almis personal blog

The drugs do not work

Immer mal wieder denke ich zurück…

Am Tag von Adrians Geburt befanden wir uns – trotz allem – auf einem Höhenflug. ich bekam am Abend ein Einzelzimmer, wir konnten ungestört reden. Ein bisschen begreifen, was passiert ist. Das Pflegepersonal ließ uns in Ruhe. Die Schwester kam erst mit einer letzten Aantibiotikainfusion als er gegangen war. Sehr menschlich, sehr respektvoll. Noch immer hatte ich keine Ahnung, wie das Krankenhaus eigentlich von außen aussieht. Oder wo es genau steht.

Am Tag nach Adrians geburt holte uns die Realität ein. Ich begann damit, meine Milch abzupumpen, neben lauter frischen Mamas. Italienerinnen, die ihre Babys neben mir stillten. Sie trugen Nachthemden, Bademäntel. Ich war vollständig angezogen, ich lag keine Minute des Tages im Bett. Ich fühlte mich völlig deplaziert, hatte kein Baby bei mir. Nichts stimmte hier, nichts passte zusammen.

Nach jedem abpumpen brachte ich die Milch hinüber auf die Intensivstation und sah nach Adrian, nachdem ich meine Hände gewaschen und desinfiziert und einen weißen Kittel angezogen hatte. Auch in der Nacht konnte ich ihn besuchen. Die langen, dunklen, ruhigen Spitalsgänge gaben mir Geborgenheit. Gleichzeitig fiel es mir immer schwerer, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.

Spätnachts, zurück auf meinem Zimmer, kamen zwei Schwestern vorsichtig näher. Ob ich ein Beruhigungsmittel wolle? Ich musste an The Verve denken. The drugs don’t work. Auf keinen Fall. Wenn ich einen klaren Kopf brauchte, dann jetzt. So weh es auch tat, ich musste da bei Verstand durch. Wir einigten uns auf Baldriantee.

tag am meer

wenn wir schon bei sommerlichen temperaturen sind…an einem tag am meer kann man zwei dinge besonders gut machen.

zum einen: leute beobachten. in griechenland zum beispiel. auftritt griechische familie eins. mann, frau, drei kinder – das kleinste davon höchstens drei monate alt – ein deutsches kindermädchen. die frau geht selten zum schwimmen mit. sie sitzt im schatten und kümmert sich um das baby oder sie bleibt gleich im apartement. das deutsche kindermädchen spricht unaufhörlich mit ihren schützlingen. einer davon heißt nicolaos. familie zwei besteht aus einer frau und einem kleinkind. das kleinkind ist aber schon älter als das baby von familie eins. die frau trägt eine menge dezenten schmuck, auch zum baden.

sie unterhält sich angeregt mit dem mann der familie eins. interpretiert man die körpersprache, könnte man es auch als flirten bezeichnen. manchmal wird das kleinkind der familie zwei dem kindermädchen übergeben und vater eins und mutter zwei schwimmen hinaus. da kann man herrlich spekulieren: läuft da was zwischen mann eins und frau zwei? und wenn ja, weiß es frau eins? toleriert sie es sogar? ist sie mit frau zwei befreundet? oder ist frau zwei einfach nur vorübergehend alleine und ihr mann muss arbeiten, kommt aber am wochenende ohnehin zu besuch? stundenlang kann man zuschauen, bei diesem freiluft theater. man liest in gestik und mimik.

zum zweiten: man kann nirgends so gut romane lesen wie am meer, bei temperaturen, die nur eine bewegung erlauben – das umblättern einer buchseite. nirgends anders versinkt die welt um einen herum so verläßlich, ist der verstand so sehr auf eine andere welt konzentriert. am liebsten lese ich bücher der familie hustvedtauster. auster, ja das ist der, der auch das telefonbuch erzählen könnte und ich würde es verschlingen. und seine frau beschreibt in einer unglaublichen intensität menschliche beziehungen. was ich liebte ist schon fast zu schmerzvoll für mich. aber wunderschön. sicher auch ohne meer empfehlenswert: die leiden eines amerikaners.

spring in the city

sonne und blauer himmel. ausfahrt mit dem kinderwagen.

wie kann man am besten beschreiben, was einen im frühling so besonders glücklich macht? was jeder grauen wiener straße den anschein von einem lungomare gibt? vielleicht eine episode wie diese:

ich begegne einem offenbar frisch verliebten pärchen. leger-studentisch gekleidet. er trägt einen dunkelgrünen pulli, darunter ein gelbes shirt. sie trägt ein gelbes band im lockigen haar. die beiden gehen hand in hand, so als ob sie das noch nicht oft getan hätten. als ob sie sich schon ein bisschen was versprochen hätten, aber noch lange nicht alles. sie haben auch keine eile. wie in dem neil diamond song cracklin’ rosie: "that’s alright. we got all night to set the world right." sie unterhalten sich sich über ihre lieblingseissorten. er zählt auf: "kokos mag ich. malaga. zitrone." und sie sieht ihn dabei an, als würde sie am liebsten ihre vormittagsvorlesung ausfallen lassen. und mit ihm ein schattiges plätzchen suchen. sich dort niederlassen. seinen kopf auf ihrem schoß.

da scheint das meer nicht weit. oder zumindest die donauinsel.

ausgeträumt

da schäft man nachmittags mal zwei stündchen und wacht dann völlig verdattert auf, denn (auf verschiedenen schauplätzen) :

