almis personal blog

All of Us Strangers

Auf den Film All of Us Strangers freue ich mich schon seit Monaten. Zwar ist die Prämisse etwas eigen, ein Mann in seinen 40-er trifft seine toten Eltern, aber der Hauptdarsteller ist Andrew Scott, bekannt als Priester aus der zweiten Staffel von Fleabag und ihm zur Seite steht Paul Mescal, der in der Serie Normal People (nach dem Buch von Sally Rooney) spielte und voriges Jahr für Aftersun (wunderbarster Film 2022) für den Oscar nominiert wurde. Dazu laufend 1980er Jahre Musik – das Hauptthema ist The Power of Love von Frankie goes to Hollywood – ich meine, was soll da noch schiefgehen? Und wie sich rausstellt: So gut wie nichts.

Der Drehbuchautor Adam (Scott) lebt in einem seelenlosen, praktisch leerstehenden Hochhaus in London, das ehrlich gesagt ein bisschen so aussieht wie der zu trauriger Berühmtheit gelangte Grenfell Tower. Das Haus bewohnt anscheinend niemand außer ihm und ein gewisser Harry (Mescal). Eines Abends, als Adam gerade The Power of love hört, klopft Harry aus fadenscheinigen Gründen bei ihm an und möchte sich selbst einladen, mit dem scherzhaft dahingesagten, es wären “vampires at my door”, eine Anspielung an den FGTH-Song. Schon alleine diese Szene ist perfekt. An diesem Abend passiert aber nichts weiter. Am nächsten Tag fährt Adam zum Haus seiner Kindheit in einem Vorort und trifft dort ziemlich unvermittelt seine Eltern wieder, die bei einem Autounfall gestorben sind, als er 12 Jahre alt war. Bald darauf lädt er Harry zu sich ein….

Dieser Film ist ein emotionales und geheimnisvolles Kunstwerk. Warum Adams Eltern plötzlich wieder da sind – sie sind in dem Alter geblieben, in dem sie verstorben sind, also mittlerweile jünger als Adam – wird nicht thematisiert, als er mit ihnen seine Kindheit aufarbeitet. Das alles ist sehr berührend und ehrlich und mehrdimensional, denn das Verhältnis von Adam zu ihnen war nicht friktionsfrei. Noch stärker fand ich persönlich allerdings die Szenen mit Adam und Harry, die beiden sind “queer” wie es der um einiges jüngere Harry ausdrückt, während Adam es “gay” nennt und sie führen in dem Film keinen einzigen überflüssigen Dialog. Die beiden sprechen nur über die wichtigsten Dinge im Leben und das auf eine so aufmerksame und sensible Art und Weise, dass man eigentlich als Zuseher selbst am liebsten in ihrer Nähe sein würde. Harry wirkt dabei wie der humorvolle Fels in der Brandung, während Adam oft komplett von seinen Gefühlen überwältigt wird.

Viel mehr kann man von diesem Film nicht verraten. Die Dialoge sind teilweise sehr witzig, teilweise gehen sie einem durch und durch. Im Kinosaal wird viel geschluchzt. Alle vier Protagonisten spielen stark und glaubwürdig. Ja, vielleicht kann man sagen, dass manche Dinge nicht ausreichend erklärt werden, manches wenig plausibel ist – aber wie plausibel kann schon erklärt werden, dass jemand plötzlich seine toten Eltern wiedertrifft? Ich würde den Film trotzdem auf keinen Fall als Fantasy bezeichnen, auch wenn er diese “übersinnliche” Komponente hat (wobei ich das hier auch nicht so nennen würde). Vieles funktioniert auch über spezielle Bilder und Kameraperspektiven. Wenn man im Kino nach Filmen sucht, die keine Fragen offen lassen und am Ende alles abgeschlossen ist, dann ist man hier komplett falsch. Dieser Film wirkt so sehr nach, eigentlich fängt er nochmals an, als er zuende ist, weil man über so vieles nachdenken muss, das rätselhaft geblieben ist. Vielleicht auch über sein eigenes Leben.

Das ist außerdem der zweite Film in zwei Monaten (nach Saltburn) in denen die Protagonisten einen Pet Shop Boys Song singen.

Der Trailer:

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