Mit dem Filmfestival in Venedig im Spätsommer wird die Film-Award Season tradtionell eröffnet.
Der Eröffnungsfilm war dieses Jahr First Man von Damien Chazelle – sein Nachfolgefilm zu La La Land und sein erster Film, in dem Musik keine Hauptrolle spielt; vielmehr geht es um Neil Armstrong und seine Mondmission.
Der Film hat sehr wohlwollendes Feedback erhalten, was ihn auf alle Fälle zu einem Oscarkandidaten macht, es sei denn, es gibt einen Skandal. Wie das zb in jüngster Vergangenheit Nate Parkers Birth of a Nation passiert ist; ein Film, der ebenfalls euphorische Kritken erhalten – doch dann wurden Vergewaltigungsvorwürfe gegen Parker laut und der Film ging sang und klanglos unter.
Als ich also gestern auf Twitter las, dass First Man sich auch einer Kontroverse ausgesetzt sieht, dachte ich schon, oje, was hat Chazelle denn gemacht? Ich dachte an #metoo oder an irgendwelche rassistischen Äußerungen. Aber es ist ganz anders: Chazelle wird kirtisiert, weil First Man anti-amerikanisch ist und zwar deswegen, weil im Film die Szene fehlt, in dem Neil Armstrong die amerikansiche Flagge am Mond befestigt.
Dazu hat Filmkritiker Sam Adams eigentlich schon alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt:
If awards season is this stupid on its second day I can’t wait to see where it goes from here. https://t.co/E68Ih0Jx6H
— Sam Adams (@SamuelAAdams) 1. September 2018
Ich habe spontan an den Film No Country for old man der Coen-Brüder denken müssen. Die Coens lassen den Showdown des Filmes (ich will nicht spoilern, aber es ist quasi der Höhepunkt einer Konfrontation) einfach abseits passieren. Man sieht was vorher und was nachher passiert, ist aber als Zuschauer abwesend, in dieser Situation. Es ist so, als würde man aufs WC gehen und derweil wird das entscheidende Tor bei einer Fußball-WM geschossen.
Wieso machen Künstler das? Weil sie etwas tun wollen, was den Zsuchauererwartungen zuwiderläuft, weil sie die Perspektive wechseln wollen, weil sie Dinge anders darstellen wollen, als das gemeinhin gemacht wird. Das ist ja eigentlich auch das Spannende an der Kunst, dass sie uns überrascht, provoziert und zum Nachdenken herausfordert. Und ohne den Film gesehen zu haben: Chazelle wird seine Gründe gehabt haben, diese Szene nicht in den Film aufzunehmen.
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