Im Falter las ich gestern folgende Bemerkung zu Jarvis Cocker respektive seiner früheren Band Pulp – meiner Lieblingsband als Spät-Teenie:
Als ich den ersten Satz las, dachte ich noch: wow coole Formulierung. Und dann dachte ich, hm, das kommt mir irgendwie bekann vor. Das hab doch ich selbst geschrieben – und dann? Dann suchte ich hier auf dem Blog und fand einen Blogeintrag vom Jänner 2019, siehe hier.
Ich höre nur im Auto Radio oder wenn ich im Garten bin. Und oft stoße ich da auf Lieder aus meiner Kindheit, die mir irgendwie bekannt vorkommen. Und bin dann ganz glücklich, dass ich sie wiedergefunden habe. Das waren in Songs wie Living Thing, Arthur’s Theme oder auch More than this.
Heute dachte ich, ich hätte einen Song von Elton John, den ich irgendwo schon mal gehört hatte, wieder gefunden. Als ich dann gegogelt habe, komme ich drauf, dass der Song erstens nicht von Elton John ist, zweitens gar nicht so alt (2014!) und drittens der meist gestreamte Song auf Spotify in diesem Jahr. Was mich zur Frage bringt, unter welchem Stein ich 2014 gelebt habe, um das zu verpassen?
Jedenfalls handelt es sich um Hozier (immerhin ein Ire, wenn schon nicht aus UK, wie Elton John) und seinen Song Take me to church. Der Song ist auch textlich sehr interessant, kritisiert er doch die Ablehnung der Homosexualität durch die Kirche. Und ist quasi ein Plädoyer für den Liebsakt, egal zwischen welchen Partnern er stattfindet, als etwas positives – menschliches, wunderschönes darzustellen. Sowas ist mir ja immer sehr sympathisch.
Auf Netflix gibt es seit Freitag den Songcontest Film mit Will Ferell und Rachel McAdmas The Stroy of Fire Saga zu sehen.
Da denkt man sich vielleicht: Örks ein Film über den Songcontest mit einem amerikanischen Schauspieler Duo in den Hauptrollen? Da denkt man dann gleich an Sylvester Stallone und seinen verunglückten Formel 1 Film. Aber The Story of Fire Saga funktioniert erstaunlich gut und was das beste ist: auch wenn er die Klischees des ESC durchaus aufnimmt, geht er doch sehr liebevoll mit dem Eurovision Song Contest um und ist insgesamt zwar kein filmisches Meisterwerk, aber ein durch und durch liebenswerter Feelgood Movie geworden.
Worum geht es also? Der Isländer Lars (Will Ferell) hat immer schon im ESC Trost gefunden – nachdem er als kleiner Junge den Tod seiner Mutter verkraften musste und immer ein schwieriges Verhältnis zu seinem schrulligen Vater (Pierce Brosnan, der wieder mal zeigt, dass er sich selbst nicht ganz ernst nimmt) hatte. Er nimmt sich vor, einmal den Songcontest zu gewinnen. Und er teilt diesen Traum mit seiner Freundin Sigrit (Rachel McAdams). Beide werden ein eher belächeltes Musik-Duo, denen es in skuriller Weise gelingt, die isländischen Kandidaten für den ESC 2020 in Edinburgh zu werden.
Wir begleiten sie also nach Edinburgh zu den Proben, wir erfahren von ihren Sehnsüchten und Hoffnungen, und wir sehen ganz viele Songcontest-Stars in gut gelaunten Gastauftritten und hören viel Musik – nicht nur diverse alte Pop-Hadern und Song Contest Songs, sondern auch Musik, die extra für den Film geschrieben wurde. Und keine schlechte Musik. The Story of Fire Saga ist keine Dokumentation, aber catcht den ESC Spirit doch an vielen Stellen. Vor allem schafft er es, den ESC Diversitätsgedanken “jeder soll das sein dürfen, was er ist”, schön zu transportieren. Natürlich kann man gewisse Schwächen und Inkonsistenzen finden, wenn man das möchte, man kann sich aber auch einfach nur zurücklehnen und amüsieren.
Am besten haben mir persönlich die Gastauftritte früherer TeilnehmerInnen gefallen besonders das Sing-Along Segment, aber auch den hübsch inszenierten Gastauftritt von Salvador Sobral mit seinem 2017 Gewinnersong Amar pelos dois. Gut sind aber auch die extra für den Film komponierten Songs, richtige Ohrwürmer. Je mehr man sich mit dem Songcontest auskennt, desto mehr sieht man auch die Insider Jokes – wie beispielsweise den Kommentator William Lee Adams, der mit Wiwibloggs eine Youtube Plattform erschaffen hat, die eigentlich alles analysiert, was mit dem ESC zusammenhängt und absolutes Nerd-Kultpotential besitzt
Fazit: auf jedenfall sehenswert, wenn man ESC-Affinität hat und nicht alles tierisch ernst nimmt (was vermutlich zusammenhängt).
