almis personal blog

Das war der ESC 22

So gut wie am Abend des ESC am vergangenen Samstag hab ich mich zwei Wochen nicht gefühlt, aus verschiedenen Gründen.

Was war also los in Turin? Die Ukraine hat – wie von vielen erwartet – gewonnen und mehr will ich dazu nicht sagen. Meine Favoriten aus Italien, Mahmood und Blanco, haben leider keine so überzeugende Leistung gebracht wie ich das erwartet habe und wie es leider sehr oft bei Italien der Fall ist – Jammern auf hohem Niveau, sie sind trotzdem fast immer in den Top 10. In Sam Remo waren sie so toll, liegt es am Orchester, liegt es an der kleineren Bühne, an der Stimmung? Das Staging ist beim ESC oftmals einfach nicht optimal. Und leider wars auch stimmlich etwas schief. Ich hätte eher bei Mahmood Unsicherheiten gesehen – tatsächlich war Blanco ein bisschen aus dem Tritt. Die Nerven spielen sicher mit, bei einem Auftritt, den 200 Millionen Menschen verfolgen. Sie wurden aber 6., was ja auch nicht wirlich schlecht ist.

Sam Ryder aus UK war dagegen wirklich souverän, jeder Ton hat gepasst, dazu hat er noch ein bisschen E-Gitarre gespielt, wenn man die schon mal dabei hat (lässig am Rücken drapiert) und hat es damit geschafft, Großbritannien aus dem jahrezehntelangen Dornröschenschlaf beim ESC zu holen. Wir erinnern uns, letztes Jahr null Punkte und letzter Platz für UK. Spanien – Chanel mit Slomo – versteh ich, sorry, einfach nicht. Ja, sie kann singen und tanzen, aber der Song…ich habe grundsätzlich nichts gegen Latin Pop und getanzte Sexyness (siehe Eleni Foureira 2018, supercool!), aber Slomo ist so austauschbar und erzählt mir einfach überhaupt nichts neues. Platz 4 Schweden, das passt schon.

Ganz toll fand ich persönlich auf der Bühne Konstrakta aus Serbien mit In Corpore Sano. Das hat mich – artsy und sperrig wie es natürlich war – total reingezogen. Das war eine fasziniernde Performance, vor allem das Ende sehr beeindruckend mit folgenden Fragen

The body is healthy, so what now?

A sick mind in a healthy body

A sad soul in a healthy body

A desparate mind in a healthy body

A frightend mind in a healthy body

So what now?

Überraschender 5. Platz. Absolut verdient!

ESC Soundcheck 1

Jetzt habe ich mir die vier deutschen ESC Soundcheck Episoden auf Eurovision.de angeschaut, mit den Moderatoren Stefan und Alina und Promi Juoren wie Dr. Eurovision Irving Wolther und Jane Comerfort. Immer sehr witzig!

Österreich kann sich da wirklich freuen, Halo wurde ziemlich gut bewertet, siehe Show Nummer zwei, allerdings haben sich alle – durchaus zurecht – gefragt, wie man einen DJ auf der Eurovision Bühne in Szene setzen kann. Zitat: “DJs auf der ESC Bühne sind ja tradtionell sehr unnütz” und “Wir haben da schon einiges gesehen und nichts davon war gut – das ist ein Riesenproblem, eine DJ Nummer gut zu inszenieren.” Lassen wir uns überraschen, was Österreich draus macht

Moderator Stefan analysiert den Jahrgang: “Ich hab das Gefühl, dieses Jahr gibt es richtig viele Songs mit einem Thema, ja die Beziehung ist toxisch und morgen beende ich sie, aber heute Nacht wird nochmal geknattert.” Harhar. Es ging in diesem Fall um Kroatien, aber ähnliches gilt für die Beiträge aus Schweden, Nordmazedonien, Irland, Finnland. Zum Beitrag aus Georgien gab es die ganze Bandbreite an Reaktionen – von sehr künstlerisch und verrückt, überraschend, bis einfach grauenhaft ist alles dabei. Die Schauspielerin Lea Mirzanli meinte: “Ich frage mich, wie die Entscheidung in Georgien aussieht. Wer sitzt dort und sagt ja genau, das ist es, Leute, das ist es”. Das kann man sich bei Lock me in tatsächlich schwer vorstellen, dass das jemand für tatsächlich ESC-tauglich hält – eher: who cares.

