almis personal blog

Neues Leben, zwei

Etwas mehr geschlafen, aber weniger geht auch kaum. Die Nächte sind schlimm, weil man sich an die kleinen Fortschritte, die man untertags gemacht hat, nicht sofort erinnern kann und als erster immer die Verzweiflung erwacht, noch vor einem selbst. Und die wartet dann, lauert fast, und dann fällt sie über einen her. Und sie macht einen hellwach.

Viele Menschen haben mir sehr liebe Sachen geschrieben. Die Art von lieb, wo man dann gleich wieder ein wenig vor sich hin weint. Jemand hat mich angerufen und eine Stunde mit mir geredet. Er hat mir gesagt, er wäre sehr traurig. Ich werde fehlen. Aber wir werden uns wiedersehen, in einem anderen Kontext, und das ist immerhin tröstlich.

Ich weiß schon, dass Trauer in Phasen eingeteilt ist, aber ich dachte nicht, dass man alle Phasen innerhalb von einer Stunde durchmachen kann und dann geht es wieder von vorne los. Wie bei einer Infektion fühlt man sich ein paar Minuten eigentlich ganz gut und dann plötzlich wieder total zerschlagen und viceversa.

Über mein Gewicht, das mir letzte Woche noch Kopfzerbrechen bereitet hat, muss ich mir nun weniger Sorgen machen. Ich habe kaum Appetit und sitze lustlos vor den Mahlzeiten. Das ist wie gesagt nicht so beunruhigend, denn ich habe ordentlich Reserven. Und meine Auge ist geschwollen und juckt, aber das ist wohl eine Allergie.

Neues Leben, eins

Heute ist der 1. Mai. Und der erste Tage eines neuen Lebens. Nicht die Art von neuem Leben, die man sehnlichst begrüßt, weil man etwas wunderschönes und aufregendes erwartet, sondern die andere. Die Art, die man gar nicht (er)leben wollte, aber das Leben nun mal für einen vorgesehen hat. Es ist nicht so, dass mir das zum ersten Mal passiert. Aber leichter macht es das auch nicht.

Heute ist der erste Tag, nachdem mein Leben wieder mal komplett auseinandergebrochen ist. Diesmal nicht in einem Klassenzimmer, in einem Kreisaal oder mitten in einer dunklen Nacht nach vielen dunklen Nächten, mit Anlauf quasi, diesmal ganz unbemerkt, während ich noch launige Dinge zum ESC gebloggt habe, die höchstens die ärgsten Nerds interessieren, während ich voll in meiner Mitte war, während ich tagelang unfassbar glücklich und unbesiegbar war, oder mich zumindest so fühlte. Während ich tatsächlich dachte, ich hätte das Leben verstanden.

Heute ist der erste Tag, nach einer schlaflosen Nacht, in der ich mich tieftraurig, gedemütigt, verzweifelt, ratlos, fassungslos und ein bisschen (noch zu wenig) wütend gefühlt habe. Gestern wollte ich diesen Blog vom Netz nehmen, nach 15 Jahren, in denen ich regelmäßig geschrieben habe, älter als mein Kind ist dieser Blog, aber es war das erste Mal, dass ich dachte, ich habe nichts mehr zu sagen. Das erste Mal, wo ich mich fast schämte, für Dinge, die ich geschrieben habe, weil sie so voller Offenheit und Liebe waren, in meinem Herzen.

Heute denke ich, ich werde mich nicht für Liebe schämen und ich werde nicht aufhören zu schreiben. Es ist das einzige, das ich wirklich kann und letztendlich auch das einzige, was mich immer wieder auf meine Füße gestellt hat. Irgendwann.

His birthday

Heute wird mein Papa 80 Jahre alt. Ich bin um halb fünf Uhr aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Seitdem sitze ich am PC und versuche, etwas zu schreiben.

Mein Papa ist seit gut 20 Jahren quasi chronisch krank und vor eineinhalb Jahren hat er Morphium bekommen. Ich habe früher immer gedacht, wenn man mal Morphium bekommt, dann geht nichts mehr, aber er hat sich zwischenzeitlich wieder erholt, war sogar in der Steiermark auf Urlaub. Auf einem Auge ist er fast blind, das kommt von seinen Therapien. Gejammert hat er nie. Mein Papa ist ein Kämpfer und ziemlich ehrgeizig.