Der Songcontest 2018 war aus verschiedenen Gründen bemerkenswert.
Zunächst mal gab es an der Spitze einen “Zweikampf” zweier Frauen(bilder). Da war einmal Netta aus Israel mit Toy – auf der anderen Seite Eleni Foureira mit Fuego aus Zypern. Der israelische Song war ein durchaus polarisierender K-Pop Song mit Misrachi-Elementen. Ich habe ihn nach einer kurzen Fremdelphase echt sehr geliebt. Allerdings fand ich die Live Performance von Netta in Lissabon nicht gelungen. Auch Fuego hat mir sehr gut gefallen, es war ein eher klassischer Party-Song, mit Ethno Pop Elementen und Lyrics, in denen von “hidden agenda” die Rede war. Live kam das IMO wesentlich besser rüber als Toy. Gewonnen hat dann aber doch Netta.
Und Dritter wurde – sehr erfreulich für Österreich – Cesaer Sampson! Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Obwohl er eine tolle Stimme hat und der Song von Symphonix produziert wurde, war Nobody but you nicht unbedingt genau mein Geschmack. Es war aber wunderbar, dass er so toll abgeschnitten hat – bei der Jury wurde er sogar Sieger.
Italien wurde mit ihrem gerappten Protestsong Non mi avete fatto niente erstaunlicher Fünfter. Erstaunlich deshalb, weil der Song zwar total unter die Haut geht, vor allem auch textlich, der Text aber auf Italiensch ist und ich mir dachte, dass das so gesamteuropäisch vielleicht nicht so rüberkommt, weil es halt doch keine Weltsprache ist. Da habe ich mich (wie sooft beim ESC harhar) aber geirrt. Dafür schnitt Alexander Rybak für Norwergen mit That’s how you write a song, der 2009 immerhin den ESC schon gewonnen hatte, eher bescheiden auf Platz 15. ab. Besonders blöd, wenn man dem Song den eben genannten Titel gibt.
Portugal wurde als Gastgeber übrigens letzter. Das kennen wir ja in Österreich auch.
Unter dem Namen EurovisonAgain veröffentlicht der offizielle Songcontest Kanal in der letzten Zeit Samstags alte ESC-Sendungen. Kurz vorher wird verraten, welches Jahr gestreamt wird, und da kann man dann dann mit gleichgesinnten Nerds auf twitter oder anderswo den damaligen Bewerb quasi “live” verfolgen. Wie der echte ESC startet er um 21 Uhr und endet nach Mitternacht. Auch das ganze Voting wird übertragen.
Gestern hab ich das erstmals gesehen, weil ich Samstag daheim war und es wurde ein Topjahr ausgewählt, 1991. Dieses Jahr ist aus mehreren Gründen denkwürdig. Zum einen habe ich die Songs mit meiner damaligen besten Freundin N. im Gymnasium rauf und runter gehört, wir waren solche Hardcore Fans. Zum anderen hatte der Bewerb fast zwei Siegerinnen. Am Ende des Abends gab es nämlich einen Punktegleichstand zwischen der Schwedin Carola und ihrem Song Fangad av en stormwind und der Französin Amina mit C’est le dernier qui a parle qui a raison (bitte die Hatscheks dazudenken) Sie hatten auch beide viermal die Höchstpunktezahl bekommen, was ja normal den Ausschlag bei Gleichstand gibt. Letztendlich siegte Carola, weil sie öfter zehn Punkte bekommen hatte. Die beiden Lieder waren wie Tag und Nacht. Carolas Song vermittelte eine fast aggressive Fröhlichkeit, wenn auch gut gesungen und mit viel Einsatz vorgetragen; während Amina ein eher sperriges (und wunderschönes) arabisch anmutendes Lied zum besten gab. Aminas Song ist nicht nur wesentlich besser gealtert, es klingt auch heute noch sehr zeitgemäß. Aber schon damals hat es ziemlich stark polarisiert.
Der Bewerb war aber noch aus weiteren Gründen bemerkenswert. Er fand in Rom statt, weil 1990 Toto Cutugno mit Insieme den Bewerb in Zagreb gewonnen hat. Und es war so chaotisch, dass es schon wieder kultig war. Toto selbst moderierte mit Gigliola Cinquetti, die selbst 1964 den Songcontest mit Non ho l’eta gewonnen hatte. Während Cinquetti versuchte, dem ganzen – trotz Ton und Kameraproblemen – einen seriösen Anstrich zu geben, stolperte Cutogno (gefühlt) komplett unvorbereitet durch den ganzen Abend, was sehr lustig war. Es gipfelte dann in einem bizarren Voting, bei dem Cutogno nicht nur Schwierigkeiten hatte “Royaume-Uni” richtig auszusprechen. Aber das machte auch den Charme aus und hey, Rom als Austragsort, da ist halt alles etwas anders. Ach ja, die Moderatoren moderierten komplett auf Italienisch, nach dem Motto: who cares, wir sind in Italien. Harhar.
