almis personal blog

Hot takes

Eigentlich wollte ich heute – in Anlehnung an meine “redaktionelle Mitarbeit” – davon schreiben, dass ich als Selbstständige zwar kein Urlaubsgeld bekomme, dafür aber immerhin in einer Woche wie der letzten mit permanent nassem Bikini am Laptop sitzen und arbeiten kann. Das sind wiederum die Freuden der Selbstständigkeit. Währendessen ferialjobbt das Kind im heimischen Silicon Valley, aka Wienerberg.

Aber heute bin ich aufgewacht und habe beim Kaffee gleich mal alles über Trump und das Attentat erfahren und eine Stunde lang X leer gelesen und als ich damit fertig war, war X schon wieder voll mit neuen Takes und ich glaube, damit könnte man den Tag heute verbringen, X einfach immer wieder neu zu laden.

Unfassbar, dass sonst “Hass im Netz” auf das Schärfste verurteilt wird, aber wenn es gegen das ideologische Feindbild geht, ist es oft gerade für “Mahner” doch irgendwie ok bzw. wird von diesen sogar selbst praktiziert. Ich will gar nicht wiederholen was da einige (auch bekannte) Menschen schreiben, die sich “auf der richtigen” Seite wähnen. Und das alles schreiben sie auf X, wo Musk ja, ihrer Meinung nach, die freie Meinungsäußerung so drastisch beschränkt. Qed, oder wie?

Des Kaisers neue Kleider

Wenn man in den letzten vier Jahren den Glauben an Teile der Medienlandschaft (und der Politik) noch nicht verloren hat, bietet der US-Präsidentschaftswahlkampf jetzt eine neue Chance dazu.

Monatelang wurde vehement negiert, dass Joe Biden zu dement für eine neuerliche Kandidatur sei. Sollte das jemand behaupten, wäre es selbstverständlich “Hatespeech”; Bidens Sprecherin hat noch letzte Woche festgestellt, aktuelle Videos, die Biden verwirrt zeigen, wären Deepfakes, um Biden zu schaden. Nun haben sämtliche Medien und auch viele Demokraten selbst in einer Art konzertierter Aktion ihre Meinung geändert und nach der Debatte mit Trump festgestellt: Biden ist zu dement für eine neuerliche Kandidatur. Was die Vermutung nahelegt, dass zumindest viele in seiner Partei ihn nun doch noch schnell loswerden wollen.

Obwohl natürlich auch vereinzelt wieder Trick 17 zum Einsatz kommt, unter anderem von Barack Obama: Ja, Biden wäre schlecht gewesen, aber alles wäre selbstverständlich besser als Trump. Dass alleine die Behauptung auf der “moralisch guten” Seite zu stehen schon ein Programm darstellen soll, ist ein großer Teil des Problems, nicht nur in den USA.

Interessant sind auch folgende Fragen: Wenn er zu dement für eine neuerliche Kandidatur ist, wer macht seinen Job aktuell? Was sagt diese Vorgehensweise darüber aus, wie glaubwürdig viele Medien insgesamt in der letzten Zeit waren? Und: Ist es wirklich verwunderlich, dass das Vertrauen in Journalismus und Politik immer weiter sinkt?

Safety Issues

Auf Twitter hat ein kanadischer Musikjournalist, dem ich gerne folge, weil er immer interessante Fragen stellt, unlängst dieses von seinen Followern wissen wollen:

Da kamen oft Dinge, die mit Autos zu tun haben – hinten am Pick Up Truck sitzen zum Beispiel, oder ohne Gurt im Auto fahren sowie einiges, was Rauchen betrifft – Rauchen im Büro, im Krankenhaus, aber auch Schokoladenzigaretten für Kinder; sehr oft wurden “Lawn Darts” genannt, was ich erst googlen musste. Aber tatsächlich schrieben die Leute auch sehr häufig sowas wie: Comedy, Fun, Free Speech und Common Sense. Interessant.

Daran musste ich denken, als ich kurz darauf im Kurier ein “Pro und Contra” las, zum Thema: Soll man bei der Fußball WM die Nationalflagge schwenken dürfen. Solche Diskurse führen wir ernsthaft im Jahr 2024? Ich mein: echt jetzt?

