almis personal blog

TDDL, eins

Für solche Jurorenkommentare liebe ich die Tage der deutschsprachigen Literatur:

“Der Text führt alles aus, es bleibt kein Raum mehr, es bleibt keine intellektuelle Manövriermasse.”

Michael Wiederstein über den Text Die andere Frau von Magda Woitzuck

Ich finde, Wiederstein hat mit seinem Befund recht, was aber nicht heißt, dass der Text nicht seine Geheimnisse hat. Ich habe am Ende etwas vermutet, was keiner der JurorInnen angesprochen hat und jetzt weiß ich nicht, ob ich komplett auf dem Holzweg bin oder die anderen.

Zitti e buoni

Italien hat es also tatsächlich geschafft, den ESC zu gewinnen. Das Voting war so spannend, ich hab fast einen Herzinfarkt bekommen.

Ich freue mich sehr, nicht zuletzt deshalb, weil das 2022 vielleicht wieder einen chaotisch-liebenswerten Bewerb in Rom gibt, wie damals 1991. Aber Spaß beseite: Dass ein Song, der derart wild, unangepasst und ja, auch strange ist gewinnen kann, hätte ich mir nicht vorstellen können. Zumal in einem Genre, das nicht gerade zu den beliebtesten in der Songcontest Geschichte zählt. Aber so richtig an Genregrenzen hält sich Zitti e buoni ja jetzt auch nicht unbedingt.

Im Vorfeld haben viele Menschen gesagt: Ja, der Song ist schon gut, auch Qualitätsmusik, aber gewinnen wird das nicht. Das polarisiert zu sehr. Andererseits sagt Marco Schreuder immer wieder gerne, dass polarisierende Songs oft gute Chancen haben, weil man nur FÜR einen Song anrufen kann und nicht dagegen. Und wenn man alleine an jüngere Siegerlieder wie 1944 oder Amor pelos dois denkt (wo ich im Vorfeld gefühlt die Einzige war, die das gut fand), dann hat er vermutlich recht. Im Standard hat Schreuder einige ESC Aficionado befragt, was das Erfolgsrezept für einen Gewinn ist und da wurden schon kluge Dinge gesagt, wie, dass es um das gewisse Etwas geht, dass es nicht mal besonders perfekt vorgetragen sein muss. Ich denke persönlich, man muss auch den Zeitgeist treffen. Und der lautet wohl 2021: “Sono fuori di testa – ma diverso da loro” Was ungefähr bedeutet: “Ich bin verrückt, aber anders als die anderen.”

In diesem Sinne: See you in Rome! (or Milano)

Gedanken vorm Finale

Also dafür, dass ich ursprünglich recht skeptisch dem italienischen Beitrag gegenüberstand, bin ich jetzt fast schon ein glühender Fan. Weil das ist schon sehr großartig, was sie da auf die Bühne stellen, sowohl musikalisch als auch vom Glam-Faktor her.

Ich glaube tatsächlich, dass es da am Samstag um den Sieg geht. Gefährlichste Konkurrentin sicher Barbara Pravi aus Frankreich, stark ist aber natürlich auch Malta und die Schweiz. Wobei die beiden letztgenannten m.E. etwas zu nah den den Gewinnern jeweils von 2018 und 2019 dran sind. Das Dark Horse ist mittlerweile sicherlich die Ukraine, die zwar den wohl verstörendsten, aber auch einen der interessantesten Auftritte hinlegt.

Weniger Chancen sehe ich nach den Live-Performances mittlerweile für Litauen und Island, wobei zumindest die Isländer auch in den Top 10 landen werden. Top 10 vorstellbar ist für mich defintiv auch San Marino, die schon eine sehr unterhaltsame Performance mit Flo Rida hinlegen, der offensichtlich ziemlich viel Spaß hat (oder es zumindest sehr gut vortäuscht). Meiner Meinung nach könnte nach dem Semifinale jetzt auch Portugal überraschend in den Top 10 auftauchen, was ich mir noch vor drei Tagen niemals hätte vorstellen können. Vermutlich schafft das auch Finnland, aber mit denen kann ich einfach leider trotzdem gar nichts anfangen.

Achja und weil heute ja auch in den Radiostationen all over Europe der besten Songcontest Song aller Zeiten gewählt wird. Ich tippe auf Gewinnerin Loreen mit Euphoria. Nur fürs Protokoll.

Review 2. Semi

Tja, das war es dann wohl. Österreich hat es leider nicht geschafft, ins Finale am Samstag einzuziehen, obwohl Vincent Bueno m.E. einen wirklich guten und emotionalen Auftritt hingelegt hat, der mit einer tollen Lichtshow in Szene gesetzt wurde. Dass das mit dem Finale nichts wird, war mir beim Voting ziemlich schnell klar, nachdem gleich zu Beginn zwei Länder, die ich nicht weiter gesehen hätte, ihr Tickelt gelöst haben (Moldawien und Serbien).

