almis personal blog

alle sieben wellen

hier ist er also, der fortsetzungsroman zu gut gegen nordwind von daniel glattauer: alle sieben wellen. eventuelle kleinere spoiler können folgen.

alle sieben wellen erinnert mich an so manche deutschschularbeit auf dem gymnasium. man liest das vorgegebene thema und man hat unzählige ideen. man beginnt zu schreiben, freut sich, dass einem sovieles einfällt, man schreibt sich in einen rausch, man vergisst alles rund um sich…und irgendwann sieht man auf die uhr. nur noch fünf minuten bis zur abgabe. und man ist mitten in seiner geschichte, nicht an ihrem ende. nun hat man ein problem; die geschichte muss jetzt an ihrem klimax abgewürgt werden. koste es, was es wolle. so ähnlich ist es daniel glattauer wohl gegangen, auch ohne drohende schulglocke.

zunächst ist alles vielversprechend: leo und emmi, die sich nur per mailkorrespodenz kennen lernen und zwischen denen es seit geraumer zeit knistert, aber nichts weiter passiert (offenes ende bei gut gegen nordwind) treffen sich nun persönlich. das face to face-kennenlernen beendet aber nicht ihre kommunikation per email, denn beide sind sich immer noch nicht darüber im klaren, welche art von beziehung sie führen möchten. der diskurs geht also weiter. und glattauer hat wieder ein paar originelle einfälle, um die spannung zu halten und die funken fliegen zu lassen. nachdem sie sich das erste mal getroffen haben, meint leo: "du schreibst manchmal hart an der grenze zu dir selbst" und emmi ist überzeugt davon, dass er so ist wie er schreibt: "ich habe dich erkannt. ich habe dich wiedererkannt."

aber wehe, wehe wenn ich an das ende sehe. das ende kommt – nach jahrelangem virtuellem umeinander herumschleichen – viel zu plötzlich, zu pragmatisch und auch zu selbstverständlich. so als hätte glattauer mit einem schlag vergessen, welche persönlichkeiten seine protagonisten sind. so einfach sind sie nämlich eigentlich nicht gestrickt.

trotzdem: alle sieben wellen ist wieder ein roman, den man kaum aus der hand legen kann. und der sich über weite strecken spannend und witzig liest. ok und ein bisschen kitschig. aber das ist in ordnung. denn er unterscheidet sich von anderer leichterer kost darin, dass es nicht ums aussehen geht, nicht um diäten, lifting, mode oder kosmetik. es geht hier nur um das innenleben, um worte und gedanken. und das finde ich angenehm.

zitiert

im aktuellen falter sagt alfred dorfer über österreich: 

"österreich hat eine kritische größe. es ist zu groß und zu klein zugleich. bemerkungen über internationale politik kommen in deutschland viel besser an, weil der informationsgrad dort höher ist. das trifft aber auch auf liechtenstein zu. aufgrund der eigenen marginalität ist man dort gezwungen, sich international umzuschauen. in österreich hat sich etwas völlig paradoxes halten können: eine mischung aus desinteresse und nonchalance gegenüber internationalen ereignissen."

finde ich ganz interessant beobachtet.

die abenteuer eines kleinkindes

adrian ist mit seinen korrigiert 14 monaten gerade in der ein- und ausräumphase. 

das bedeutet: wenn man seine schuhe anziehen will, muss man erst mal jede menge euro und centmünzen aus ihnen leeren. in der badewanne findet man ein handyladegerät, eine leere plastikflasche, mehrere computerkabel, schwimmtiere. sucht man sein handy, findet es nicht und ruft daraufhin mit dem festnetztelefon an, läutet es im sackerl mit altpapier, das man dann gleich ausleeren gehen wollte. ähem.

wenn der geneigte leser mich also telefonisch in kürze nicht mehr erreichen kann, weiß er bescheid.

vom kern der sache

kürzlich bin ich nach sehr langer zeit wieder mal am frühen abend durch die innenstadt gebummelt. es war in der dämmerung, die luft angenehm mild, die straßen nicht überlaufen.

da wir bald lieben besuch bekommen, wollte ich wieder mal spüren wie sich das anfühlt, durch die stadt zu spazieren. es ist schön, bei hell erleuchteten geschäften stehen zu bleiben, ausgestellte bücher anzusehen. nach neuer musik ausschau zu halten. sich die nase an glasscheiben plattzudrücken, um dieses eine kleid noch besser zu sehen. und einfach nur gehen. nachdenken. was macht wien aus, wo und wie kann man die stadt am besten einfangen? was ist das typische? ist es diese spiegelung des stephansdoms im haashaus? der geruch auf der rotenturmstraße nach fiaker? der ausblick von der ruprechtskirche auf den donaukanal? der sonnenschein im volksgarten? der wind auf der freyung?