Zum letzten Mal gesehen habe ich ihn am 25. 12 2020 und da auch nur ganz kurz, auf seinem Balkon stehen, die Kapuze von seinem Pulli über den Kopf gezogen.Seitdem haben wir ein paarmal telefoniert. Warum wir uns kaum sehen und wenig miteinander reden weiß ich nicht. Ich habe es versucht und dann habe ich aufgehört, es zu versuchen. Wahrscheinlich hätte ich ihm noch viel zu sagen, vielleicht aber auch nichts. Mein Papa ist ein politischer Mensch, ein sehr witziger Mensch, aber auch ein ziemlich zynischer Mensch.

Als Kind bin ich bei den Eltern meines Papas aufgewachsen. Mein Opa hat oft davon erzählt, wie meine Eltern mit mir als Neugeborenes aus dem Krankenhaus zu ihnen gekommen sind, und mich ihm in den Arm gedrückt haben mit den Worten: “Da habt ihr euer Kind.” Mein Papa hat mich jeden Abend von meinen Großeltern abgeholt und dann sind wir nachhause gegangen. Bevor ich in die Schule kam, hat er mir erzählt wie schön es ist zu lesen, welche andere Welt sich dabei eröffnet. Als ich dann lesen konnte, hab ich mich oft in diese andere Welt geflüchtet. Vielleicht habe ich deshalb Literaturwissenschaft studiert. Seitdem ich denken kann, habe ich um seine Anerkennung gekämpft. Mein Papa ist ein kritischer Mensch mit genauen Vorstellungen.

Meine Mama sagt öfters ich habe soviel von ihm, vor allem wenn wir miteinander streiten, aber ich bin da nicht sicher. Der Leberfleck an meinem linken Bein erinnert mich an ihn, weil er an genau dergleichen Stelle genau dengleichen Leberfleck hat. Aber ich weiß nicht was er denkt, schon gar nicht über mich. Ich weiß nicht, ob ich seine Erwartungen erfüllt habe, ob er überhaupt Erwartungen an mich hatte. Mit 45 Jahren ist mein größtes Learning wohl gerade, das Loslassen zu lernen, in jeder Beziehung.

Happy birthday.

November, ganz generell

Viele Menschen mögen den November so als Monat gar nicht. Und derzeit ist der November auch besonders “novembrig”.

Es ist grau, es ist düster, es niesel-regnet, es ist feucht und unwirtlich. Es gibt nix besonders in diesem Monat, der (oft) goldene Oktober-Herbst ist vorbei, Weihnachten noch zu weit weg und jetzt mit Halb Lockdown und so weiter ist die Stimmung sowieso allgemein eher gedrückt.

Aber ich hab den November nach wie vor gern. Einmal am Tag mache ich eine große Runde draußen, wo ich zum entfernesten Supermarkt einkaufen gehen, übers Donaufeld, da bin ich eine gute Stunde unterwegs, meistens gleich in der Früh. Dann arbeite ich, beschäftige mich mit Schulzeugs (bin nicht direkt böse, dass diese Woche Geschichte auf dem Programm steht und nicht Mathe…), am frühen Abend lese ich oder schreibe oder schaue eine Serie. Danach arbeite ich nochmal bis relativ spät am Abend. Ich habe gerade einen so großen Arbeitsauftrag bekommen, dass ich alleine damit bis mindestens Jänner gut beschäftigt bin. Im Bett höre ich meinen Lieblingspodcast bis ich einschlafe.

Tja mehr mache ich derzeit nicht, außer am Wochenende jemand treffen und jemanden im Arm halten und im Arm gehalten werden und dann stundenlang frühstücken und Kaffeeee trinken, wie jemand sagt, Kaffeeee genauso lange gesprochen, wie man ihn trinkt und miteinander redet und Kipferl isst und Lachs und Ei und sich geborgen fühlt, in diesem grauen November.

Mir wurde schon gesagt, dass ich genügsam bin, aber das find ich gar nicht. Ich hab alles was ich brauche.

Schöne Welt, wo bist du, zwei

Auch im dritten Roman von Sally Rooney geht es vornehmlich um eines: menschliche Beziehungen. Platonische und sexuelle. Beziehungen sind bei Rooney nie heteronormativ und auch niemals unkompliziert. Und so hat man schon (wieder) die perfekte Ausgangslage, wenn LeserIn sich für solche Dinge interessiert. Diesmal ist vielleicht aber auch noch eine Spur mehr Autobiografisches versteckt als in den Vorgängerwerken, denn:

Alice ist Schriftstellerin, weltberühmt, reich. Sie erholt sich in einem großen Haus an der irischen Küste gerade von einer Depression samt stationärem Aufenthalt. Auf Tinder lernt sie Felix kennen. Das Date geht schief. Aber dennoch bleibt er in ihrem Leben. Ihre beste Freundin Eileen ist Redakteurin eines kleinen Literaturmagazins. Sie hat eine langjährige Beziehung hinter sich und ist seit Kindertagen mit Simon eng befreundet, einem gutaussehender Politiker. Oder ist es doch mehr?

