wert” war? Beinahe trotzig nennen sie den gemeinsamen Sohn Eden, wie zum Beweis, dass sie jetzt im Paradies leben. Tatsächlich ist die Beziehung aber relativ weit davon entfernt, paradiesisch zu sein.

Shalev ist meisterhaft darin, die Seele ihrer Protagonisten zu erkunden. Sie kennt die Leidenschaften und die Abgründe, die Menschlichkeit, die sich gerade auch in den schwachen Momenten zeigt. Und alles wird bei ihr Hochliteratur. Bei Shalev ist ein eigentlich extrem langweilige Stau auf einer Autobahn Nervenkitzel pur, die Besichtung eines historischen Hauses eine beeindruckende Offenbarung, die Zubereitung einer simplen Mahlzeit etwas Erotisches. Dennoch: etwas wenig Sex beinhaltet Schicksal im Gegensatz zu den früheren Romanen, das muss ich leider etwas bekritteln. Harhar. Aber sonst wie immer ein wunderbar poetischer Roman, und trotz der oft schwerverdaulichen Erkenntnisse doch letztendlich lebensbejahend bleibt.

LIZVC 86

Endlich, quasi zum Jahrestag der Pandemie, hatte ich tatsächlich meine erste berufliche Zoom Konferenz. Das funktioniert ja total gut. Und ein neues Projekt habe ich jetzt auch, das wird online zu begutachten sein und ich werde es zu gegebener Zeit dann auch hier vorstellen.

Außerdem war heute die erste Schularbeit im neuen Semester. Der Teenie ging nur deswegen in die Schule und war um neun schon wieder daheim. Das fand er eigentlich ganz nett, weil jetzt ist dann wieder für eine Woche Homeschool und dann kommt schon die nächste Schularbeit. Gestern haben wir noch gemeinsam Englisch wiederholt und es kam zu der skurillen Situation, dass ich soviel lachen musste, dass der Teenie zu mir sagte, ich soll jetzt aufhören, wir müssen lernen. Ist das normalerweise nicht umgekehrt?

Sonst herrscht hier gerade etwas Funkstille, weil ich drei Projekte parallel habe, das ist offenbar ein Phänomen der Freiberuflichkeit, dass immer alles gleichzeitig kommt. Hier daher noch ein paar Fotos vom letzten Wochenende – Buchhandlung Laaber* mit neuer Auslage (*unbezahlte Werbung) und Spaziergang ohne Menschen im Dritten.