früher hat das wiener orginal waluliso, den man immer irgendwo auf der kärntnerstraße getroffen hat, eine gewisse wien-stimmung transportiert. und wenn man rainhard fendrich glauben darf, muss man wien bei nacht gesehen haben und man sollte nicht auf "walzerklang oder auf herzen aus gold" hoffen, denn "man hat sich davon schon gottseidank, einigermaßen erholt." etwas weiter entfernt von der innenstadt liegt die hauptbibliothek am urban loritz platz, von der aus man einen eher unspektakulären, aber frischen und modernen weitblick auf den trubel des gürtels hat.

herauszufinden, was eine stadt bedeutet, ist ähnlich dem gefühl, sich selbst so zeigen zu können wie man ist. wenn man das möchte. und vor allem wem gegenüber man das will. in allen seinen facetten. und vor allem auch mit seinen selbstzweifeln. mit seinen unzulänglichkeiten. seine hoffnungen, fragen. seinen wünschen, träumen. den gedanken, die einen glücklich machen. und den gedanken, die einen traurig machen.

when somebody knows you well, there’s no comfort like that (london rain, mrs. heather nova).

spring

am anningerweg, märz 2009

es wird langsam frühling. ehrlich. alles riecht danach. und der tichy hat aufgesperrt. wie immer am freitag vor meinem geburtstag. heute konnte man schon ein bisschen draußen sitzen, auf einer parkbank. die bäume sind noch kahl, ok, aber das ist nur eine formsache, dass sie blühen werden.

jedes jahr im winter denke ich, das ist doch gar nicht schlimm. der schnee ist sogar ganz nett. und jedes jahr im frühling frage ich mich, wie ich es geschafft habe, so lange auf ihn zu verzichten.

von gestern

vorhin gerade bei konkret – das servicemagazin des orf aufgeschnappt:

"aufgrund der aktuellen ereignissen müssen wir den geplanten bericht über den computer der zukunft auf einen späteren zeitpunkt verschieben".

das hat irgendwie was vom charme der zeitung von gestern. oder von der legendären pointe in pension schöller, als maxi böhm aus einem magazin vorliest: "der vortrag wie bleibe ich ewig gesund muss wegen erkrankung des vortragenden abgesagt werden."

frost nixon

wieder mal im kino gewesen und frost/nixon gesehen.

der film von ron howard beleuchtet das legendäre interview des journalisten david frost mit richard nixon, nachdem nixon wegen watergate als präsident zurückgetreten war, um einem amtsenthebungsverfahren zuvor zu kommen. sein nachfolger gerald ford begnadigte nixon, weshalb er sich niemals vor einem gericht für seine taten verantworten musste. das als vierteiliges interview konzipierte gespräch ist vor allem deshalb spannend, weil david frost kein politisch beschlagener, seriöser journalist ist, sondern vielmehr ein entertainer. erstmal geht es ihm um aufmerksamkeit und öffentlichkeitswirklichsamkeit. beispielhaft für diese herangehensweise ist seine replik als man ihm mitteilt, dass nixon zurückgetreten ist. "wann ist das passiert?" "um neun uhr morgens" "um neun ihr morgens in washington? da ist es an der westküste erst sechs uhr. die leute schlafen noch. wieso verzichtet er auf soviele zuseher?". das ist frosts primärer ansatz: die zuschauer erstmal zu bekommen. was er dann mit ihnen macht, dabei vertraut er seiner intuition, weniger der vorbereitung.

frost engagiert ein beraterteam, das ihm klarmacht, dass ein halbherzig geführtes interview nicht nur eine belanglosigkeit, sondern auch ein freibrief für nixon wäre. nachdem er sich selbst verschulden muss, um das interview finanzieren zu können, wächst sein interesse an dem gespräch. und dennoch sind noch viele hindernisse zu überwinden, bis er nixon dort hat, wo er ihn haben will. es ist vielleicht ein bisschen wie bei der wrestler. es geht darum, wer den längeren atem hat.

frost/nixon ist spannend und witzig. als frost seiner freundin wien beschreibt, meint er: "es ist wie paris. nur ohne franzosen." als gelernter wiener möchte man ergänzen: "dafür mit wienern", aber egal. peter morgan, der drehbuchautor, wird bald nach österreich ziehen und verspürt eine gewisse sympathie für das land. angeblich lässt er immer wieder mal komplimente an wien in seine arbeiten einfließen. wie dem auch sei, da ist auch wieder einer dieser typischen nebendarsteller, dessen namen man nicht weiß – ok, dieser heißt oliver platt – und bei dem man sich immer freut, ihn zu sehen. 

frost/nixon bemüht sich um eine differenzierte sichtweise der dinge, was eine gewisse uneinigkeit bei menschen, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, erzeugt, ob nixon zu positiv gezeichnet oder – im gegenteil – viele seiner facetten ausgespart geblieben sind. was mich betrifft, hat mich die darstellung von martin sheen etwas mehr gefesselt als jene (oscarnominierte) von frank langella.