Früher war nicht alles besser. Sich als Mensch um mehr Sensibilität und Bewusstsein zu bemühen ist eine gute Idee. Aber irgendwo auf dem Weg haben wir komplett die Verhältnismäßigkeit verloren. Oder wie die Pop-Poeten der 1980er Jahre, Aha, sagten bzw sangen: “It’s not better to be safe than sorry.” Zumindest nicht immer und um jeden Preis.

Dunkelkammer

Ich bin immer auf der Suche nach neuen Podcasts für meine täglichen eineinhalbstündigen (Bandscheibenvorfall-Prophylaxe) Spaziergänge, sehr oft höre ich natürlich was zum Thema Film oder ESC.

Letzte Woche hat halb Twitter dieselbe Podcast-Folge gehört und ich dann natürlich auch, nämlich eine Dunkelkammer Ausgabe mit Veronika Bohrn-Mena. Der Journalist Michael Nikbakhsh nennt diesen, seinen PC den Investigativ Podcast. Und Bohrn-Mena durfte sich dort zu Lena Schilling äußern. Mittlerweile ist das eh schon wieder von neuen Ereignissen überholt worden. Die Geschichte, die Bohrn-Mena schildert, ist recht kompliziert und voller Emotionen und ich habe dabei die ganze Zeit versucht, die essentiellen Informationen zu filtern und zu verstehen. Will da auch gar nicht mehr dazu sagen, es kann sich eh jeder seine Meinung bilden.

Voll gefühlt habe ich allerdings die Passage, als es Bohrn-Mena übel aufstößt, dass Schilling das, was sie tat mit, der “Sorge um eine Freundin” etikettiert und das auch mehrfach wiederholt. Das ist tatsächlich eine Formulierung, die mich persönlich sehr triggert. Nicht, dass es schlecht ist, wenn Freundinnen sich umeinander kümmern, natürlich nicht, aber ich bevorzuge sowas wie: Wie kann ich für dich da sein? Die genannte Formulierung dagegen hat etwas paternalistisches, unter derem Deckmantel werden mitunter recht übergriffige, eigene starke Meinungen mitgeteilt, die auf jemanden treffen, der eh gerade total am Ende ist und dessen Leben dann auch noch fast in Frage gestellt wird. Ich selbst habe bei diesem Satz das Gefühl, als würde mir meine eigene Perspektive genommen werden. Ich habe außerdem den Eindruck, als gehe es dabei eher um die Person, die den Satz ausspricht als um die, die unterstützt werden soll.

Ich hab ja gesagt, es triggert mich, harhar.

Der Anzeigenhauptmeister

Durch das Kind wurde ich auf den sogenannten “Anzeigenhauptmeister” aufmerksam.

Das ist ein 18-jähriger Azubi, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in jeder deutschen Stadt Autobesitzer anzuzeigen, deren Fahrzeuge falsch parken Und zwar nicht im Sinne von verkehrsbehindernd, sondern eher so zehn Zentimeter zu weit links oder zwei Minuten zu lange. Natürlich kann man sagen, das ist extrem ungut und oft trifft er damit Menschen, die eh wenig Geld haben; ich finde es aber vor allem deprimierend, weil ich mir denke, dass der junge Mann eher eine Umarmung oder ein Gespräch bräuchte, als von den Medien, aka Spiegel TV, dem (digitalen) Mob zum Verzehr vorgeworfen zu werden, weil seine Geschichte geht gerade viral.

Ich hab mir dann wieder gedacht, das ist der Grund, weshalb ich dann doch nicht Sozialarbeiterin geworden bin, was ich als Jugendliche mal in Betracht gezogen habe, weil ich sowas nie rational, objektiv und etwas aus Distanz betrachten kann, sondern immer nur emotional und herzzerbrechend und das wäre dann, glaub ich, für niemanden wirklich so ideal gewesen.

BlueSky

Gerade verlassen wieder viele Twitter (X) mit großem Getöse und einem Abschiedsritual, dass The Lord of the Rings – The Return of the King neidisch machen würde.

Da denke ich mir immer, bitte kann man nicht einfach gehen, wenn man keinen Bock mehr hat? Ich war auch schon mal eineinhalb Jahr nicht auf Twitter während der Coronazeit und habe das nicht bekannt gegeben. Warum? Weil es wirklich niemanden interessiert (harhar).