Fast schon gehatet wurde Fade to Black von Nadir Rustamli aus Aserbaidschan. SWR Moderator Consi sagt: “Er konnte seinen Schmerz gerade noch so zurückhalten, bis sein Outfit on fleek war. Dann bricht alles aus ihm raus. Das ist wahnsinnig eitel. Er wirkt so, als würde er parallel gerade ein Covershooting für ein Herrenmagazin absolvieren. Gut gefällt mir allerdings, wie leidend er “the weather” singt, “the weatheeerrr” Das hätte ich gerne als Opener fürs Wetter nach der Tagesschau.”

ESC – Best of the Rest 22, Teil 2

Was haben wir noch nicht besprochen. Frankreich zum Beispiel. Da sag ich dazu nur: ich habe acht Jahre am Reumannplatz gewohnt und was da an Musik aus den BMWs gekommen ist, das klang ungefähr wie das was Alvan & Ahez mit Fulenn abliefern. Für mich riecht das nach Benzin und verbrannten Reifen nach Vollbremsungen. Ich glaub, um das zu mögen, dafür hab ich ungefähr 7 Jahre zu lang am Reumannplatz gelebt.

Das Video zu Lights Off von We are Domi aus der Tschechischen Republik verstört mich, weil die Protagonistin der Virologin Monika Redlberger-Fritz ähnlich sieht – ganz ehrlich: wir haben in den letzten zwei Jahren zuviele VirologInnen gesehen – und in einem futuristischen Cyborg Setting gegen die Maschinen rebelliert. Den Song mag ich gerne – ist in meinen Top 10 dieses Jahr.

Dänemark ja, das hab ich auch schon mal gehört und zwar genauso. Aber auch nach mehrern Wochen Grübeln komm ich einfach nicht drauf, woher ich das kenne. Die Damen von REDDI können schon performen und The Show ist sowas wie die Antwort auf die Olsen Brother, die 2000 mit Fly on the Wings of love für Dänemark den Song Contest gewonnen haben. Gewinnen wird The Show zwar nicht, aber es sind diesmal Frauen statt Männern in den Wechseljahren, die zeigen, dass sie es noch voll drauf haben. Und ein Ohrwurm ist The Show allemal.

Bei Albanien mit Sekret hat Marco Schreuder die absolut richtige Äußerung getätigt: “Ich habe keine Ahnung, welches Sekret sie da besingt, aber es ist mir auch egal.” Harhar. Tatsächlich ist es wohl eher ein “secret” und Albanien liefert, wie eh jedes Jahr, sehr viel Balkan-Ethno Vibes und das Video ist auch Drama, Baby, Drama. Schon recht originell und unterhaltsam.

Oscars so shocking

Eigentlich sollte man aus Protest nichts über die Will Smith Aktion letzte Nacht schreiben, weil die natürlich alles andere überstrahlt oder verdunkelt, je nachdem. Weil alle nur noch darüber schreiben und nicht zb über den doch etwas überraschenden (ok, ich hab drauf getippt, aber trotzdem) bester Film Gewinner CODA oder über die beste Haupdarstellerin Jessica Chastain oder, oder, oder.

Aber natürlich schafft man das dann quasi nicht. Deshalb ein kurzes Brainstorming meinerseits. Nachdem ich mir das Video vom Vorfall angesehen habe, bin ich mir nicht sicher, ob es echt oder fake ist. Für fake spräche, dass die Oscarverleihung, die in den letzten Jahren immer mehr ZuseherInnen einbüßte, wieder (deutlich) mehr Publicity bekäme. Für echt spräche, dass Will Smith rein gar nichts davon hätte, so etwas zu faken. Ich mein, er hat den Oscar gewonnen und sich selbst mit diesem Ausraster die Show gestohlen.