Der Rest war eh erwartbar. Wobei mich speziell Portugal sehr positiv überrascht hat. The Black Mamba mit Love is on my side – lange Zeit ziiiemlich weit hinten bei den Buchmachern – haben ein sehr stimmige Performance geliefert. Victorias Song Growing up is getting old kommt, wie schon mal erwähnt, 20 Jahre zu früh für sie, hat aber irgendwie das gewisse Etwas, dem man sich nicht entziehen kann, auch wenn alles denkbar unspektakulär ist und Victoria eine der wenigen KünstlerInnen des diesjährigen ESC ist, über die man kaum etwas hört. Wenig Interviews, wenig “Buzz” rundheurm. Trotzdem seit Anbeginn bei den Buchmachern rund um Platz 5 gereiht.

Am frappierendsten fand ich gestern Tornike Kippianis Auftritt mit You. Wie schon Marco Schreuder in seinem Standard-Blog treffend beschrieben hat, weiß man nicht so richtig, wieso Herr Kippiani eigentlich beim ESC antritt, er scheint emotional nicht sehr beteiligt. Und der Song ist dermaßen langsam und ereignislos, dass man staunt oder wie Schreuder schreibt: “Und wenn man dann hofft, der Song möge sich steigern, setzt er sich erst mal hin.” Immerhin wurde der Song aber strategisch günstig hinter Loco Loco von den Serbinnen platziert, weil danach brauchte man definitiv Erholung.

Was ich mich noch frage: Gjon’s Tears aus der Schweiz mochte ich von Anfang an, auch seine Live Performance ist gut, aber dieses Outfit! Warum?

Poor Iceland

Island hat ESC-technisch jetzt wirklich in allen Belangen die Arschkarte gezogen, ich kanns nicht anders sagen.

Letztes Jahr quasi schon fast der sichere Sieger mit Thinking about things, sogar mit persönlicher Empfehlung von Russell Crowe, dann wird der ESC abgesagt. Heuer dann ein neues Lied, das natürlich nicht mit dem Hype des vergangenen mithalten kann. Aber nach anfänglichen Irritationen arbeitet sich Island bei den Buchmachern nach vorne und steht derzeit auf Platz 6. Am Sonntag mussten sie in Quarantäne, weil jemand aus der Delegation positiv getestet wurde, aber das war ja bei anderen auch der Fall und hat sich dann als falsch positiv herausgestellt. Nicht so bei Island, noch schlimmer: jemand von der Band wurde gestern positiv getestet. Damit ist klar: Daði Freyr und seine Band werden nicht live auftreten können, weder gestern beim Durchgang für die Jurywertung, noch heute beim zweiten Semifinale und auch nicht am Samstag beim Finale (ich gehe mal davon aus, dass sie ins Finale kommen werden).

Das ist wirklich richtig, richtig bitter. Trostpflaster zwar, dass sie trotzdem teilnehmen können, aber gerade eine Band wie Daði Freyr und Gagnamagnið leben von der Interaktion mit Fans, vom tatsächlichen live performen. Ich wünsche ihnen, dass sie einen guten Platz schaffen.

P.S Ich hab mir gestern die Juryshow “angeschaut” – also bei Wiwibloggs die kommentieren die Juryshow, und man hört nur die Musik, sieht aber nichts. Und da war die Performance von Island (Aufnahme vom 2. Rehearsal) wirklich gut.

P.P.S Ja, ich bin ein Nerd, der sich Juryshows ohne Bild anschaut.

Review 1. Semi

Gestern ging also das erste ESC Semifinale über die Bühne und es war wieder interessant zu sehen, dass die Songs auf so einer riesigen Bühne mitunter dann ganz anders wirken als wenn man die reine Studioversion hört.

Beispiel Russland: Ich fand den Auftritt von Manizha sehr beeindruckend, obwohl ich nicht der allergrößte Fan des Songs bin. Sehr sehr gut fand ich die Ukraine gestern, die ihren durchaus sperrigen Song Shum wirklich hervorragend in Szene gesetzt haben, visuell ganz stark! Langsam gewöhne ich mich auch an den Schreigesang. Und Belgien ist erfreulicherweise tatsächlich weiter, mit einer überzeugenden stimmlichen Leistung der Hooverphonic Sängerin, einem intimen Setting mit Blair Witch Projekt artigen Einspielungen im Hintergrund.

Etwas verhungert ist m.E. Litauen mit Discoteque. Ich mag den Song wirklich gern, aber er verliert sich leider etwas auf der großen Bühne. Aber Gott sei Dank trotzdem weiter.