Wirklich lustig ist aber, dass viele Elon Musk boykottieren, weil er angeblich undemokratisch wäre, aber nun zu BlueSky wechseln – Mastodon, die erste Alternative hat sich als Rohrkrepierer erwiesen – wo man von jemanden eingeladen werden muss, einen Code braucht und erst dann teilnehmen kann, wenn man quasi geprüft wurde. Genau mein Humor.

Ich hoffe, alle, die jetzt zu BlueSky gehen, haben genau die Gesinnung und das Vorleben der BlueSky Gründer genau auf den Prüfstand gestellt, bevor sie wechseln.

So genug Sarkasmus, aber das musste gerade sein.

Ideologie

Weil Deborah Feldman im Dezember nach Wien kommt – das ist die, die Unorthodox geschrieben hat und deren Roman dann als Netflix Serie verfilmt wurde (habe ich hier besprochen) – bin ich auf den Podcast Chuzpe- Jung und irgendwie jüdisch gestoßen.

Und da habe ich mir die Folge mit Mirna Funk angehört, eine inspirierende jüdische Autorin, aufgewachsen in der DDR, der ich auch auf Insta folge, und die kein Hehl aus ihren Ansichten (oder auch aus ihrem Sexleben harhar) macht. Jedenfalls wurde sie im Podcast befragt, ob sie Feministin sei und da hat sie was interessantes zum Thema Ideologie gesagt:

“Also erstmal spielt Ideologie nur dahingehend in meinem Leben eine Rolle als dass ich sie ablehne und bekämpfe. Ich hasse Ideologie. Ich bin in einem ideologischen System aufgewachsen und lehne jegliche Ideologie deshalb strikt ab, alles, was ideologische Tendenzen hat, lehne ich strikt ab. Ich lehne sowas ab wie absolute Wahrheiten, die Vorstellung, auf der richtige Seite zu kämpfen, weil es dafür immer sozusagen ein Gegenüber braucht und einen Feind, gegen den sich gerichtet wird, um sich selbst moralisch überlegen zu fühlen. (…) Das ist ein Gebiet, mit dem ich gar nichts zu tun haben möchte.”

Mirna Funk im Podcast Chuzpe – Jung und irgendwie jüdisch

Ah sehr schön, danke, dass das jemand einmal so ausspricht. Ich finde mich da sehr wieder.

Das Schöne daran ist auch, dass man in einer Woche wie dieser, sich über Schrebergärtenumwidmungen gleichermaßen aufregen kann wie über warme Kindermahlzeiten a la Bundeskanzler und nicht – je nach Zugehörigkeit – nur das jeweils andere furchtbar findet, und die eigenen Themen dann geflissentlich ignoriert (auf twitter wunderschön zu beobachten).

Und noch was

Damals, als The Royal Tenenbaums in die Kinos kam, gab es sehr viele gute Kritiken, vor allem für Gene Hackman. Harald Schmidt hat in seiner Late Night Show aus manchen zitiert, eine hat ihn besonders amüsiert, nämlich als der “berühmte Komiker” Hackman gelobt wurde. Schmidt damals zu Andrack: “Ja, der Komiker Gene Hackman. Was haben wir nicht über ihn gelacht in French Connection und Missisippi Burning

Harhar, ja das war ein Überraschungsmoment, dass Hackman in einer seiner tatsächlich letzten Rollen – er lebt noch, aber dreht nicht mehr – eine ganz neue Facette seiner Schauspielkunst zeigt, nichts hartes, unerbittliches, sondern etwas bittersüßes.

Auf Twitter wird gerade diskutiert, was diese Performance so besonders macht und ich bin bei Kyle Le Roy

Hackman war halt schon 70 und Regieanweisungen von Anderson waren ihm wohl im Zweifel egal, deshalb ist seine Darstellung wirklich besonders (selbstbestimmt) im Anderson Universum. Vielleicht empfinde ich The Royal Tenenbaums deshalb als um einiges emotionaler als die anderen fraglos auch sehr guten Werke von Anderson?