Marco Schreuder vom Merci Cherie Podcast hat gestern getwittert:
Und er hat recht!
P.S. Österreich hat übrigens auch teilgenommen, es war das Venedig imRegen Jahr…
Am Samstag war ja der Songcontest nicht, dafür eine Menge ESC Ersatzsendungen, von denen ich keine gesehen habe.
Ich habe nur gesehen, wie der leider-doch-nicht Teilnehmer Diodato seinen Song Fai Rumore für Italien in der leeren Arena di Verona gesungen hat und das war wunderbar.
Vielleicht auch dem Vermeiden von Lampenfieber förderlich, so ganz alleine in der großen Arena.
Ich habe jetzt die ganze Merci Cherie Folge angehört und sehr lustig fand ich Ö1 Journalistin Eva Haslinger, die auch ihre Wertung abgab und meinte, dass sie sich diesmal echt anstrengen musste, zehn Songs zu finden, die ihr gefallen. 4 Punkte hat sie Hooverphonic gegeben, weil es “das beste fade Lied des diesjährigen Songcontests” war. Harhar. Genial formuliert.
Die Hörer haben Aserbaidschan mit Cleopatra auf Platz 10 gewählt, viele mit dem Hinweis, es wäre ihr “Gulity Pleasure” Song mit der jetzt schon unsterblichen Zeile: “Cleopatra was a queen like me, straight or gay or in between”. Ich hab mir das auch durchaus überlegt, weil der Song hat was, inklusive Ofra Haza Gedächtnisheuler, allerdings findet sich hier bei mir das interessante Phänomen, dass mir die Strophe wesentlich besser gefällt als der Refrain (das war letztes Jahr bei Chamäleon/Malta interessanterweise auch so).
Außerdem hab ich jetzt zwei Abende hintereinander den Eurovision Soundcheck angehört – u.a. mit Kommentatoren wie Thomas Gottschalk und Dr. Eurovision. Und da sagte Dr. Eurovision Irving Wolther – er hat seine Dissertation über den Songcontest geschrieben, daher der Name – über Fai Rumore: “Da hat kein Schwede reingepfuscht, da hat kein Bulgare reingepfuscht, da hat kein Niederländer reingepfuscht. Das ist italiensche Musik”. Und jemand anderer sagte: “Wie italienisch kann ein Song sein, das ist aus dem Lehrbuch, das ist ja Italiensch A1 – oh mein Gott.”
Ich sag ja immer, da will sogar ich mir eine Pizza bestellen – und ein Glas Chianti.
Ich bin jetzt draufgekommen, dass der ESC Beitrag von Malta, dem ich beim Merci Cherie Podcast Voting die zweithöchste Punktezahl gegeben habe, u.a. von Cesar Sampons (mit)komponiert wurde. Innerhalb des Produzentenkollektivs Symphonix.
Symphonix und dessen Chef Borislaw Milanow sind ein Garant für echt gute ESC Songs. Sie haben bereits neunmal am ESC teilgenommen und hätte heuer ein Songcontest stattgefunden, wären sie wieder mit drei Lieder (neben Malta noch Deutschland und Bulgarien) vertreten gewesen.
Das beste Symphonix Ergebnis hat 2017 Kristian Kostov mit Beautiful Mess für Bulgarien eingefahren, der damals Zweiter hinter Salvador Sobral wurde. Bei Beautiful Mess stimmt einfach alles. Der Song sowieso, aber auch der Titel des Songs (Oxymoron Alarm!), die Stimme des Sänger das Staging. Die Bühnenshow ist beim ESC immer sehr wichtig – hier wurden tatsächlich schon Siege vergeben, wir erinnern uns hier traurig an Francesco Gabbani mit Occidentalis Karma. Ich kann mich erinnern, dass mich das Staging für Beautiful Mess damals endgültig für den Beitrag eingenommen hat.
Andere Symphonix Erfolge: Cesar Sampson selbst mit Nobody but you – der ja, wie wir uns erinnern können, 2018 hervorragender Dritter wurde. Ist zwar nicht mein Lieblingssong von Symphonix, aber direkt meckern werde ich jetzt auch nicht drüber. Harhar. Der Beitrag letztes Jahr für Aserbaidschan – Chingiz mit Truth – dagegen hat mich ehrlich begeistert. Er wurde damit 8.
Ich bin überzeugt davon, dass Maltas All of my love mit Symphonix heuer in die Top fünf gekommen wäre, möglicherweise sogar in die Top 3. Und Victoria mit Tears getting sober für Bulgarien hätte auch Top 10 Potential gehabt. Schade.