almis personal blog

Tschinni

Letztens hab ich auf twitter gelesen, wer den Zusammenhang zwischen einer Musikkassette und einem Bleistift noch kennt, sollte altersmäßig bald zu einer Darmspieglung. Gestern hab ich erstmals seit Ewigkeiten wieder mal einen Plattenspieler betätigt. Weil: ich habe als Geschenk eine CD-Single bekommen, die ich seit 20 Jahren suche – die Hektiker Parodie Tschinni von Falcos Jeanny.

Ich hatte Tschinni damals auf Kassette, aber wie das so ist mit Kassetten, irgendwann sind sie verschwunden. Und ich fand die Parodie so gelungen. Jedenfalls hab ich schon total oft das Internet abgegrast, aber nirgendswo diese Version gefunden. Aber offenbar gibt es noch ein paar Sammler, die sowas verkaufen.

Wie auch immer, ich find es immer noch echt amüsant. Als ich mir das gestern angehört hab, stand das Kind mit verständnislosen Blick neben mir – so wie ich manchmal verständnislos schaue, wenn er mir irgendwas auf youtube zeigt – und war leicht verstört, aber auch fasziniert wie ich das witzig finden kann.

Gut, ich muss ihm in einer ruhigen Minute mal den ganzen Hintergrund des Originals erklären, die Falco Nummer war ja 1985/86 ein riesen Skandal, das Lied und v.a. das Video durfte ja dann auch nicht mehr ausgestrahlt werden, sogar Thomas Gottschalk äußerte sich kritisch. Die mediale Lesart war, dass der Song die Verherrlichung einer Vergewaltigung bzw. Entführung sei, obwohl Falco ja schon ziemlich früh gesagt hatte, dass es mehrere Teile geben würde, in dem das Schicksal der titelgebenden Frau weiter erläuert werden würde und, dass es eigentlich ein Liebeslied sei. Das Video hat aber jetzt nicht direkt was dazu beigetragen, Falcos angebliche Intention zu unterstützen, würd ich mal meinen. Übrigens wirft dieser Song natürlich die, auch in der Literatur oder im Film immer wieder gestellte Frage auf, was ist der Standpunkt des Autors und was ist im Gegensatz dazu Rollenprosa und wie weit darf Rollenprosa gehen, um gesellschaftliche Vorgänge deutlich zu machen? Aber das führt jetzt zu weit.

Jedenfalls haben sich die Hektiker diesem Song auf ihre Art und wie ich finde genial genähert, in dem sie ihn gelungen aufs Korn nehmen. Florian Scheubas Stimme klingt wirklich fast exakt wie die von Falco. Wenn es bei Falco heißt, “Komm wir müssen raus aus dem Wald”, heißt es bei den Hektiker, “Komm, wir müssen wieder rein in die Hitparade”, wenn Falco singt, “Wo ist dein Schuh, du hast ihn verloren, als ich dir den Weg zeigen musste”, singen die Hektiker “Wo ist deine goldene Schallplatte, du hast sie gewonnen, als man dich zensurieren musste.” Wo Falco singt, “Zuviel rot auf deinen Lippen, du hast gesagt, mach mich nicht an, doch du warst durchschaut”, singen die Hektiker: “Zuviel Schmalz auf deinen Rillen, du hast gesagt, das kauft doch keiner. Doch der Konsument war durchschaut.” Im Refrain heißt es dann: “Tschinni, was hälst du von Teil drei, bleiben wir doch dabei und dann kommt noch Teil 4, in dem heiraten wird – there’s no one who needs it.”

Dann gibt es ja im Originalsong die Passage mit dem “Newsflash”, in dem der Reporter von einem dramatischen Anstieg von vermissten Personen spricht. Die jüngste Veröffentlichung der lokalen Polizeibehörde berichtet von einem weiteren tragischen Fall. Die Polizei schließe die Möglichkeit nicht aus, dass es sich hierbei um ein Verbrechen handelt.

Die Hektiker machen aus “Newsflash”- “Reisfleisch” und da wird verkündet: die Zahl der Hansis¹ in der Hitparade sei in den letzten Wochen dramatisch angestiegen. Die jüngste Veröffentlichung der lokalen Hitwertung berichtet von einem weiteren unnötigen Fall. Es handelt sich hierbei um einen Hansi, der einen Nr. 1 Hit auf drei Teile strecken will. Experten schließen die Möglichkeit nicht aus, dass es sich hierbei um ein Selbstplagiat handelt.

Und dazwischen immer “There must be something wrong, people still like this song”, herrlich.

 


¹ Damals waren drei Hansis in der Hitparade. Neben Falco, Hans Hölzl, auch noch Hansi Orsolic mit Mei poschertes Leben und Hans Krankl mit Lonely boy.