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Tick Tick Boom

Der amerikanische Schauspieler und Komponist Lin Manuel Miranda, der für sein Musical Hamilton unter anderem mit acht Tony Awards ausgezeichnet wurde, war ein Fan von Jonathan Larson. Jonathan Larson hat das Musical Rent geschrieben, das derzeit Rang 8 der am längsten ununterbrochen laufenden Broadwaymusicals belegt. Am Tag vor dessen Uraufführung ist Larson 35-jährig gestorben. Lin Manuel Mirandas Film ist die filmische Adaption des gleichnamigen, teils autobiografischen Musicals, dass sich wiederum mit der Entstehung von Larsons Musicals Superbia beschäftigt. Schon ein großes Fragezeichen über dem Kopf?  

Jedenfalls: Jonathan (Andrew Garfield) steht in Tick, Tick…Boom kurz vor seinem 30. Geburtstag. Seit acht Jahren arbeitet er an seinem Debütmusical, mit dem er endlich seinen Durchbruch erreichen will. Entweder das, oder er wird sein Leben ändern. Jonathan lebt das typische Künstler-Boheme Leben – Kellnern in einem Diner, immer knapp bei Kasse, dafür einen schrillen und, nebenbei bemerkt, äußerst diversen Freundeskreis, eine Liebesbeziehung die zu kurz kommt, permanent Musik im Kopf. Bis 30, so meint er, wäre es ok, so ein Leben zu führen, dann muss er es „zu etwas bringen“. Doch eine Woche vor der Uraufführung von Superbia fehlt ihm noch der Hauptsong…

Biopics von KünstlerInnen sind gang und gäbe in Hollywood, man denke nur an Walk the line und Ray, Bohemian Rhapsody oder Rocket Man, um nur einige zu nennen. Die Herausforderung dabei ist es, einen anderen Zugang zu finden als den üblichen, die Sehererwartungen zu unterlaufen, sonst lauert die Gefahr, das übliche Schema abzuspulen, das da wäre: Verzweifelter Jungkünstler muss verschiedenste Hindernisse überwinden, um endlich der zu werden als den sie/ihn die Welt kennt. Bei Tick, Tick…Boom ist eine Abweichung schon insofern gegeben, als Jonathan Larsons Musical Rent zwar weltberühmt, er selbst aber niemals ein Star geworden ist, da er seinen Erfolg nicht mehr erlebt hat. Bei ihm ergeben Eminems Lyrics „Superstardom is close to post mortem” einen neuen Sinn.

Zwar gibt es auch in Tick Tick, …Boom den üblichen Moment, in welchem dem Künstler ein entscheidender Tipp für sein musikalisches Fortkommen gegeben wird, hier: “Schreibe über das, was du kennst” – aber es kommt von seiner schrulligen Agentin, die in diesem Augenblick nur loswerden will, weil sie einen andren Anruf erwartet. Und das tut Larson dann, er schreibt statt Science-Fiction über das was er kennt, das Künstlerleben, seine Angst, nicht genug Zeit zu haben, weil neben ihm Bekannte reihenweise an Aids sterben, seine Liebe zur Musik, dem Gefühl nicht zu genügen – und dabei trägt er Converse und einen dicken Schal, wie der typische Mensch von nebenan. Was er letztendlich auch immer geblieben ist.

Andrew Garfield ist als Jonathan besetzt und diese Rolle scheint für ihn gemacht. Wir kennen Larson nicht, wir haben keine Vorstellung von ihm, aber wir haben das Gefühl, Garfield ist Larson. Er ist besessen von Musik. Garfield singt gut, wenn auch nicht perfekt, tatsächlich ist er als Larson in diesem Film der Conferencier seines eigenen Lebens. Er steht auf einer Bühne und bricht mit der vierten Wand im Theater, was insofern interessant ist, als wir ja einen Spielfilm sehen. Er erzählt dem Publikum sein Leben und die einleitenden Worte sind Programm: “Everything you’re about to see is true – exept for the parts Jonathan made up”.

Das ist so schön und märchenhaft, und bringt dem Publikum diese prickelnde Ungewissheit, nach der es in Wirklichkeit sucht; der Film ist, obwohl wirklich viel gesungen und performt wird – doch auch irgendwie sowas wie Off-Broadway, um in der Theaterszene und Sprache zu bleiben, etwas seltsam, etwas kantig, etwas um die Ecke gedacht, keine glattgebügelte Gewinner-Story. Manchmal denkt man an La La Land, das thematisch relativ ähnlich war und auch keine perfekten Gesangs- und Tanzeinlagen zu bieten hatte, dafür aber ganz viel Charme und Herz

Ganz so sehr wie La La Land hat mich dieser Film jetzt nicht gepackt – dort habe ich monatelang den Soundtrack gehört und konnte die Choreografien auswendig – aber ich mag ihn, besonders seinen Zugang, so ein Film im Film im Film zu sein.

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