  • hat man gestritten, bis die tränen kamen und die stimme heiser wurde
  • hat man plötzlich jemanden an seiner seite, den man aus den augen verloren hat und es fühlt sich ganz selbstverständlich an
  • hat man sich verzweifelt gerechtfertigt und einer möglichen zukunftsvision sehnsüchtig nachgeblickt

und permanent im hintergrund: das unaufhörliche piepsen und klingeln von monitoren in einer intensivstation

ich habe nur darauf gewartet, dass am ende ein insert eingeblendet wird, mit den worten: "dieser traum wurde ihnen präsentiert von…david lynch.

das kleine schwarze

ok, was den kalender angeht, habe ich mich in richtung bunt weiterentwickelt. aber was kleider betrifft, bleibe ich doch ganz gerne beim kleinen schwarzen.

ja, ich habe 4 verschiedene schwarze, knielange kleider im kasten. aber jedes davon hat eine andere funktion: eines ist mein akademische-feier kleid, eines ist mein gehobenes-sommerfest kleid, eines ist mein casino-roulette kleid und eines das candlelight-dinner-beim-italiener kleid.

man muss nicht mars und venus bemühen. es geht auch einfacher. frauen erzählen, dass sie ein schwarzes kleid gekauft haben und männer sagen darauf: schon wieder?

calendar girl

kalender 2008

ich bin ein kalender-fetischist. ich trage ein, was zu erledigen ist und was ich erlebe. ich trage sogar die termine von anderen, lieben menschen ein. ja, ich bin ein freak, aber ist ja nichts neues.

bisher hatte ich immer kalender, die entweder einfärbig schwarz oder blau waren. einmal war ich tollkühn, und habe mich für einen weinroten entschieden. dieses jahr kaufte ich meinen kalender erst mitte jänner und das angebot war schon etwas ausgedünnt. dann fiel mir ein "künstlerisches" exemplar in die hand. ich kämpfte mit mir. war das nicht zu wild, zu extravagant für meinen schreibtisch? meine gedanken sind durcheinander genug, muss da nicht zumindest das cover seriös sein? aber ich habe mich doch getraut. und mittlerweile kann ich es mir gar nicht mehr anders vorstellen.

changing places

ein orts-deja vu ist ein eigenartiges phänomen. ich hatte schon mehrere davon. das letzte in der vergangenen woche.

auf dem weg zum arzt, betrete ich erstmals ganz bewusst die donaucity. ein relativ neues urbanes center, das sich in der nähe der uno city formiert hat. die ubahn hält direkt davor, man kann dort arbeiten und auch wohnen, einkaufen und sogar ins kino gehen. dennoch macht es auf mich den anschein einer geisterstadt. viel wind, viel grau, verwirrend, lange gehwege, aber dennoch auch anziehend. ich denke dabei an den barbican in london, wo wir im museum waren. es ist london – und doch nicht. camden town beispielsweise assoziiere ich ganz selbstverständlich mit der stadt. the barbican nicht unbedingt. in der donaucity ist wenig wien zu finden.

anderswo in london – in der gegend kensington. wir steigen am sloane square aus, weil ich das haus am eaton place (aus der tv-serie) suchen will. und finden es auch. beinahe jedes haus in kensington sieht aus wie das haus am eaton place. dort ist auch ein park, in dem wir uns im august 1994 ausruhen. und im august 1998 sitzen wir in lissabon in einem park, der exakt dasselbe feeling vermittelt. ich bilde mir das nicht ein. denn als ich ihn frage, woran ihn das erinnert, denkt auch er an kensington.

2006 dann eine rast am vierwaldstättersee. eis essen in küssnacht. es ist wie 1999, villa borghese in rom. dort war es gelati. aber die bäume sehen ganz ähnlich aus. und die sonne steht vielleicht im selben winkel.

irgendwie vermittelt es vertrautheit, wenn man solche vergleiche zieht. manchmal ist es aber auch schön, an orte zu kommen, zu denen man gar keine assoziation hat. so geschehen 2005 in der mojave wüste. barstow liegt hinter uns – in fear and loathing in las vegas heißt es: "we were somewhere around barstow, on the edge of the desert, when the drugs began to take hold. wir kommen drogenfrei nach needles. es ist schon dunkel, aber immer noch heiß. wir springen in den pool, das wasser tut gut. in der ferne muss ein gewitter sein. wir sehen die blitze. später, auf unserem zimmer im motel, werden wir dann die coyoten heulen hören. sowas habe ich vorher noch nie erlebt. eine nacht, in der man wunschlos glücklich sein kann.

von einer die auszog, das schimpfen zu lehren….

heute am weg zum kinderarzt. ich möchte eine eigenartige rampe befahren. zu diesem zwecke habe ich vor, die räder des kinderwagens in den "gerade"-modus zu stellen. schon an dieser beschreibung merkt man: technik ist nicht meines.

ich weiß aber: das geht irgendwie, man muss da einen speziellen knopf drücken. er kennt natürlich alle funktionen des kinderwagens blind und hat mir auch schon davon erzählt. ich höre dabei auch zu, ehrlich. irgendwie. aber andererseits summt da gleichzeitig immer so eine penetrante melodie in meinem kopf, die meine aufmerksamkeit völlig in beschlag nimmt. so extrem, dass ich mich nachher an nichts mehr erinnern kann. aber so schwer kann das doch nicht sein. ich bücke mich. drücke den knopf, der mir am plausibelsten erscheint und…habe plötzlich ein rad in der hand. das war also nicht der knopf für den "gerade"-modus. das ist der "rad ab"-modus. wie passend. was macht man nun in so einer situation. man sagt mal richtig schön laut: "scheiße".

kann ich ahnen, dass mich ein ungefähr fünfjähriger und seine oma beobachten? und sich dabei köstlich amüsieren? und anschließend: "oma, das war lustig, die frau hat scheiße gesagt…" sorry, oma!