Der Klappentext des Buches sagt:

“Zärtlich, fast schon schmerzlich lächelten sie sich an. Sie sagten nichts und ihre Fragen waren dieselben, denkst du an mich, warst du glücklich als wir miteinander schliefen, habe ich dir wehgetan, liebst du mich, wirst du mich immer lieben.”

Die ProtagonistInnen sind alle um die 30, aber ich denke, das sind Fragen, die einen auch noch bis mindestens 45 beschäftigen. Vielleicht sogar ein Leben lang.

Die Paarkonstellation Eileen/Simon ist für mich um einiges schlüssiger als Alice/Felix. Felix ist ein Lagerarbeiter, der nicht liest und auch sonst keine Interessen mit Alice teilt, auch charakterlich sind sie völlig unterschiedlich. Als Leserin fragt man sich, was die beiden eigentlich verbindet. Ja, Gegensätze ziehen sich an, vielleicht, ich glaub persönlich weniger dran, aber soll sein. Jedenfalls dreht sich der Roman um die beiden “Paare” und um die üblichen gesellschaftlich-politischen Überlegungen, die die beiden jungen Frauen in wechselseitiger Korrespondenz miteinander austauschen. Das ist der Teil des Buches, den ich ein bisschen bemüht finde. Es ist ja durchaus interessant zu lesen, was die beiden über Feminismus, Gender, Sprache usw. denken, aber der Briefwechsel ist trotzdem irgendwie ein kleiner Fremdkörper innerhalb des Plots.

Dafür bewundere ich Sally Rooney wirklich dafür, wie gut sie Sexszenen schreiben kann. Ich hab das ja auch schon versucht und es gibt wirklich kaum was schwierigeres. Man kann das ja eher deskriptiv oder eher metaphorisch angehen, würd ich mal sagen und Rooney hat sich für deskriptiv entschieden. Aber denken wir an Reich-Ranicki, das Ganze darf halt auch nicht so sein, als würde man im übertragenen Sinn schreiben, dass jemand einen Bleisift in die Tasche steckt, weil dann kann man es auch gleich seinlassen und “wegzoomen” wie in einem Film. Bei Rooney funktioniert es – es ist weder nüchtern-sachlich noch pornografisch, aber trotzdem sexy und poetisch, gleichermaßen. Da kann man wirklich noch einiges lernen, wenn man selbst schreibt. Oder einfach nur genießen, wenn man das Buch liest.

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Heute hier ein kleiner Fm4 Schwerpunkt.

Weil ich es vergessen hatte zu erwähnen: natürlich gibt es auch dieses Jahr wieder den Schreibwettbewerb wortlaut, diesmal ist das Thema “Kontakt”. Und ja, ich hoffe, das ergibt nicht nur Geschichten, die sich mit Corona auseinandersetzen #ausgründen. Auf twitter hat mir eine liebe Bekannte geschrieben: “Diesmal gewinnen wir“, weil wir beide schon zweimal mitgemacht haben und es jedes mal nicht auf die Longlist geschafft haben. Ich nehme an, es ist verlorene Liebesmüh, aber ich werde es wieder versuchen, und bei meiner Geschichte geht es nicht um Corona, sondern um das, was mich am allermeisten immer wieder aufs neue interessiert: menschliche Beziehungen.

Während ich das schreibe, höre ich gerade die Marathonlesung von Albert Camus “Die Pest“. Diverse Promis lesen den gesamten Roman, insgesamt über zehn Stunden lang. Es ist faszinierend, wie stark die Parallelen zur derzeitigen Corona-Situation sind. Die Pest bricht in der algerischen Stadt Oran aus, begonnen hat es mit einigen toten Ratten, ganz harmlos. Zuerst kommt das Verleugnen und Unterschätzen der Situation, dann die Ausgangsbeschränkungen, die Auslagerung der Leichen an andere Orte, Begräbnisse ohne Besucher, der Zusammenbruch der Wirtschaft, die rasante Zunahme der Arbeitslosigkeit; Betrachtungen über Korruption und menschlichen Zusammenhaltes.

Abgesehen von diesen Parallelen ist die Beobachtungsgabe und Formulierungskunst Camus’ erstaunlich. Etwa mit kleinen Sätzen wie “Das übrige Mittagessen verging auf der Suche nach einem Gesprächsthema.”

Die Pest-Lesung wird ab morgen einen Monat online abrufbar sein.