Australien hat eindrucksvoll bewiesen, dass an der Live on Tape Performance im Nachhinein wirklich nichts mehr verändert werden darf. Das waren wirklich sehr viele schiefe Töne. Auch bei Irland und was sollte diese überladende hektische Bühnenshow? Da hat man den Pfad des Videos leider komplett verlassen. Somit auch Irland raus. Ebenso wie das angebliche Dark Horse Rumänien, wobei ich nie verstanden habe, was daran so sensationell ist, mir hat Roxens Song letztes Jahr wesentlich besser gefallen.

Fazit: Die Wertung geht für mich in Ordnung.

Stand in

Heute ist das 1. ESC Semifinale – ich freue mich schon sehr.

Auch die Ukraine wird teilnehmen und mit ihrer weißer Gesang/ Rave / Apokalypse Nummer ganz sicher weiterkommen. Letzte Woche musste die Sängerin allerdings im 2. Rehearsal wegen Unpässlichkeit pausieren und in den Niederlanden wurde eine Sängerin gesucht, die einspringen kann – sonst gibts keine Probe. Das war nicht so leicht denn es musste eine Sängerin sein die a) ukrainisch kann, b) singen kann, c) weißen Gesang beherrscht, d) Zeit hatte. Diese wurde gefunden und hat die Sache ganz großartig gemacht, meiner Meinung nach. Ihre Stimme finde ich sogar angenehmer als die der Originalinterpretin ähm.

Marco Schreuder hat auf seinem Standard Blog seine Tipps für heute Abend gegeben. Ich hoffe sehr, dass Belgien weiterkommt, das wird aber nicht einfach.

Rehearsal Italy

Italien beweist ein großes Talent darin, ihre wirklich praktisch immer gelungenen ESC Songs, die oft zum engsten Favoritenkreis zählen, auf den letzten Metern selbst zu sabotieren. Meistens geschieht das durch eine unausgegorene Bühnenshow.

Bestes Beispiel Francesco Gabbani, der fast schon sichere Sieger 2017 mit einem Kraut und Rüben Staging, das sich nicht entscheiden konnten, wohin es die Aufmerksamkeit der ZuseherInnen lenken möchte. Aber auch Mahmood, der 2019 immerhin Zweiter wurde, hat nicht wegen, sondern trotz des konfusen Stagings diesen guten Platz eingefahren. Bei il Volo wurden in Wien überhaupt nur ein paar Versatzstücke aus dem Kolosseum eingeblendet. Von Ermal Meta und Fabrizio Moro, die einen kraftvollen Protestsong performten, wurde relativ erfolgreich durch Schriftzeichen Einblendung abgelenkt usw. Keiner dieser Songs hat schlechter als auf dem 6. Platz abgeschnitten. Also was wäre da alles sonst noch möglich gewesen…

Heuer könnte es anders sein, denn die Kandidaten Maneskin sind quasi ein Gesamtkunstwerk, die auch auf Styling und Glamour wertlegen. Es gibt ein paar Impressionen von den Proben, wo man schon sieht: hier werden wirklich schwere Geschütze aufgefahren, um zu beeindrucken:

Und wie es aussieht, verspricht das Erfolg. Italien hat sich binnen der letzten Tage auf den 2. Platz bei den Buchmachern hochgearbeitet. Und ich muss das jetzt sehr schnell posten, denn der Abstand zu Platz 1 beträgt nur noch ein Prozent.

Postskriptum: FWAAF

Was mir noch aufgefallen ist bei Vier Hochzeiten und ein Todesfall.

SPOILERALARM

Also im Freundeskreis von Charles gibt es auch ein homosexuelles Paar, zwei Männer. Da denkt man sich einerseits ok, recht gut für 1994 diese Beziehungsform in einer Mainstream Komödie abzubilden, aber wenn man sich den Film dann anschaut fragt man sich, ob das nicht eher Tokenism ist. Den Begriff hab ich vor kurzem kennengelernt (harhar) und ich finde, er passt hier. Denn: einerseits wird das Paar ziemlich klischeehaft dargestellt, sie sind sehr kultiviert und modebewusst und eloquent, aber ok, soll sein, andererseits – und das fand ich wirklich schlimm – wird beim Begräbnis des einen der Lebenspartner als “sehr guter Freund” bezeichnet. Schon klar, dass 1994 von einer Heirat eines homosexuellen Paares noch keine Rede war (leider), aber den anderen nicht als das zu bezeichnen was er war, nämlich sein Lebensgefährte und nicht einfach nur ein “sehr guter Freund”, das ist eine Chance, die der Film ganz klar verpasst. Auch wenn Charles später sagt, dass die beiden die ganze Zeit als einzige im Freundeskreis wirklich eine Art Ehe geführt haben. Das ist in seiner Mutlosigkeit schade.