Zu Chris Rock ist zu sagen: Der Witz war nicht besonders gut, Rock war auch noch nie dafür bekannt, besonders subtile oder angebrachte Witze zu machen – er hatte ja bereits 2005 einen Wickel mit Sean Penn bezüglich einer Aussage über Jude Law. Penn hat ihn halt nicht geschlagen, was auch sehr blöd rübergekommen wäre, auf ziemlich vielen Ebenen. Andererseits ist der Grat, wo ein Witz noch gut ist und wo geschmacklos auch oft sehr schmal. Und jemand tätlich anzugreifen, kann man mit nichts rechtfertigen.

Fazit: Das ist alles ziemlich unglücklich. Da war ja die La La Land bester Filmoscar Verwechslung vor fünf Jahren noch Gold dagegen.

To be continued…

ESC Griechenland 22

Griechenland schickt heuer Amanda Georgiadi Tenfjord ins Rennen, die mit Die Together eine ordentlich creepy Message an das ESC Publikum sendet. Das letzte Jahr ihrer Beziehung sei furchtbar gewesen, so zieht sie Resümee, aber anstatt daraus Schlüsse zu ziehen, wie sich zum Beispiel von seinem Partner zu trennen, hat Frau Tenfjord die Idee, man könne doch genausogut gemeinsam sterben.

Zitat:

Cause if we die together now

We will always have eachother

I won*t lose your for another

Ok na ja, so kann man es natürlich auch sehen, aber liebe Frau Tenfjord, Sie sind vermutlich noch keine 30 Jahre alt und sein Leben für die erste große Liebe wegzuwerfen, das will wohlüberlegt sein. Da kommt noch was anderes nach, ehrlich, auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt. Aber die Protagonistin in dem Song hat überhaupt ein paar sehr na ja, psychotische Züge, wenn sie dem Freund zuerst eine Liebeserklärung abringen will, um ihn dann zu bitten im buchstäblich das Herz rauszureißen und zwar nicht im metaphorischen Sinn.

Lana del Rey wäre stolz! Und das ist in seiner Ästhetik des Grauens schon auch irgendwie faszinierend, aber halt eben auch ordentlich düster.

ESC: How to write a comedy song

Angelehnt an den 2018-er Alexander Rybak Song That’s how to write an song, stelle ich heute in den Raum: That’s how to write a comedy song. Ich habe dafür ein anschauliches Beispiel und ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht.

Kommen wir zuerst zum Positivbeispiel. Die Band Zdob si Zdub für Moldawien. Bereits zweimal haben sie am ESC teilgenommen, 2005 wurden sie Sechster, 2011 erreichten sie Rang 12. Ihr heuriger Song heißt Trenulețul und ist ein m.E. witziger und origineller Song, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt, dabei aber nie ein gewisses Niveau unterschreitet. Das Video ist sogar großartig. Die Musiker fahren mit dem Zug von Chișinău, der Hauptstadt von Moldawien, nach Bucharest, der Hauptstadt von Rumänien und singen über das, was die zwei Länder verbindet. Laut der Band: so einiges, Zitat: sind sie eins oder zwei? Wenn man ausssteigt, denkt man, man sei immer noch im selben Land usw. Das Video hat massive Grand Budapest Hotel Vibes und Optik.

Dem gegenüber: Die Band Citi Zeni für Lettland.

Mit dem Song Eat your salad verbinden sie in einer wahrscheinlich noch nie dagewesenen Symbiose den grünen Umweltgedanken mit extrem sexistischem Wording. Ja, ja, natürlich sind die Fridays for Future Anklänge an sich schon ironisch und im Merci Jury Podcast heißt es, dass lesbischen Frauen diesen Song auf TikTok feiern, aber die Lyrics: “Instead of meat, I eat veggies and pu***” muss man mögen. Ich mag es nicht und find es blöd und tief. “My sausage is bigger” ist auch nicht gerade der Gipfel an subtilem Witz, das ist eher Bierzelt-Schmäh. Und die Musik gefällt mir auch nicht, war noch nie ein Funk-Fan. Von mir aus muss das nicht ins Finale kommen.

