Ich habe bisher noch keinen Michael Haneke Film gesehen. Ich weiß, es ist arg, sich als Cineastin zu bezeichnen und Haneke zu boykottieren, weil man auf gewisse Weise Angst vor seinem Werk hat. Gestern habe ich es aber doch, mit viel Unwohlsein, endlich gewagt, weil im Arthouse Kanal gerade Funny Games läuft.
Funny Games erzählt die Geschichte einer gutsituierten österreichischen Familie, bestehend aus Mutter Anna (Susanne Lothar), Vater Georg (Ulrich Mühe) und dem Sohn Georg junior, genannt Schorschi (Stefan Clapczynski). Sie fahren mit dem Hund in ihr Landhaus, um ein paar unbeschwerte Sommertage zu verbringen, Golf zu spielen, und Ausfahrten mit dem Boot auf dem nahegelegenen See zu unternehmen. Die befreundeten Nachbarn, die sie beim Ankommen treffen, haben offensichtlich Besuch von zwei jungen Männern Peter und Paul. Peter (Frank Giering) kommt schon kurze Zeit später bei der Familie vorbei, um sich im Auftrag der Nachbarn Eier zu borgen, doch dabei handelt es sich nur um einen Vorwand, tatsächlich hat er ein ganz anderes Ansinnen…
ACHTUNG MASSIVE SPOILER

Nachdem ich jetzt also endlich diesen Film gesehen habe, habe ich eigentlich nur eine dringende, aber, wie ich finde, sehr sachliche und wohlreflektierte Verständnisfrage: Was soll dieser kranke Scheiß? Harhar.
Gut, der Fairness halber möchte ich sagen, dass man diese Frage auch Clockwork Orange von Stanley Kubrick stellen könnte. Einem Film, den ich extrem schätze (lieben kann man bei dem Thema kaum sagen), und, der meine unmittelbare Assoziation zu Funny Games war, weil es da wie dort um extrem gewalttätige Home-Invasions geht. Aber als ich Clockwork Orange zum ersten Mal gesehen habe, war ich erheblich jünger, habe, glaub ich, noch mehr ausgehalten und war von Beethoven abgelenkt (bei Haneke ist es Händel). Kubrick hat zwar einen ähnlichen Ansatz, macht aber aus der Problematik skrupellose, wahnsinnige, weiß gekleidete (!) junge Männer, die Gewaltorgien veranstalten, dann doch etwas völlig anderes. Clockwork Orange ist artifiziell überhöht und für mich auch irrsinnig ästhetisch. Der Film wirbelt die Frage nach Schuld und Sühne so komplett durcheinander, dass man am Ende erstmal nicht weiß, wo oben und unten ist.
Das ist bei Haneke anders. Funny Games ist sehr naturalistisch, extrem langsam erzählt, und Fragen werden innerhalb dieses Settings im Prinzip nicht gestellt. Die Fragen gehen nach außen. Man kann Funny Games als Versuchsanordnung sehen, im Sinne von: Ist es nicht das, was wir als Zuseher im Kino sehen wollen, ungeschminkte Brutalität und Gewalt? Sollten wir, wären wir bei Verstand nicht aufspringen, unseren Unmut äußern und diesen Film schon im Ansatz boykottieren? Macht es uns nicht zu Komplizen der Täter, wenn wir einfach gar nichts tun, außer weiter zuzusehen? Auf dieser Ebene funktioniert Funny Games tatsächlich zumindest als Experiment ganz gut. Andererseits könnte man aber auch sagen, Haneke spielt sich als moralische Instanz auf, sein Film macht aber dann formal auch nichts anderes als das von ihm kritisierte.
Tatsächlich haben mir bei Funny Games die, eher seltenen, subtilen Elemente am besten gefallen. Gleich ganz zu Beginn etwa, als die Familie in ihrem Domizil ankommt und über den Zaun hinweg mit den Nachbarn redet. Die Nachbarn verhalten sich körpersprachlich und in ihrer Art zu sprechen so eigenartig, dass das auch für den Zuseher ganz merkwürdig erscheint. Anna und Georg artikulieren diese Beobachtung und suchen die Schuld gleich mal bei sich. Sind die Nachbarn sauer, haben sie selbst vielleicht etwas falsch gemacht? Tatsächlich, und das merkt man dann im weiteren Verlauf des Filmes, haben Peter und Paul einfach zu diesem Zeitpunkt die Nachbarn schon in ihrer Gewalt, tun das, was sie bald darauf mit Anna, Georg und Georg Junior machen werden, nämlich kranke “Spiele” spielen. Die Vorstellung finde ich jedenfalls extrem unangenehm, dass niemanden geholfen werden kann, obwohl die anderen ja noch “frei” waren. Und: Während Peter irgendwie ein Komplexler ist, der gefühlsmäßig in diese “Sache” irgendwie hineinstolpert, ist Paul (Arno Frisch) das personifizierte Böse und das macht er sehr gut.
Haneke hat zehn Jahre später eine US Version dieses Filmes gedreht, die offenbar Szene für Szene komplett gleich aufgebaut ist, nur eben mit amerikanischen Schauspielern, warum weiß ich nicht.
Zum Abschluss eine Überlegung, die ein letterboxd User angestellt hat, und sie ist nicht ganz unberechtigt: “Has Michael Haneke ever experienced a positive emotion in his life?” Harhar.
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