Zu Allerheiligen lief eine Doku mit Andre Heller und Dirk Stermann – Grabgeschichten. Und ich würde mal sagen, dass ist die beste Idee, die man als ORF haben kann, die kaum Budget braucht und trotzdem hochinteressant ist (und sogar sowas wie einen Bildungsauftrag erfüllt), einfach Heller und Stermann am Hietzinger Friedhof spazierengehen und miteinander reden zu lassen. Wobei die Redezeit von Heller natürlich deutlich überwiegt, Stermann ist mehr der Sidekick.
Heller erzählt von seiner Kindheit in einer großbügerlichen halbjüdischen Familie – sein Vater war Austrofaschist und Jude – und, wie er es ausdrückt, einer Familie, die nicht auf Liebe abonniert war. Seine jüdische Großmutter hat gesagt, dass auf den jüdischen Gräbern Steine liegen sei auch deswegen, weil die Steine den Frauen vom Herzen fallen, wenn die Männer endlich gestorben sind.
Heller erzählt, dass er bereits auf vielen Beerdigungen war, weil viele seiner Freunde deutlich älter waren und auch etliche der Jungen früh gestorben sind, an diversen Süchten. Stermann fragt ihn, ob er weint, wenn jemand ihm nahestehender stirbt oder ob er denke, das gehört dazu. Heller: “Ich denke, es gehört dazu und ich weine aber auch.” Er denke, er gastiere nur in seinem Körper, der mache ihn aber nicht aus, insofern betrachtet er den Tod auch nicht als bedrohlich.
Heller bringt ein Bonmont von Altenberg, der einmal im Cafe Zentral gesessen ist und der Kellner kommt ganz aufgeregt und fragt Altenberg, ob er schon gehört habe, wer gestorben sei. Daraufhin Altenberg: “Mir ist jeder recht.” Harhar. Stermann meint dann, sein Vater habe immer, wenn jemand gestorben sei, gesagt: Der hat es geschafft. Und mein Vater wiederum, hat immer gesagt, wenn jemand Suizid begangen hat: “Na wenn man sich’s verbessern kann.” (aber das nur am Rande)
Dann kommen sie bei einem Grab vorbei, das Heller gehört, in dem zwei für ihn sehr wichtige Menschen liegen, sein Freund Gerd Marquant, ein Bildhauer, und jemand, den Heller als “einen glücklichen Verlierer” beschreibt. Und Monika Krenner (1952-1977), damals die Geliebte Hellers. Sie haben sich aus dem letzten Stock des Hochhauses in der Herrengasse gestürzt. Unter anderem wegen Heller, der meinte, er sei damals ein Berserker gewesen, voller Drogen, Hybris und Unbarmherzigkeit und ihr Tod habe sich ihn neu erfinden lassen, mit anderen Gedanken und Handeln, er war so rasend in der Trauer, “Hätt ich ihr zehn Prozent der Liebe, die ich dan spürte gegeben, hätte sie sich nicht umbringen müssen.”
Dann kommen sie am Grab von Heinz Conrads vorbei und Heller singt ein Lied von ihm “War auch nicht alles klug, was ich gesagt, hab nicht gedacht, hab nur mein Herz gefragt”. Heller: Das wäre auch gut als österreichische Bundeshymne. Und dann zitiert er noch einen Text, den er auf einem Grab gelesen hatte, und den er sehr gelungen fand:
Hier ruht mein Weib, Gott sei es gedankt! 40 Jahre hat sie nur mit mir gezankt. Oh Wanderer, der du vorbeispazierst, eil fort von hier, sonst steht sie auf und zankt mit dir.
Tiroler Grabinschrift
Wunderbare Sendung.