P.S. Natürlich dürfen sie beim ESC nicht pu*** singen, sie singen stattdessen dann nichts. Na ja…

ESC Sweden 22

Schweden gehört zu den erfolgreichsten Nationen des ESC. Nicht nur, dass sie in den letzten zehn Jahren zweimal gewonnen haben, der Sieg von Loreen markierte quasi die Wiedergeburt des ESC oder das Ankommen in der Neuzeit, nachdem der Bewerb schon kurz davor war, sich selbst abzuschaffen. Im Merci Cherie ESC Podcast werden die Gäste immer nach ihren absoluten Lieblingsliedern des Bewerbs gefragt und wenn ich sagen würde, dass Euphoria jedes zweite Mal genannt wird, ist das eine glatte Untertreibung.

Anyway: Schwedische Songs sind sehr oft ziemlich massentauglich. Das ist aber auch gleichzeitig ihr Manko. Sie sind oft zu gut produziert, zu perfekt durchkomponiert, zu aalglatt. Oder wie Peter Schreiber in einer Merci Jury Folge 2021 gesagt hat: “Vielen ist Schweden ja zu polished und zu Baukasten. Die Schweden wissen How it’s done.” Ja, das wissen sie definitiv, das ist auch anzuerkennen, aber mögen muss man das dann nicht unbedingt (immer).

Mir geht es heuer ein bisschen so mit Cornelia Jakobs, die eine tolle Stimme hat. Der Song Hold me closer ist aber irgendwie das zu musik-gewordende Billy Regal. Nix gegen Billy-Regale, ich hab selber welche. Hübsch, solide, gute Qualität und man weiß, was man kriegt. Aber originell oder überraschend ist da jetzt halt auch nichts.

Die Buchmacher haben das derzeit auf Platz 3 (hinter Ukraine und Italien) und das wird ziemlich sicher auch in die Top 5 kommen.

Die wahren Abenteuer des Andrè Heller, zwei

Was ich so wunderbar im Andre Heller Porträt finde – dass er so schön spricht und erzählen kann. Ich könnte ihm wirklich stundenlang zuhören und oft ist er auch sehr witzig. Beispielsweise wird in der Doku ein Filmausschnitt aus den 1970er Jahren gezeigt, in dem er fordert, dass der Wiener Dialekt an Unis und Schulen gelehrt werden sollte, statt Latein und Griechisch (“völlig überflüssig”), und er kommentiert dabei aber vor allem sein damaliges Outfit: “Was ich da anhabe! Ein Duschvorhang, der eine Liasion mit einem Nachtkastl hatte, hat ein Oberteil für Herren geboren – so schaut das aus.”

Er erzählt auch, dass immer, egal was er tut, bis zum heutigen Tag Menschen aufstehen und sagen: So nicht! Auch in seiner Familie wurde er darauf hingewiesen: “Du, wenn das, was du da gerade vorhast, irgendjemand brauchen würde, dann gäbe es das schon!” Seinen vielleicht größten Dämpfer hat er bei der Premiere seines Theaterstückes King-Kong-King-Mayer-Mayer-Ling erfahren. Ein Stück, in dem seine damalige Frau Erika Pluhar und Herwig Seeböck spielten, im Publikum, laut Heller, das “stänkernde Wien”, ein “Pöbel an KünstlerInnen”. Curd Jürgens saß ebenfalls im Publikum und animierte die anderen zum Tumult und Buh-Rufen. Heller sagt, die Kunstszene hätte sich gedacht: “Also wenn er schon singt, das können wir jetzt nicht mehr verhindern, dass er Säle füllt, aber ein Theaterschriftsteller wird uns der nicht!” Die Kritik hat ihn derart entmutigt, dass er lange tatsächlich nichts mehr geschrieben hat.