Twitter – back again

In der “Corona-Zeit” bin ich bei Twitter ausgestiegen. Die Stimmung war derart aufgeheizt, ich habs nicht mehr ausgehalten. Vor einigen Wochen bin ich zurückgegangen und bin erst mal 1000 Leuten (sic!) entfolgt. Das hat schon mal geholfen. Außerdem hab ich mir neue Wohlfühl-Accounts zum Folgen gesucht – sehr viel ESC-Zeugs. Jedenfalls lese ich jetzt wieder ab und zu und lieber dort mit.

Anlässlich der Hochzeit des deutschen Politikers Christian Lindner konnte man aber wieder schön beobachten, was Twitter ausmacht. Lindner hat groß auf Sylt geheiratet und nun gabs verschiedene, sagen wir mal, Meinungsströme.

  1. Diese Hochzeit ist dekadent und viel zu pompös in dieser Zeit, wo das Fußvolk verzichten soll
  2. Alle, die Meinung 1 vertreten, sind bloß neidisch. #Neidgesellschaft
  3. Sollten zwei Menschen, die beide aus der Kirche ausgetreten sind, kirchlich heiraten (dürfen)?
  4. Warum reisen soviele klimatechnisch bedenklich mit dem Privatflieger an -> woraus wieder eine eigene Klimakrise/Klimaleugnung/ Long Klima (haha) Diskussion entsponnen werden kann
  5. Haben wir keine anderen Sorgen als diese Hochzeit?

Wenn man das so liest und keinen Spaß damit hat, ist man auf Twitter eindeutig falsch.

Mir macht ja eher sowas Spaß:

Ich hab tatsächlich 42 Likes dafür bekommen. Den Film hat offenbar wirklich niemand verstanden und er kam – laut eines anderen Mitdiskutanten – nur deshalb nicht auf obige Liste, weil ihn zu wenig Leute gesehen haben.

Neustart

Normalerweise ist der Jänner ja eher ein ereignisloser Monat, das neue Jahr ist noch nicht so richtig in Schwung und man selber auch nicht. 2022 bildet da für mich eine Ausnahme. Ich habe in diesem Jahr schon einige Dinge gemacht, die mich herausgefordert, die mir Angst gemacht, die mich belastet und dann auch wieder bestärkt haben. Kaum zu glauben, was alles in gerade mal drei Wochen passiert ist.

Jedenfalls weiß ich nicht: liegt es am Alter oder an der Pandemie, an der Politik, an dem, was man mittlerweile täglich in den Medien hört, an den Wechseljahren oder was auch immer, aber erstmals in fast 46 Jahren habe ich einen Zustand einer quasi allumfassenden Wurschtigkeit erreicht. Wo ich mich jahrelang andauernd in Frage gestellt habe, mir alles zu Herzen genommen, mir Sorgen gemacht, die Schuld oft bei mir gesucht und dann auch versucht habe, es allen Recht zu machen, hat mich dieses neue Jahr und Begleitumstände gelehrt: es geht sich nicht mehr aus. Ich höre damit jetzt auf. Es ist mir egal, wer was warum über mich denkt, ich höre auf, mich permanent zu rechtfertigen und zu entschuldigen, ich leb jetzt einfach mein Leben.

Es war natürlich nicht nur dieses neue Jahr, sehr viel habe ich auch bereits im letzten Jahr reflektiert, ich habe beruflich in Access Conciousness hineingeschnuppert, ich habe angefangen aufzuschreiben, was mich glücklich macht, wie ich schnell in einen Zustand innerer Zufriedenheit komme, ich habe Youtube Videos zu Persönlichkeitsentwicklung geschaut und ich habe Menschen kennengelernt, die mir neue Perspektiven gezeigt haben. Gleichzeitig hab ich mit Twitter (das ich mal geliebt habe) und den meisten anderen sozialen Medien aufgehört, ich habe aufgehört ORF (der mich langsam aber sicher wahnsinnig gemacht hat) anzuschauen, meinen generellen Medienkonsum beschränkt und vor allem hab ich einem Menschen geglaubt, der mir sagt, dass ich richtig bin so wie ich bin, und der in der Nacht meine Hand hält, wenn ich unruhig werde.

Fast 46 Jahre hab ich für diese Erkenntnisse gebraucht, das hat so gesehen eh relativ lange gedauert und ich bin mir auch sicher, dass ich in – sagen wir – zehn Jahren noch viel mehr über mich wissen und verstehen werde. Und ich bin sehr gespannt, was das sein wird. Einstweilen mache ich einfach weiter.