Und was ich noch schlecht fand, dass die Exfreundin von Charles, die er dann später fast heiratet, natürlich extrem unsympathisch dargestellt wird, sogar noch auf dem Weg zum Altar. So auf die Art: es ist irgendwie ok, jemanden so unguten und auch hässlichen (sie wird als “Duckface” bezeichnet) dann im Endeffekt vorm Altar sitzen zu lassen, weil man ja tatsächlich jemand anderen liebt. Der Film schiebt ein bisschen ihr den schwarzen Peter zu. Aber, liebe Regie, liebe Drehbuchschreiber: Charles hat sich entschieden, ihr einen Antrag zu machen, aus dem reichlich kindischen Motiv, jetzt aber auch endlich mal heiraten zu müssen. Er hat genau über ihren Charakter Bescheid gewusst – deshalb ging die Partnerschaft ja ursprünglich zu Ende – und trotzdem entschieden, sie zu heiraten. Ihr müsst sie nicht ungünstig darstellen, um seine Handlungen zu rechtfertigen. In Wahrheit war das eine Arschlochaktion von ihm und das bleibt sie auch.

Fazit: Der Film ist an vielen Punkten wirklich uerträglich in der Retrospetive. Bei den vielen guten Dialogen und der Situationskomik, wäre es sicher möglich gewesen, den Plot insgesamt differenzierer zu gestalten. Das ist zumindest meine Ansicht.

Four Weddings & a Funeral revisited

Nachdem ich auf Facebook zufällig einen Ausschnitt gesehen habe, hab ich mir Four Weddings & a Funeral wieder mal angesehen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich den zuletzt gesehen habe, es ist aber sicher schon 20 Jahre her.

Wir erinnern uns, der Film stammt aus dem Jahr 1994 und bedeutete, soweit ich mich erinnern kann, den Durchbruch von Hugh Grant. Na ja, abgesehen von diesem Polizeifoto in Hollywood, harhar. Sein Co Star war Andie McDowell, einer Ikone der romantischen Komödie der 1990er Jahre, hervorragend gecastet in Und täglich grüßt das Murmeltier, noch besser in Green Card und Sex, Lügen und Video (keine romantische Komödie, aber immerhin ein Beziehungsfilm und zwar ein ziemlich guter). In Vier Hochzeiten… wurde sie ja komplett gegen ihren Typ besetzt. Während sie sonst ziemlich glaubwürdig die verhuschte und eher prüde Intellektuelle gab, war sie hier plötzlich eine Frau mit reichlich sexuellen Erfahrungen (ich glaub 33 Liebhaber zählt sie auf), die eben mal so auf einer Hochzeit Charles (Hugh Grant) abschleppt. Gut, im Film ist er der leicht Verhuschte. Na ja, wie auch immer, bin ich schockiert, was für ein ganz und gar problematisches Beziehungsbild dieser Film transportiert.

SPOILERALERT. Also ja natürlich, der Film ist witzig, die Dialoge funktionieren auch noch fast dreißig Jahre später, gutes Comedytiming, alles chic. Aber das Bild, das hier von Hochzeiten oder Beziehungen im allgemeinen vermittelt wird, ist einfach ganz, ganz furchtbar. Zunächst einmal wird viel zu schnell geheiratet. Da knutscht man ein bisschen herum und drei Monate später steht man schon vorm Altar. Da lernt man sich eben kennen und im nächsten Moment ist man Braut. Und man ist nicht nur Braut, man lädt den One Night Stand, der offensichtlich in einen verliebt ist, dann auch gleich auf die Hochzeit ein. Und schläft nochmal mit ihm. Und geht mit ihm Brautkleid shoppen. Also ich weiß nicht, da könnte man ihm auch gleich das Herz rausreißen und darauf herumtrampeln. Und auch nachdem dieser Mensch einem die Liebe gestanden hat, heiratet man einen anderen, aber die Ehe hält natürlich nicht. Und der One Night Stand beschließt dann seinerseits, eine Ex-Freundin zu heiraten, ausgerechnet die, die noch nicht über ihn hinweg war natürlich, und versetzt sie dann vorm Altar, weil seine große Liebe endlich doch den Weg zu ihm gefunden hat. Wahhhhhhhhhhh…..sorry, geht gleich wieder. Ok.

Also was ich sagen will ist: Niemand muss heiraten in den 1990er Jahren. Niemand. Aus der Zeit sind wir raus. Auch in England. Jeder kann selbstverständlich heiraten, aber der Grund sollte Liebe sein, und nichts anderes, weil: es sind die 1990er. Was aber nicht geht, in den 90er oder auch generell, jede Menge toxische Scheiße durchzuziehen, nur weil man verheiratet sein will, um des Heiratens Willen. Und das verstehe ich nicht und habe ich auch noch nie verstanden und das hat mit Liebe weniger als nichts zu tun. So.