Dann erzählt er auch, dass er oft unter schweren Angstzuständen leidet und die Ärzte ratlos sind. Eventuell wären da “Walk In’s” – die von ihm quasi Besitz ergreifen. Das war interessant, dass er das gesagt hat, denn von “Walk In’s” ist vornehmlich in Access Conciousness (TM) die Rede, mit dem ich mich beruflich und auch privat ein wenig beschäftige. Er meint außerdem, dass das Künstlertum vor allem zu einem gut sei, nämlich ein Schutzmantel zu sein, dass man sich einige Verrücktheiten erlauben könnte, die dem Durchschnittsmenschen nicht so leicht verziehen werden. Bei ihm hingegen heiße es: “Na ja, ist halt ein Künstler, dann soll er halt sein Geld anzünden und damit riesige Skulpturen aus Feuer machen und dazu Musik von Händel spielen”.

Die wahren Abenteuer des André Heller, eins

Ich bin gegenüber der Hellerfabrik aufgewachsen. Bis 1971 wurden dort Schokolade und Zuckerl produziert. Ich bin erst 1976 geboren, es roch also nicht mehr permanent nach Süßem, als ich dort gelebt habe, aber die Fabrik stand trotzdem noch ganz schön imposant da. Erst Jahre nachdem ich ausgezogen bin, wurde sie zu einem Pflegeheim umgebaut. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich draufgekommen bin, dass die Heller Zuckerl etwas mit André Heller zu tun haben. Sein Großvater war nämlich einer der beiden Gründer der Fabrik.

Wie komme ich da jetzt drauf? Am Wochenende lief auf ORF anlässlich von Hellers baldigem 75. Geburtstag eine Doku mit dem Titel Die wahren Abenteuer des Andre Heller. Meine Mama hat mir davon vorgeschwärmt und so habe ich sie mir gestern angesehen und diese Doku und natürlich der Mensch André Heller ist wirklich, wirklich faszinierend und interessant. Ich hatte ja sehr lange ein falsches Bild von André Heller oder ein Bild, das veraltet war. Ich dachte, er sei sehr arrogant und abgehoben. Das war er auch junger Mensch, er war eine “Rotzpippn” wie er selbst sagt, und auch: “Ich habe eine so grandiose Eitelkeit gehabt, jahrzehntelang, weil ich so ein armseliges Selbstwertgefühl gehabt habe.” Und die Eitelkeit, so Heller, habe das nie ausgleichen können. Man fresse, sagt er, Anerkennung und scheide sie quasi unverdaut wieder aus. Das ist natürlich auch das spannende bei Heller, wie er sich pemanent selbst hinterfragt und analysiert.

Er ist jemand, der polarisiert. Unglücklich aufgewachsen in einem Schweizer Internat, ein strenger Vater, zu dem er im Grunde keine Beziehung hatte und dessen früher Tod ihn erleichterte, eine Mutter, mit der er permanent aneinandergerät, wurde dann ein überheblicher Radiokommentator, ein Künstler, der aber auch nicht in den Wiener Kunstbetrieb passte, der austeilt und selbst auch stark angefeindet wurde – was er so umschrieb: “In Wien musst erst sterben, damit dich die Leute Leben lassen, aber dann lebst lang.” Er sagt über sich selbst, er war eine “Primadonna der Exzentrik” und wenn Leute in seine Vorstellungen kamen, dann wusste er nicht, ob sie ihn verstehen oder nur sehen wollen, wie es ihn auf die “Pappn” haut.

Man weiß ja oft gar nicht, was ist André Heller eigentlich, wofür ist er tatsächlich bekannt? Er hat eine Universalbegabung. Er ist Sänger und Liedermacher, ebenso wie Moderator, Poet und Schriftsteller, Schauspieler, Filme und Zirkusmacher (im wahrsten Sinn des Wortes), Kulturmanager – obwohl das Wort für ihn total unpassend ist, Visionär, Createur – obwohl er so stark aneckt, ist er andererseits kommerziell auch extrem erfolgreich. Wie er selbst sagt, gibt es in Europa wohl niemanden, der mehr Ticktes für Shows verkauft hat als ihn; aber Shows interessieren ihn nicht mehr, die Shows hat er ausgereizt. Ihn interessieren Preise genauso wenig wie – wie gesagt – die Aufnahme in elitäre Künstlerkreise. Eigentlich, so denke ich, nachdem ich die Doku gesehen habe, geht es ihm darum, dass das Gefühl stimmt, dass er mit sich selbst glücklich ist. Und ich denke, das ist er.