Welt-Frühgeborenentag

Heute durfte ich – anlässlich des Welt-Frühchentags auf dem bekannten deutschen Blog Stadt-Land Mama unsere Geschichte erzählen und auch auf mein Buch hinweisen. Das ist toll.

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Auf dem Foto war das Kind übrigens genau einen Monat alt. Aber noch immer sehr winzig und intubiert.

An einem Tag wie diesen wünsche ich allen “aktuellen” Frühchen-Eltern soviel Glück wie wir das hatten. Ich bin dafür immer noch täglich dankbar.

Unnamed novel, eins

In der letzten Zeit haben sich meine Nachmittage ein bisschen verändert, ich kann mittlerweile öfters am Balkon sitzen bleiben, wenn die Kinder im Hof spielen, ich sehe die Eltern der jetzt Drei- bis Vierjährigen unten sitzen, und bin ein bisschen froh, wieder mehr Freiraum zu haben.

Denn so bin ich dazu gekommen, wieder mit dem Schreiben zu beginnen. Natürlich unterbrochen durch Kindergekreische und Kinderstreitereien und Kinderwünsche, dezent mitgeteilt, durch etwa fünfzehnmaliges Läuten an der Gegensprechanlage, wo ich doch ohnehin draußen sitze und man mir auch durchaus etwas zurufen könnte, aber immerhin kann ich mich doch mal einige Minuten auf meine Texte konzentrieren.

Mein erstes Buch, Geboren in Bozen, wurde ja von vielen als mutig, offen und authentisch bezeichnet (danke dafür), das neue – noch namenlose – macht mir selber gerade noch etwas Angst. Ich weiß ungefähr, wie es anfangen und wovon es handeln soll, doch mit mir selbst so ehrlich zu sein, wie es dieses Buch bedarf, das fällt mir gar nicht so leicht. Beim Schreiben ist es durchaus so, dass immer mehr Fragen auftauchen, je tiefer ich mich in die Materie einlasse. Und ich muss mir selbst einige unangenehme Fragen stellen – und wahrscheinlich in weiterer Folge auch beantworten, so dies möglich ist.

Aber so ist das Leben und so ist das auch das Schreiben, wie ich es für mich selbst begreife. An der Oberfläche zu bleiben, das interessiert mich nicht.

Genau so

Im aktuellen Falter findet sich ein Interview mit dem Schriftsteller Stewart O’Nan, im Zuge dessen er auch über seine Arbeitsweise befragt wird und auch nach “Tabus”. Seine Antwort kann ich sehr gut nachvollziehen:

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Darum geht es wohl, wenn man schreibt. Genau da hinzufühlen, wo es möglicherweise wehtut. Ich möchte mich zwar nicht mit einem arrivierten und bekannten Autor wie O’Nan vergleichen, aber im Kleinen gilt dasselbe für mich, wenn ich schreibe.

Als ich an Geboren in Bozen arbeitete, da wurde es oft, auch aufgrund des Themas, das man kaum distanziert beschreiben kann, doch sehr persönlich und intim. Wenn man dabei daran denkt, wer das anschließend aller lesen wird und was sich dann jemand möglicherweise von einem denkt, dann kann man es gleich bleiben lassen. Das wäre die Schere im Kopf. Ich glaube aber, man gibt auch dann viel von sich preis, wenn es nicht unmittelbar autobiografisch ist. Denn man hat das ja alles gedacht, was dann auf dem Papier steht. Und alles, was man sagt, kann ja gegen einen verwendet werden.

Anyway: O’Nan hat recht. Das, wovor man zurückschreckt, ist meistens das spannende. Für einen selbst und auch seine Leser.

Familie rockt

Im Zuge der “Promotion” für mein Buch, habe ich einige Medien angeschrieben und auch Rezensionsexemplare von Geboren in Bozen versendet. Wirklich erstaunt und erfreut war ich darüber, dass sich Patrice Fuchs vom Familie rockt Magazin praktisch sofort gemeldet hat und mir vorgeschlagen hat, mich zu interviewen, ein paar Fotos zu machen und mein Buch vorzustellen. Immerhin bin ich ja quasi ein Nobody!

Umso schöner war die Atmosphäre dann, als sie uns im April gemeinsam mit ihrer Pflegetochter besuchen kam, die Kids gespielt und wir geredet haben. Es war alles andere als ein oberflächliches Gespräch.

In der aktuellen Ausgabe der Printausgabe gibts nun Fotos, Auszüge aus meinem Buch und eine sehr nette Kaufempfehlung zu lesen. Herzlichen Dank!

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