Poly

Auf Sky hab ich eigentlich nach der Doku über And Just LIke That Ausschau gehalten; die habe ich nicht gefunden, dafür eine Doku von Louis Theroux, die sich da nennt: Polyamorie – Liebe ohne Grenzen. Sowas interessiert mich ja immer sehr. Harhar.

Jedenfalls trifft Theroux, der übrigens der Cousin des sehr weirden (in a good way) Schauspielers Justin Theroux ist, in dieser Doku Menschen, die “poly” leben. Das bedeutet, sie haben nicht nur eine Liebesbeziehung, sondern mehrere, die halbwegs gleichberechtigt nebeneinander laufen. Eine gewisse hierarchische Abstufung gibt es manchmal schon, also einen Hauptpartner, aber die anderen PartnerInnen werden auch geliebt und diese Beziehungen sind nicht nur sexueller Natur. Es ist nicht ganz einfach zu beschreiben, weil Theroux verschiedene Menschen besucht und es läuft natürlich nicht überall ganz gleich ab.

Da gibt ein Paar, das verheiratet ist und wo die Frau einen zweiten Partner hat, der auch verheiratet ist, aber die anderen beiden Teile der Paare haben niemanden (auch wenn es “erlaubt” wäre). Dann gibt es Paare, wo alle Beteiligten mehrere Partner haben. Und dann gibt es eine Konstellation, wo eine Frau mit zwei Männern lebt. Sie schlafen auch zu dritt in einem Bett. Theroux fragt dann nach, wie das so wäre, ob sie zu dritt Sex haben, was sie aber verneinen, weil einer wäre immer “ziemlich schnell fertig” und der andere nicht und das wäre dann für den einen recht fad. Aber nachdem es so ist, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten zur Arbeit gehen bzw. nachhause kommen, hat die Frau immer eine Stunde mit jedem alleine. Man merkt Theroux an, dass er sich das recht anstrengend für die Frau vorstellt. Harhar.

Prinzipiell geht es bei der Polyamorie oft darum, dass nicht ein Mensch alles für einen anderen Menschen sein kann. Also, dass nicht ein Mensch einem anderen alles bieten kann, was derjenige braucht. Das ist ganz sicher zutreffend, weil das ja auch ein Ding der Unmöglichkeit ist, aber wie Thereoux sagt, ihm ist klar, dass seine eigene Frau beispielsweise gerne mit ihren Freundinnen ausgeht und Dinge ohne ihn macht, das gehört auch für ihn zu einer Beziehung dazu, dass der andere seinen Freiraum hat. Aber in monogamen Beziehungen gibt es eben die bekannten Grenzen. Ist das nun spießig, beschneidet man sich und den Partner da selbst, ist man zu konservativ oder ist Poly doch etwas so etwas wie eine “langsame Scheidung” (so formuliert es Theroux einmal, nicht seine Worte, es ist ein Zitat)

Generell ist Theroux ideal als Chronist, weil er, wie er selbst sagt Brite ist und doch auch irgendwie zurückhaltend, dabei aber schon sehr “openminded”, was andere Beziehungsformen angeht, auch wenn er selbst niemals so leben würde – das sagt er auch ganz offen. Mir geht es da wie ihm. Ich finde es total interessant und habe da auch keine moralischen Einwände gegen solche Beziehungsformen. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass ich das niemals aushalten würde und, dass ich mich nicht daran erfreuen kann, wenn mein Partner mit einer anderen schläft. Aber Menschen sind halt unterschiedlich.